- Noailles [1]
Noailles (spr. Noalj), alte französische Familie, so genannt nach dem Schlosse Noailles bei Brives in Limousin; sie starb 1449 mit Jean II. im Mannesstamme aus, worauf dessen Neffe, 1) Aimar, das Geschlecht fortführte; bes. berühmt sind: 2) Antonine de N., geb. 1504, zeichnete sich schon unter Franz I., bes. 1544 bei Cérisoles, aus, vollzog in England 1556 den Frieden von Vaucelles zwischen Philipp von Spanien u. Heinrich II. von Frankreich, wurde Admiral von Frankreich, eroberte Bordeaux von den Hugenotten wieder u. starb daselbst 1562 als Gouverneur. 3) François de N., Bruder des Vorigen, wurde als Bischof von Dax von Heinrich II. als Gesandter nach Venedig geschickt, ging später in derselben Eigenschaft nach England, Rom u. Constantinopel, wo er einen Friedenzwischen Selim II. u. Venedig zu Stande brachte, u. st. 1585 in Bayonne. 4) Henri de N., ältester Sohn von N. 2), ließ 1592 die Herrschaft Ayen zu einer Grafschaft erheben. 5) Anne de N., Enkel des Vor., unter ihm wurde 1663 die Grafschaft zum Herzogthum mit der Pairschaft erhoben. 6) Anne Jules, Herzog von N., Sohn des Vor., geb. 1650, commandirte 1680 drei Compagnien königlicher Garden in Flandern, 1689 eine Heeresabtheilung in Roussillon gegen die Hugenotten u. 1693 in Catalonien; er wurde Marschall u. gewann 1694 die Schlacht von Ter; später fiel er wegen der Freundschaft mit seinem Bruder in Ungnade u. st. 1708 in Versailles. 7) Louis Antoine, Bruder des Vor., geb. 27. Mai 1651, wurde 1679 Bischof von Cahors, 1680 Bischof von Chalons sur Marne, 1695 Erzbischof in Paris u. 1700 Cardinal. Er vermittelte in den Quietistischen Streitigkeiten zwischen Bossuet u. Fenelon u. wurde in die Jansenistischen Streitigkeiten verflochten, indem er Quesnels Reflexions morales billigte; später schwankte er wieder in seiner Ansicht, schloß sich aber doch endlich der Protestation der Bischöfe gegen die Bulle Unigenitus an u. stand nun an der Spitze der Jansenisten; seit 1720 wirkte er für eine Vermittelung, nahm 1728 die Bulle Unigenitus selbst an u. starb, schwach geworden, 4. Mai 1729. 8) Andrien Maurice, Herzog von N., Sohn von N. 6), geb. 1678 in Paris, nahm schon als Knabe mit seinem Vater am Feldzug in Catalonien Theil, wurde 1695 Commandeur einer Cavalleriebrigade, ging 1696 nach Flandern u. begleitete den Herzog Philipp von Anjou, welcher 1700 den spanischen Thron bestieg; er focht später wieder in Catalonien u. wurde 1711 von Philipp V. zum Grand von Spanien, von Ludwig XIV. aber 1706 zum Generallieutenant, 1708 zum Herzog u. Pair des Reichs u. 1716 zum Director der Finanzen ernannt. Während der Regentschaft wurde er zwar zuerst drei Jahre vom Hofe verwiesen, allein schon 1723, nach dem Tode des Ministers Dubois, vom Regenten zurückberufen. 1733 focht er unter dem Marschall Berwick in Deutschland, wurde Marschall, ging 1725 nach Italien u. focht hier unter dem König von Sardinien. Im Österreichischen Erbfolgekriege 1741–43 führte er das Commando, wurde jedoch bei Dettingen geschlagen. Darauf verließ er den Kriegsdienst u. ging 1746 an den spanischen Hof, wo es ihm gelang, diesen mit Frankreich auszusöhnen; 1755 trat er in den Staatsrath u. st. 1766 in Paris. Seine Mémoires gab Millot heraus, Mastricht 1777. 9) Louis, Herzog von N., Sohn des Vor., geb. 1713, machte die Feldzüge in Flandern u. Deutschland mit, wurde 1755 Marschall u. später Gouverneur von St. Germain, wo er 1793 starb. 10) Louis Franç. Paul, Sohn des Vor., geb. 1739, war erst Herzog von Ayen u. seit 1793 Herzog von N.; er war beim Ausbruch der Revolution Generallieutenant u. wanderte, während seine Mutter, geb. Cossé-Brissoc, mit vielen Gliedern der Familie hingerichtet wurde, nach der Schweiz aus, wo er sich wissenschaftlich beschäftigte; nach der Restauration der Bourbonen wurde er zum Pair erhoben u. nach Frankreich zurückgerufen, doch blieb er in der Schweiz u. st. 1824, ohne Söhne zu hinterlassen; jetziges Haupt des älteren Familienzweiges ist: 11) Paul, Großneffe des Vor., geb. 4. Januar 1802, trat 1827 in die Pairskammer u. zählte zu den Legitimisten.
