- Altenburg [1]
Altenburg, 1) Herzogthum A., s. Sachsen-Altenburg (Geogr., Statist. u. Gesch.); 2) Haupt- u. Residenzstadt des Herzogthums, im sogenannten Osterlande, 1/2 Stunde westlich von der Pleiße, an der Sächsisch-Baierschen zwischen Leipzig u. A. im Sept. 1842 eröffneten Eisenbahn, wohl gebaut, doch mit sehr bergigen Straßen; Sitz der obersten[360] Landesbehörden, des Kreishauptmanns, der Landesbank, zweier Gerichtsämter über 181 Ortschaften, eines Rentamts, eines Hauptsteueramts für directe u. indirecte Steuern mit Packhof, einer Generalsuperintendur für die Stadt u. einer Landephorie für die Bezirke der beiden Gerichtsämter A. u. des Gerichtsamts Lucka (s.d.), mit 33 Pfarr-, 26 Tochterkirchen u. 50 Schulen, eines Forst- u. eines Postamts, eines Stadtgerichts, einer Polizeidirection. Das herzogliche Residenzschloß vor der Stadt auf einem Porphyrfelsen mit schöner, alter Kirche, sonst Collegiatstiftskirche vom Hochstift Naumburg, ist eins der größeren Deutschlands u. schön eingerichtet. Außerdem zu bemerken: der Pohlhof (Rittergut mit Grundbesitz, im Gehöfte das v. Lindenau'sche [s.d.] dem Staat geschenkte Museum mit Kunstunterrichtsanstalt), die Rothen Spitzen (ehemaliges, 1172 vom Kaiser Friedrich I. gegründetes Augustinermönchskloster, j. Landesgefängniß) etc.; der gartenähnlich eingerichtete Gottesacker mit erneuter Kirche u. mit der 1840 im gothischen Baustyl erbauten Fürstengruft; Bildungs- u. Unterrichtsanstalten: das freie adelige Magdalenen-Stift (gegründet 1705), eine Erziehungsanstalt für lutherische Fräuleins, zugleich standesmäßige Versorgungsanstalt für einige adelige Damen, das Friedrichs-Gymnasium mit neuem, 1841 vollendetem Gebäude (Josephinum), Schullehrerseminar, Bürgerschulen für Knaben u. Mädchen, Karolinenschule für Töchter der höheren Stände, v. Lindenau'sche Kunstschule, Kunst- u. Handwerksschule für Gesellen u. Lehrlinge, Winterschule für junge Landwirthe, Kleinkinderbewahranstalt (Amalienstiftung), Arbeitsschulen für arme Knaben u. Mädchen; Wohlthätigkeitsanstalten: Kranken- u. Irrenheilanstalt, Hospital zum heiligen Geist für arme Bürger (mit Grundbesitz u. 66, 000 Thlr. Capital, erweitert seit 1845 durch einen ansehnlichen Anbau) etc.; schöne Promenaden im Schloßgarten u. in den sich daran anschließenden neuen Anlagen, mit welchen auch die Anhöhe unsern des Bahnhofs (Plateau), mit schönem Restaurationsgebäude verbunden ist, u. bes. auf dem, den großen Teich umgebenden Damme mit Kastanien- u. Lindenalleen; mehrere Geselligkeitsvereine mit bes. Localen, z.B. Casino, Concordia; Freimaurerloge (Archimedes zu den 3 Reißbretern, eine der ältesten in Deutschland, gestiftet 1742, Gründerin einer Sparcasse seit 1825 mit 200, 000 Thlr. eingeliehenem Capital); Fabrikation von Schnupftabak, Cigarren, bunten wollenen Strickgarnen, Handschuhen, Dosen, Bürsten, Malerpinseln, Porcellanmalerei, Siegellack; in der Nähe bedeutende Braunkohlengruben; auch Ökonomiebetrieb, starke Brauerei in dem Communbraugehöft; Handel: bei. Wechsel- u. Transitogeschäft, Getreidehandel, 3 Buchhandlungen; 16,200 Ew. – Das Schloß von A. ist wahrscheinlich im 9. od. 16. Jahrh. gebaut u. wurde unter den Hohenstaufen Reichsburg; die Umgegend war Reichsland u. von kaiserlichen Burggrafen (s. u. 3) regiert, die nebst dem pleißnischen Landrichter u. Burgmännern ihre Wohnung auf dem Schloß hatten. Die hohenstaufischen Kaiser kamen oft nach A., bes. Friedrich Barbarossa. Kaiser Friedrich II. verpfändete A. nebst Chemnitz u. Zwickau dem Markgrafen Heinrich dem Erlauchten von Meißen als Mitgift seiner Tochter Margarethe, die noch als Kind mit Heinrichs Sohn, Albrecht dem Unartigen, verlobt ward, u. Albrecht nahm um 1250 wirklich von A. Besitz. Albrecht der Unartige u. seine Söhne behielten A., immer um den Besitz hadernd (wobei Albrecht von Braunschweig 1263 A. belagerte), u. Heinrich der Jüngere nahm sein Hoflager meist in A. Nach seinem Tode aber übernahmen die Markgrafen von Meißen die Provinz bis 1290, wo Rudolf von Habsburg A. u. den Pleißengau wieder einlöste, nachdem er dieselben schon zwischen 1282–86 kurze Zeit wieder an sich gebracht hatte. 1292 verpfändete Kaiser Adolf A. an den König Wenzel von Böhmen; in Folge davon kam der Kaiser mit dem Markgrafen Friedrich dem Gebissenen in Conflict; der Kaiser Adolf ließ den Markgrafen nach A. entbieten u. ließ (um Weihnachten 1295) einen Mordanschlag gegen denselben machen, doch wurde der Markgraf durch einen Freiberger Bürger (Johannes Lotzke) gerettet. 