Bonaparte

Bonaparte

Bonaparte (Geneal.), altes italienisches Geschlecht, welches schon 1272 vorkommt. Ein Zweig desselben siedelte zu Ende des 15. Jahrh. von Genua nach Corsica über, wo die B-s schon im 17. Jahrh. zu Ajaccio unter den Patriciergeschlechtern genannt werden. Die Familie B., zu welcher auch die von Napoleon adoptirten Beauharnais (s.d.) gerechnet werden, kam mit Napoleon (s. unten 5), nach welchem die Glieder derselben auch Napoleoniden heißen, 1804 auf den Thron von Frankreich, verlor denselben aber 1815 wieder, zugleich wurden die B. nach der zweiten Restauration von den Bourbons durch Decret vom 12. Jan. 1816 u. nach der Julirevolution von den Orleans durch Decret vom 10. April 1832 aus Frankreich verbannt u. lebten indessen meist in Italien, einige waren nach Nordamerika ausgewandert. Die Nationalversammlung der Republik hob nach der [64] Februarrevolution durch Decret vom 11. Octbr. 1848 die Verbannung auf, worauf die männlichen Glieder der Familie nach Frankreich zurückkehrten u. fast alle als Deputirte in die Nationalversammlung gewählt wurden. Die Stimmführer der Bonapartisten, d.h. der Anhänger des Hauses B., in Frankreich, welche in dem Verein des Dix Decembre für die Wiedererhebung der B. auf den französischen Thron wirkten, waren Lucian Murat, General Ornana, Clary, Cambaceres, Persigny, Ferd. Barrot etc. Von Neuem bestieg diese Familie den französischen Thron durch Volkswahl 1852 in der Person Ludwig Napoleons (s. unten 31). Außerdem saßen Napoleoniden auf den Thronen von Neapel, von Spanien (Joseph, s. unten 2), von Holand (Louis, s. unten 28) u. von Westfalen (Jerome, s. unten 35). Durch kaiserliches Hausgesetz vom September 1855 erhielten Rang am Hofe: Louis Lucian B., Pierre Napoleon B., die Prinzessin Bacciochi, Lucian Murat u. Gemahlin, Joseph B., Joachim Murat u. Gemahlin; den Titel Prinz u. Hoheit erhielten Charles Lucian B., Louis Lucian B., Pierre Napoleon B., Antoine B. u. Lucian Murat. Vgl. Fel. Wouter, Geschichte des Hauses B., Brüssel 1847. Von den, von den 5 Söhnen des Stammvaters, Carlo B., gegründeten 5 Linien B. ist die Josephsche im Mannsstamm u. die Napoleonsche ganz erloschen; noch bestehen die Luciansche, Louissche u. Jeromesche Linie. Merkwürdig sind: 1) Carlo, geb. 29. März 1746 in Corsica, studirte in Padua die Rechte, ging 1768 nach Corte, focht mit Paoli für die Unabhängigkeit seines Vaterlandes u. verließ dasselbe mit ihm, kehrte aber, von Ludwig XV. amnestirt, zurück, wurde durch den Gouverneur von Corsica, Graf Marboeuf, 1773 Beisitzer des königlichen Gerichtshofes in Ajaccio, 1777 als Deputirter des Adels nach Paris gesandt u. trat nach seiner Rückkehr 1779, im J. 1781 in den Rath der zwölf Edlen von Corsica; er starb 24. Febr. 1785 in Montpellier, wohin er sich seiner Gesundheit wegen begeben hatte. Er war seit 1768 vermählt mit der schönen Maria Lätitia geb. Ramolino, geb. 24. Aug. 1750 in Ajaccio; sie flüchtete 1793, nach der Einnahme Corsicas durch die Engländer, nach Marseille, wo sie verborgen lebte; 1799 begab sie sich zu ihrem Sohne Napoleon nach Paris, erhielt, nach Erhebung desselben auf den Kaiserthron 1804, den Titel Kaiserin Mutter (Madame mére) u. einen Hofstaat u. wurde Beschützerin aller milden Anstalten des Reiches. Nach dem Sturz ihres Sohnes Napoleon 1815 zog sie sich nach Rom zu ihrem Stiefbruder, dem Cardinal Fesch, zurück u. starb daselbst, seit mehreren Jahren erblindet, mit Hinterlassung eines großen Vermögens am 2. Febr. 1836; 1851 wurde ihre Asche nach Ajaccio gebracht. Sie gebar ihrem Gemahl 8 Kinder, 5 Söhne: Joseph, Napoleon, Lucian, Louis u. Jerome; u. 3 Töchter: Marie Anna (Elise), Carlotta (Marie Pauline) u. Annunciata (Caroline).

