Mumien

Mumien

Mumien (nach Ein. v. arab. so v.w. Gesalzenes, nach And. v. [pers. od.] tibetan. Mum. dem gummiartigen Überzug, mit welchem bes. die tibetanischen Buddhisten die Todten firnißten), 1) durch Einbalsamiren erhaltene Todtenkörper der alten Agyptier. Man findet in den Todtenkammern des alten Memphis, in den beiden Gebirgsketten zur Seite des Nils von Kairo bis Syene, in der Nähe der Fläche, auf welcher einst Theben stand, an der Libyschen Gebirgskette, in der Fläche von Sakkara, eine unzählige Menge von Grüften, welche in einer Tiefe von etwa 10 Fuß mit einbalsamirten Menschen- u. Thierkörpern (Thiermumien, bes. Thierköpfen, vorzüglich von Stieren, Schafen, ganzen Füchsen, Affen, Katzen, Fledermäusen, Vögeln, def. Ibis, Krokodilen, Fischen, doch immer von Menschenmumien geschieden) angefüllt sind. Man findet theils in Grüften, theils in ihnen in Nischen, ein od. zwei wohlerhaltene M. zusammen. In neuerer Zeit hat man auch eine namhafte Menge M. nach Europa gebracht u. in archäologischen Sammlungen aufgestellt. Die M. haben zum Theil auf der linken Seite unter der Achselgrube eine Öffnung von 21/2 Zoll, welche bis in die Unterleibshöhle sich erstreckt, theils ist der Körper ganz unversehrt. Unter beiden Arten findet man mehre, wo die Nasenwand zerstört u. auch das Siebbein zerbrochen ist, andere aber auch, bei denen diese Theile unverletzt sind, also das Herausnehmen des Gehirns vor dem Einbalsamiren unterblieben ist. Unter den M. mit einer Öffnung auf der linken Seite ist ein Theil unter Anwendung von gerbestoffhaltigen u. balsamischen Mitteln, ein anderer Theil durch mineralische Stoffe conservirt worden. Die auf erstere Art zubereiteten M. sind theils mit einer Mischung aromatischer Harze, theils mit Asphalt angefüllt. Die ersteren sind leicht an Gewicht, leicht zu entwickeln, aber auch leicht zerbrechlich; sie lassen noch deutlich die Gesichtszüge erkennen, besitzen häufig noch alle ihre Zähne, Kopfhaare u. Augenbrauen; einige findet man über den ganzen Körper vergoldet, bei. andern sind dies nur das Gesicht, die Geschlechtstheile, Hände u. Füße; sie bleiben unverändert, so lange man sie an einem trockenen Orte aufbewahrt; aber entwickelt u. der Luft ausgesetzt, ziehen sie Feuchtigkeit an u. verbreiten nach wenigen Tagen einen widrigen Geruch. Die mit Asphalt angefüllten M. sind röthlich; sie kommen weit häufiger vor, sind schwer, geruchlos, nicht leicht zu entwickeln u. zu zerbrechen u. nur wenig Veränderungen unterworfen, indem sie die Feuchtigkeit aus der Luft nicht anziehen. Die Leichen der Vornehmen wurden, nachdem sie aufgeschnitten u. von den Eingeweiden befreit worden waren, mit Palmwein ausgewaschen, dann mit wohlriechenden Specereien, Myrrhen, Kassin etc. gefüllt u. wieder zugenäht; darauf lagen sie einige Zeit in einer Auflösung von Natron n., nachdem sie zum zweiten Male gewaschen u. mit Gummi überstrichen waren, wurde jeder einzelne Theil mit Binden von seinem Zeug umwunden u. das Ganze in Decken gewickelt. Die M. ersten Ranges erhielten noch einen aus zusammengeleimtem Kattun u. Gyps bestehenden Überzug, welcher mit Hieroglyphen beschrieben wurde u. das Gesicht durch eine Abbildung angedeutet erhielt. Eine geringere Sorte M., welche zugleich die gemeinsten sind, sind mit Pißasphalt conservirt; sie sind schwer, hart, schwarz, von durchdringendem, widerlichem Geruch, nicht leicht zu zerbrechen, haarlos, ohne Vergoldung; nur einige haben die Handflächen, Fußsohlen, Nägel roth gefärbt. Übrigens sind sie wenigen Veränderungen unterworfen, aber