Deutschkatholiken

Deutschkatholiken

Deutschkatholiken, die Mitglieder der religiösen Gemeinschaft, die sich seit 1844 von der Römischkatholischen Kirche getrennt u. auf Grund eines neuerrichteten Glaubensbekenntnisses Gemeinden gestiftet haben. Die Entstehung derselben hatte ihren Grund in der Ausstellung des heiligen Rocks in Trier im Jahre 1844 u. in dem von Joh. Ronge (s.d.) den 1. Octbr. 1844 an den Bischof Arnoldi von Trier gerichteten Brief, worin dieser um Abstellung dieses Götzenfestes, wie man es nannte, aufgefordert wurde, während bereits am 22. Aug. 1844 ein anderer katholischer Geistlicher, Joh. Czerski (s.d.), in Schneidemühl in Preußisch-Polen seinen Austritt aus der Katholischen Kirche erklärt u. die Stiftung einer Christlich-apostolisch-katholischen Gemeinde versucht hatte. In dem Schneidemühler Glaubensbekenntniß vom 19. Oct., welches seine Anhänger am 27. Oct. an die Regierung einsendeten, verwarfen sie als unbiblische u. menschliche Satzungen, daß nur die Priester das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfangen sollen, die Canonisation, die Anrufung der Heiligen, den Ablaß u. das Fegfeuer, das Fasten, die Lateinische Sprache beim Gottesdienst, der Messe u. Vesper; den Cölibat der Priester, die Sündlichkeit der gemischten Ehen, die Stellvertretung durch den Papst auf Erden etc. Deshalb wollten sie sich von dem Papste lossagen, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt nehmen u. die Bibel als die einzige Quelle ihres Glaubens halten. Die 7 Sacramente behielten sie als von Jesu eingesetzte Heilsmittel bei, so auch die Messe, die aber in der Landessprache gehalten werden sollte. Nachdem Ronge noch mehrere Flugschriften gegen die Römisch-katholische Kirche herausgegeben u. allenthalben die lebhafteste Theilnahme erregt hatte, aber auch von der bischöflichen Behörde in Breslau excommunicirt worden war, bildete er eine Gemeinde, welche, ungefähr 1000 Seelen stark u. unter dem Proffesor Regenbrecht stehend, am 9. März 1845 in der Armenhauskirche zu Breslau den ersten öffentlichen Gottesdienst hielt; Ronge wurde zum Prediger gewählt. Das Breslauer Glaubensbekenntniß enthielt die Sätze: Lossagung vom römischen Bischof u. völlige Gewissensfreiheit; die Grundlage u. der Inhalt des christlichen Glaubens ist die Bibel; die freie Forschung u. die Auslegung ist durch keine äußere Auctorität beschränkt. Der wesentliche Inhalt der Glaubenslehren war: Ich glaube an Gott, den Vater, der durch sein allmächtiges Wort die Welt geschaffen hat u. sie in Weisheit, Gerechtigkeit u. Liebe regiert. Ich glaube an Jesum Christum, unsern Heiland, der uns durch seine Lehre, sein Leben u. seinen Tod von der Knechtschaft u. Sünde erlöst hat; Ich glaube an das Walten des heiligen Geistes auf Erden, eine heilige allgemeine christliche Kirche, Vergebung der Sünden u. ein ewiges Leben. Es wurden nur die Taufe u. das Abendmahl als Sacramente angenommen u. letzteres unter beiderlei Gestalt gereicht; dem ersten Genuß sollte die Confirmation orangehen: die Ohrenbeichte wurde verworfen; die kirchlic he Einsegnung der Ehe als einer von Gott angeordneten daher von den Menschen heilig zu haltend Einrichtung beibehalten; verworfen wurden: die Anrufung der Heiligen, die Verehrung von Reliquien u. Bildern, die Ablässe u. Wallfahrten, alle Fastengebote etc. Von dieser Zeit an schritt die Bildung neuer Deutschkatholischer Gemeinden, deren Mitglieder meist dem bürgerlichen Mittelstande angehörten, sehr rasch vorwärts; so in Berlin unter Mauritius Müller (3. März 1845), in Leipzig unter Rob. Blum (12. Febr. 1845), in Magdeburg unter Kote, in Dresden unter Professor Wigard (den 22. Febr.), wo jedoch die Regierung die Öffentlichkeit der Versammlungen aus Rücksicht auf die Rechte der Römisch-katholischen Kirche untersaate; in Elberfeld unter Prediger Licht, in Offenbach unter Mitwirkung des Pfarrers Jos. Pirazzi u. Lor. Diefenbach, in Worms, Wiesbaden, Hildesheim, Annaberg, in Chemnitz durch Rewitzer, in Ulm durch Julian Chownitz (der aber im Herbst 1845 zur Römisch-katholischen Kirche zurücktrat).