A) Josephsche Linie: 2) Joseph B., Graf v. Survilliers, ältester Sohn von B. 1), geb. 7. Jan. 1768 in Corte, wurde 1806 König von Neapel, 1868–13 König von Spanien, ging später nach Nordamerika, wo er den Namen Graf v. Survilliers annahm, 1832 nach England u. 1841 nach Italien u. starb 28. Juli 1844 in Florenz v. Joseph (König von Spanien). Er war vermählt seit 1794 mit Julie Marie, geb. Clary, Tochter eines Kaufmanns zu Marseille, Schwester der Königin Eugenie von Schweden, geb. 1777, sie begleitete ihren Gemahl weder nach Spanien noch nach Amerika, sondern lebte in Frankfurt a. M., Brüssel u. seit 1832 in Florenz, wo sie 1845 st. Sie gebar ihrem Gemahl 2 Töchter, Zenaide u. Charlotte: 3) Zenaide Charlotte Julie, geb. 8. Juli 1801, seit 1822 vermählt mit Charles B. (s. unten 10), Fürst von Canino, sie lebte gewöhnlich in Rom u. st. am 8. August 1854 in Neapel. Sie übersetzte mehrere Dramen von Schiller. 4) Charlotte Napoleone, Schwester der Vor., geb. 31. Oct. 1802, war seit 1825 mit Napoleon Louis B. (s. unten 30) vermählt, wurde 1831 Wittwe u. st. 1839 in Sarzane.

B) Napoleonsche Linie: 5) Napoleon, 2. Sohn von B. 1), geb. 15. Aug. 1769 in Ajaccio, wurde 1799 Consul, 1804 als Napoleon I. Kaiser von Frankreich, entsagte 11. April 1814 dem Thron u. ging nach Elba, kehrte am 4. März 1815 nach Frankreich zurück, entsagte nach der Niederlage bei Waterloo nochmals zu Gunsten seines Sohnes, s. B. 6), wurde von den Engländern nach St. Helena gebracht u. starb hier 5. Mai 1821; s. Napoleon I. Am 18. Oct. 1840 wurden seine irdischen Überreste nach Paris zurückgebracht u. in der Kirche des Invalidenhotels beigesetzt. Er war seit 9. März 1796 vermählt mit Marie Franç. Josephine (s.d.), geb. Tascher de la Pagerie, verwittwete Beauharnais, u. nachdem er sich 16. Dec. 1809 von ihr hatte scheiden lassen, in 2. Ehe seit 2. April 1810 mit Erzherzogin Marie Luise (s.d.) von Österreich; beider einziger Sohn war: 6) Napoleon Franz Joseph Karl, geb. 20. März 1811, u. erhielt den Titel König von Rom. Nach der Abdankung seines Vaters ward er zu Folge des Vertrags von Fontainebleau 1814 Erbprinz von Parma. 1815 war er nach Schönbrunn gebracht worden, stand indessen noch unter der alleinigen Aufsicht der aus Frankreich mitgekommenen Gräfin von Montesquiou, bis die von dem Sohne der Gräfin vorbereitete Entführung des Prinzen nach Frankreich am 19. März 1815 kurz vor der Ausführung entdeckt u. vereitelt, der Prinz in die Hofburg gebracht u. unter deutsche Aufsicht gestellt wurde; doch gab man ihn am 29. Mai 1815 seiner Mutter wieder zurück. Als diese nach Parma ging, blieb der junge Napoleon in Wien zurück, wo ihn sein Großvater, Kaiser Franz, durch den Grafen Dietrichstein u. Matthias von Collin erziehen ließ. Der Vertrag von Paris 1817 nahm ihm das, Erbfolgerecht in Parma, hingegen wurde ihm nach dem Ableben des Großherzogs Ferdinand von Toscana der Besitz der in Böhmen gelegenen Herrschaft Reichstadt zugesichert u. ihm zugleich der Titel: Herzog von Reichstadt, mit dem Prädicat Durchlaucht, der Rang unmittelbar nach den Prinzen des österreichischen Hauses u. ein besonderes Wappen beigelegt. Er ging alle militärischen Grade durch, wurde 1823 Fähnrich, 1828 Hauptmann im 1. Jägerregiment Kaiser Franz u. Anfang 1830 Majorcommandant eines Bataillons im Regiment Giulay. Er nahm sich des Dienstes, so wie aller körperlichen Übungen mit großem Eifer an u. starb an der Schwindsucht am 22. Juli 183 zu Schönbrunn. Seine Leiche wurde in der kaiserlichen Gruft bei den Kapuzinern in Wien beigesetzt.

