Bibliogrăphie

Bibliogrăphie

Bibliogrăphie (v. gr., bisweilen auch Bibliognosie od. Bibliologie), nennt man die Wissenschaft, welche sich mit der Kenntniß u. Beschreibung der schriftstellerischen Erzeugnisse (Bücher), der gedruckten u. ungedruckten, der noch vorhandenen, wie der bereits untergegangenen, aller Völker u. Zeiten beschäftigt. Sie ist eine historische Wissenschaft u. verhält sich wie die Quellenkunde zur politischen Geschichte, die Kunde von den Kunstdenkmälern zur Kunstgeschichte; die bibliographischen Werke sind daher gewissermaßen die Diplomatarien der Geschichtschreiber der Literatur u. Gelehrsamkeit. Die B. läßt sich theils rein wissenschaftlich od. historisch, theils auch mit Rücksicht auf praktische Zwecke behandeln. A) Die wissenschaftliche B. beschreibt die Bücher nur um ihrer selbst willen, ohne Rücksicht auf ihren ästhetischen od. scientifischen Werth. In einem allgemeinen Theile bietet sie die Geschichte des Bücherwesens überhaupt u. berichtet über die Form u. Einrichtung der Bücher bei den Griechen u. Römern, den Orientalen u. im Mittelalter, sowie bes. auch seit Erfindung der Buchdruckerkunst. Der besondere Theil der historischen B. beschreibt die literarischen Erzeugnisse der verschiedenen Völker; sie berichtet über das Äußere (Stärke, Größe, Eintheilung etc.), die Zeit u. den Ort der Abfassung u. des Erscheinens, über Ursprung u. Zweck, den Verfasser u. Verbreiter, über sonstige Schicksale u. dgl. Zu einer genauen bibliographischen Beschreibung eines neueren Druckwerks gehört der Name des Verfassers nebst (deutlich abgekürztem) Vornamen, der vollständige Titel des Buchs, Druckort u. Verleger (od. Drucker), Seitenzahl, Format, artistische od. kartographische Beilagen; bei älteren Drucken pflegt man außer dem Buchdrucker noch Angaben über die Schrift, die typographische Einrichtung etc.[735] hinzuzufügen. Urtheile über den ästhetischen od. wissenschaftlichen Werth der Bücher gehören eigentlich nicht in bibliographische Werke, wie denn auch genauere bibliographische Angaben nicht nothwendig in die Literaturgeschichte gehören; doch gehören manche literar-historische Arbeiten mehr der B. an, als der Literaturgeschichte. Ein Werk, was die gesammte Literatur aller Völker u. Zeiten bibliographisch umfaßte, ist bis jetzt noch nicht vorhanden; das Vollständigste bieten bis jetzt die literar-historischen Werke von Gräße (s.d.); dagegen liegen bereits eine Anzahl zum Theil treffliche Arbeiten über die Literaturen einzelner Völker u. einzelner Wissenschaften, sowie zahlreiche Monographien vor. In Bezug auf die Behandlungsweise herrscht die tabellarische vor; nur Einzelne, wie z.B. Gödeke im Grundriß zur Geschichte der deutschen Poesie (Hann. 1857), bedienen sich der historisch-systematischen Darlegung. Je nach Bedürfniß werden die bibliographischen Angaben chronologisch (nach dem Jahre des Erscheinens), od. systematisch, od. alphabetisch (nach den Verfassern, oft auch in Verbindung mit biographischen Notizen über dieselben) angeordnet. In die letztere Kategorie gehören die sogenannten Gelehrten- u. Schriftstellerlexika. Beispielsweise sind als gute bibliographische Arbeiten zu nennen unter denen über die Literaturen einzelner Nationen: Gamba, Serie de' testi, Ven. 1839, 4. A., für Italien; Lowndes, Bibliographer's manual, Lond. 1834, 4 Bde., für England; Sopikow, Bibliografia Russkaja, Petersb. 