- Florenz [1]
Florenz, 1) Provinz des Großherzogthums Toscana, nordöstlichster Theil des Landes; grenzt an die Provinz Pisa u. Siena, an den Kirchenstaat u. Modena; ist gebirgig durch die Apenninen, die mit ihren westlichen Zweigen weite Thäler bilden; Flüsse: Arno mit seinen Nebenflüssen: Sieve, Bisenzio, Ombrone, Fiorentino, u. links Chiana Toscana, Greve, Pesa, Elsa, Era; in der nordwestlichen Ebene sind die Seen von Bientina u. Fucecchio; das Klima ist mild u. gesund; Producte: Kupfer, Blei, Marmor, Alabaster, Weizen, Mais, Hülsenfrüchte, Wein, Orangen, Oliven, Citronen, Feigen, Rindvieh; 106,43 QM., 691,600 Ew.; eingetheilt ist die Provinz in die Districte Pistoja, S. Miniato, Rocca S. Casciano u. F.; 2) (ital. Firenzi), Hauptstadt des Großherzogthums u. Residenz des Großherzogs; liegt an beiden Seiten des Arno in einem weiten fruchtbaren Bergkessel u. wird wegen ihrer reizenden Lage, der Pracht ihrer Gebäude u. der sie umgebenden Villen La Bella, die Schöne, genannt. F. besteht aus den 4 Quartieren Sta. Maria Novella, S. Croce, Sta. Spiriton. S. Giovanni, ist in Zirkelform erbaut u. von einer doppelten Mauer umgeben, durch dieselben führen 8 Thore, von denen jedoch die Porta a S. Miniato, stets verschlossen ist. Zwei Citadellen vertheidigen die Stadt: die kleinere, Forte Belvedere, liegt auf dem höchsten Punkte der Südseite; die größere, Fortezza da Besso (Forte de San Giovanni Battista), ihr gegenüber auf der Nordseite. Über den Arno, der hier von 100–130 Fuß breit u. von Quais eingefaßt ist, führen 4 steinerne Brücken, Ponte Carraja, Ponte a Sta. Trinita, (merkwürdig wegen der sehr weiten u. flachen Bogen), P. vecchio (ganz mit Häusern u. den Werkstätten der Goldschmiede besetzt), u. P. alle Grazie; dicht ober- u. unterhalb der Stadt sind außerdem noch 2 Drahtbrücken zur Erleichterung des Verkehrs zwischen den Vorstädten errichtet worden. Die Straßen der Stadt sind zum Theil sehr eng, durch die vorspringenden Dächer der Häuser dunkel; der Lung-Arno, der Quai am Arno, dient als Abendspaziergang für die schöne Welt, auf dem Corso findet das Pferderennen statt, u. die Via Calzajoli ist der Mittelpunkt des florentinischen Lebens. Von den 17 öffentlichen Plätzen ist der belebteste u. an Kunstwerken reichste die Piazza die Gran-Duca, woran der Palazzo vecchio u. die Loggia dei Lanzi liegen; hier stehen die Statuen Davids von M. Angelo, des Hercules u. Cacus von Bandinelli, der große Brunnen mit Neptun u. Tritonen etc. von Bart. Ammanati, die bronzene Reiterstatue Cosmos I. von Giov. da Bologna u.a. Werke mehr. Die Piazza dell' Annunziata, mit Arcaden u. Loggien, in der Mitte mit der Reiterstatue Ferdinands I.; auf der P. del Duomo steht der Sasso di Dante, ein Stein, worauf dieser Dichter zu sitzen pflegte, u. die Statuen der Erbauer des Domes, Arnolfo u. Brunelleschi; P. di S. Maria novella mit 2 Obelisken u. einem Artesischen Brunnen; auf der P. di Sta. Trinita steht die antike Granitsäule aus den Bädern des Antonin in Rom; die P. del Grano ist Verkaufsplatz für Getreide u.a. Feldfrüchte, u. die P. Maria Antonia in dem neu angelegten Stadtviertel von Parbano ist der größte u. regelmäßigste der öffentlichen Plätze. Unter den 170 Kirchen, die jedoch nicht alle ausgebaut sind, ist die merkwürdigste die Kathedrale Santa Maria del Fiore, sie ist 1298 von Arnolfo di Lepo angelegt u. in der Mitte des 15. Jahrh. von Fil. Brunelleschi, dem Meister der Kuppel, vollendet, 436 Fuß lang, 292 Fuß im Kreuze breit, u. die doppelte Kuppel, in 8 spitzbogigen Theilen aufsteigend, bis zur obersten Spitze 371 Fuß hoch; der Glockenthurm, welcher frei an der Vorderseite des Domes steht, ist 280 Fuß hoch, ganz mit buntem Marmor bekleidet; das Innere hat 3 Schiffe u. 3 durch Kreise bezeichnete Begräbnißstellen mehrerer Glieder der Familie Medicis; der Fußboden ist mit Marmormosaik ausgelegt, das Äußere mit schwarzem u. weißem Marmor