- Roth [1]
Roth, 1) die erste der drei reinen od. Hauptfarben, bei welcher die Lichtstrahlen die wenigste Brechung erleiden; in dem durch Zerlegung des ungefärbten Lichtes entstehenden Farbenspectrum hat R. die äußerste Stellung; mit Gelb bildet es Orange, mit Blau dagegen Violett; seine Complementäre ist grün; das Nähere s.u. Farben. Andere Nuancirungen sind Dunkel- (Carmoisin) u. Hellroth (Rosenroth), Incarnat, hochrosenroth, Incarnatin, etwas heller, Scharlach,, brennendroth, Ponceau, eben so, doch etwas ins Blaue spielend, Dänischroth, aus Ocker gebrannt, Malerfarbe, ins Gelbliche fallend, Feuer-, Krebsroth, Apfelblüthfarbe (erzeugt durch Hellroth, welchem etwas Weiß beigemischt ist), Türkischroth, etwas dunkler als Ponceau, heller als Carmoisin. Am reinsten stellt sich R. in der Cochenille u. im Karmin dar; im Purpur ist R. schon nuancirt, obgleich er als Repräsentant des Rothen gilt. 2) (Färber.), das schönste Hochroth u. Scharlachroth kann nur auf wollene Zeuge gefärbt werden, u. da gefärbte Wolle durch die Arbeit viel an ihrer frischen Farbe verlieren würde, so färbt man nur gewebte Zeuge od. Garne, welche zum Stricken u. Sticken dienen. Dabei ist Cochenille der Farbstoff, Zinnchlorid die Beize; das Färben geschieht in Kesseln von gutem englischen Zinn; die Reinheit des Wassers hat auf die Schönheit der Farbe Einfluß. Tücher, welche scharlachroth[387] gefärbt werden sollen, werden erst angesotten; dazu löst man auf je 100 Pfd. Zeug 6 Pfd. reinen Weinstein in einer angemessenen Menge Wasser, fügt 16 Loth gepulverte Cochenille u. 5 Pfd. in Königswasser gemachter Zinnauflösung dazu; ist diese Brühe erhitzt, so zieht man das Tuch erst schnell, dann langsamer darin herum, läßt es zwei Stunden darin liegen u. spült es hernach aus. Zu der Farbenbrühe setzt man nun noch 5–6 Pfd. Cochenille u. 13 Pfd. Zinnauflösung u. behandelt das angesottene Tuch wieder wie früher. Soll das Scharlachroth etwas heller ausfallen, so gilbt man das Tuch vorher mit Fisetholz, Gelbholz u. Curcuma. Um dem scharlachrothen Tuche Carmoisinfarbe zu geben, wird es mit Seifenbrühe, Soda- od. Pottaschenlösung gebeizt. Auch mit Krapp kann man auf Wolle schön roth färben, indem man die wollenen Zeuge in Krappbrühe ansiedet u. ausfärbt, nachdem man sie vorher in eine Beize von Alaun u. Weinstein gebracht hat, welcher man auch wohl Zinnauflösung zusetzt. Schöner wird die Farbe, wenn man auf jedes Pfd. Krapp, welches extrahirt werden soll, 4–6 Loth geschlämmte Kreide zusetzt, falls nicht der Krapp auf kalkigem Boden gewachsen ist, od. das Wasser an sich kalkhaltig ist. Mit Fernambukholz kann man nur ein trüberes R. von geringer Dauerhaftigkeit auf Wolle erzeugen; das wollene Zeug wird zuerst in einer Auflösung von Alaun u. Weinstein od. noch besser von Zinnchlorid gebeizt, u. auch beim Ausziehen der Farbenbrühe wird Alaun u. Weingeist zugesetzt. Auf Seide kann man am schönsten carmoisinroth u. die hellere Nuancirung davon rosenroth färben; zum echten Carmoisinroth wird die Seide in Seifenwasser gekocht u. gereinigt, u. zur Farbenbrühe nimmt man auf 1 Pfd. Seide 1–4 Loth Gallus, 3–6 Loth Cochenille, 2 Loth Weinstein u. 2 Loth Zinnauflösung; zu Rothbraun zieht man die Seide durch eine Auflösung von schwefelsaurem Eisen, u. zu Rothgelb setzt man der Farbenbrühe Gelbholz zu. Krapp färbt die Seide zwar nicht so brennend u. schön, doch echt roth; die Seide wird 12 Stunden in einer Beize von Alaun u. Zinnauflösung gekocht u. der Krappbrühe werden Galläpfel zugesetzt. Mit Saflor färbt man auf Seide schön roth (hellcarmoisin- u. rosenroth), aber die Farbe hat wenig Haltbarkeit. Zuerst muß man aus dem Saflor den gelben Farbstoff entfernen, indem man ihn in leinene Säcke bindet u. diese so lange unter Wasser knetet, bis sich kein gelber Farbstoff mehr auswaschen läßt, alsdann wird der Saflor in einer dünnen ätzenden Soda- od. Kalilauge durchgearbeitet, wodurch