Caracci

Caracci

Caracci (spr. Karattschi), italienische Malerfamilie aus Bologna, deren Glieder sich durch Stiftung einer Akademie u. als Reformatoren der Kunst einen großen Namen gemacht haben; führten Ernst u. Strenge in die Studien ein u. drangen auf Erlernung u. Aneignung der Vorzüge großer Meister, so daß sie Anordnung u. Zeichnung von Rafael, Tolorit von Tizian, Helldunkel von Correggio etc. annahmen u. Alles durch eine tüchtige Malerpraktik verbanden (Eklektische Schule). Die hierdurch errungenen Vortheile gaben zwar der malerischen Technik einen neuen Aufschwung, vermochten aber nicht, der Kunst ein selbständiges Leben wieder zu geben. Außerdem bestanden diese Grundsätze, die von der Ursprünglichkeit des künstlerisch schaffenden Geistes absehen, indem sie am Äußerlichen festhalten, in der Schule weit mehr theoretisch als praktisch. Das Haupt der Familie u. Stifter der Schule war: 1) Lodovico C., geb. 1555 in Bologna, Schüler Prospero Fontanas, später Tintorettos, die indeß beide ihn als talentlos ansahen, weil er sich von der herrschenden Manier abwandte u. mit ungemeiner Mühe u. Langsamkeit arbeitete. C. ließ sich durch den Rath seiner Lehrer, die Kunst zu verlassen, nicht beirren, ging nach Florenz, wo er bei Passignano seine Studien fortsetzte, bereiste dann die Städte Italiens, wo sich Meisterwerke der früheren Zeit befanden, u. ließ sich endlich in Bologna nieder, um dort eine neue Malerschule zu gründen, mit der er dem herrschenden Geschmack der Manieristen gegenübertrat. Seine Schule, obgleich vielfältig angefeindet, kam, nachdem auch die Neffen C-s hinzugetreten waren, bald in Flor u. genoß eines solchen Rufes, daß C. zur Ausschmückung des Palastes Farnese nach Rom berufen wurde. Er übertrug die Vollendung der Arbeit seinem Neffen Annibale u. kehrte nach Bologna zurück, um den Klosterhof von S. Michele unter Beihülfe seiner Schüler mit Fresken zu schmücken. Nach Vollendung dieser Arbeit 1605 fertigte er noch in mehreren italienischen Städten große Fresken u. st. in Bologna 1619. Werke: Fresken aus dem Leben St. Benedicts in S. Michele in Bosco, Madonna in der Glorie mit Heiligen in der Pinakothek, beide in Bologna; im Berliner Museum Maria das Christkind betrachtend, Speisung der 5000 Mann; in der Dresdener Gallerie Christus mit der Dornenkrone, Ruhe auf der Flucht; in Frankfurt a. M. Maria mit dem Kinde auf dem Throne; in der Münchener Pinakothek Grablegung Christi, St. Franciscus von Assisi. 2) Agostino C., Neffe des Vor., geb. 1558, ursprünglich Goldschmied, wurde von seinem Oheim für die Malerei gewonnen, lernte bei Prospero Fontana die Malerkunst, bei Tibaldi das Kupferstechen, bei Passerotti das Federzeichnen, bei Mignanti das Modelliren. Seine umfassenden Kenntnisse gaben ihm neben seiner künstlerischen Befähigung eine angesehene gesellschaftliche Stellung, wodurch er die Eifersucht seines Bruders wachrief. Um den Zank mit diesem zu vermeiden, verließ er Bologna, bereiste Italien, um die älteren Meister zu studiren, u. warf sich vornehmlich auf die Kupferstecherkunst. Nach Bologna zurückgekehrt, leitete er den theoretischen Unterricht in de. Akademie u. st. 1601. Werke: Communion des sterbenden Hieronymus in der Pinakothek in Bologna; seine besten Stiche sind nach Tintoretto, Correggio u. seinen eignen Bildern, bes. die Kreuzigung nach Tintoretto auf 3 Platten. 