[65] C) Lucianische Linie: 7) Lucian B., Fürst von Canino, 3. Sohn von B. 1), geb. 1775 in Ajaccio, war beim Ausbruch der Revolution bei der Armeeverwaltung angestellt, dann, als eifriger Republikaner, Mitglied des Revolutionsausschusses zu St. Maximin im Departement Var, mußte diesen Posten nach Robespierre's Sturz verlassen u. lebte in Marseille in Dürftigkeit; 1796 ward er durch seinen Bruder Napoleon Kriegscommissär u. 1797 Abgeordneter bei dem Rath der Fünfhundert, 1799 aber, kurz vor dem 18. Brumaire, Präsident desselben. Zum 18. wirkte er bedeutend mit (s. Französische Revolution) u. wurde nach demselben Minister des Innern u. 1800 Gesandter in Spanien, wo er großen Einfluß auf den König u. bes. die Königin gewann. 1801 schloß er den Frieden von Badajoz zwischen Portugal u. Spanien u. vermittelte das Concordat mit Rom, weshalb ihm der Papst stets gewogen blieb. Nach Paris zurückgekehrt, trat er 1802 in das Tribunat u. ward Senator. Sein Widerstreben gegen die Schritte, welche Napoleon zur unumschränkten Herrschaft that, entzweiten ihn mit demselben, u. Lucian zog sich 1804 auf eine Villa bei Rom zurück. Vergebens bot ihm Napoleon später den Thron von Italien od. den von Spanien, unter der Bedingung der Trennung von seiner zweiten Gemahlin an, Lucian schlug alle Anerbietungen aus u. schiffte sich 1810 nach NAmerika ein. Trotz englischer Pässe ward er aber bei Cagliari angehalten u. gefangen nach England gebracht, u. lebte hier unter Aufsicht eines Offiziers bei London. 1814 kehrte er nach Rom zurück u. kaufte das kleine Fürstenthum Canino. 1815 begab er sich zu dem von Elba zurückgekehrten Napoleon u. ward von ihm zum Pair u. französischen Prinzen ernannt. Nach Ludwigs XVIII. zweiter Rückkehr ging er nach Italien, ward hier von dem österreichischen General Bubna angehalten u. auf die Citadelle von Turin gesetzt, jedoch auf Verwenden des Papstes losgelassen, kehrte nach dem Kirchenstaat zurück u. lebte in u. bei Rom. Lucian hatte sich in früheren Zeiten, bes. während seiner Gesandtschaft in Spanien u. als Minister des Innern, ein großes Vermögen erworben; er starb am 28. Juni 1840 in Viterbo, wie Napoleon am Magenkrebs. Sein ältester Sohn, Fürst von Musignano, erbte seine Titel u. Güter. Er schrieb einen Roman: Stellina, Par. 1799; die Heldengedichte: Charlemagne, Lond. 1814, u. La Cyrnéide, Rom 1819; seine Memoiren von Alph. de Beauchamp, Lond. 1819, 2 Bde. Er war vermählt seit 1795 mit Christine Boyer aus St. Maximin, u. als diese 1801 st., seit 1802 mit Alexandrine Laurence de Bleschamp, verw. Jouberthon (geb. 1778); diese lebte als Wittwe vor der Februarrevolution mit Erlaubniß des Königs Louis Philipp in Paris, wo sie die Celebritäten der französischen Literatur in ihren Salons versammelte, dann in Rom u. st. 12. Juli 1855 in Sinigaglia. Lucian hatte aus 1. Ehe 2 Töchter, aus 2. Ehe 5 Söhne u. 4 Töchter: 8) Charlotte, älteste Tochter des Vor., von seiner ersten Gemahlin, geb. 13. Mai 1796; vermählt seit 1815 an den Fürsten Marco Gabrielli in Rom; 1841 Wittwe geworden, heirathete sie 1842 den römischen Arzt Centamori, verließ ihre Besitzung Monte Giordano u. wohnt mit ihrem Gemahl in Rom. 9) Christine Egypte, Schwester der Vor., geb. 1800, mit dem schwedischen Grafen Posse, u. alt diese Ehe 1824 