- Kleve [1]
Kleve, sonst preußisches Herzogthum im westfälischen Kreise, zu beiden Seiten des Rheins, 40 QM., 97,000 Ew.; eben, fruchtbar, brachte jährlich 640,000 Thaler ein. – Die erste Geschichte des Herzogthums (früher Graf, chast K., Comitatus Cliviae), welches zum größten Theil zum Herzogthum Ripuarien gehörte, ist dunkel u. bis ins 14 Jahrh. ist Alles ungewiß, was man von Grafen von K., die zugleich Grafen von Teisteroant gewesen wären, erzählt. Auch die Grafen dieser Zeit, wie Walderich (welcher den Grafen Wichmann von Zütphen ermorden ließ, deshalb fliehen mußte u. 1021 st.), Rutger (Roger), Dietrich (unter Kaiser Heinrich III.) u. dessen Sohn Eberhard (um 1074), werden meist nur gelegentlich erwähnt Dessen Sohn Dietrich I. (1093–1119) zog mit Gottfried von Bouillon ins Gelobte Land; Dietrichs Sohn Arnold I. u. dessen Sohn Arnulf II. kommen bis nach der Mitte des 12. Jahrh. vor, diesem folgte sein Bruder Dietrich IV., welcher vor 1188 starb, sein Nachfolger war sein Sohn Dietrich V. (IV); 1194 war Arnold III., Bruder des Vor., Graf; bei seinem Tode, 1202, war sein Sohn Dietrich VI noch minderjährig; er regierte bis 1260, wo sein Sohn Dietrich VII. folgte; dessen Sohn, Dietrich VIII. 1275–1305 war mit dem Kaiser Rudolf verwandt, indem er dessen Nichte Margarethe, Tochter Eberhards, geheirathet hatte, durch diese erhielt er unterpfändlich Duisburg u. wurde Reichsvicar in einem Theil der Niederlande. Ihm folgten seine Söhne Otto der Friedfertige 1305–1311, dann Dietrich IX. der Fromme, ein Anhänger des Kaisers Luowig des Baiern, wofür ihn dieser 1318 zum Reichsvicar in Westfalen machte u. ihm das, inzwischen an Berg gekommene Duisburg wieder zurückgab. Er st. 1347, u. da er, wie sein Bruder, keine Söhne hatte, so machte Otto, Herr von Arckel, Sohn Johanns IX. u. der Ermengarde u. durch seine Mutter Enkel des Grafen Otto von K., Anspruch auf die Grafschaft, doch folgte Dietrichs IX Bruder, Johann I., der bisher Canonicus in Köln gewesen war, aber mit ihm starb der Mannsstamm der Grafen von K. aus, u. es folgte Graf Adolf I. von der Mark, Gemahl von Margarethe, Tochter des Grafen Dietrich IX, nachdem er sich mit Otto von Arckel, der seine Ansprüche wieder erhob, verglichen hatte. Er stiftete 1393 mit mehren benachbarten Herren den Orden vom Rosenkranz u. st. 1394. Sein Sohn Adolf II. vereinigte, da sein Bruder Dietrich 1398 ohne Erben starb, die Grafschaft Mark mit K. u. wurde 1417 vom Kaiser Sigismund zum Herzog von K. erhoben.
Ihm folgte 1448 sein Sohn Johann (II.) I., 1481 lein Sohn Johann (III.) II.; sein Sohn Johann (IV.) III., der durch seine Gemahlin Marie, Tochter des Herzogs Wilhelm VIII. von Jülich u. Berg, schon seit 1511 Herzog von Jülich u. Berg war, u. vereinigte nun die Herzogthümer Jülich u. Berg mit K., s.u. Jülich (Gesch.). Er führte 1533 die Reformation in seinen Staaten ein, machte mit dem Herzog Karl von Geldern einen Vertrag, daß wenn dieser ohne Erben stürbe, Geldern u. Zütphen an K. käme, u. als Karl starb, wurde 1538 Johanns Sohn, Wilhelm, Herzog, u. als sein Vater 1539 starb, vereinigte er Geldern u. Zütphen mit seinen Erbstaaten; doch mußte er jene Länder schon 1543 an den Kaiser Karl