Nachdem so in Hast eine große Anzahl solcher Gemeinden in Deutschland gegründet worden war, trat zur näheren Verbindung derselben u. zur Stiftung einer wirklichen Kirche am 22. März 1845 ein Concil (Leipziger Concil) zusammen, das von 20 Gemeinden beschickt u. auf welchem am 26. März die Annahme des Glaubensbekenntnisses beschlossen wurde. Die wichtigsten von den 51 Beschlüssen der Versammlung, der auch Ronge u. Czerski beiwohnten, basirten sich auf das Breslauer Glaubensbekenntniß u. betrafen, außer der Verwerfung des päpstlichen Primats, der Ohrenbeichte, des Cölibats, der Anrufung der Heiligen, der Reliquien- u. Bilderverehrung, der Ablässe, Fasten u. Wallfahrten, der Sacramente mit Beibehaltung der Taufe u. des unter beiderlei Gestalt zu empfangenden Abendmahls, in dogmatischer Hinsicht die Lehre von der [934] Heiligen Schrift, die man zwar als Grundlage des christlichen Glaubens anerkannte, deren Auffassung u. Auslegung aber der von der christlichen Idee durchdrungenen u. bewegten Vernunft freigegeben ward, ferner die Abänderung des apostolischen Symbolums: Erster Artikel: Ich glaube an Gott, den Vater, den Schöpfer, Erhalter u. Regierer der Welt; Zweiter Artikel: Ich glaube an Jesum Christum, unsern Heiland; Dritter Artikel: Ich glaube an den heiligen Geist, die allgemeine christliche Kirche, Gemeinschaft der Gläubigen u. ein ewiges Leben; u. endlich die Hervorhebungeines durch die Liebe thätigen Glaubens. Im Übrigen betrafen die Verhandlungen die Bestimmungen über die äußere Form des Gottesdienstes u. über die Seelsorge, über das Gemeindewesen u. die Gemeindeverfassung u. über die künftig zu veranstaltenden allgemeinen Kirchenversammlungen, wobei noch der Zusatz für alle Punkte beigefügt wurde, daß alles hier Festgesetzte nicht für alle Zeiten gelten solle, sondern nach dem jedesmaligen Zeitbewußtsein von der Kirchengemeinde abgeändert werden könne u. müsse. Als Ordnung für die äußere Form des Gottesdienstes galt Folgendes: Der Gottesdienst beginnt mit einem Lied der Gemeinde u. dem Sündenbekenntniß, welches vom Geistlichen am Altare gesprochen wird; darauf folgt ein Gebet des Geistlichen od. ein Gesang der Gemeinde, darauf die Intonation u. ein Gebet, dann die Vorlesung der Epistel u. des Evangeliums; nach dem dann beginnenden Hauptliede die Predigt, an welche sich die Meldungen u. ein Gebet anschließen. Der Geistliche tritt dann nach einem Gesang der Gemeinde an den Altar u. verliest das Glaubensbekenntniß, eine Lobpreisung Gottes, dann das dreimal Heilig, worauf der Chor u. die Gemeinde antworten. Dann beginnt die Meßfeier mit den Einsetzungsworten u. einem Gebet. Es communicirt entweder der Geistliche allein als Repräsentant der Gemeinde od. Mitglieder der Gemeinde, od. es wird die Liturgie ohne Abendmahlsfeier vollzogen. Im zweiten Falle verrichtet der Geistliche mit den um den Altar getretenen Gemeindegliedern knieend ein Gebet, worauf er selbst zuerst das Brod genießt u. nach ihm die Übrigen; im dritten Falle verliest der Geistliche nur die Einsetzungsworte, fordert die anwesende Gemeinde auf, sich lebhaft die Thatsache der Einsetzung zu vergegenwärtigen u. schließt mit einem Gebet, dem Vaterunser u. dem Segen. Den Schluß des Gottesdienstes überhaupt bildet ein Schlußgesang der Gemeinde, ein Schlußgebet u. der Segen des Priesters. Vgl. Theiners Meßordnung; Schlesische u. Magdeburger Liturgie; R. Blum, Gebet- u. Gesangbuch für deutsch-katholische Christen, Lpz. 1845.