für nichtig erklärt wurde, mit Lord Dudley Stuart vermählt, sie st. 18. Mai 1847 in Rom., 10) Charles Lucian Jules Laurent, Fürst von Canino, Sohn Lucians, aus 2. Ehe, geb. 24. Mai 1803 in Paris, führte bis zu seines Vaters Tode den Titel Prinz von Musignano, lebte lange in Nordamerika; um 1830 nach Europa zurückgekehrt, lebte er in Rom u. machte mehrere wissenschaftliche Reisen durch Europa, war 1837 u. 1838 sogar in Paris, ohne von der Regierung Erlaubniß zu haben od. gestört zu werden, wurde das letzte Mal selbst Louis Philipp vorgestellt u. folgte 1840 seinem Vater als Fürst von Canino. Er machte sich durch sein wissenschaftliches Streben in Italien einen Namen u. nahm an den meisten wissenschaftlichen Congressen Theil, präsidirte sogar denselben öfter; als er aber 1847 auf dem in Venedig abgehaltenen Congreß Politik in seine Reden einfließen ließ, wurde er von der österreichischen Regierung ausgewiesen u. kehrte nach Rom zurück. Hier betheiligte er sich bei den politischen Demonstrationen im Kirchenstaat, stellte sich 1848 an die Spitze der Republikaner, unterstützte durch Geldmittel die Bildung eines Corps Freiwilliger zur Befreiung der Lombardei von Österreich u. wurde seit Februar 1849 abwechselnd Vicepräsident u. Präsident der Constituirenden Versammlung in Rom. Nach der Einnahme Roms. durch die Franzosen im Juli 1849 floh er nach Frankreich, wo er in Rouen eine Protestation gegen die französische Intervention in Rom publicirte, aber in Orleans verhaftet u. nach Havre gebracht wurde, von wo er sich nach England einschiffte. Seit 1850 lebte er in Paris, wurde 1854 Director des Jardin des plantes u. st. 29. Juli 1857. Er gab heraus: Americ. Ornithology, Philad. 1825, 3 Bde.; Specchio comparativo della ornithologie di Filadelfia e di Roma, 1827; Sulla seconda edizione del regno animale di Cuvier, Bologna 1830; Saggio di una distribuzione degli animali, Rom 1831; Iconografia della fauna italica, ebd. 1833–41, 3 Bde., Fol.; Catalogo metodico dei mammiferi europei, Mail. 1845 u. Cat. dei pesci eur., Neap. 1846.; Conspectus systematum etc., 1850; Conspectus generum avium, Leyd. 1850. Er war vermählt seit 1822 mit Zenaide, Tochter Josephs, s. Bonaparte 3), die ihm 8 Kinder gebar: 11) Joseph, Fürst v. Musignano, geb. 13. Febr. 1824 in Philadelphia. Auf ihn, einen Gegner der politischen Ansichten seines Vaters, wurde am 9. Febr. 1850 in Rom ein Attentat gemacht, indem bei einer Corsofahrt, welcher er mit einer seiner Schwestern beiwohnte, ein Blumenstrauß in seinen Wagen geworfen wurde, worin eine Granate war, welche zersprang u. beide verletzte. 12) Lucian, geb. 15. Novbr. 1825 in Rom, trat 1853 in den geistlichen Stand u. wurde 1855 zum Geheimkämmerer des Papstes ernannt. 13) Julie, geb. 5. Juni 1836, seit 1847 mit Alessandro del Gallo, Marquis von Roccagiovine vermählt. 14) Charlotte, geb. 4. März 1832 in Rom, vermählt seit 1848 mit Graf Pietro Primoli. 15) Marie, geb. 18. März 1835, vermählt seit 1851 mit Graf Paul von Campello. 16) Auguste, geb. 9. Novbr. 1836, vermählt seit 1856 mit dem Prinzen Gabrielli, Sohn der Prinzessin Charlotte B. 8). 17) Napoleon, geb. 5. Febr. 1839 in Rom. 18) Bathilde, geb. 26. Novbr. 1840. 19) Lätitia, Schwester von B. 10), älteste[66] Tochter 2. Ehe von Lucian B., geb. 1. Decbr. 