Neger [1]

Neger [1]

Neger, die zunächst urch die Schwärze ihrer Haut sich auszeichnende Äthiopische Menschenrace (s. Menschenracen). Die Heimath der N. ist Afrika, obgleich negerartige Völker sich auch z.B. auf den Südseeinselneinheimisch gefunden haben. In Afrika findet sich die Negerbildung in dem ganzen Gebiete, welches sich von der Südspitze nordwärts bis zum Senegal, der Wüste Sahara u. den Südgrenzen von Nubien u. Habesch erstreckt, wenn gleich die Völker des äußersten Südens mit den Hottentotten u. Kaffern schon einen theilweisen Übergang zur Malayischen Race bilden. Das heiße Klima dieser Gegenden mag wohl die schwarze Hautfärbung begünstigen, jedoch alleinige Ursache der Schwärze der N. ist sie nicht. Auch findet sich das Maximum der schwarzen Farbe keineswegs unter dem Äquator, sondern bei Völkerschaften, welche, wie die Joloss schon in ziemlicher Entfernung davon, am Südrande des Senegal, also an der Grenzscheide gegen die Araberbevölkerung wohnen. Gegen den Äquator nimmt die schwarze Färbung der Negerrace sogar allmälig ab, u. während die Joloss, eins der nördlichsten Glieder derselben, sowie die Mapoutakassern, eins der südlichen an der Ostküste, eine dunkelschwarz glänzende, polirtem Ebenholz ähnliche Haut besitzen, geht die Farbe der nördlichen N. nach dem Äquator allmälig in eine unreine od. röthliche über, was bes. bei den Aschanti's u. Ibus der Fall ist. Einzelne große Zweige der Race, wie die weitverbreiteten Fellatah, weichen sogar durch ihre helle Farbe so sehr von den übrigen Bewohnern des Binnenlandes ab, daß sie von den schwarzen Eingeborenen mit den Weißen gleichgestellt werden. Zuweilen sind die N. durch das Olivenfarbige ihrer Haut von den südlichen Spaniern u. Portugiesen gar nicht zu unterscheiden. Ebenso besitzen fast unter dem Äquator wohnende Kaffern eine hellbraune Farbe. Die hellsten Glieder der Äthiopischen Race sind außer den Fellatah die Hottentottenstämme des Caplandes, deren Hautfarbe ihnen meist das Ansehen von mit der Gelbsucht behafteten Kranken gibt Im Übrigen nehmen auch weiße Menschen in Afrika wohl eine dunklere, nie aber eine schwarze Farbe an. Geboren werden die Negerkinder gelblichweiß u. sind nur an einigen Körpertheilen, wie um die Augen u. um die Brustwarzen herum, auch an den Rändern der Nägel, schwarz gefärbt, werden aber sehr bald (schon zwischen dem dritten u. sechsten Tag) schwarz, ehe noch das Klima einwirkt; auch behalten Negerfamilien in anderen u. gemäßigteren Erdstrichen ihre Schwärze mehrere Generationen hindurch u. geben, mit Weißen vermischt, Nüancen von dunkeler[768] u. heller Hautfarbe, in dem Maße als die Vermischung mit Weißen durch mehrere Generationen hindurch sich wiederholt. Der Sitz der schwarzen Farbe des N-s ist das Schleimnetz u. die äußere Fläche der Lederhaut (s.u. Haut), daher die Schwärze wegfällt, wenn das Schleimnetz zerstört ist, wie bei Narben u. bei manchen Arten des Aussatzes; auch wird in Krankheitszuständen allerlei Art, auch in hohem Alter, die bei kräftigen u. gefunden N-n glänzende Schwärze matt, bräunlich od. ins Graue fallend; auch sind die mit dickerer Oberhaut überkleideten Körperstellen, namentlich die inneren Hautflächen u. Fußsohlen, weniger schwarz; an den Wangen junger Negerinnen schimmert zuweilen etwas Röthe durch. Aber nicht die Schwärze allein macht die Negerhaut zu einer eigenthümlichen, sondern diese zeichnet sich auch durch sammtartige Weichheit, Fettigkeit beim Anfühlen u. reichlicher Absonderung eines knoblauchartig riechenden Schweißes aus, welcher, mit der Kräftigkeit der übrigen Negerbildung in Übereinstimmung steht, daher auch bei den verschiedenen