damenbreiartig belegt; der Kathedrale gegenüber steht das achteckige, uralte Battisterio (San Giovanni), worin alte in F. geborenen Kinder getauft werden, mit den bronzenen Thüren des Lorenzo Ghiberti u. Andrea Pisano; die größte nach der Kathedrale ist die Kirche di Sta. Croce mit den Grabdenkmälern Dantes, Michel Angelos, Alfieris, Macchiavellis, Galileis u.a. Künstler u. Gelehrten. In San Lorenzo, im Basilkenstyl von Brunelleschi, sind 2 Kapellen, deren eine (C. dei depositi) die Grabdenkmäler der älteren Medici von Michel Angelo, die andere Monumente der Großherzöge enthält; in dem anstoßenden Lorenzkloster befindet sich die Bibliotheca Laurentiana. Auch eine protestantische Kapelle ist hier. Daneben bestehen noch viele Klöster, deren F. Ende des vorigen Jahrh. 89 zählte. Die Paläste, an denen F. reich ist, sind in ernstem u. strengem Style erbaut, äußerlich meist einfach u. ohne Schmuck; darunter vor Allen ausgezeichnet der Palazzo Pitti, das großherzogliche Residenzschloß, 1440 von Brunelleschi für Luca Pitti erbaut, in den Seitenflügeln erst 1837 vollendet; er enthält 900 Zimmer u. birgt darin einen großen Reichthum an Kunstwerken, namentlich die dem Staate gehörige Gemäldegallerie; er hängt durch eine 1500 Fuß lange Gallerie zusammen mit dem alten Palast (Palazzo vecchio), dem alten Sitz der Signoria, jetzt der Ministerien; darin der Saal der Fünfhundert. An diesen stößt auch der Staatspalast, Palazzo degli Uffizii, von Vasari erbaut; er enthält die Bibliotheca Magliabecchiana, die Archive, Tribunale u. im obersten Stock die Gallerie der Uffizien in 2 über 100 Schritt langen Corridoren u. 22 Sälen, worin allerlei Kunstwerke reich vertreten sind; außerdem sind durch Kunstschätze u. Bauart ausgezeichnet die Paläste Altoviti, Borghese, Brumaccini, Buonarotti, Capponi, Cerini, Corsini, Giaccomi, Orlandini, Pandolfini, Peruzzi, Puoci, Riccardi (jetzt Sitz mehrerer Regierungsbehörden, früher Residenzpalast der Mediceer), Sabiati, Salviati, Strozzi, Unguccioni, der Bargello (Palast des Podestà), Gerichtshaus u. Gefängniß, die Douanen u.a.m. In F. sind die obersten Landesbehörden, darunter das Oberappellationsgericht (Ruota), auch das erzbischöfliche Ordinariat ist hier. Von wissenschaftlichen, Unterrichts- u. Kunstanstalten nimmt den ersten Platz ein das naturhistorische Museum, welches neben den zoologischen Sammlungen viele Wachspräparate für Anatomie u. Zootomie, sowie Wachsbilder von Pflanzen, ein physikalisches Cabinet, Botanischen Garten u. Observatorium enthält; dann die Accademia delle belle arti mit Gemäldesammlung u. Schulen für Zeichnen, Malerei, Architektur, Musik, Declamation, Mechanik, Chemie; von der 1438 gestifteten [364] Universität ist noch die juristische Facultät übrig geblieben; an der mit dem Hospital von Santa Maria Nuova verbundenen Klinik müssen alle Mediciner, nachdem sie in Pisa promovirt haben, noch einen zweijährigen Cursus durchmachen; außerdem sind zu erwähnen die Accademia della Crusca für Erhaltung der Reinheit der Italienischen Sprache u. Literatur, die Accademia de' Giorgotili für Landwirthschaft, das Conservatorium der Musik u. v. a. Von den Bibliotheken sind 5 öffentliche, nämlich die Laurentiana (Mediceische) im Kloster S. Lorenzo, 9000 an 80 Pu Lte festgeschlossene Mannscripte, worunter die älteste Handschrift des Virgil aus dem 4. od. 5. Jahrh., außerdem nur eine Sammlung erster Ausgabe enthaltend; dann die Marucelljana, jener ganz nahe u. Ergänzung derselben, von 45,000 Bänden; die Magliabecchiana, im Palazzo degli Uffizii, 100,000 Bände mit 8000 Handschriften; die Riccardiana im Palast Riccardi. 