1804, seit 1824 an den Irländer Thomas Wyse vermählt, lebte, von diesem 1828 wieder getrennt, an mehreren Orten, bes. in Aachen. Sie hatte von ihm 2 Söhne: William Charles, geb. 1826 in Waterford, u. den geisteskranken Alfred Napoleon Wyse, geb. 1821 in Rom, s.u. Wyse. 3 Jahre nach der Scheidung gebar sie eine Tochter, Marie Bonaparte-Wyse, welche einen Herrn v. Solms heirathete, s. Solms. 20) Jeanne, Schwester der Vor., geb. 22. Juli 1806 in Rom, vermählt an Marchese Honorati, sie st. 1828 in Jesi, mit Hinterlassung einer Tochter, Clelia; ihre Gedichte wurden als Inspirazioni d'affetto di una gi ovine Musa herausgegeben. 21) Paul Marie, Bruder der Vor., geb. 1809 in Rom, diente unter Lord Cochrane auf der Flotte im griechischen Befreiungskriege u. tödtete sich unwillkürlich im Hafen von Nauplia im December 1827. 22) Louis Lucian, Bruder des Vorigen, geb. 4. Januar 1813 in England; studirte Chemie u. Mineralogie, trat 1849 für Corsica in die Nationalversammlung u. wurde 1853 Senator. 23) Pierre Napoleon B., Bruder des Vor., geb. 12. Sept. 1815; er lebte in Italien, betheiligte sich 1831 bei dem Aufstande in der Romagna, wurde ergriffen u. saß 6 Monate in Livorno; dann ging er nach Amerika, wo er in Neugranada gegen Ecuador diente; 1834 lehrte er nach Europa zurück u. lebte in Italien. Er wurde im Sept. 1836 in Rom zum Tode verurtheilt, weil er einen Officier erstochen hatte, der ihn, des Meuchelmordes an einem Polizeisoldaten verdächtig, mit seinem Bruder Antoine gefangen nehmen wollte. Von dem Papste begnadigt u. des Landes verwiesen, ging er nach Nordamerika u. dann nach den Jonischen Inseln. Auch von da verwiesen, lebte er seit 1838 in Belgien, wurde hier aber, da er mit Mazzini in London in briefliche Verbindung getreten war, 1845 ebenfalls ausgewiesen. 1847 erschien er plötzlich in der Schweiz, um gegen die Sonderbündler zu dienen, aber General Dufour nahm seine Dienste nicht an. 1848 kehrte er nach Paris zurück, hielt sich zur republikanischen Partei u. wurde von der Insel Corsica zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt. Von der Regierung der Armee in Afrika als Bataillonschef zugetheilt, verließ er 1849 plötzlich Algier ohne Urlgub u. kehrte nach Paris zurück, weshalb er seines Grades entsetzt wurde. 24) Antoine, Bruder des Vor., geb. 31. Octbr. 1816; gerieth mit seinem Bruder Pierre 1836 in päpstliche Gefangenschaft, aus welcher er entkam, u. ging nach Amerika; er kehrte 1838 nach Europa u. 1848 nach Paris zurück, wo er 1849 ebenfalls in die Nationalversammlung gewählt wurde. 25) Alexandrine Marie, Schwester des Vor., geb. 12. Oct. 1818, vermählt seit 1836 mit Vincenzo Valentin von Canino. 26) Constanze, geb. 30. Januar 1823, nahm den Schleier u. ist Äbtissin in Rom.

D) 27) Marie Anna Elise, Schwester des Kaisers Napoleon I., älteste Tochter von B. 1), geb. 1777 in Ajaccio, vermählt an F. P. Bacciochi (s.d.), einen edeln Corsen, wurde 1805 Fürstin von Piombino u. führte die Regierung über dies Ländchen u. Lucca mehr als ihr Gemahl. Nach ihres Bruders Sturz verlor sie das Fürstenthum, lebte erst in Bologna, dann als Gräfin von Compignano in Triest u. st. 1820 auf der Villa Vicentina bei Triest. Von ihrer Tochter Napoleone Elisen. ihrem Enkel Napoleon Graf Camerata, s. Bacciochi.

