Wenzel [1]

Wenzel [1]

Wenzel (Wenzeslaw, Wenzeslaus), slawischer Name, bedeutet der Ruhmgekrönte, der Volksbesieger. Bemerkenswerth sind: A) Deutscher Kaiser: 1) W. (als König von Böhmen W. IV., als Herzog von Luxemburg W. II.) der Faule, Sohn des Kaisers Karl IV. u. seiner dritten Gemahlin Anna von Schweidnitz, geb. 26. Febr. 1361; 1363 ließ ihn sein Vater als König von Böhmen krönen u. belehnte ihn 1373 mit der Mark Brandenburg (s.d. S. 185). 1376 von den Kurfürsten zum deutschen König gewählt, folgte er seinem Vater in Böhmen u. als deutscher Kaiser u. 1383 seinem Oheim W. I. als Herzog von Luxemburg. Da er seine Versuche die Auflösung der Städte- u. Ritterbünde zur Herstellung der Ruhe in Deutschland nicht mit raschem Erfolg gekrönt sah, überließ er das Land sich selbst u. lebte seinem Vergnügen. In Böhmen war er verhaßt, weil er die Deutschen begünstigte, die an den Adel verpfändeten Krongüter ohne Zahlung der Schulden zurückforderte u. auch gegen den Clerus willkürlich verfuhr. Es wurde deshalb eine Verschwörung gegen ihn gemacht u. er 1394 gefangen u. in Prag eingesperrt, bis er nach vier Monaten auf Betrieb der. deutschen Fürsten wieder frei gelassen wurde. Aber sein Ansehen war gebrochen u. sank auch in Deutschland immer mehr, u. als er sich mit dem Erzbischof von Mainz durch die Absetzung der Gegenpäpste Bonifacius IX. u. Benedict XIII. verfeindet hatte, verband sich dieser 1400 mit Köln, Trier u. Pfalz zur Absetzung des Kaisers; auch die Böhmen ergriffen ihn abermals u. setzten ihn 19 Monate in Wien gefangen. Nach seiner Befreiung begünstigte er die Hussiten aus Rache gegen die Kirche u. trat 1410 seinem Bruder Siegmund die deutsche Kaiserwürde ab; die Regierung in Böhmen überließ er den Ständen u. betrieb bes. die Jagd auf seinen Schlössern; s. darüber ausführlich unter Deutschland S. 45 f., Böhmen S. 19 f., Luxemburg S. 634, Schlesien S. 241. W. war vermählt seit 1377 mit Anna (Johanna), Tochter des Herzogs Albrecht I. von Baiern (st. 1388), u. seit 1389 mit Sophia, Tochter des Kurfürsten Johann von Baiern. Vgl. Pelzel, Lebensgeschichte des Königs W. Prag 1768 ff., 2 Bde. B) Könige: a) Könige (früher Herzöge) von Böhmen: 2) W. I. der Heilige, älterer Sohn Wratislaws I., geb. 908, war bei dem Tode seines Vaters 916 noch unmündig; seine Mutter Drahomire, welche die Regentschaft führte, war eine eifrige Verfolgerin der Christen; W. selbst war ein Christ u. stellte, nachdem er die Regierung übernommen hatte, die Christenverfolgung ein, weshalb ihn seine Mutter 28. Sept. 936 durch seinen Bruder Boleslaw in der Kirche ermorden ließ; s. Böhmen S. 15. Er war unvermählt u. wurde canonisirt; sein Tag ist der 28. Septbr. 3) W. II., Sohn des Herzogs Sobieslaw I., folgte seinem Vetter Konrad II, als Herzog 1191–93, s. ebd. S. 16. 4) W. I. (III.), Ottokar, der Einäugige (weil er auf der Jagd ein Auge verloren[98] hatte), Sohn Ottokars I., folgte diesem als König 1230–53, s. ebd. S. 17. Vermählt mit Kunigunde, Tochter des Kaisers Philipp; ihm folgte sein älterer Sohn Przemislaw-Ottokar. 5) W. (IV.) II., der Fromme od. Gütige, Sohn Ottokars II., geb. 1270; folgte seinem Vater 1278 in Böhmen unter der Vormundschaft des Prager Schloßcommandanten Gregors Drafitius u. des brandenburgischen Markgrafen Otto des Langen, u. 1300 auch als König von Polen; die ihm 1301 angetragene Krone von Ungarn überließ er seinem Sohn W. (s. 6) u. st. 1305 in Ofen, s.u. Böhmen S. 18 u. Polen S. 253. Vermählt 1289 mit Jutta, Tochter des Kaisers Rudolf (st. 1297); 1300 mit Richsa (Elisabeth) von Polen. 6) W. (V.) III., der Ältere, Sohn des Vor. u. der Jutta, geb. 1287; er hatte schon im 14. Jahr 1301 das Königreich Ungarn erhalten, war jedoch, als sich die Ungarn empörten, von seinem Vater wieder zurückgerufen worden; 1305 folgte er seinem Vater in Böhmen u. st. 1306; s. Böhmen S. 18 u. Ungarn S. 187. Vermählt mit Viola, Herzogin von Oppeln. 