- Ulm [1]
Ulm, 1) Oberamt im württembergischen Donaukreise, 7,54 QM., zwischen den Oberämtern Heidenheim, Geislingen, Blaubeuren, Ehingen u. Laupheim u. Baiern, auf der Abdachung der Schwäbischen Alp gegen die Donauebene; 1861: 44,055 Ew.; 2) Hauptstadt hier u. des Kreises, an der Donau, welche hier die Blau u. 1/4 Stunde oberhalb der Stadt die Iller aufnimmt u. schiffbar wird, ist Knotenpunkt der Württembergischen Staatsbahn (Linie Stuttgart-Friedrichshafen) u. der Eisenbahnen nach Augsburg u. Lindau. Ulm, an einem höchst wichtigen strategischen Punkte gelegen, wurde zur deutschen Bundesfestung ersten Ranges bestimmt u. seit 1842 unter der Leitung des preußischen Generals v. Prittwitz befestigt. Die Stadt Ulm, sowie Neu-Ulm, sind umwallt u. hierbei bei ersterer die alten, 1805 gesprengten Wälle benutzt; die Hauptbefestigung besteht aber in großen abgerückten Forts, bes. das auf dem Michaelsberge (Wilhelmsburg, mit dem casemattirten Reduit Wilhelmsfeste), welches, durch Werke mit der Stadt[139] verbunden ist, denen vorwärts eine starke Schanze, rechts am Alpeker Steig ein starkes Fort u. ein Fort an der Donau links, eins auf dem Galgenberge u. zwei am obern u. untern Kuhberg, letzteres mit starkem Reduit, liegen. Am rechten Donauufer vor Neu-Ulm sind drei starke Forts vorgeschoben u. die Dörfer Offenhausen an der Donau u. Wiblingen jenseit der Iller stark befestigt. Ulm ist mit Neu-Ulm durch drei Brücken verbunden, Sitz einer Handels- u. Gewerbekammer, hat Kreisbehörden, Generalsuperintendent, Decan, 1832 vollendete Donaubrücke (Wilhelms-Ludwigsbrücke), 4 Kirchen, darunter den protestantischen, im Gothischen Styl aufgeführten Münster zu U. L. F. (486 Fuß lang, 205 Fuß breit, 152 Fuß hoch, der Thurm, welcher 475 Fuß hoch u. eine gothische Pyramide werden sollte, ist bei 337 Fuß Höhe unvollendet geblieben), er ist 1377 bis 1494 erbaut worden, wird gegenwärtig restaurirt u. hat ausgezeichnet in Holz geschnitzte Chorstühle von Syrien, eine 1856 erbaute Orgel (mit 100 Registern), eine der größten in Deutschland, u. Glasmalereien; altertümliches Nachhaus mit dem sogen. Fischkasten, einem schönen Brunnen von Syrien, davor, Cameralgebäude (Kaisersheimer Hof), Gouvernement (Salmansweiler Hof), Zeughaus, Komthurei (jetzt Artilleriekaserne), Theater, Kasernen, Militärspital etc.; Stadtbibliothek, Landwirthschaftlichen Verein, Gymnasium mit Realanstalt im ehemaligen Barfüßerkloster, Industrie- u. Sonntagsgewerbsschule, Privattöchterschule, Katharinenstift (Erziehungshaus), Waisenhaus, Hospital, Militärstrafanstalt, Badeanstalt Griesbad, Oberschwäbischen Verein für Kunst u. Alterthum, Freimaurerloge Karl zu den drei Ulmen. Unter den Erzeugnissen der Stadt sind bekannt: Muter Mehl, Ulmer Gerste, Ulmer Zuckerbrod, Ulmer Pfeifenköpfe (s.d.), Ulmer Spargel, außerdem wird gefertigt Leinwand, Messing u. Messingwaaren, Tabak, Leder, Feuerschwamm, Felbel, Karten, chirurgische Instrumente, Nähmaschinen, Uhren, Glocken, Runkelrübenzucker, chemische Feuerzeuge, Papier, Schiffe; es gibt mehre Buchdruckereien u. Lithographische Anstalten, Kupfer- u. Messinghammer, es wird Schifffahrt, Viehzucht, Gemüsebau, starke Bierbrauerei, Holzhandel u. Speditionshandel getrieben. In Bezug auf den Handel, welcher in mancher Beziehung nicht mehr so stark ist als sonst, wo Ulm der Mittelpunkt des schwäbischen Leinwandhandels war, ist doch Ulm einer der bedeutendsten Handelsplätze des