der Feuchtigkeit ausgesetzt, bekommen auch sie einen salzigen Überzug. Alle diese verschiedenen Arten von M. finden sich mit vieler Künstlichkeit in eigenen Hüllen eingewickelt, welche aus einer Menge (15–20) leinenen Binden von mehrer od. minderer Feinheit bestehen, von denen eine über die andere gelegt ist; zuerst ist nur ein einzelnes Glied damit umwunden; über diese weg umgeben aber andere den ganzen Körper. Meist ist der balsamirte Körper zunächst mit einem engen Hemde bekleidet, welches auf dem Rücken zusammengeschnürt ist; statt dessen findet sich aber wohl auch eine breite Binde, die um den ganzen Körper herumgeht; der Kopf ist mit einem viereckigen Stück seiner Leinwand bedeckt, welches auf dem Gesicht eine Art Maske bildet; zuweilen finden sich dergleichen 5–6 über einander, von denen das äußerste meist bemalt od. vergoldet ist u. das Gesicht der balsamirten Leiche darstellt Über die mit Harz durchzogenen Binden, welche die einzelnen äußeren Glieder umgeben, werden die zusammengestellten Füße u. die über die Brust gekreuzten Arme von andern Binden in dieser Lage erhalten; die letzten, den ganzen Körper einhüllenden, mit vieler Kunst u. Symmetrie sich kreuzenden Binden sind gewöhnlich mit hieroglyphischen Figuren versehen. Unmittelbar nach der ersten Binde finden sich verschiedene Idole von Gold, Bronze, gebrannter, mit Firniß überzogener Erde, von vergoldetem od. bemaltem Holze, beschriebene Rollen von Papyrus u. andere Gegenstände. Das Behältniß, in welches die M. zunächst gelegt wurden, besteht gewöhnlich aus einer Art Pappe, aus mehren auf einander geleimten Stücken Leinwand gebildet; dieses Behältniß ist von einem zweiten hölzernen, aus Sykomoren- od. Cedernholze bereiteten eingeschlossen, von der Größe des Körpers, welcher in[524] ihm aufgenommen ist, u. dem es selbst gleicht, aus zwei Stücken, einem oberen u. einem unteren, zusammengesetzt, welche durch kleine Holznägel u. dünne, leinene Schnuren verbunden sind. Diese Kästen sind dann noch mit einem einfachen Überzug von Gyps umgeben, od. mit Firniß überzogen u. ebenfalls mit hieroglyphischen Figuren verziert. Die gefundenen M. u. ihre Einbalsamirung entsprechen übrigens vollkommen den Beschreibungen des Herodot u. Diodor, von den drei mehr od. minder kostspieligen Einbalsamirungsweisen der Ägyptier; bes. spielte die Legung des Leichnams 70 Tage lang in Natron dabei eine große Rolle; auch war eine Hitze von über 100° C. dabei sehr wirksam, so daß der Leichnam getrocknet wurde; vgl. Einbalsamirung, s. auch Gannal. Die arabischen Ärzte schrieben den ägyptischen M. große Wirksamkeit in Krankheiten zu, bes. als stärkendem u. belebendem Mittel (Mumia vera). Es wurden hierzu bes., die mit Pißasphalt zubereiteten M. verwendet. 2) Ähnlich erhaltene Menschenkörper (Xaxos) findet man auch in anderen Gegenden: auf Palma, Ferro, Canaria u. Teneriffa in eigenen Katakomben; sie stammen von der Zeit der Guanchen her, zeichnen sich durch Trockenheit, Leichtigkeit, gelbe Farbe u. starken Geruch aus, sind in Ziegenfelle eingenäht u. übrigens gut erhalten; man schloß sie in Kästen von Sabinaholz, indem man sie so zusammenband, daß der Kopf des Einen mit den Füßen des Anderen zusammenstieß. Auch in Mexico fand Humboldt ähnlich zubereitete M. Auch die alten Peruaner verstanden sich darauf, die Leichen ihrer Yncas unversehrt zu erhalten; vgl. Einbalsamirung. 3) Durch Zufall vertrocknete, verschrumpfte u. geschwärzte Leichen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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