3) Annibale, Bruder des Vorigen, geb. 1560 in Bologna, ursprünglich Schneider u. erst durch seinen Oheim zur Kunst gezogen, behielt er die Vorliebe für rohere Sitten u. Genossen bei; ist aber dennoch der Bedeutendste von Allen. Sein Talent entwickelte sich ungemein rasch u. er erwarb sich solche Geschicklichkeit binnen kurzer Zeit im Zeichnen, daß er, einst mit seinem Oheim von Banditen überfallen u. ausgeplündert, aus dem Gedächtniß die Physiognomien der Diebe aufzeichnete u. so zu ihrer Entdeckung führte. Im 18 Jahre malte er seine ersten selbständigen Bilder, eine Kreuzigung u. eine Taufe Christi. Von den jugendlichen Künstlern wegen seiner von der herrschenden Manier gänzlich abweichenden Behandlungsweise heftig angegriffen, ging er 1580 nach Parma, um Correggios Werke zu studiren; in Venedig suchte er sich viel von Tizian, mehr noch von Paul Veronese anzueignen. Nach Bologna zurückgekehrt, bethätigte T. seinen Künstlerruf durch ein von ihm angefertigtes Gemälde, in welchem er die einzelnen Figuren nach dem Muster verschiedener großer Meister behandelte; als er aber um 1600 nach Rom kam, machten die Antiken u. Rafaels u. Michelangelos Malereien einen so großen Eindruck auf ihn, daß er sich von dem früher Gelernten fast ganz lossagte. Jetzt erst gedieh sein [678] Talent zur vollen Entwickelung u. sein Styl gewann jenen Zauber der Darstellung, der nur dann erreicht wird, wenn die technische Routine sich mit edlem Formsinn u. schöpferischer Phantasie verbindet. Ein großer Theil seiner Schüler folgte ihm nach Rom, wo er den Palast Farnese (s.d.) u. mehrere Kirchen mit zahlreichen Bildern schmückte; er st. 1609 u. wurde im Pantheon neben Rafael beerdigt. Werke: Madonna u. Heilige in der Pinakothek in Bologna (nach verschiedenen Stylen gemalt); St. Rochus, in der Dresdner Gallerie; eine Pieta im Museo Borbonico in Neapel u. in der Gallerie Borghese in Rom; mythologischer Bildercyclus im Palast Farnese in Rom (gestochen von P. Aquila in 21 Blättern, von C. Cesio in 41 Blättern u. von I. Belly in 52 Blättern), Landschaften in Rom, im Berliner Museum ein Christus am Kreuz, in der Dresdener Gallerie Genius des Ruhms (beide lithographirt von Hanfstängl), Maria auf dem Throne, Mariä Himmelfahrt; im Louvre befinden sich 26 Gemälde. Von seinen Kupferstichen sind 18 bekannt, darunter der sogenannte Christus von Capracola. 4) Francesco, genannt Franceschino, Neffe des Vorigen, geb. 1595 in Bologna, wurde von, einem Großoheim in der Kunst unterichtet, entwickelte sich frühzeitig u. hatte mit seinen ersten Bildern einen günstigen Erfolg. Aber übermüthig u. anmaßend trat er nach dem Tode der Brüder keines Vaters gegen seinen Großoheim Lodovico C. auf u. suchte ihn öffentlich herabzusetzen, indem er über seine Thüre schrieb: Questa è la vera scuola dei Caracci (Dies ist die wahre Schule der Caracci). In Folge dessen mit der allgemeinen Verachtung gestraft ging er nach Rom, wo sich aber auch frühere Gönner von. ihm zurückzogen. An seinem Lebensglück verzweifelnd ergab er sich nun allen Ausschweifungen u. st., 27 Jahre alt, in Rom. 5) Antonio, natürlicher Sohn Agostinos, geb. 1583 in Venedig; malte in S. Bartolommeo all' Isola mehrere Fresken, in dem Palaste auf dem Montecavallo einen großen Fries; st. 1618 in Rom, wohin er nach seines Vaters Tode zu seinem Großoheim gegangen war.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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