der rothe Farbstoff (Carthamin) ausgezogen wird, in welchem man die Zeuge kalt färbt; diese Zeuge müssen vorher in gutem Essig eingeweicht sein, od. man setzt auch Essig zur Farbenbrühe. Ein solches R. auf Seide u. Baumwolle heißt Spanischroth; das mit Carthamin gefärbte Zeug od. Papier benutzt man auch als Schminke. Beim Rothfärben mit Fuchsin u. Azaleen (welche Farbstoffe nach der Ähnlichkeit ihrer Nuancen mit den Farben der Fuchsien u. Azaleen benannt sind) werden durch Behandlung einer flüchtigen Base des Steikohlentheers, Anilin mit oxydirenden Substanzen gewonnen u. können auch gedruckt werden; als Beize verwendet man vorzüglich Kleesäure, Weinsäure u. Citronensäure. Am Schwierigsten ist es ein schönes u. dauerhaftes R. auf Baumwolle u. Leinen zu färben. Am besten gelingt dies noch mit dem Krapproth, wovon das Türkische R. die schönste ist. Man färbt Baumwolle mit Cochenille; dazu wird das baumwollene Zeug mehre Stunden in einer Zinnauslösung gebeizt, dann durch eine Auflösung von Tischlerleim od. Hausenblase gezogen, im Schatten getrocknet, gefärbt u. nochmals durch Leimwasser gezogen. Beim gemeinen Krapproth wird das Zeug erst in einer Ätzlauge vorbereitet, nachher in einer Brühe von Galläpfeln gegallt, alsdann in einer Auflösung von Alaun alaunt u. nach dem Färben wieder durch eine Kalilauge gezogen. Das Färben des Türkischen Roth wurde zuerst in der Türkei, bes. in Adrianopel, geübt, doch jetzt auch in Deutschland, z.B. in Elberfeld. Vorzüglich wird das rothe Stick- od. Zeichengarn auf diese Art gefärbt, ebenso das zu rothgestreifter u. gegatierter Leinwand nöthige rothe Baumwollengarn. Das Verfahren beim Türkischrothfärben besteht aus einer ganzen Reihe einzelner Operationen, die man durch lange Erfahrung festgestellt hat, ohne sie wissenschaftlich erklären zu können; eigenthümlich ist bei diesem Färben dat Behandeln der Baumwolle mit Öl, welches man durch Anwendung von Lauge wieder entfernt. Weniger schön färbt man auf Baumwolle mit Fernambukholz. Die Baumwolle wird erst in ein siedendes Galläpfeldecoct gebracht, dann 1 Stunde in heiße Farbenbrühe gebracht, ausgerungen u. nochmals in heiße Farbenbrühe gebracht, dann durch mit Wasser verdünntes Zinnchlorid gezogen u. wieder in heiße Farbenbrüche gebracht, u. beides nochmals wiederholt. Die Nuancen bei dem verschiedenen Färben der Baumwolle u. Seide bewirkt man vorzüglich durch Orseille, Orleans u. Alkalien. Um haltbaren rothen Kattundruck herzustellen, verbindet man die erwähnten Beizen, bes. Alaun- u. Zinnauflösung, mit Gummi u. druckt damit das Muster; dann wird der Kattun in warmes Wasser geweicht, um das Gummi wieder wegzunehmen u. nachher in Krapp- u. Fernambukbrühe gefärbt. Durch Auskochen in Klei- u. Kuhmistbrühe u. durch Bleichen wird die Farbe auf den nicht gebeizten Stellen wieder zerstört. Vgl. K. F. Kreysig, Die adrianopelrothe Färberei etc., Chemn. 1820. 3) (Rubinfarbe, Herald.), wird ohne die verschiedenen Abstufungen anzugeben, in den Wappen jetzt durch senkrechte Striche bezeichnet, früher durch r. Als Bedeutung legte man ihm sonst wohl Tapferkeit, Liebe, Sorgfalt, Großmuth u. Rache bei. Es ist übrigens die Farbe, welche am meisten vorkommt. 4) In der politischen Terminologie bezeichnet man mit R., als der Farbe des Blutes, den äußersten Radicalismus, welcher sich die Herbeiführung der sogenannten socialdemokratischen Republik (absolute staatliche Gleichstellung aller Individuen) durch jedes Mittel, auch durch Todtschlag der Widerstrebenden, zum Ziele gesetzt hat; man spricht in diesem Sinne von Rothen, einer Rothen Republik etc.; 5) ein Gelb od. Braun, welches in das Rothe fällt, z.B. rothe Haare, rothe Kühe; 6) in der Münze so v.w. Rothe Karatirung; 7) eine der vier Farben der Deutschen Spielkarten, welche durch ein Herz angedeutet, dem Coeur der Französischen Karte entspricht.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.