- Tertiär
Tertiär (v. lat.), die dritte Stelle in einer Folge einnehmend. Daher Tertiärformation (Molassengebirge), der Inbegriff der neptunischen Gesteinsschichten, deren Bildung nach der Ablagerung der Kreideformation u. vor der des Diluviums erfolgt ist (s. Geologie S. 188). Die Schichten dieser Formation sind nicht sowohl durch eine eigenthümliche Beschaffenheit ausgezeichnet, als vielmehr durch die große Menge der in ihnen vorkommenden organischen Überreste u. deren Ähnlichkeit mit den Geschöpfen der gegenwärtigen Periode. Besonders charakteristisch für die Tertiärformation sind die zahlreichen Säugethierreste, welche in ihren Schichten angetroffen werden. Wie in älteren Formationen wechseln auch hier Sandsteine, Kalksteine, Mergel-, Thon- u. Kohlenlager mit einander ab, die letzteren sind die Braunkohlen; aber während die früheren Formationen vorzugsweise Meeresbildungen waren, so stellen sich denselben in der Tertiärformation zahlreiche Süßwasserbildungen entgegen u. treten mit diesen in vielfachen Wechsel. Man unterscheidet untere, mittlere u. obere Tertiärschichten, od. nach dem französischen Naturforscher Deshayes Eocen-, Miocen- u. Pliocenformation, weil in den untersten Schichten weit weniger fossile Überreste mit den lebenden Arten übereinstimmen, als in den mittleren, in den oberen aber die Menge der übereinstimmenden Arten noch mehr zunimmt. Die ältesten Schichten der unteren Tertiärformation sind die mächtigen Nummuliten- u. Melonitenkalksteine von Südeuropa, Nordafrika u. Vorderasien u. manche an Fischabdrücken reiche Schiefer; im Pariser Becken, wo die Reihenfolge der tertiären Schichten sich sehr vollständig verfolgen läßt, lagern zu unterst die Pisolithenkalke, blätterige Mergel mit Überresten von Conchylien, Strahlthieren u. Korallen u. über diesen die auch in vielen Gegenden Deutschlands auftretende Braunkohlenformation (s.d.) mit Thon- u. Sandlagern, zwischen denen die Kohlenflötze eingeschlossen sind. Hierauf folgt die im Pariser Becken sehr stark entwickelte Grobkalkformation, deren Hauptmasse der Grobkalk ist, ein [394] Kalkstein von grauer, gelber od. bräunlicher Farbe; er ist bald fest, bald locker u. zuweilen fast erdig; stellenweis schließt er Sandkörner in großer Menge ein u. erhält dadurch ein rauhes Ansehen; oft führt er Chloritblättchen; er wird durch Süßwasserbildungen bedeckt, bestehend aus kieseligen Kalksteinen, Gyps, zu welchem der Gyps des Montmartre gehört, mit zahlreichen Säugethierknochen u. Mergel mit fossilen Palmenstämmen. Im Becken von London wird diese Eocenformation durch den sogenannten Londonthon, in der Schweiz zum Theil durch einen Sandstein, die sogenannte Molasse, vertreten. Die Molasse, welche auch den mittleren u. oberen Tertiärschichten anderer Gegenden entspricht, breitet sich auf dem weiten Gebiete zwischen dem Genfersee u. Bodensee aus, findet sich aber sonst nirgends; sie zeigt nur stellenweis den Charakter eines feinkörnigen Sandsteines, ist dann meist mit Glimmerblättchen gemischt u. findet als Baustein eine ausgedehnte Anwendung; zuweilen ist die Masse gemengt mit Körnern von Feldspath, Kalk u.a. Gesteinen, wird dann rauh, grobkörnig u. lose u. geht in wirkliches Conglomerat über. Oft erhebt sich solches Conglomeratgestein zu steilen Wänden, an denen durch Verwitterung die verbindende Grundmasse verschwunden ist, während die härteren Bruchstücken der älteren Gesteine aus der Masse hervorragen, wie Nagelköpfe, welche neben einander in die Felswände eingehauen erscheinen, daher rührt die für solche grobkörnige Molasse gebräuchliche Benennung Nagelflüh. An manchen Orten sind den Molasseschichten Braunkohlenflötze mit zahlreichen thierischen u. pflanzlichen Überresten eingelagert. Die mitteltertiären miocenen Schichten werden im Pariser Becken von Kalksteinen, Thonmergeln u. glimmerreichem Sand, welcher nach oben zu in einen festeren Sandstein übergeht u. zahlreiche Überreste von Meeresbewohnern einschließt, gebildet; darüber breitet sich als oberstes Glied Süßwasserquarz, ein fester, kieseliger Sandstein mit Süßwasserconchylien; auch die marinen u. sumpfigen Bildungen des südlichen Frankreichs u. die als Fahluns unterschiedenen muschelreichen Mergel des Loirethales bei Tours u. Blois gehören hierher. In der Gegend von Wien treten als mitteltertiäre Schichten sogenannte Tegelgebilde auf, bestehend aus blauem Thon (Tegel) u. theils lose, theils zu Sandstein verhärtete kalkige Sandmassen von gelber od. bläulicher Farbe mit einem außerordentlichen Reichthum an Meeres- u. Süßwasserconchylien, daher die Namen Muschelsand u. Muschelsandstein für diese Schichten. Die oberen tertiären, pliocenen Schichten werden meist als eine selbständige Gruppe unter dem Namen Subapenninenformation zusammengefaßt, weil sie am Fuße dieses Gebirges zu beiden Seiten sehr mächtig entwickelt sind; sie bestehen hier meist aus Sand- u. Mergelschichten, welche vielfach mit einander wechseln u. zahlreiche Überreste von Meeresgeschöpfen einschließen; zwischen ihnen treten auch Süßwasserkalk u.a. Süßwasserbildungen mit Säugethierknochen auf. Große Ausdehnung erreichen diese pliocenen Schichten in Spanien u. Südfrankreich; in England treten sie als Crag in Norfolk u. Suffolk, an den Ufern der Rhône bei Lyon, am Rhein stellenweis von Basel bis Bonn, als Löß, ein Gemisch von Lehm, Kalk, Sand u. Glimmerblättchen, auf. Auch Braunkohlenlager mit den sie umschließenden Thon- u. Sandschichten finden sich in dieser Formation. Im Mainzer u. Wiener Becken werden die pliocenen Schichten von Süßwasserkalk, im Pariser Becken von Süßwasserquarz (Meulière) u. Süßwassermérget gebildet; auch gehören hierher die Polirschiefer der Gegend von Bilin in Böhmen u. das Steinsalzlager von Wieliczka.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.