1307 schwand die kaiserl. Gewalt durch die Schlacht bei Lucka, u. seitdem blieb A. beim Hause Meißen; doch erst 1329, als der letzte Burggraf von A., Albrecht IV., gestorben war, erhielt Friedrich der Ernsthafte von dem Kaiser Ludwig A. in Lehn. Später war A. oft Aufenthalt meißnischer Markgrafen u. Friedrich der Strenge (1381), Wilhelm der Reiche (Gründer des seit der Reformation säcularisirten St. Georgen-Stifts auf dem Schlosse, gest. 1425) u. Friedrich der Streitbare (1428) starben hier. 1430 wurde A. von den Hussiten eingenommen u. in Brand gesteckt, nur das Schloß hielt sich. In der Nacht vom 7. zum 8. Juli 1455 wurden die Söhne Friedrichs des Sanftmüthigen, Ernst u. Albrecht, aus dem Schloß zu A. geraubt (s. Prinzenraub), jedoch nach einigen Tagen wieder befreit u. nach A. zurückgeführt. Ihre Mutter, Margarethe von Österreich, erhielt A. zum Witthum u. st. 1486 daselbst. 1519 hier Unterredung zwischen Luther u. dem päpstlichen Kämmerer von Miltitz über den Ablaß. Die Reformation wurde in A. früh eingeführt, bes. durch Spalatin, welcher hier Domherr, dann Oberpfarrer u. Superintendent war. Hier Colloquium zwischen den kurfürstlichen u. herzoglich sächsischen Theologen wegen Beilegung der Majoristischen, Synergistischen u. Adiaphoristischen Streitigkeiten (1568–69). Hier am 13. Febr. 1640 Erbvertrag zwischen den Herzögen Albrecht u. Ernst von Weimar u. Friedrich Wilhelm II. von A., wodurch der Letztere die Koburgischen Lande erhielt. Über die Gelangung A-s an die ältere Linie Sachsen-A., deren Aussterben 1672 u. Gelangung A-s an das Haus Sachsen-Gotha, u. nach dessen Aussterben an die neue Linie Sachsen-A., früher Hildburghausen, s. Sachsen-Altenburg (Gesch.). Durch letztere Übereinkunft wurde A. 1826 wieder Residenz der neuen Altenburgischen Linie. Hier am 28. Sept. 1813 Gefecht zwischen den Russen u. Österreichern unter Platow u. den Franzosen unter Lefebvre, Letztere besiegt; am 14. u. 15. Oct. 1813 das Hauptquartier des Kaisers Alexanders u. der Generale der großen böhmischen Armee. Im Septbr. 1830 demokratische Unruhen, welche sich im Jahre 1848 in größerem Maßstabe wiederholten; s. ebd. Ihre Versammlungen hielten hier: 1843 die deutschen Land- u. Forstwirthe; 1852 die deutschen Ornithologen; 1854 die deutschen Philologen, Schulmänner u. Orientalisten; 1856 die deutschen Realschulmänner. Huth, Geschichte der Stadt A. zur Zeit ihrer [361] Reichsunmittelbarkeit, Altenb. 1829; I. Löbe, Beschreibung der Residenzstadt A., ebd. 1841,2. A. 1848. 3) Die Burggrafschaft A. Vormals war in A., als einer kaiserlichen Stadt, ein bloser Castellan, im 12. Jahrh. erhielt der Castellan auf der A. in Pleißen eine höhere Bestimmung, indem ihm außer den militärischen Functionen auch noch die Gerichtsbarkeit u. die polizeiliche Aufsicht über die Stadt anvertraut wurde. Die A-er Burggrafen waren mit denen zu Leißnig verwandt u. besaßen Penig, Rochsburg, Flößberg, Frohburg etc. Der erste derselben war Heinrich I., er kommt 1172 urkundlich vor u. st. um 1200; sein Sohn Dietrich I. hielt es in dem Streite zwischen den Kaisern Philipp u. Otto mit dem Ersteren u. st. vor 1210; sein Bruder Albrecht I. verließ nach der Wahl des Kaisers Friedrich die Partei Ottos IV. u. brachte große Opfer im Dienste des Kaisers; er st. 1228, sein Sohn Albrecht II. aber zwischen 1263 u. 1275, dessen ältester Sohn Albrecht III. 1279. Auf Albrecht III. folgte sein ältester Sohn Heinrich II., der 1291 st. Zwar hatte er noch 2 Brüder, Dietrich u. Heinrich, allein sie waren beide in den Deutschen Orden getreten, u. der Erstere wurde Hoch- u. Deutschmeister in Preußen 1335–41, s. Preußen (Gesch.), daher folgte ihm sein Oheim Dietrich II., Albrechts II. 2. Sohn, dieser st. 1301, gefolgt von seinem älteren Sohn Albrecht IV. Dieser stand bei dem Markgrafen Friedrich von Meißen in großem Ansehen. Da Albrecht IV. 1329 ohne männliche Nachkommen st., kamen die burggräflichen Güter an den Burggrafen Otto von Leißnig, den Gemahl seiner Tochter Elisabeth, die Burggrafschaft aber, als eröffnetes Reichslehn, fiel an den Landgrafen Friedrich den Ernsthaften von Thüringen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.