Wasserleitung

Wasserleitung

Wasserleitung, Vorrichtung, wodurch das Wasser einer Quelle od. eines Flusses an einen entfernten Ort, bes. in eine Stadt, geleitet wird, um daselbst den Wasserbedarf zu befriedigen. Trinkwasser, Wasser für häusliche Bedürfnisse etc., überhaupt kleine Wassermengen werden meist in geschlossenen Röhrenleitungen (Röhrfahrten) von Holz, Sandstein (in Dresden), Kalkstein (in Triest), Thon, Steinzeug, Glas, Cement, Asphalt, Gutta percha (in Schottland), Blei, Eisen (in Berlin) fortgeführt (vgl. Röhre 2). Plötzliche Querschnitts- u. Richtungsveränderungen sind bei Wasserleitungsröhren zu vermeiden, dagegen kann man mit den Röhren leicht bergab u. bergauf gehen, so lange nur in der ganzen Strecke kein Punkt vorkommt, welcher höher liegt als die Quelle. Die Röhren müssen einen dichten Schluß gestatten, dauerhaft gegen Druck, Feuchtigkeit, Hitze u. Frost sein u. dürfen nicht Stoffe an das Wasser abgeben, welche der Gesundheit nachtheilig od. sonst wie schädlich sind. Die Bleiröhren versieht man aus letzterem Grunde mit einem Überzuge von Schwefelblei. An hohen Punkten der Röhrleitung sind Luftständer od. Windstöcke anzubringen, durch welche sich die hier ansammelnde Luft entfernen läßt. Röhrleitungen müssen wenigstens drei Fuß tief unter der Erde gebettet werden, um sie gegen den Frost zu schützen; freiliegende Röhrstücke dagegen müssen mit schlechten Wärmeleitern, als Holz, Stroh, Asche etc. umgeben werden. Vor der Einführung in die Röhren muß das Wasser, bes. das Trinkwasser, oft erst durch Filtration gereinigt werden; im Großen verwendet man dazu meist mehre Schichten Kies u. Sand in großen Filtrirbassins od., Beeten. Eine größere Menge Wasser wird in einer offenen W., d.h. in einem Graben, Kanale od. Gerinne fortgeleitet; sie müssen auf ihrer ganzen Strecke möglichst gleiches, aber geringes Gefäll haben. Man nennt diese Leitungen Aquäducte (vgl. Viaduct), wenn sie in größerer Höhe über der Erde auf Bogenstellungen, dagegen Röschen, wenn sie unter der Erde in einem Tunnel fortgeführt werden. Auch hier sind starke Krümmungen u. Querschnittsveränderungen zu vermeiden. Die gewöhnlichste u. vortheilhafteste Querschnittsform einer solchen Leitung, insbesondere eines Grabens, ist ein Trapez, die eines hölzernen od. gemauerten Gerinnes ein Rechteck. Um die Wände u. Sohle eines Grabens wasserdicht herzustellen, wird derselbe am Boden u. an den Ufern 1 bis 2 Fuß dick mit Lehm, Thon od. Beton ausgerammt, außerdem an den Ufern mit Mauerwerk bekleidet, am Boden bisweilen mit Kies bedeckt, damit das Wasser sich läutere. Darüber werden sie mit Platten u. Erdreich od. durch ein Gewölbe od. durch Bohlen bedeckt, um Eisbildung, Verdunstung des Wassers u. Verunreinigung desselben möglichst zu verhindern. Hölzerne Gerinne werden aus Pfosten hergestellt, welche durch hölzerne Gevierte zusammengehalten u. getragen werden; gußeiserne Gerinne setzt man aus Eisenplatten mit Flantschen zusammen.