Von der Zeit an nahm der Deutschkatholicismus einen neuen Aufschwung, die Zahl der Gemeinden, namentlich in Schlesien (wo man im Juni 1845 die Zahl der D. auf 40–50,000 schätzte), mehrte sich (es wurden bis Ende 1845 298 Gemeinden gezählt); nicht blos katholische Geistliche u. Professoren, wie Ant. Theiner in Breslau u. Schreiber in Freiburg, sondern auch protestantische Geistliche traten über. Von den Protestanten, namentlich von denjenigen, die einer freieren theologischen Richtung angehörten, wurde die Sache der D. mit großer Theilnahme betrachtet u. unterstützt, so namentlich, daß man ihnen den Mitgebrauch der evangelischen Kirchen gestattete. Die Staatsregierungen schlugen dem Deutschkatholicismus gegenüber verschiedene Wege ein; in Österreich, wo der Deutschkatholicismus bes. in Böhmen viel Anklang fand, u. Baiern wurde es sogar untersagt, in Schriften den Ausdruck D. zu gebrauchen. In Preußen wurden 1845 nach den im Landrecht ausgesprochenen Grundsätzen die Dissidenten in ihren Bestrebungen weder gehemmt, noch in der Ausübung ihres Gottesdienstes gehindert, aber die Frage über die Anerkennung derselben als geduldete Religionsgesellschaft vorläufig unentschieden gelassen, inzwischen jedoch nähere Bestimmungen über Taufen, Begräbnisse u. Trauungen gegeben; die Überlassung evangelischer Gotteshäuser zum Mitgebrauch wurde von der Genehmigung der Oberpräsidenten u. Consistorien u. der Einwilligung der Patrone, Pfarrer u. Kirchenvorstände abhängig gemacht. Im Königreich Sachsen vereinbarte die Regierung mit den Ständen ein Interimisticum. Ähnliche Gesetze wurden in Hannover, Baden (wo man ihnen die staatsbürgerlichen Rechte entzog), Württemberg u. Kurhessen (hier bes. mit großer Strenge u. Beschränkung der deutschkatholischen Bestrebungen) erlassen, während ihre Sache in mehreren landständischen Kammern verfochten u. von den städtischen Behörden in jeder Weise unterstützt wurde. Dagegen waren sie von der streng römischen Partei gleich Anfangs angefeindet worden.

Einen wesentlichen Eintrag that dem Deutschkatholicismus eine Differenz in seiner Mitte. Schon vom Anfang hatte es sich gezeigt, daß der religiöse Standpunkt der beiden Häupter der Bewegung, Ronge u. Czerski, ein durchaus verschiedener war. Czerski nämlich wollte nur das eigentlich Mißbräuchliche in der Katholischen Kirche beseitigen u. die übrigen schriftgemäßen Dogmen beibehalten; Ronge aber stand auf rationalistischem Boden u. suchte auch diejenigen biblischen Lehren zu verdrängen, die angeblich mit dem Zeitbewußtsein im Widerspruch ständen. Dagegen sprach sich nun Czerski in einem Rundschreiben an sämmtliche Gemeinden gegen diejenigen aus, welche Jesu Christo die Gottheit absprechen u. dadurch am Fundamente des Christenthums rütteln wollten, u. stellte ein neues positives Bekenntniß (Neues Schneidemühler Bekenntniß) auf, welches er den Gemeinden zur Annahme empfahl. Diese Spaltung theilte sich auch anderen Gemeinden mit; in Berlin hatte sich schon früher eine sogenannte Protestgemeinde unter Pribil gebildet. Man machte verschiedene Versuche zur Ausgleichung dieser Differenz, u. am 3. Febr. 1846 vereinigten sich bei einer Zusammenkunft in Rawicz Ronge, Theiner, Czerski u. Post dahin, daß jeder Gemeinde ihre besondere Glaubensansicht zu lassen sei, wenn sie sich mit fünf Punkten (Freiheit von äußerer Auctorität, Annahme der Presbyterial- u. Synodalverfassung, Beseitigung der transscendentalen Begriffe von Dogma, Lehre u. Geist des Christenthums als That u. Wahrheit, die Liebe als Gemeindeangelegenheit) einverstanden erkläre. Allein auch diese Einigung schien keinen festen Boden zu haben. Die Gemeinden der Czerski'schen Richtung hielten den 22–24. Juli 1846 eine Versammlung in Schneidemühl u. stellten ein biblisches Glaubensbekenntniß fest, welches aber den Vertretern der Berliner Protestpartei immer[935] noch zu freisinnig war, u. welches sie deshalb nicht unterzeichneten. Zugleich brachen Streitigkeiten in einzelnen Gemeinden aus, bes. in Breslau, wo Ronge wegen Übertretung der Staatsgesetze schon mehrmals mit Gefängniß bestraft wurde u. Theiner seine Stelle als Prediger bei der Gemeinde niederlegte. Gleiche Uneinigkeiten gab es in Berlin, Stettin, Frankfurt (wo Kerbler 1846 seine Stelle niederlegte), in Stuttgart mit dem Prediger