Negernationen abweichend ist; der Geruch dieses Schweißes theilt sich selbst den Fußtapfen des N-s auf einige Zeit mit. Als Albinos (s.u. Kakerlak 1) sind die N. ganz weiß, bleiben aber deswegen noch derselben Menschenrace angehörig. Das eigentlich Unterscheidende geht nämlich von der allgemeinen Körper- bes. aber von der Kopfbildung aus, indem der Negerschädel eine von den Schädeln anderer Menschenracen auffallend abweichende Bildung hat. In ihm ist wegen vorwaltender Ausbildung des Gesichtstheiles vor der des Hirnschädeltheiles, wegen Verlängerung beider Kiefer vorwärts u. bei dem kleineren Gesichtswinkel (von nur etwa 70°, wogegen er beim Europäer 80° bis 90° beträgt) eine Annäherung an die Affenbildung nicht zu verkennen. Die Stirn ist weniger vorwärts gewölbt u. meist höckerig, der Hinterkopf platter; von einer Seite zur anderen erscheint der ganze Schädel wie zusammengedrückt; das Gehirn findet in ihm verhältnißmäßig weniger Geräumigkeit. Äußerlich stehen die Jochbogen weiter vom übrigen Schädel ab; die Backenknochen springen bedeutend vor, sind stark u. breit, fast viereckig; die Augenhöhlen sind geräumiger, u. ihr äußerer Umfang ist weiter, die Nasenlöcher machen gegen einander einen sehr stumpfen Winkel, die birnförmige Öffnung der knöchernen Nasenhöhle ist sehr groß u. diese Höhle selbst sehr entwickelt, auch die äußere Öffnung des Gehörorgans ist groß, das Gaumengewölbe sehr ausgedehnt, länger u. ranher. Der Fortsatz des Oberkiefers ist größer u. breiter u. der aufsteigende Ast des Unterkiefers sehr breit; sein (stumpfer) Winkel nähert sich mehr einem rechten; der Körper des Unterkiefers ist höher, dicker, unebener; das Kinn ist nicht ausgebildet, sondern wie zurückgedrängt; die Zähne beider Kiefer stoßen unter einem spitzigeren Winkel zusammen, sind stark, breit u. dick u. stehen in dichteren Reihen beisammen. Aber auch die übrige Knochenbildung ist abweichend; die knöcherne Brusthöhle ist geräumiger u. gewölbter, das Becken etwas enger; die Hüften sind tief ausgeschweift; Hände u. Füße sind flacher u. länger, die Unterschenkel oft etwas gebogen u. die Knie scheinen etwas weiter von einander zu stehen. Zum Theil auf diese Abweichungen des Knochenbaues gegründet, zeigt auch der äußere Körper des N-s seiner Form nach auffallende Verschiedenheiten. Der Übergang in den Nacken ist flacher, nicht so ausgehöhlt, wie bei den Weißen; das Haupthaar ist pechschwarz, sein, gekräuselt, wollartig, härter u. elastischer (die Haarwurzeln durchgängig weiß); die Grenze des Haarwuchses des Kopfes ist scharf, u. das Haupthaar erscheint als eine aufgesetzte Perücke; die Augenbrauen scheinen etwas schwächer zu sein; die Augenspalte ist kleiner als seim Europäer, der Augapfel dagegen größer u. rings um die Hornhaut herum, etwa 1/2 Linie breit, schwärzlich gefärbt; das Weiße im Auge ist weniger glänzend, sondern gelblichbräunlich; die Falte im inneren Augenwinkel ist stärker. Die Augenwimpern sind an beiden Augenlidern gekrümmter, häufiger, dichter u. ebenfalls pechschwarz. Die Farbe der Iris ist meist ungemischt dunkelbraun; die Nase ist aufgestülpt, stumpf, mehr breit als lang, klein u. ragt, mehr auf der Oberlippe aufliegend, über diese nicht hervor; die äußeren Nasenlöcher sind weit; die Lippen sind lang, groß, aufgeworfen, wulstig, dick, bläulich schwärzlich od. auch schmutzig rosenfarben, zuweilen aber auch so schwarz, daß ihre Färbung kaum von der Gesichtsfarbe zu unterscheiden ist; die Ohren sind rundlicher u. stehen mehr vom Kopfe ab; die Schläfe u. Kaumuskeln sind sehr stark ausgeprägt, die übrigen Gesichtsmuskeln dagegen weniger entwickelt. Am übrigen Körper sind