V. abtreten (s. Geldern). Er st. 1592, u. ihm folgte sein Sohn [575] Johann Wilhelm, bisher Administrator des Bisthums zu Münster. Nach seinem unbeerbten Tode 1609 prätendirten mehre fürstliche Häuser die hinterlassenen Länder (Klevescher Erfolgestreit). Auf die Erbschaft erhob Ansprüche zuerst das Gesammthaus Sachsen, wegen eines kaiserlichen, durch Friedrich IV. 1483 an Herzog Albert gegebnen, durch Maximilian I. 1486 bestätigten Versprechens, daß K., im Fall der Mannsstamm desselben ausstürbe, an das Haus Sachsen fallen sollte, u. dann die Ernestinische Linie desselben wegen einer Heirath Sibyllens, Tochter Johanns III., Herzogs von K., mit dem Kurfürsten Johann Friedrich u. wegen eines durch Karl V. 1544 bestätigten Ehecontracts, kraft dessen beim Aussterben des kleveschen Mannstammes die Erbschaft an das Haus Sachsen fallen sollte. Hiergegen behaupteten die vier Schwestern des letzten Herzogs Johann Wilhelm u. ihre Nachkommen, daß ihnen die Succession zustehe. Die älteste derselben, Marie Eleonore, war an den letzten Herzog Albrecht Friedrich von Preußen vermählt gewesen u. noch vor ihrem Bruder gestorben, hatte aber eine Tochter, Anna, hinterlassen, welche an den Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg verheirathet war u. sich als die Erbin der Ansprüche jener betrachtete. Die andern drei Schwestern Johann Wilhelms lebten aber noch, nämlich Anna, welche an den Pfalzgrafen Philipp von Pfalz Neuburg, Magdalena, welche an den Herzog Johann von Pfalz-Zweibrücken, u. die jüngste, Sibylle, welche an Karl, Markgrafen von Burgau, vermählt waren. Die Ansprüche der Letzteren erledigte aber bald ihr kinderloser Tod. Diese vier Erbprätendentinnen machten sich aber unter einander wieder die Erbschaft streitig, indem Brandenburg, als von der ältern Schwester stammend, die Erbschaft allein prätendirle, die zweite, Anna von Pfalz-Neuburg, aber behauptete, daß nur die noch lebenden Schwestern, nicht aber deren Kinder successionsfähig wären, u. daß ihr, der ältesten unter den noch lebenden Schwestern, die alleinige Nachfolge zustände. Die beiden jüngern Schwestern verlangten dagegen eine Theilung der Erbschaft in vier gleiche Theile. Außerdem suchten der Herzog von Nevers, von Bouillon u. der Graf von Manderscheit noch alte, auf Verwandtschaft durch frühere Heirathen mit dem Hause K. sich gründende Ansprüche hervor, gaben dieselben jedoch bald wieder auf Gleich nach dem Tode Johann Wilhelms hatten sich Brandenburg u. Pfalz-Neuburg in Besitz der Erbschaft gesetzt; sie stritten beide um den Besitz u. einten sich nur, als sie sahen, wie Sachsen seine Ansprüche durch kaiserliche u. spanische Hülfe durchzufechten bemüht war, u. der Jülich-Klevesche Erbfolgekrieg brach nun aus. Österreich verlangte zunächst im Einverständniß mit Sachsen bis zum Austrag der Sachen Jülich, K. u. Berg zu sequestriren u. ließ sogleich den Erzherzog Leopold mit kaiserlichen, den Erzherzog Albrecht mit spanischen Truppen aus den Niederlanden in die Herzogthümer einrücken. Erster überrumpelte u. besetzte im Mai 1609 Jülich. Dies führte zu einer Verbindung zwischen Brandenburg u. Pfalz-Neuburg, die sich den 10. Juni 1609 durch den Receß zu