- Tasso [1]
Tasso (Tassi, Tassis), das Geschlecht der T. stammt von dem Ritter Eriprand de la Tour, Herrn von Valsasina, welcher mit dem burgundischen Königstamme verwandt war, bis auf Kaiser Karl den Großen seinen Stammbaum zurückleitete u. die französischen Lilien im Wappen führte. Sein Sohn war Martino della Torre, genannt der Riese, regierender Graf von Valsasina u. der Riviera di Como, er begleitete Kaiser Konrad III. auf seinem Kreuzzuge u. st. 1147 in Gefangenschaft der Sarazenen. Pagano II., sein Enkel, nahm den König Enzio (s.d.) gefangen. 1259 erwählten die Mailänder seinen Neffen, den Guelfen Martin, zum Podesta u. die Torri blieben dies bis zur Erhebung der Visconti 1312, s. Mailand (Gesch.). Der letzte war Nappo (Napoleon), welcher in Cremona starb, u. sein Sohn Lamoral II.[268] siedelte sich 1313 im Bergamenischen an, wo seine Familie das Landgut Almeno besaß u. von einem Berg Tasso, wo eine der Familie T. gehörige Burg Cornello stand, den Namen T. annahm. Lamoral vermählte sich mit der Tochter des Fürsten von Bergamo aus dem Hause Suardi u. wurde Stifter der Linie Torre de Tassis des Hauses Torriani. Mehre geben indessen diese Genealogie des Hauses T. anders an; sie lassen das Haus in der Gegend von Bergamo entstehen u. die Nachfolger in den Kriegsbedrängnissen, um das Jahr 1200, in das Thal Brembana geflüchtet sein, wo es etwa 100 Jahre lang wohnte u. bedeutende Besitzungen erwarb, bis die T. nach Bergamo zurückkehrten, von wo aus sie sich durch Europa verbreiteten. Diese führen den Stammbaum auf Amadeo T. von Cornello, welcher um 1290 blühete, zurück. Ihm wird die Erfindung der Einführung der Posten zugeschrieben, obgleich diese Ehre blos in der Absicht dem Amadeo ertheilt worden zu sein scheint, um dem Hause Thurn u. Taxis, welches von den T. (s. Thurn u. Taxis) stammt, um so sicherer die Erfindung der Posten, welche ihnen später in Deutschland, Italien u. Spanien Reichthümer brachten, zu vindiciren. Merkwürdig sind: 1) Bernardo, geb. 1493 in Bergamo; wohnte als Secretär des päpstlichen Generals Guido Panzona der Schlacht bei Pavia bei. Bald nachher wurde er als päpstlicher geheimer Gesandter nach Frankreich gebraucht, lebte dann am Hofe in Ferrara. ging als Secretär des Fürsten Sanseverino von Salerno mit Kaiser Karl V. nach Tunis, lebte dann in Salerno, gerieth bei Karl V. in Ungnade, lebte dann an mehren Orten u. st. 1569 als Gouverneur von Ostiglia. Er schr.: Amadis (romantisches Epos in 100 Gesängen), nach spanischen Originalen, Vened. 1560, Bergamo 1755; Floridante, Bologna 1587; Littere, Padua 1733–53, 3 Bde., deutsch von Jagemann 1803. 2) Torquato T., Sohn des Vor., geb. 1544 in Sorrento, studirte bei den Jesuiten in Neapel u. 13 Jahre alt in Padua zugleich Theologie, Jurisprudenz u. Philosophie, wurde dann von dem Cardinal Ludwig von Este, einem Bruder des Herzogs Alfons II. von Ferrara, nach Ferrara gerufen u. begleitete denselben 1571 nach Paris. 