1813–21, 5 Bde., für Rußland; Fürst, Bibliotheca iudaica, Lpz. 1850–55, 3 Bde.; Jungmann, Geschichte der Böhmischen Sprache u. Literatur, Prag 1848, böhm., 2. A.; Gildemeister, Bib liothecae sanscritae specimen, Bonn 1847; Möbius, Catalogus librorum islandicorum et norwegicorum, Lpz. 1856; A. Lonkay, Ismertetese a magyar irodalom, Ofen u. Pesth 1855–56, 2 Bde., für die Ungarische Literatur; A. Papadopulos Vretos, Νεοελληνικὴ φιλολογία. Ath. 1854,1. Bd., für das Neugriechische; Long, Bibliotheca bengalica, Calc. 1855, etc. Ein derartiges Werk über die gesammte Deutsche Literatur mangelt, doch wurde die Deutsche Literatur seit 1750 von Ersch im Handbuch der Deutschen Literatur, Lpz. 1822–40, 2. A., 4 Bde., 3. A. von Geißler 1845 f. vortrefflich zusammengestellt. Über einzelne Wissenschaften u. Disciplinen sind als mustergültig zu bezeichnen: Pritzel, Thesaurus literaturae botanicae, Lpz. 1847–61, Supplem, von Zucholdt, ebd. 1854; Öttinger, Bibliographie biographique, Brüss. 1855, 2 Bde., 2. A.; Choulant, Bibliotheca medico-historica, Lpz. 1842, 2. A.; Schweigger, Handbuch der klassischen Bibliographie, ebd. 1830–44, 3 Bde.; Winer, Handbuch der theologischen Literatur (ebd. 1837–40, 2 Bde.), 3. A., Ergänzung 1842; Schletter, Handbuch der juristischen Literatur, Grimma 1840–43, 1. Bd.; Bernd, Schriftenkunde der Wappenwissenschaft, Bonn 1830–41, 4 Bde.; Becker, Darstellung der musikalischen Literatur, Lpz. 1836, 2 Thle., Nachtrag 1839; Trübner, Bibliotheca glottica 1. Bd., American languages, by Ludewig, Lond. 1857; Coletti, Bibliografia sanitaria, Flor. 1856 f., u. v. a. Die Monographien beschäftigen sich mit den Schriften über einzelne Ländern. Orte, wie z.B. Walther, Literarisches Handbuch für Geschichte u. Landeskunde von Hessen, Darmst. 1841, Nachtrag 1850; Predari, Bibliotheca milanese, Mail. 1857; Figueira, Bibliotheca portugueza hist., Lissab. 1850; A. Narbone, Bibliotheca Sicula, Palermo 1850–56, 4 Bde.; Valentinelli, Bibliografia della Dalmazia e del Montenegro, Agr. 1856, etc.; über einzelne Begebenheiten u. Ereignisse, wie z.B. über das Reformationsjubelfest; Moreau's Bibliographie des Mazarinades, Par. 1853–54, 3 Bde., etc.; über einzelne berühmte Persönlichkeiten u. ihre literarischen Productionen, wie z.B. über Luther, über Goethe (von Hirzel, Lpz. 1849), über Schiller (von Hartung, Lpz. 1855), über Dante (Colomb de Batines, Bibliografia Dantesca, Prato 1845–48, 1. u. 2. Bd.), über Shakespeare (von Halliwell, Lond. 1841; von Sillig, Lpz. 1854), über Lamennais (von Quérard, Par. 1849) etc.; über besondere Gegenstände, wie z.B. Wackernagel, B. des deutschen Kirchenliedes, Frankf. 1854–55, 2 Thle.; Gräße, Bibliotheca magica, Lpz. 1843; Kloß, B. der Freimaurerei, Frkf. 1844, Ergänzung von Barthelmeß, New-York 1856; Duplettis, Bibliogr. parémiographique, Paris 1846; Zacher, Literatur der deutschen Sprüchwörtersammlungen, Lpz. 1843; Trömel, Literatur der deutschen Mundarten, Lpz. 1843–44; Schmid, Literatur des Schachspiels, Wien 1847; Peters, Die Faustliteratur, Lpz. 1856, 2. A., etc. Die Schriftstellerlexika zerfallen einerseits in allgemeine u. besondere, andererseits in solche über einzelne Völker, Länder u. Orte, u. in solche über einzelne Wissenschaften. Zu ersteren gehört Jöcher's (s.d.) bekanntes Gelehrtenlexikon, zu letzteren Meusel's (s.d.) Gelehrtes Deutschland, Quérard's (s.d.) La France littéraire, u. zahlreiche andere ältere u. neuere Werke. Als musterhaft sind u.a. zu nennen Erslew's Dansk Författerlexikon, Kopenh. 1843–53, 3 Bde., Supplem. 1854 f.; Schröder's Lexikon der Hamburger Schriftsteller, Hamb. 1852–57, 1._– 3. Bd.; Keßlin's Buch über die Schriftsteller aus Wernigerode, Wernig. 1856. Zu den Lexicis über einzelne Wissenschaften gehört auch Callisen's Medicinisches Schriftstellerlexikon, Kopenh. 1829–37, 25 Bde., Supplem. 1838–45,1.–8. Bd. An diese Art von bibliographischen Arbeiten schließen sich dann weiter die bio-bibliographischen Sammelwerke über die Dichter, Prosaisten etc. einzelner Völker, Länder u. Landestheile.