Neben der älteren Hauptlinie blüht noch eine Nebenlinie: Noailles-Mouchy; Stifter derselben ist: 12) Philipp de N., jüngerer Sohn von N. 8), machte die Schlacht bei Fontenai u. die Feldzüge in Deutschland mit, wurde 1775 Marschall u. 27. Juli 1794 guillotinirt. 13) Louis Philippe Marc Antoine, Prinz von Poix, älterer Sohn des Vor., geb. 1752, wurde 1789 Mitglied der Etats généraux, wanderte dann nach England aus, kehrte aber 1814 zurück, erhielt 1817 den Herzogstitel u. st. 1819. 14) Antoine Claude Domin. Juste, Graf von N., Herzog von Mouchy, jüngerer Sohn des Vor., heirathete 1803 die Nichte Talleyrands u. wurde Kammerherr am Kaiserhofe, 1814–19 französischer Gesandter in Petersburg, war 1824–30 Deputirter in der Kammer für das Departement Meurthe, erbte 1834, nachdem sein älterer Bruder Jean Charles Arthur ohne männliche Erben gestorben war, den Titel als Herzog von Mouchy u. st. 1847. 15) Charles Philippe Henri de N., Herzog von Poix u. von Mouchy, Sohn des Vor. u. gegenwärtiges Haupt der Familie, geb. 1808, war 1849 Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung u. wurde 1852 Senator. 16) Louis Marie, Vicomte von N., zweiter Sohn von N. 12), geb. 1757, ging 1778 nach Nordamerika, um dort unter Washington zu fechten. Als 1789 die ersten Unruhen in Paris ausbrachen, war er Oberst eines Jägerregiments u. Deputirter bei der Ständeversammlung; hier sprach er eifrig für liberale Ideen, verlangte den 14. August 1789 von Adel u. Geistlichkeit die Aufopferung ihrer Privilegien, war später bei dem Jakobinerclub u. wurde 1791 Präsident desselben. 1792 befehligte er die Vorposten bei Valenciennes, floh aber von hieraus, verzweiselnd[13] an dem Gelingen seiner Pläne, über England in die Nordamerikanischen Freistaaten; er zog mit Rochambeau nach S. Domingo gegen die Engländer, st. aber 1805 an einer Wunde, welche er im Hafen von Havanna erhalten hatte. 17) Alexis, Graf von N., Sohn des Vor., geb. 1783 in Paris, wurde 1809 auf Befehl Napoleons festgenommen, mußte 1811 Frankreich verlassen, lebte dann in der Schweiz, wurde von den Bourbons an die deutschen Höfe, Rußland u. Schweden geschickt u. diente dem Kronprinzen von Schweden. 1813 als Adjutant. 1814 begab er sich zum Grafen v. Artois nach Vesoul, wurde dessen Adjutant u. später von Ludwig XVIII. als Bevollmächtigter zum Wiener Congreß geschickt, ging dann zum König nach Gent, kehrte mit ihm nach Paris zurück u. wurde 1815 Deputirter u. Minister ohne Portefeuille; 1824 zeigte er sich als entschiedener Gegner der Verwaltung Villèle's, erkannte später die Julirevolution an, blieb aber ohne öffentliche Stellung u. starb 1835. 18) Alfred Adrien, Graf von N., Sohn des Vor., geb. 1825, nahm an der französischen Gesandtschaft Theil, welche unter Ludwig Philipp nach China ging.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.