1577 hatte er gegen einen Hofcavalier, von welchem er sich beleidigt glaubte, in den fürstlichen Zimmern den Degen gezogen u. erhielt deshalb Stubenarrest. Hierdurch fand er sich beleidigt, entfloh heimlich u. irrte unter dem Namen Omero Fuggiguerra (Homer, welcher vor dem Streite flieht) um Turin umher u. ging dann zu seiner Schwester nach Sorrento. Aber seine leidenschaftliche Liebe zu der Prinzessin Leonore von Este, der Schwester seines Fürsten, trieb ihn nach Ferrara zurück. Sie hatte ihn zu mehren glühenden Sonetten begeistert u. um, ohne sich zu verrathen, den Namen Leonore in seinen Gedichten tönen zu lassen, huldigte er poetisch zum Schein einer Hofdame, Leonore Santivale. Damals soll er, seiner Sinne nicht mehr mächtig, die Prinzessin in Gegenwart des Hofes umarmt haben. Der Herzog ließ ihn deshalb im März 1579 im St. Annenhospital in Ferrara als einen Wahnsinnigen in Hast halten u. gab ihm erst 1586 auf Verwendung des Prinzen Vincenz Gonzaga von Mantua seine Freiheit wieder. Er irrte seitdem, von der tiefsten Schwermuth gepeinigt, fortwährend kränkelnd u. in der drückendsten Armuth in Italien umher, nachdem er umsonst von verschiedenen Päpsten eine kleine Pension gehofft hatte. Einer seiner Gönner, der Cardinal Cinzio Aldobrandini, wollte ihn auf dem Capitol feierlich mit dem Lorbeer krönen lassen, aber T. starb, ehe die Krönung zu Stande kam, in Rom 25. April 1595. Sein poetisches Verdienst wurde erst lange nach seinem Tode durch ein Denkmal in der Klosterkirche S. Onofrio in Rom, wo er beigesetzt wurde, geehrt. T. behauptet den ersten Rang unter den epischen Dichtern Italiens, aber auch in der lyrischen u. dramatischen Gattung hat er manches Treffliche geliefert. Er schr.: Il Rinaldo (Epos), Vened. 1562; Gerusalemme liberata (das befreite Jerusalem, worin er in 20 Gesängen die Eroberung jener Stadt durch Gottfried von Bouillon schildert), Parma 1581, u. dann über 100 Mal; franz. von le Brun, Par. 1774, u. ö., u. von Baour Lormian, ebd. 1819, 3 Bde.; engl. von I. Hoole, Lond. 1803, 2. Ausg., ebd. 1811, 2 Bde., von Wissen, ebd. 1825, 2 Bde.; deutsch von I. D. Gries, Jena 1800, 2 Bde.; 10. Aufl., ebd. 1855, 2 Bde.; von A. W. Hauswald, Görl. 1802, 2 Bde., u. von L. Streckfuß, Lpz. 1822, 2 Bde., 4. A. 1847, 2 Bde. Minderen Werth hat seine Gerusalemme conquistata, Rom 1593; La div. Sutimana, Ven. 1600; Il Monte Olivero, Rom 1605, u. Le lagrime de Maria, ebd. 1593; das Schäferdrama Aminta (1572), das Trauerspiel Torrismondo (1587) u. seine nächtlichen Liebesklagen u. Leidensgemälde unter dem Titel Veglie, Par. 1799, Mail. 1803 u. 1808, deutsch von Th. v. Haupt, Darmst. 1808. Die Echtheit mehrer dieser Werke ist bezweifelt worden, so wie auch die vom Conte M. Alberti herausgegebenen Manoscritti inediti di T. T., Lucca 1837 f., unecht sind. Eine Auswahl seiner Rime (lyrischen Gedichte) übersetzte K. Förster, 2. A. Lpz. 1844. Gesammelte Werke, Flor. 1724, 6 Bde., Fol., Vened. 1722, 12 Bde., Mail. 1804, 4 Bde., von Rosini, Pisa 1820 ff., 30 Bde., Opere scelte, Mail. 1825 f., 5 Bde.; Lebensbeschreibungen von Manso, Rom 1619; P. A. Serassi, ebd. 1785, u. Ausg., Bergamo 1791, 2 Bde.; I. Black, Edinb. 1810, von Ebert, Lpz. 1819; T-s Liebe behandelte Goethe im Trauerspiel T., zu welchem Raupach u. d. T. T-s Tod eine Fortsetzung gegeben hat. Vgl. Rosini, Saggio sugli amori di T. T. e sulle cause della sua prigionia, Pisa 1832. 3) Faustino, geb. 1541 in Venedig von armen Eltern; Minorit, dann Weltgeistlicher; st. zu Ende des 16. Jahrh. in Venedig; er schr.: Toscanische Poesien, Turin 1573 u. m. a. 4) Augusto, s. Tafft.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.