die Unterschiede unerheblicher; der Nabel ragt mehr rundlich hervor, u. die unteren Gliedmaßen sind meist weniger gut gebildet. Doch wie bei der Farbe kommen auch in der Körperbildung zahlreiche Abweichungen von diesem, den Guineanegern entlehnten Normaltypus vor. Die schönsten Gesichtsbildungen besitzen die Joloss, die Timanis u. Bulloms bei Sierra Leona, die Biafares am Gebameerbusen, die Aschantis, bei denen oft rein griechische Formen beobachtet werden, die Haussaner im nördlichen Binnenlande u. endlich die südlicheren Kaffern; die häßlichsten dagegen, dem Affentypus schon am nächsten stehenden Gesichter haben die Papels, Bissaos u. Valantes in Senegambien, die Ibus am unteren Niger u. die Buschmannhottentotten. Die geistreichsten, dem europäischen Charakter am nächsten stehenden Gesichtsformen besitzen die Mandingo's u. Fellatah, welche zugleich auf der höchsten Stufe der intellectuellen Ausbildung stehen, wie es denn eine allgemeine Erfahrung bei den afrikanischen Völkerschaften ist, die nur eine Ausnahme bei den Joloss erleidet, daß, je höher deren Bildungsstufe ist, sich zugleich die physische Ausbildung am höchsten erhoben hat. Gleicher Weise zeigt sich eine bemerkbare Verschiedenheit der Gesichtszüge solcher Völker, welche nur aus Freien bestehen, wie die Mandingo's, u. denen, welche Sklaven halten. Durch ihren starken, wohlgebauten Körper zeichnen sich die meisten Glieder der Negerrace aus, vor Allem das Kruvolk auf der Küste Guinea's u. die Männer der Kaffern. Ausnahmsweise hager u. klein sind die Hottentotten, u. unter diesen am kleinsten die Buschmannhottentotten od. Sabs. Alle Negervölker zeichnen sich durch ungemeine Fruchtbarkeit aus, obgleich auch häufig Abortus unter den Negerinnen, theils durch Unachtsamkeit auf ihren Zustand veranlaßt, theils absichtlich bewirkt werden. Die Pubertät tritt zeitig ein, daher auch zeitige Verheirathungen. Die mehrsten Negerstämme leben in Polygamie. Die Geburten erfolgen meist sehr leicht, wozu theils der kleinere Kopf des Negerkindes, theils die Schlaffheit der mütterlichen Constitution viel beiträgt. Die Brüste der Negerinnen sind lang, hängend u. geben reichliche Milch. Ausgezeichnet[769] ist ihre mütterliche Liebe. Merkwürdig ist, daß N. bei kleinerem Gehirn zugleich dickere Nerven haben, als Weiße (also auch hierin eine Annäherung zur Thiernatur), dabei aber alle Sinnesorgane, bes. aber das Gehörorgan, stark entwickelt sind.

Einerseits sinnlichen Genüssen, andererseits trägem Nichts thun sich hingebend, leben die Negervölker Afrika's schon Jahrtausende lang in den weiten Flächen dieses Welttheils, ohne zu einer höheren Entwickelung zu gelangen; während ihre Nachbarn am Nil im Bilden u. Denken die frühesten Lehrer der Welt wurden, u. an der Nordküste von Afrika durch Handel u. Krieg mächtige Reiche entstanden, sind die Negervölker nie in der Weltgeschichte mit einiger Wichtigkeit aufgetreten. Sie leben in der Regel mäßig, meist von Vegetabilien (Reis, Hirse, Maniock, Bataten etc.), weniger von Fleisch, Küstenbewohner von Fischen; einige halten Viehheerden (Rinder, Schafe, Ziegen). Ihr Getränk ist Wasser, bei feierlichen Gelegenheiten Palmenwein od. eine Art Bier aus Hirse bereitet. Ihr Ackerbau verdient kaum diesen Namen. Die einzelnen Glieder der Negerrace sind in eine große Anzahl kleiner Staaten od. Stämme unter Häuptlingen getheilt, welche entweder völlig selbständig sind, wie im südlichen Senegambien, od., wie beichen südlichen Kaffern, unter einem Oberhaupt stehen, welches bei Handlungen von allgemeinem Interesse die Meinung der Häuptlinge einziehen muß, sonst aber sehr beschränkt ist. Größere Reiche