Würmle u. anderwärts. Diese Ereignisse in den Deutschkatholischen Gemeinden, dabei die fortdauernde Ungunst mancher Regierungen (indem z.B. 1846 in Kurhessen die stille Beerdigung der Dissidenten auf abgesonderten Räumen protestantischer Todtenhöfe verordnet wurde), bes. aber die Hinneigung derselben zu den Lichtfreunden, waren der deutschkatholischen Sache nicht förderlich, u. der Aufschwung, den sie 1845 u. zum Theil noch 1846 genommen hatte, gerieth 1847 etwas ins Stocken. Das Berliner Concil, im Mai 1847 gehalten u. von 151 Gemeinden beschickt, hielt im Allgemeinen an den Leipziger Beschlüssen fest u. suchte, statt der Idee einer Humanitätskirche, die eigentlichen antirömischen Bestrebungen in den Vordergrund zu stellen, welche der Bewegung in ihren ersten Anfängen zu Grunde lagen. Dies geschah bes. auch deshalb, um die Schneidemühler Gemeinden wieder an sich zu ziehen. Dagegen erklärte sich die Deutschkatholische Gemeinde in Darmstadt den 22. Oct. 1847 mit der Freien Gemeinde Magdeburg als eine, u. in Halle wurde die Vereinigung der D. u. Protestantischen Freunde zu einer Christlichen, freien, vereinigten Gemeinde wirklich vollzogen.

Durch die Bewegungen des Jahres 1848 schien der Deutschkatholicismus einen neuen Aufschwung zu nehmen; die deutschen Grundrechte gewährten ihm größere Freiheiten, die Gesetzgebung in den einzelnen Staaten wurde milder u. es öffneten sich für ihn zwei seither verschlossene Länder, Österreich u. Baiern. In Wien trat die erste Deutschkatholische Gesellschaft im August 1848 zusammen, u. zwei katholische Priester, Pauli u. Hirschberger, hielten im Odeonsaale Vorträge; in München wirkte Professor Kreuzer u. Priester Dumhof im Sept. 1848 für die Stiftung einer Gemeinde; eine gleiche entstand in Schweinfurt. In anderen Gegenden war Ronge für seine Sache persönlich thätig, z.B. in Grätz, in Nürnberg u. Fürth, in der Pfalz. Dagegen erregte sein politisches Treiben auch in einzelnen Deutschkatholischen Gemeinden Mißfallen; von Leipzig, Danzig u. Posen aus erfolgten Erklärungen, daß der Deutschkatholicismus mit diesen politischen Umtrieben nichts gemein haben wolle. Zugleich gestaltete sich aber durch die veränderten politischen Verhältnisse in Deutschland auch die Lage der D. anders. In Österreich wurden sie 1849 als zur Kategorie der verbotenen Gesellschaften gehörig erklärt; in Baiern, wo sie sich bes. im nördlichen Franken verbreitet hatten, wurde ihnen 1850 die Religionsübung versagt (so lange sie ihre religiösen Grundsätze nicht aussprächen, keine bestimmten Prediger hätten u. den Austritt aus ihrer bisherigen Kirche nicht vor dem gehörigen Pfarrer erklärten), die deutschkatholischen Prediger ausgewiesen u. die etwaigen Versammlungen polizeilich überwacht. Anderwärts schien die Begeisterung sehr gedämpft, manche Gemeinden lösten sich auf, in anderen erfolgten Rücktritte von Mitgliedern u. Verzichte der Prediger auf ihre Stellen; Ronge aber, durch seine Theilnahme an der Politik compromittirt, hatte Deutschland verlassen u. war nach England gegangen. Auf einer Versammlung in Darmstadt den 20. Febr. 1850, wo 20–30 Abgeordnete aus dem südwestlichen Deutschland anwesend waren, wurde der Wunsch einer Vereinigung mit den seit 1848 zahlreicher gewordenen Freien Gemeinden ausgesprochen, u. man beschloß, an sämmliche Reformgemeinden, wozu auch die jüdischen gerechnet werden sollten, derartige Einladungen ergehen zu lassen. Um diese Vereinigung durchzuführen, wurde ein zweites Leipziger Concil beschlossen. Die Zusammenkunft fand in Leipzig den 22. Mai 1850 statt, wurde aber wegen polizeilicher Ausweisung einzelner Mitglieder nach Köthen verlegt u. hier schloß man unter dem Namen: Religionsgesellschaft freier Gemeinden, einen Bund, wodurch zwar die Selbständigkeit der einzelnen Gemeinden gewahrt, aber die Einheit in den Grundsätzen ausgesprochen u. ein Vollziehungsausschuß aus den Mitgliedern der D. u. der Freien Gemeinden gewählt wurde, welcher bis zu der, alle drei Jahre wiederkehrenden Tagsatzung das Directorium führen sollten. Die bis zum 1. Aug. 1850 eingegangenen Erklärungen der Gemeinden über die Vereinigung waren theils unbedingt bejahend, theils durch gewisse Vorbehalte beschränkt, u. die nächste Tagsatzung wurde auf 1852 festgesetzt, kam aber nicht zu Stande.