Dortmund verpflichteten, ihr Recht gemeinschaftlich zu verfechten. Zugleich veranlaßte dies die Evangelische Union (s.d.), welche sich zu Hall in Schwaben bildete, u. welcher entgegen sich die Katholische Liga (s.d.) erhob. Der Kurfürst Joachim Sigismund von Brandenburg machte in Dänemark, Holstein u. Lüneburg Anleihen, um ein Heer gegen die Österreicher aufstellen zu können, u. schickte seinen Bruder, den Markgrafen Joachim Ernst von Ansbach, als Statthalter nach K., u. da der Prinz von Oranien von Holland aus ihn unterstützte, so vertrieb Ernst, mit Franzosen u. Holländern verbunden, die Kaiserlichen bald u. eroberte 1610 Jülich wieder. Als aber 1619 König Heinrich IV. von Frankreich ermordet worden u. Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz gestorben war, verlor die Union ihren festen Halt, u. um nur etwas zu erlangen, schloß der Kurfürst Johann Sigismund im Febr. 1611 den Vergleich von Jüterbogk mit Sachsen, worin er die Belehnung dieses mic Jülich u. K. anerkannte, Sachsen aber Brandenburg u. Pfalz nicht zu hindern versprach, diese zu suchen; aber weder Pfalz noch Brandenburg wollten diesen Vertrag ratificiren. Markgraf Joachim Ernst u. der Pfalzgraf Wolfgang Wilhelm von Neuburg setzten nun die Regierung nicht ohne Bedrängnisse fort, denn das Land war durch den Krieg verheer u. Grenzstreitigkeiten fanden immer zwischen Beiden Smit. Der Graf von Schwarzenberg, welcher 1609, als der letzte Herzog von Jülich starb, in brandenburgische Dienste getreten u. 1610 Geheimerrath geworden war, war übrigens die Seele der Gesammtregierung; er blieb es auch, als der Statthalter 1624 starb u. durch seinen Neffen, den Kurprinzen von Brandenburg, Georg Wilhelm, ersetzt wurde. Aber euch er konnte die Verhältnisse nicht bessern, u. um die immer größer werdende Entzweiung mit seinen Mitbewerbern zu heben, wollte der Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg seine Tochter Anna Sophie mit dem Psal, grasen Wolfgang Wilhelm von Neuburg vermählen u. kam deshalb selbst nach Düsseldorf. Bei einem Banket entrüstete sich aber der Kurfürst über die Forderungen des Pfalzgrafen u. gab ihm, vom Weine erhitzt, eine Ohrfeige. Wolfgang Wilhelm brach nun alle Verhandlungen ab, begab sich nach Baiern, wurde 1613 katholisch u. so erhielt die Liga, Spanien u. Österreich einen guten Bundesgenossen; Johann Sigismund dagegen nahm, um die Holländer u. die Bewohner von Jülich, K. u. Berg zu gewinnen, die Reformirte Confession an. Da nun die Truppen des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm den Kurprinzen Georg Wilhelm von Brandenburg von Düsseldorf nach K. vertrieben u. auch Jülich bedrohten, so rückten auf Ansuchen des Statthalters Holländer dort ein. Zu gleicher Zeit erhielt der Erzherzog Albrecht, der Gouverneur der Spanischen Niederlande, von dem Kaiser Befehl, die Acht an Aachen u. Mühlheim zu vollstrecken Der spanische General Spinola rückte in Aachen ein, unterdrückte hier den Protestantismus u. zog dann mit dem Pfalzgrafen vereinigt gegen den Kurprinzen. Dieser rief die Holländer zu Hülfe, u. Moritz von Oranien kam mit einem Heere. England u. Frankreich sandten aber Gesandte nach Xanten, um die Besetzung