B) Die angewandte B. verzeichnet u. beschreibt die Bücher nicht nur ihrer selbst willen, sondern nach gewissen Rücksichten u. für bestimmte Zwecke. Sie arbeitet vorzugsweise entweder im Interesse der Büchersammler, d.i. der Bibliothekare od. Bibliophilen (angewandte B. im engeren Sinne od. bibliothekarische B.), od. für die Zwecke des Erwerbs u. Verkaufs der Bücher im Interesse des Buchhändlers u. des Bücherkäufers (bibliopolische od. auch praktische B.). a) Die Bibliothekarische B., welche ihre Ausbildung bes. in Frankreich u. England erhalten hat, beschreibt solche Bücher, die durch ihre Schicksale, ihr Alter, ihre äußere Beschaffenheit merkwürdig sind. In ihrer ganzen Ausdehnung wurde dieselbe zuerst in Frankreich von Debure in der Bibliographie instructive, Par. 1763–68, 7 Bde., bearbeitet, Diesem folgte später Brunet mit dem Manuel du libraire, ebd. 1810, 3 Bde., 4. A. 1845, 4 Bde., welches Ebert in seinem bis jetzt noch unübertroffenen[736] Allgemeinen bibliographischen Wörterbuch, Lpz. 1821–30, 2 Bde., zu Grunde legte, Letzteres Werk nimmt jedoch, wie überhaupt die deutsche B., mehr auf das Bedürfnis des eigentlichen Bibliothekars, des Gelehrten u. der Wissenschaft Rücksicht, während die bibliographischen Arbeiten der Engländer u. Franzosen, wie z.B. Dibdin's (s.d.), mehr das Interesse der Bibliomanie im Auge behalten. Es gibt bereits brauchbare Werke über die Incunabeln, wie von Panzer (s.d.) u. Hain, nebst zahlreichen Monographien von Heller, Sotzmann, Fischer. Veesenmeyr, Weigel, Zunz, Asher, Gräße, Merzdorf, Mone, von der Hagen, Haßler etc., sowie über gewisse Klassen von Büchern, wie über die Drucke der Elzevire, Aldus, Giunti, Stephanus, Plantin, über die Privatdrucke (in England von Martin, Lond. 1854), über die Ana (s.d.) etc. An Zeitschriften für die angewandte P. bestehen das Bulletin de bibliophile belge, unter Scheler's Leitung von Heußner zu Brüssel herausgegeben (1851–57, 1.–13. Bd.); Naumanns Serapeum (zu Leipzig seit 1842) u. Petzholdt's Anzeiger für B. u. Bibliothekswissenschaft (seit 1850 zu Halle), eine Fortsetzung von dessen Anzeiger für Bibliothekswissenschaft (Halle 1840–49); vgl. Bibliomanie u. Bibliothekswissenschaft. Sehr beachtenswerth ist auch Aubry's Bulletin du Bouquiniste (seit 1857 zu Paris). b) In den bibliographischen Werken für bibliopolische Zwecke, die in neuester Zeit jedoch einen mehr u. mehr wissenschaftlichen Anstrich erhalten, kommt es namentlich auf genaue Angabe des Titels, des Druckorts, Druckjahrs, Verlegers, des Formats, die Stärke des Buchs, u. des Preises an. Sie sind meist alphabetisch geordnet, sei es, daß sie die gesammte Literatur eines Volkes, od. blos die einer Wissenschaft während eines längeren od. kürzeren Zeitraumes umfassen. So verzeichnet Heinsius Allgemeines Bücherlexikon (Lpz. 1812–29, 1.–7. Bd., von Schulz ebd. 1836–47, 8.–9. Bd., von Schiller ebd. 1847–56, 10.–11. Bd.) alle seit 1750 in Deutschland erschienenen Bücher: Kirchhoff's Bücherkatalog (ebd. 1856 f.) soll sich in ähnlicher Weise über die 2. Hälfte des 19. Jahrh. erstrecken. In Frankreich bat Chéron einen Catalogue de la librairie française au XIX siècle (Par. 1856 f.) begonnen. Ähnliche Arbeiten über einen größeren Zeitraum, doch mehr od. weniger sorgfältig, besitzen die Dänen, Schweden, Norweger, Holländer, Engländer u. NAmerikaner. Die Literatur einzelner Wissenschaften bezeichnen aus diese Weise bes. die Bibliotheken von Enslin, gegenwärtig von Engelmann in Leipzig umgearbeitet u. weitergeführt. Bes. hervorzuheben sind des Letzteren Bibliotheca scriptorum historiae naturalis, Lpz. 1846, 1. Bd., u. Bibliotheca geographica, ebd. 1857. Hieran schließen sich die verschiedenen periodischen