gibt es verhältnißmäßig wenig; die bedeutendsten derselben sind Aschanti, Dahomey, die drei Fellatahreiche von Sokoto, Gando u. Messina, dann die Reiche Bornu u. Wadai u. die Staaten des Muata-ja-Nao, der Matebele's u. der Zulu's. Die Verfassung der Staaten ist meist monarchisch u. zugleich despotisch, oft bis zu dem Grade der blutdürstigsten Grausamkeit, wie sie sonst auf der Erde nicht vorkommt. Der Wille od. die Laune des Herrschers ist das einzige Gesetz; in geringerem Grade despotisch sind die muhammedanischen Staaten der Fellatah's u. von Bornu. Hin u. wieder ist die Macht der erblichen Herrscher, so am unteren Gabun u. bei den Fulah's am Senegal, durch einen Rath der Ältesten des Volkes beschränkt. Republikanisch endlich mit einheimischen Formen sind die meisten kleineren Mandingo-, Fellatah- u. Kru-Staaten; die Republik Liberia auf der Guineaküste ist der amerikanischen nachgebildet. Die Negersprachen sind fast ohne Construction, nur für das Bedürfniß des Augenblicks tauglich, zum Ausdruck abstracter Begriffe aber ganz ungeeignet. Noch bis jetzt sind die Negervölker nicht zu irgend einer Art von schriftlicher Mittheilung genugt. Auch die positive Religion blieb bei ihnen auf der tiefsten Stufe; nichts als Fetische in den häßlichsten Formen der Thierwelt, kaum noch roh geschnitzte Götzen, sind der Gegenstand ihrer Anbetung, u. Menschenopfer kommen sehr häufig vor. Doch haben mehrere Negervölker sich zum Islam gewendet, u. deren Anzahl wächst jährlich, namentlich durch die Eroberungen der Fellatah u. die Bemühungen der Mandingopriester, da man für dieses Glaubensbekenntniß nichts als Hersagen einiger Gebete verlangt. Dadurch wird zwar einige Cultur erlangt, indem man bemüht ist, Schulen anzulegen, wo der Koran Eingang fand; indessen gilt Zauberei auch bei diesen noch viel, u. sie verwahren sich gegen dieselbe durch Amulete u. Denksprüche. Auch das Christenthum hat einigen Eingang gefunden, theils vom Caplande aus unter den Hottentotten u. Kaffern, theils im Nordwesten durch die Republik Liberia. Die Musik, welche sie leidenschaftlich lieben, ist bei ihnen nichts als ein disharmonisches Wesen, durch lärmende Instrumente, Trommeln, Bleche etc. bewirkt. Überhaupt gewahrt man nirgends beim N. ein Streben nach den höheren Gütern der Menschheit. Nur einige Kunstfertigkeiten (Weberei von einigen zur nothdürftigsten Bedeckung nöthigen Zeugen) liegen in den Händen der Weiber; in den reichen Ländern sind diese Webereien von ausnehmender Zartheit u. Feine; es findet sich auch hie u. da die Geschicklichkeit zu färben, Leder zu bereiten u. Metalle zu verarbeiten. Ihre Unterhaltungen bestehen in Gesprächen, welche sie bei Zusammenkünften (Palawers) führen, u. deren Inhalt Tagesgeschichten sind, Tabakrauchen, Spiel (unter anderen eins, welches etwas Ähnliches mit dem Schach hat), Tanz, welcher bis in die halbe Nacht dauert. Daß jedoch den N-n auch höhere Bildungsfähigkeit nicht abgeht, erhellt daraus, daß bei verständiger Leitung unter, in günstige Lebensverhältnisse versetzten N-n sehr brauchbare Colonisten, verständige Kaufleute, wohl selbst Schriftsteller u. Dichter, ja, wie unter den nach Westindien überpflanzten N-n, Heerführer u. höchste Staatsbeamte erstanden sind. Über das Sklavenleben der N., s.u. Sklaverei. Vgl. H. Gregoire, Über die Literatur der N., aus dem Französischen, Tübingen 1809; Denham, Clapperton and Oudney, narrative of travels and discoveries in Northern and Central Africa, Lond. 1828; Die Reisewerke von Barth, Livingston, Ladislaus Magyar u.a.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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