Alchemie

Alchemie

Alchemie (a. d. arab., die Chemie), die vorgebliche Kunst, unedle Metalle in edle, besonders in Gold zu verwandeln, u. zugleich ein Lebenselixir zu bereiten. Die Hauptlehrsätze der A. sind: Es gibt ein Präparat von fester Gestalt u. rother Farbe: Stein der Weisen (Lapisphilosophorum, groß es Elixir, großes Magisterium, rothe Tinctur), welches, in kleinster Menge auf ein anderes fließendes Metall geschüttet, dieses in Gold verwandelt. Dasselbe Präparat, in kleinster Gabe als Arznei genommen, ist die Panaceedes Lebens, das Aurumpotabile, (trinkbares Gold), welches das Alter verjüngt, das Leben verlängert, alle Krankheiten heilt. Ein anderes Präparat von weißer Farbe, der Steinzweiter Ordnung (kleines Elixir, weiße Tinctur), kann jedes unedle Metall in Silber verwandeln. Diese Präparate, zu deren Bereitung sich nirgends eine Vorschrift findet, herzustellen, war Jahrhunderte lang das eifrigste Bestreben der A., die sich, um ein desto größeres Ansehen zu gewinnen, in den Schleier des Geheimnisses hüllte, eine neue Kunstsprache volk mystischer Benennungen u. Ausdrücke erfand u. auf diese Weise viele angesehene Personen, namentlich Fürsten, für sich gewann. Man entlehnte diese Ausdrücke vorzüglich aus dem Arabischen, (deshalb kommen so viele dergleichen mit dem arabischen Artikel al in der A. vor) anderer von mystisch-theosophischen Bildern. Nur wenige dieser Ausdrücke haben sich in der Chemie, als von der A. herrührend, erhalten, der größere Theil ist obsolet geworden. Daß es je gelungen wäre, edle Metalle aus Substanzen, die dieselben nicht schon enthielten, herzustellen, ist zu bezweifeln, da das Gold nach dem jetzigen Standpunkte der Chemie als einfacher, unzerlegbarer u. folglich auch nicht zusammensetzbarer Körper erkannt worden ist. Indessen haben die alchemistischen Arbeiten u. Forschungen Veranlassung zu höchst wichtigen Entdeckungen in der Pharmacie u. Technik gegeben u. haben der Ausbildung der Chemie bedeutenden Vorschub geleistet, u. die A. wird daher mit Recht Mutter der Chemie genannt. Die Erfindung der A. wird von Ein. dem Ägyptier Hermes Trismegistos (s.d.), der sie auf einer smaragdenen Tafel aufgezeichnet haben soll, daher auch die Bezeichnungen ägyptische od. hermetische Kunst; von Anderen dem persischen Magier Osthenes zugeschrieben; noch Andere lassen sie aus den Pyramiden von Syeue, od. aus der Libyschen Wüste[279] hergekommen sein. Wirklich scheint sie in Ägypten, aber weit später in der Alexandrinischen Schule ihren Ursprung gehabt zu haben. Schon Ammonios Sakkas, Plotinos u. Porphyrios, Zosimos von Panopolis, Olympiodoros von Theben scheinen sich mit A. beschäftigt zu haben. Diocletian verbot die A. 296 n. Chr. als zu großen Reichthümern u. hierdurch zum Aufstand führend, u. Valens u. Valentinian schärften das Verbot im 4. Jahrh. wieder ein. Damals sprach dort Themistios Euphrades von der Verwandlung der Metalle, nachdem bereits im 5. Jahrh. v. Chr. Demokritos seine Physik u. Mystik geschrieben hatte, die dasselbe Thema behandelte, u. bald folgten ihnen viele Andere nach. Jedoch scheinen alle diese Versuche nicht die chemischen Verhältnisse, sondern nur die Farbe umgewandelt u. eine Art Messing, Tomback, Bronce od. arsenhaltiges Weißkupfer bereitet zu haben. Als die Araber, denen der Koran die A. streng verbot, Alexandrien eroberten, adoptirten sie nebst der Mathematik auch die A., ohne es jedoch weiter als ihre Vorfahren zu bringen, doch gaben sie der A. ihre Kunstsprache. Unter ihnen zeichnet sich besonders im 8. Jahrh. der Maure Geber (Abu Mussar Dschaffar el Sof) in Spanien in der A. aus. Durch die Araber kam die A. mit den Feldzügen der Mauren nach SFrankreich u. von da nach dem Norden Europas. Im 9. Jahrh. schrieb Haimo, Bischof von Halberstadt, de lapidibus philosophicis; im 11. Jahrh. erschien der Brite Hortulanus als Adept; das meiste Aufsehen machte aber Albertus Magnus im 13. Jahrh., er brachte zuerst die chemische Verwandlung in Vorschlag, ohne jedoch, wie es scheint, sie wirklich aufzufinden. Eben so wenig glückte dies wohl seinen Nachfolgern, Thomas von Aquino, Christoph von Paris, Alfons X. von Castilien, Roger Baco, Peter von Abano, Arnoldus Bachnone (gewöhnlich Villanovanus genannt), obschon sie beiläufig andere chemische Entdeckungen machten. 