E) Ludwigsche Linie: 28) Louis, Graf von St. Leu, 4. Sohn von B. 1) u. Bruder des Kaisers Napoleon I., geb. 2. Sept. 1778, wurde 1806 König von Holland, legte 1810 die Regierung nieder, lebte als Graf von St. Leu an mehreren Orten u. st. 25. Juli 1846 in Livorno, s.u. Ludwig (König von Holland). Er war vermählt seit 1802 mit Hortensie Eug. Beauharnais, s.u. Hortensie; später von demselben getrennt, lebte sie in Augsburg u. Italien u. zuletzt in Arenenberg in der Schweiz u. st. 30. Oct. 1837. 29) Napoléon Louis Charles, Sohn des Vor., geb. 1803; er st. 1807. 30) Louis Napoléon, Bruder des Vorigen, geb. 1804, war von dem Kaiser 1808 an Murats Stelle zum Großherzog von Berg bestimmt, kam jedoch, da dieses Land 1813 von den Alliirten erobert u. 1814 aufgelöst wurde, nicht zur Regierung, ging nach Italien, wurde mit seinem Bruder in Florenz erzogen, heirathete Charlotte B., s. oben 4), nahm 1830 u. 1831 an der Bewegung des nördlichen Italiens, welche Monetti leitete, Theil u. organisirte in der Mark Ancona die Insurrection, er st. aber am 17. März 1831 in Forli. 31) Charles Louis Napoléon, gewöhnlich Louis Napoléon B. als Kaiser Napoleon III., Bruder des Vor. u. jüngster Sohn Ludwigs u. Hortensiens, geb. am 20. April 1808, lebte mit seiner Mutter in Deutschland u. der Schweiz, machte 30. Oct. 1836 in Strasburg den Versuch die bestehende Regierung zu stürzen, lebte bis 1837 in Amerika, seit 1838 in England, machte 6. Aug. 1840 einen neuen Versuch sich auf den französischen Thron zu setzen (Boulogner Expedition), saß von da bis 1846 in Ham gefangen, entkam von hier am 25. Mai 1847, ging wieder nach England, trat im Sept. 1848 in die Nationalversammlung, wurde am 10. Dec. 1848 zum Präsidenten der Republik u. im Nov. 1852 zum Kaiser von Frankreich gewählt u. übernahm die Kaiserwürde als Napoleon III. am 1. Decbr. 1852, s. Napoleon 3). Er vermählte sich am 30. Jan. 1853 mit Eugenie v. Montijo, Gräfin v. Teba, s.u. Eugenie. Sein Sohn ist 32) Napoléon Eugen Louis Jean Joseph, geb. am 16. März 1856.

F) 33) Carlotta, später Marie Pauline, 2. Tochter von B. 1), geb. 22. April 1781; heirathete 1795 den General Leclerc, mit welchem sie 1801 nach S. Domingo ging, u. nach dessen Tode 1803 den Fürsten Camillo Borghese; 1806 erhielt sie von ihrem Bruder, dem Kaiser Napoleon, das Fürstenthum Guastalla u. behauptete es bis zu dessen Sturz. Sie lebte dann, von ihrem Gemahl getrennt, in Rom u. st. 1825 in Florenz. Von Leclerc hatte sie einen Sohn, der bald nach dem Vater starb. Sie war des Kaisers geliebteste Schwester.

G) 34) Maria Annunciata, später Caroline, 3. Tochter von B. 1) u. jüngste Schwester des Kaisers Napoleon I., geb. 26. März 1782, wurde 1800 an Joachim Murat verheirathet u. mit ihm Großherzogin von Berg u. Königin von Neapel. Nach der Flucht Murats im Mai, lebte sie auf der Villa Campo Marzo bei Triest, zuletzt in Florenz, der Erziehung ihrer 4 Kinder (s.u. Murat), nach Murats Hinrichtung als Gräfin Lipona u. st. 1839 in Florenz.