Blätter, die sogenannten Nationalen B-n, welche die neuesten Erscheinungen in den verschiedenen Ländern verzeichnen. Es bestanden Mitte des Jahres 1857 außer der Brockhaus'schen Allgemeinen B. (zusammengestellt von P. Trömel, monatlich seit 1856) etwa folgende in Deutschland: Allgemeine B. für Deutschland, seit 1836; daß halbjährige sogenannte Hinrichs'sche Verzeichniß der Bücher u. Landkarten etc. seit 1799; der Vierteljahrskatalog aller neuen Erscheinungen im Felde der Literatur in Deutschland, nach den Wissenschaften geordnet seit 1846, endlich das Bibliographische Jahrbuch für den de deutschen Buch-, Kunst- u. Landkartenhandel, eine Fortsetzung des Meßkatalogs (s.d.), seit 1853, sämmtlich zu Leipzig; in Frankreich: die Bibliographie de la France, seit 1812 wöchentlich erscheinend, das erste Blatt dieser Art in Europa, u. der Courrier de la librairie, seit 1856; in Italien: die Bibliografia italiana, seit 1856 zu Turin, u. das Bulletino bibliografico Napolitano, seit 1856 zu Neapel; eine, Bibliografia italiana bestand schon 1828–47 zu Mailand; in Spanien: El bibliografo español y estrangero, von Hidalgo u. Bailly-Baillière, seit 1857 zu Madrid; die Decada bibliografica bestand 1856 nur einige Monate; in England seit 1838 das Publisher's Circular and general record of british literature; seit 1842 Longman, Brown, Green etc. Monthly list of new books published in Great Britain; in NAmerika: Norton's Litterary Gazette, seit 1853; in den Niederlanden: die Nederlandsche bibliographie, eine Fortsetzung der seit 1788 bestehenden Lijst van nieuw uitgekomen boeken; in Belgien: Muquard's Bilbliographie de la Belgique, seit 1838; in Schweden: die Svensk bibliographie, seit 1829, u. das Svensk bibliographi, seit 1844; in Dänemark: Höst's Dansk bibliographie, seit 1843; in Polen: die bibliografia krajowa, seit 1856 zu Warschau von Klukowski u. Rafalski herausgegeben; in Rußland: die Russkaja bibliografija, seit 1856 monatlich von Smirdin herausgegeben; in Österreich geben wöchentlich die Österreichischen Blätter für Literatur u. Kunst ein sorgfältiges Verzeichniß sämmtlicher im Österreichischen Kaiserstaate erschienenen (ungarischen, böhmischen, polnischen, ruthenischen, slowenischen, serbischen, italienischen etc.) Bücher. Bibliographisch-statistische Übersichten der Literatur des österreichischen Kaiserstaats, gibt Const. Wurzbach jährlich heraus. Unter den bibliographischen Blättern, welche einzelne Gebiete der Literatur umfassen, sind bes. hervorzuheben: G. Schmidt's halbjährliche Bibliotheca historica-geographica, seit 1853; Zuchold's Bibliotheca historico-naturalis physico-chemioca et mathematica, seit 1851t; Ruprecht's Bibl. Medico-chirurgica, seit 1847; Dessen Bibl. theologica, seit 1848, u. G. Schmidt's Bibliotheca philologica, seit 1848,: ferner Bockhaus B. für Linguistik u. orientalische Literatur, vierteljährlich seit 1856, u. Terquem's Bulletin de bibliographie, d'histoire et biographie mathématiques, seit 1855 zu Paris. Als Gründer der B. ist Konr. Gesner zu betrachten, der Bibliotheca universalis (Zür. 1545–55, 4 Bde.) die literarischen Erzeugnisse aller Zeiten, Länder ü. Wissenschaften zusammenstellte. Doch wurde erst gegen Ausgang des 18. Jahrh. die Technik durch Ersch festgestellt. Wie für Frankreich Debure, so war für Deutschland Ebert der Begründer der angewandten B. In neuester Zeit hat die wissenschaftliche Behandlung der B. selbst in die meisten bibliopolischen Literaturverzeichnisse Eingang gefunden. Vgl. Rottner, Lehrbuch der Contorwissenschaft für den deutschen Buchhandel (Lpz. 1855, letzte Abtheilung).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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