Bei den Alten waren die W-en theils offen, indem sie über Thäler in einzelnen od. doppelten od. dreifachen Bogengebäuden übereinander gingen; theils unterirdisch, bisweilen gepflastert od. aus künstlichem Kitte bestehend, od. aus Lehm od. Thonerde, od. aus metallnen Röhren, od. aus Rinnen von Quadersteinen zusammengesetzt. Von den W-en in Ägypten u. Asien zur Bewässerung des Landes s.u. Kanal S. 273. Dieselben dienten auch zum Theil zur Zuführung des Trinkwassers. Zu letzterem Zwecke wurde eine W. in Jerusalem unter Salomo angelegt, durch welche das Wasser bis in den Teich Siloam (od. Gihon), u. von da von Hiskia durch Röhren aus dem sogenannten Oberen Teiche nach Jerusalem geführt wurde, wo es sich in dem Unteren Teiche sammelte; von diesem Teiche führte die W. des Pilatus auf gemauerten Bogen späterer Zeit das Wasser nach Zion; andere dergleichen fanden sich in Alexandria Troas; in Ephesos, gegen sechs Meilen lang, in steinernen Rinnen über Berge u. Thäler geführt, größtentheils noch vorhanden; in Nikomedien in Bithynien; in Smyrna. In Griechenland gab es mehre W-en, z.B. in Athen, die eine aus der Quelle des Ilissos, an der Marathonischen Straße, 11/4 Meile lang; von ihnen sind noch vier übrig, deren zwei für griechische, zwei von ausgezeichneter Bauart für römisch erklärt werden. In Korinth leitete die eine das Wasser vom Berge Kyllene, 31/2 Meilen lang, die andere aus einem Arme des Asopos, 13/4 Meile lang. Die berühmtesten W-en waren in Italien, u. zwar in Misenum, von Marmor doppelt, von Agrippa erbaut; in Narnia, vier Meilen lang, mit vier Bogen, von denen einer, Brücke des Augustus genannt, übrig ist; in Spoletum, angeblich vom König Theoderich erbaut, fast ganz übrig. Hauptsächlich in u. bei Rom wurden W-en (Aquae) besonderes Bedürfniß, da die Brunnen bei der zunehmenden Bevölkerung nicht ausreichten. Sie brachten das Wasser oft sechs Meilen weit her, selbst über Berge u. Felsen. Nachdem das gefundene Wasser durch Abwägung geprüft war, legte man gemauerte Kanäle (Specus, Canales) an, theils unterirdische, theils sich über Thäler erhebende, in denen das Wasser in Röhren od. Rinnen floß. Über den Kanälen lagen Holzschienen (Formae). In gewissen Zwischenräumen sammelte sich das Wasser, der Reinigung u. der Verstärkung des Druckes wegen, in großen Behältern (Piscinae). In der Stadt war es in bes. dazu errichteten Gebäuden (Castella, Dividicula) aufbewahrt u. wurde durch bleierne od. steinerne Röhren (Fistulae) in die verschiedenen Gegenden der Stadt vertheilt. Die Röhren waren von verschiedenem Durchmesser; die von 7/4 Zoll Durchmesser im Lichten hießen Septenariae, die von 20/4 Vicenariae, die von 25/4 Vicenae quinae etc. Der Gebrauch des Wassers einer W. stand, bei den hohen Baukosten, den Einwohnern nur gegen eine Abgabe frei. Während der Republik hatten die Censoren u. Ädilen die Aufsicht über die W-en,[907] unter den Kaisern die Curatores aquarum (C. formarum, Aediles, f., Comites f.), welche unter dem Praefectus urbi standen; der Oberaufseher über die W-en hieß Consularis aquarum (Praefectus a.), sein Amt war unter Augustus sehr angesehen, er hatte außerhalb der Stadt zwei Lictoren, drei Staatssklaven, einen Architekten, Secretäre etc. in seinem Gefolge. Die Circuitores bereisten immer die W-en, um zu sehen, daß alles in gehörigem Stande war. Außer der ältesten, der Aqua appia, befanden sich noch 13 Haupt- u. mehre Nebenwasserleitungen in u. bei Rom, z.B. Aqua alsietina, Anio novus u. A. Vetus, Aqua antoniana, A. mariana, A. marcia, A. labicana, A. aurelia, A. aufeja, A. capitolina, A. crabra, A. curtia, A. ciminia, A. damnata, A. herculea, A. janiculensis, A. julia, A. mercurii, A. septimiana, A. sabatina, A. trajana, A. tepula, s.d. unter Rom S. 262 f. In Gallien von Römern erbaute W-en finden sich in Arcueil, vom Kaiser Constantius Chlorus erbaut, 48,000 Schritte lang, von den Normannen zerstört u. wieder hergestellt von Maria von Medici; zu Bucq, Ruinen: 19 Bogen u. mehre Pfeiler; auf einer Wiese bei Coutance, fast noch ganz übrig; zu Lyon, unter Nero erbaut, vom Fuße des Pila her acht Meilen weit geleitet; Ruinen von Bogen bei Fourvière; zu Metz, unter den ersten römischen Kaisern, vor 70 n. Chr., erbaut, zum Theil unterirdisch, vom jetzigen Gorze unter der Mosel weg geleitet, 41/2 Stunde lang u.a. In Spanien zu Merida in Estremadura, von Augusts Unterseldherrn Caritius erbaut; in Segovia, mit 177 Bogen über 2–3000 Schritte von einander entfernte Berge, doppelt, aus ungekitteten Steinen; angeblich, von Trajan erbaut; zu Tarragona in Catalonien. In Constantinopel, s.d. S. 384 u. S. 389. In neuerer Zeit sind großartige W-en angelegt worden, z.B. von Ludwig XIV. bei Versailles, hatte drei Reihen Arkaden u. 242 Bogen, liegt jetzt in Ruinen; bei Lissabon, s.d. 2); zu Caserta, s.d. Die dingliche Dienstbarkeit, vermöge deren ein Grundstücksbesitzer befugt ist Wasser in Röhren od. Kanälen aus einer fremden Quelle od. durch eines Andern Grundstück in das seinige, od. aus seinem Grundstücke durch des Nachbars Grund u. Boden abzuleiten, heißt Wasserleitungsgerechtigkeit (Servitus aquaeductus). Im ersten Falle darf ein steinerner Kanal nur angelegt werden, wenn dies ausdrücklich bedungen ist, so wie überhaupt auch bei dieser Servitut eine Ausdehnung weder über die Grenze des herrschenden noch über die des dienenden Grundstücks statt findet, sondern die Art der Gestattung u. die zeitherige Observanz genau beobachtet werden muß. Vgl. Geniey, Essai sur moyens de conduire les eaux; Dupuit, Theorie de la conduite des eaux, Par. 1854; Grimaux, Des eaux publiques et de leur application aux besoins des grandes villes et des habitations rurales, Par. 1863; 2) (Anat.), W. des Falopius, s. Falopischer Kanal. W. des Ohrs, s.u. Ohr S. 242. W. des Sylvius, s.u. Gehirn S. 63.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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