1317 verbot der Papst Johann XXII. die A., jedoch ohne Erfolg, u. er trieb später selbst A. Eben so erfolglos war das Verbot zu Venedig im 15. Jahrh., die Adepten trieben die A. als Voarchadunica insgeheim weiter. Raymundus Lullus ist der Erste, von dem mit Bestimmtheit versichert wird, daß er wirklich viel Gold gemacht habe. Auch der Franzos Flamel soll sich um diese Zeit ein großes Vermögen durch die A. erworben haben. Im 15. Jahrh. machte der pseudonyme Basilius Valentinus, ein Name, den bald mehrere alchemistische Schriftsteller ihren Werken vorsetzten, viel Aufsehn; nach demselben zeigten sich eine Menge Betrüger, die nur falsches Gold fertigten. Graf Bernhard von Padua war unter ihnen der wichtigste; auch gab Heinrich VI. von England 3 Fabrikanten, Fauceby, Kirkeby u. Ragny, das Privilegium, Gold zu fertigen u. das Lebenselixir zu bereiten. Acht ähnliche Patente wurden noch 1444–1452 ertheilt. Die A. kam durch sie in Beruf, blieb aber damals auch nicht ohne Anhänger, wie denn Melanchthon gegen, Luther für sie sprach. Vor allen schaffte aber Theophrastus Paracelsus im 16. Jahrh. der A. Eingang im Volke, u. die A. war an Höfen wie in der großen Welt jetzt 2 Jahrhunderte lang Mode. Außer ihm zeichneten sich zu dieser Zeit aus: Barnaud aus der Dauphiné, Tobias von Hogheland, Augurelli aus Rimini, Leonh. Turneyssen zum Thurn, Leibarzt am brandenburgischen Hofe (der einen eisernen Nagel in Gegenwart vieler Vornehmer halb in Gold verwandelt haben soll), G. Dorn, Arzt zu Frankfurt, Aug. Gutmann aus Schwaben, Jul. Sperber, anhaltischer Leibarzt, H. Kunrath, Arzt in Dresden, Quercetanus, französischer Leibarzt. Im 16. Jahrh. soll ein Franzos, Denys Zachaire, aus Quecksilber Gold gemacht haben, u. ein Engländer, Killey, täuschte auch Rudolf II. durch ein angeblich gefundenes Pulver. Ende des 16. Jahrh. machten der Schotte Setonius am Hofe des Kurfürsten Christian II. von Sachsen, u. der Pole Michael Sendivogius od. Sensofax in Polen, bei Kaiser Rudolf II. u. in Baiern Aufsehen als Adepten; dann Irenäus Philaletha u. dessen Nachfolger, der Brite Starkey, u. der sog. Baronv. Chaos, auch Fr. Helvetius, I. L. Hannemann, Fr. Kiefer, Joh. Schuberdt, I. Ch. Orschall wurden als Adepten geschätzt. Auch Laskaris, zu Anfang des 18. Jahrh., war ein berühmter Adept u. lehrte dem Apotheker Böttcher (s.d.) zu Berlin angeblich Gold machen, der, später deshalb in Dresden verhaftet, indem er Versuche machte, das Porzellan erfand. Noch später machte der Österreicher Sehfeld Aufsehen. Was nun von diesem allen wahr, was erdichtet ist, läßt sich schwer entscheiden. Vieles war entschieden Täuschung. Andere kamen durch große, auf unerklärliche Art erworbene Reichthümer zu dem Ruf, A. zu treiben, die Zeitgenossen aber ließen sich durch Betrüger leicht täuschen u. erzählten aus Sucht zu dem Wunderbaren Unglaubliches nach, entstellten auch wohl die Wahrheit unabsichtlich. Eine merkwürdige Rolle spielten im 16. u. 17. Jahrh. die Rosenkreuzer in der A., sie hatten nächst der Theosophie die A. zum Hauptzweck. Durch sie wurden bes. viele Fürsten u. Vornehme zur A. verleitet. In unserer Zeit ist die A. fast vergessen. Am meisten trugen die Untersuchungen vorurtheilsloser Chemiker, Rob. Boyle im 17. Jahrh. an der Spitze, dazu bei, die A. in ihrer Nichtigkeit darzustellen. Vgl. Tractat. de secretiss. antiq. philosophorum arcano, Lpz. 1612; Stolcz v. Stolczenburg, Viriolarium chymic, Frkf. 1624; dessen Hortulus hermeticus etc., ebd. 1627; Corn. Balbianus, Speculum chymic., Lond. 1666; Geber (der Arab.), Chimia s. traditio summae perfectionis et investigatio magisterii, herausgeg. v. Kasp. Horn. Nürnb. 1668; Bibliotheca philosoph. chymicorum, Paris 1678, 2 Bde.; Meyer, Alchym. Briefe, Hann. 1767; Schröder, Neue alchym. Bibliothek etc., Frkf. 1771–73, 2 Bde.; dessen Neue Sammlung der Bibliothek für die höheren Naturwissenschaften u. Chemie, Lpz. 1775–80, 2 Bde.; dessen Geschichte der ältesten Philosophie u. Chemie etc., Marb. 1785; Wiegleb, Historisch kritische Untersuchungen der Alchemie etc., Weim. 1777; v. Murr, Literarische Nachrichten zu der Geschichte der sog. Goldmacherkunst, Lpz. 1835; Schmieder, Geschichte der Alchemie, Cassel 1833.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Alchemie — Al|che|mie, die; <arabisch> (Chemie des Mittelalters; vermeintliche Goldmacherkunst; Schwarzkunst) …   Die deutsche Rechtschreibung

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