Jülichs u. Bergs durch Österreich zu verhindern. So wurde ein Vertrag zu Xanten am 12. Nov. 1614 vermittelt, nach dem die Jülich-kleveschen Länder getheilt werden sollten. Der Pfalzgraf erhielt Jülich u. Berg, der Kurfürst von Brandenburg K., Mark, Ravensberg u. Ravenstein; alle fremden Truppen sollten abziehen. Aber die Spanier blieben im Jülichschen u. in Wesel stehen, worauf die Holländer sich ebenfalls weigerten,[576] K. zu räumen. Der Dreißigjährige Krieg änderte in diesem Verhältniß wenig. 1621 bemächtigten sich zwar die Österreicher u. Neuburger wieder einiger von den Brandenburgern u. Holländern besetzten Plätze, weil Georg Wilhelm seinem Schwager, dem Kurfürsten von der Pfalz, kurzen Aufenthalt an seinem Hofe gestattet hatte, aber 1624 stellte ein neuer Vergleich zu Düsseldorf, welcher den frühern bestätigte u. 1629 erneuert wurde, die Ruhe wieder her. Obgleich 1630 bestimmt wurde, daß Kurbrandenburg das Herzogthum K. u. die Grafschaft Mark, Pfalz-Neuburg aber Jülich, Berg, Ravenstein u. Breskesand bekam, Ravensberg aber gemeinschaftlich blieb, so blieben doch die Spanier in dem pfalzneuburger Theil, die Holländer in dem brandenburgischen Theil stehen. 1644 bekam jedoch Brandenburg die von Hessen besetzten Städte in der Grafschaft Mark u. im Kleveschen geräumt. Im Westfälischen Frieden 1648 suchten alle Parteien von Neuem ihre Ansprüche geltend zu machen, indessen wurden sie auf den processualischen Weg verwiesen, u. endlich schloß Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1666 mit dem Pfalzgrafen Philipp Wilhelm einen Erbvergleich, wonach Brandenburg im Besitz von K., Mark u. Ravensberg bleiben, Pfalz aber Jülich, Berg nebst den Herrschaften Winnenthal u. Breskesand behalten sollte. Beide Fürsten sollten für sich u. ihre Nachkommen den Titel u. das Wappen aller dieser Länder führen. Die beiderseitigen Anforderungen auf Ravenstein wurden auf ein Compromiß gestellt. Kaiser Leopold bestätigte 1678 diesen Vergleich. Preußen u. Pfalz führten nun das Codirectorium u. Ausschreibeamt bei dem Westfälischen Kreistage abwechselnd. Preußen blieb von jetzt an im Besitze des eigentlichen Herzogthums bis zum Lüneviller Frieden 1801, in welchem es den Theil auf der linken Rheinseite (etwa 18 QM.) an Frankreich abtrat; welches denselben mit dem Roerdepartement vereinigte. Die Districte Sevenaer, Huissen u. Malburg kamen 1803 an die Batavische Republik. 1805 trat Preußen auch den auf der rechten Rheinseite gelegnen Theil von K. ab, welchen Napoleon, außer der zum Roerdepartement gezogenen Stadt u. Festung Wesel, zu dem 1806 gegründeten Großherzothum Berg schlug, 1810 aber wieder das nördlichste Stück desselben diesem abnahm u. mit dem französischen Departement Oberyssel verband. Nach der Auflösung des Großherzogthums Berg 1814 u. durch die Zurückgabe des linken Rheinufers gelangte Preußen, mit Ausnahme der Districte Sevenaer, Haissen u. Malburg, welche dem Königreich der Niederlande u. dessen Provinz Geldern verblieben, wieder zum Besitz, des Herzogthums K. u. schlug dasselbe zum Regierungsbezirk Düsseldorf. Vgl. Cher, Geschichte des Herzogthums K., Kleve 1845.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.