[67] H) Jeromesche Linie: 35) Jerome od. Hieronymus, Herzog von Montfort, 5. u. jüngster Sohn von B. 1), Bruder des Kaisers Napoleon I., geb. 15. Nov. 1784 in Ajaccio, wurde 1807 König von Westfalen; s. Hieronymus. 1813 vertrieben lebte er nach dem Sturze seines Bruders Napoleon als Herzog von Montfort in der Schweiz, Süddeutschland u. Italien. Schon vor der Februarrevolution hatte er die Erlaubniß zur Rückkehr nach Frankreich erhalten, wurde 1848 kurze Zeit französischer Gesandter in Spanien, am 27. Dec. 1848 als französischer Divisionsgeneral zum Gouverneur der Invaliden, am 1. Jan. 1850 zum Marschall von Frankreich, im Dec. 1851 zum Präsidenten des Staatsrathes u. durch Decret vom 24. Dec. 1852 zum eventuellen Thronfolger ernannt. Er war vermählt 1803 mit Elisabeth Patterson, Tochter eines Kaufmanns in Baltimore, von welcher er einen Sohn, s. B. 36) hatte; auf des Kaisers Napoleon I. Befehl ließ er sich 1805 von ihr scheiden u. heirathete 1807 die Prinzessin Katharine (s.d.) von Württemberg, Tochter des Königs Friedrich I.; sie folgte ihrem Gemahl nach dem Verluste des Königreichs Westfalen überall hin u. starb 28. Oct. 1838 in Lausanne. 36) Jerome Napoleon, Sohn des Vorigen aus 1. Ehe mit Elisabeth Patterson, geb. 1803 in England, ist seit 1829 mit einer Amerikanerin, Susanne Mai, verheirathet u. lebt in Baltimore den Wissenschaften u. der Landwirthschaft. Sein älterer Sohn, Jerome Napoleon B., ist geb. 1832. Vater u. Sohn kamen 1853 nach Frankreich, wurden vom Kaiser empfangen u. der Sohn trat als Offizier in die französische Armee u. nahm Theil an dem Feldzuge in der Krim. 37) Jerome Napoleon, Fürst v. Montfort, Stiefbruder des Vorigen, Sohn Jeromes aus 2. Ehe mit Katharine, geb. 1814 in Triest, war württembergischer Oberst u. st. 1847 in Castello bei Florenz. 38) Mathilde Lätitia Wilhelmine, Prinzessin von Montfort, des Vor. Schwester, geb. 27. Mai 1820, 1841 in Rom an den russischen Grafen Anatole Demidow vermählt, nach der Thronbesteigung Ludwig Napoleons 1852 zur Prinzessin von Frankreich erklärt, lebt sie in Paris. 39) Napoleon Joseph Charles Paul, Prinz von Montfort, gewöhnlich Prinz Napoleon genannt, Bruder der Vor. u. jüngster Sohn Jeromes, geb. 9. Sept. 1822 in Triest. Er wurde im Febr. 1831 aus dem Kirchenstaate verbannt, obgleich er sich nicht am Aufstande betheiligt hatte; trat 1837 in württembergische Militärdienste, bereiste seit 1840 Europa, hielt sich 1845 einige Zeit in Paris auf, wurde aber ausgewiesen, weil er mit den Republikanern in Verbindung stand; kam 1847 wieder mit seinem Vater nach Paris, wurde nach der Februarrevolution 1848 in Corsica für die Constituante, dann für die Legislative gewählt u. gesellte sich zu der demokratischen Partei. Er wurde im Jan. 1849 Oberst der Nationalgarde in der 2. Legion u. ging im März 1849 als Gesandter nach Madrid, verließ jedoch diesen Posten bald wieder u. lebte in Paris, wurde im Dec. 1852 zum französischen Prinzen u. im Jan. 1853 zum Divisionsgeneral ernannt. Er war 1855 Vorsitzender des Directionscomités der Industrieausstellung, nahm 1854 an der Expedition nach der Krim Theil, kehrte aber Anfang 1855 zurück u. soll wesentlichen Antheil an der 1855 in Brüssel herausgekommenen Schrift haben, welche jene Expedition scharf beurtheilte; 1856 unternahm er eine Seereise nach dem Norden u. besuchte 1857 den königlichen Hof in Berlin.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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