Überhaupt machte von da ander Deutschkatholicismus immer bemerkbarere Rückschritte, theils durch das Einschreiten der Regierungen, theils durch die entzogene Theilnahme der Protestanten, theils aber durch die eingetretene Lauigkeit inmitten der D. selbst. Nur etwa in Offenbach hat sich der Eifer der Gemeindeglieder rege erhalten, wenigstens wurde hier erst 1858 noch ein Gotteshaus derselben eröffnet In Schlesien, dem eigentlichen Herde des Deutschkatholicismus, schmilzt ihre Zahl immer mehr zusammen; Liegnitz, wo die Gemeinde ein Gotteshaus besitzt, ist noch der Hauptort, doch legte 1858 auch der Prediger Otto sein Amt nieder. In Bromberg löste sich im August 1852 die Gemeinde, nachdem sie von 400 Mitglieder bis auf 130–140 geschmolzen war, auf u. trat zur Protestantischen Confession über; in Thüringen, wo schon 1850 zu Mühlhausen u. Erfurt den Gemeinden die Benutzung der protestantischen Gotteshäuser entzogen worden war, löste sich die in Weimar u. Arnstadt 1850 ebenfalls auf; in Manheim wurde 1854 der Gemeinde, wegen des anstößigen »Katechismus der Kirche der Zukunft« ihres Pfarrers H. Rau, der Mitgebrauch einer protestantischen Kirche entzogen; in Posen hielt der Pfarrer Post am 31. Dec. 1855 die letzte gottesdienstliche Versammlung; die Gemeinde in Schneidemühl löste sich 1857 auf. In Sachsen, wo nur diejenigen als Gemeinden anerkannt wurden, welche ein eignes Gemeindewesen mit einem Pfarrer besaßen, gingen 14 Filialgemeinden ein u. nur die zu Dresden, Leipzig, Chemnitz u. Gelenau bestehen noch, doch zeigen ihre Anhänger, deren Zahl sich sehr gemindert hat (1856 noch etwa 1700) wenig Eifer für ihre Sache. Überhaupt hat sich in neuerer Zeit die öffentliche Meinung immer allgemeiner dahin ausgesprochen, daß der Deutschkatholicismus die Hoffnungen, mit denen er bei seinem Entstehen von vielen Seiten her begrüßt wurde,[936] nicht erfüllt hat, indem er den Gegensatz gegen die Römische Kirche immer mehr beseitigte, dem positiven Christenthum sich entfremdete u. die Erstrebung einer sogenannten allgemeinenn Christlichen Kirche an die Stelle des ursprünglichen Zwecks der Bewegung setzte. Die literarische Betriebsamkeit fand in dieser ganzen Angelegenheit ein sehr reiches Feld für ihre Thätigkeit. Am wichtigsten für die Geschichte des Deutschkatholicismus sind die actenmäßigen Darstellungen des Leipziger Concils, die von Wigard u. Blum, Lpz. 1845, herausgegeben wurden; vgl. E. Bauer, Geschichte der Gründung u. Fortbildung der deutschkatholischen Kirche, Meißen 1845, u. den 3. Bd. von Kampe, Geschichte der religiösen Bewegungen der neueren Zeit, Lpz. 1856.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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