7) W. (VI.) IV., so v.w. Wenzel 1). b) Von Polen: 8) W., so v.w. Wenzel 5). c) Von Ungarn: 9) W., so v.w. Wenzel 6). C) Andere Fürsten: a) Herzog von Brabant u. Luxemburg: 10) W. I., Sohn des böhmischen Königs Johann u. einer brabantischen Prinzessin, heirathete 1347 Johanna, die Erbtochter des Herzogs Johann III. von Brabant, u. folgte 1353 seinem Bruder Karl in Luxemburg u. seinem Schwiegervater 1355 mit seiner Gemahlin in Brabant; st. 1383, s. Luxemburg S. 634 u. Brabant. 11) W. II., so v.w. Wenzel 1). b) Herzog von Masovien: 12) W. (Vanko), Sohn Boleslaws; da er den Kreuzherren 1325 gegen die Polen beigestanden hatte, so fiel der böhmische König Johann in Masovien ein u. nöthigte ihn 1329 den Eid der Treue zu leisten; W. st. 1330. c) Kurfürst zu Sachsen: 13) W., Sohn des Kurfürsten Rudolf I. u. der Gräfin Agnes von Lindau, welcher seinem Bruder Rudolf II. 1370 folgte u. 1388 vor Zelle starb, s. Sachsen S. 678. Er war vermählt mit Cecilie von Carrara, Tochter von Franz, Herren von Padua; sein Sohn Rudolf III. folgte ihm. d) Schlesische Herzöge: aa) von Liegnitz: 14) W. I., ältester Sohn Boleslaws III. u. der Margarethe von Böhmen, geb. 1306, erhielt mit seinem Bruder Ludwig noch bei Lebzeiten seines Vaters 1342 das Herzogthum Liegnitz; beide Brüder theilten 1345 Liegnitz u. auf W. kam Goldberg, Haynau u. Lübben; später vermochte er seinen Bruder ihm auch seine Hälfte abzutreten, lebte aber so verschwenderisch, daß Ludwig seinen Antheil wieder forderte. Nach einem 1359 durch Vermittelung des Kaisers Karl IV. geschlossenen Vergleich mußte W. sich mit seinen Besitzungen begnügen u. st. 1364 in Armuth. Er war seit 1334 mit Anna, Tochter des Herzogs Kasimir von Teschen, vermählt, s. Schlesien S. 243. 15) W. II., Sohn des Vor., geb. 1353, war Anfangs Bischof von Lebus u. seit 1382 Bischof von Breslau; 1409 erhielt er nach dem Tode seines älteren Bruders Ruprecht das Herzogthum Liegnitz u. st. 1420, s. ebenda. Er schr.: Constitutiones de variis rebus ecclesiasticis, herausgeg. vom Bischof Martin in Statuta synodalia ecc lesiae Vratislaviensis, Breslau 1585; auch ist er Verfasser des Kirchenrechts, welches in Jak. Schickfuß' Schlesischer Chronik 1625 steht. bb) Herzöge von Teschen: 16) W. I., Sohn des Herzogs Volko I. von Teschen; nach des Vaters Tode 1442 theilte er mit seinen drei Brüdern u. erhielt Teschen u. st. 1463; vermählt war er mit einer masovischen Prinzessin Euphemeria. 17) W. II., Sohn des Vor., folgte seinem Vater 1463 u. st. 1474, s. Schlesien S. 244. 18) W. III., Sohn Kasimirs IV., st. 1524 vor seinem Vater; seine Gemahlin war Anna, eine brandenburgische Prinzessin. 19) W. Adam Postumus, Sohn des Vor., nach des Vaters Tode geboren; er erbte 1526 von seinem Großvater Kasimir IV. das Fürstenthum Teschen, verlebte seine Jugend an dem Hofe Ferdinands I., von welchem er als Gesandter verwendet wurde, u. st. 1579; vermählt war er zum zweiten Mal mit Katharina, der Tochter des Herzogs Franz I. von Sachsen-Lauenburg. Seine Lieblingsbeschäftigung war Chirurgie; s. ebd. S. 249. cc) Herzöge von Troppau: 20) W. I., Sohn Nikolaus' II., führte mit seinem Bruder Primislaw gemeinschaftlich die Regierung über Troppau u. st. 1381, s. ebd. S. 245; 21) W. II., Sohn des Herzogs Primislaw u. der Anna von Oppeln; er theilte mit seinem Bruder Nikolas u. st. 1452, s. ebd. 22) W. III., Enkel des Vor. u. Sohn Johanns II., theilte mit seinem Bruder, regierte über Troppau u. st. 1477 ohne Erben, s. ebd.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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