Landes. Ulm hat auch starke Jahr-, Korn- u. Pferdemärkte, Leder- u. Tuchmessen; 1861: 22,736 Ew. Wappen: ein quer getheilter Schild, oben schwarz, unten silbern. Jenseit der Donau liegt die baierische Stadt Neu-Ulm, s. Puten 4). – Nach Einigen soll das Alcimoennis bei Ptolemäus das heutige Ulm sein. Unter Karl dem Gr. war es eine Villa regia u. wurde daher sonst irrthümlich von Vielen zu den Reichsdörfern gezählt; Karl der Dicke bestätigte Ulm 883 seine Privilegien als Stadt; 1134 wurde es Reichsstadt u. war eine der vier ausschreibenden Reichsstädte. Hier 1245 Sieg des Herzogs Konrad IV. von Schwaben über den Landgrafen Heinrich Raspe III. von Thüringen u. 1331 Abschluß des Landfriedenbundes zwischen den Landherren u. Städten Schwabens u. Baierns. 1372 fehdete Ulm mit Eberhard von Württemberg u. wurde von demselben erobert, aber nach Kurzem wieder geräumt. Im 15. Jahrh. stieg die Macht Ulms sehr u. sie war eins der Hauptmitglieder der Bündnisse in Schwaben (s.u. Schwaben S. 494). In der Reformation wurde Ulm lutherisch u. trat 1531 zum Schmalkaldischen Bunde, mußte sich aber in dem Religionskriege dem Kaiser Karl V. 1546 unterwerfen. 1552 wollte der Markgraf von Baden Ulm zum Bündniß zwingen u. belagerte es, jedoch vergebens. 1564 u. 1606 wurden die Werke verstärkt. Im Juni 1620 hier Vergleich zwischen der Evangelischen Union u. der Katholischen Ligue (s. Dreißigjähriger Krieg S. 309). Am 14. März 1647 wurde hier der Separatwaffenstillstand zwischen Frankreich, Schweden u. Baiern geschlossen (s. ebd. S. 327) 1702 wurde es vom Kurfürsten von Baiern durch Überrumpelung genommen (s. Spanischer Erbfolgekrieg S. 428), aber 1704 durch den kaiserlichen General v. Thüngen zurückerobert. Hier 26. Sept. 1796 Gefecht zwischen den Österreichern u. der französischen Arrieregarde (s. Französischer Revolutionskrieg S. 643). Durch den Reichsdeputationsreceß von 1803 verlor U. (damals 14 QM. Gebiet mit 38,000 Ew. u. mit 300,000 Fl. Einkünfte) die Reichsfreiheit u. wurde baierisch u. Hauptstadt des Ober-Donaureises; 1805 ward es von den Österreichern besetzt, der General Mack aber von den Franzosen unter Napoleon eingeschlossen u. mußte sich am 17. October mit 23,800 M. zu Kriegsgefangenen ergeben (s.u. Österreichischer Krieg von 1805 S. 482). 1809 wurde Ulm von Baiern an Württemberg abgetreten; war einige Zeit Hauptstadt der Landvogtei an der Donau, jetzt des württembergischen Oberamts Ulm im Donaukreis. 1839 löste sich die Meistersängerzunft in Ulm, die letzte in Deutschland, auf u. übergab ihre Fahne der dortigen Liedertafel. Vgl. Haid, Ulm mit seinem Gebiet, Ulm 1786, 2 Bde.; Dietrich, Beschreibung der Stadt Ulm, ebd. 1825; Jäger, Ulm im Mittelalter, Heilbr. 1831, 3 Hefte; Reichard, Geschichte der Kriege Ulms, Mm 1832; Grüneisen u. Manch, Ulms Künstlerleben im Mittelalter, Stuttg. 1840; Wanderung durch Ulm u. auf die Schwäbische Alp, ebd. 1850; Fischer, Geschichte von Ulm, 1863. 3) (Neu-Ulm), Verwaltungsdistrict, Bezirksamt u. Landgericht im baierschen Kreise Schwaben, 1,8 QM., 11,700 Ew.; 4) Stadt darin, rechts an der Donau, Ulm gegenüber, in dessen Festungsrayon es eingeschlossen ist, chemische Fabrik, Kasernen; 1500 Ew.; 5) Pfarrdorf im Bezirksamte Oberkirch des badischen Mittelrheinkreises, Weinbau; 1440 Ew.; dabei die Ruine des Schlosses Ullenburg od. Ulmburg, welches den Herzögen von Zähringen gehörte.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.