23,000 Bände u. unter den 3500, bes. für die Literatur des Mittelalters wichtigen Manuscripten auch die älteste vorhandene Handschrift der Naturgeschichte des Plinius aus dem 9. od. 10. Jahrh.; u. die Palatina im Palast Pitti, Privateigenthum des Großherzogs. Das Archivio diplomatico im Palast der Uffizien, das geheime Staatsarchiv u. das Archivio delle reformazioni, das eigentliche Stadtarchiv über der Kirche Or San Michele, sind höchst wichtig für neuere Geschichtsforschung. Außerdem noch die Bibliotheken von Sta. Croce, der Jesuiten, der Badia, von Sta. Maria Novella, S. Marco, S. Spirito, die alle mehr od. weniger wichtige Schätze enthalten. Von den erwähnten Gemäldesammlungen ist die wichtigste Sammlung in dem Palazzo Pitti, die Mediceische Gallerie im Palast degli Uffizii, deren ein Cabinet den Namen Tribune führt, mit Kunstwerken des Alterthums u. der neueren Zeit (hier die Mediceische Venus, der tanzende Faun, Rafaels heilige Familie, der Hermaphrodit, die Gruppe der Niobe); in einem anderen die eigenen Porträts von mehr als 400 Malern, in den anderen, je nach den Schulen geordnete trefflichste Gemälde, das Gemmen-, Cameen-, Medaillencabinet etc.; außerdem die Gallerie in der Accademia delle belle arti, die Statuensammlung in dem Kloster Badia u. v. a. Von Wohlthätigkeitsanstalten zeichnen sich das Hospital der Sta. Maria Nuova, das Findelhaus, Hospital von S. Bonifacio, das Hospital S. Giovanni (im Haus des Amerigo Vespucci), das neue Arbeitshaus, Confraternita della Misericordia, Casa d'Industria, wo gegen 1000 Personen Unterricht in gemeinnützigen Kenntnissen u. in Handarbeiten erhalten, u.a. Überhaupt zeichnet sich F. dadurch aus, daß die Armuth hier auf leichte Weise u. auch reichliche Unterstützung findet. Anstalten zum Vergnügen: Von den 8 Theatern sind außer dem Carneval nur einige geöffnet; la Pergolaist für die Oper u. Cocomero für das Schauspiel das bedeutendste; zwei sind zugleich Tagestheater. Es gibt zahlxeiche Kaffeehäuser, bes. am Domplatze, an der Piazza di Gran Duca u. am Arno; der Adel kommt in seinen Casinos, die Bürgerlichen in ihren Stanzen zusammen; glänzend in F. ist das Carneval (s.d.); von Spaziergängen ist bes. die Promenade il Prato an den mit Basaltplatten gepflasterten Ufern des Arno zwischen dem Ponte alla Caraja u. P. Vecchio besucht; der Garten Boboli beim Palast Pitti, voll schöner Anlagen, ist dem Publicum jeden Donnerstag u. jeden Festtag Nachmittags geöffnet; die Gärten Goldoni, Cascine, eine waldartige Anlage vor der Porta di Prato auf einer vom Arno u. Mugnone gebildeten Insel, mit Park, großherzoglichem Palast u. weiten Alleen, wo sich die vornehme Welt von F. versammelt. Außerdem sind in der Umgegend herrliche Landhäuser; besondere Erwähnung verdienen die Villa Demidow, von dem russischen Grafen dieses Namens erbaut, mit einer von dessen Sohne errichteten Seidenspinnerei; dann die großherzoglichen Villen Poggio Imperiale, Poggio a Cajano u. Castello, sowie das weiter entfernt liegende großherzogliche Lustschloß Prabolino mit Park. F. zählt 112,700 Einwohner, die ein heiteres, friedliches u. das Vergnügen liebendes Volk sind. Die einst so blühende Industrie der Stadt ist zwar sehr gesunken, indessen immer noch wichtig genug; bes. beschäftigt sie sich mit Seidenspinnerei, Seidenweberei, Strohhutflechterei, Fabrikation von künstlichen Blumen, Glas, mathematischen u. physikalischen Instrumenten, Essenzen, Parfümerien, Rosoglio, verzuckerten Früchten, Goldwaaren, Arbeiten in Marmor, Alabaster, Mosaik etc. F. ist die Vaterstadt von Macchiavelli, Dante Allighieri, Guicciardini, Buonarotti, Galilei, Lulli, Luig. Alamanni, Petori, Amer. Vespucci, Cherubini.
F., bei den Römern Florentia, lag in Etrurien (daher Florentia Tuscorum), ist aber weder von Etruskern gegründet, noch überhaupt sehr alt; nach Ein. legten es die Römer nach dem zweiten Punischen Kriege an, um von da aus die Bewegungen der ligurischen Völker zu beobachten, n.And. entstand es erst im 1. Jahrh. v. Chr. durch eine Colonie von Fäsulä, welche zu Cäsars Zeit eine Verstärkung erhielt, u. der Ort, zu einem Municipium erhoben, blühte rasch auf, da er an dem schiffbaren Arnus lag u. der Knotenpunkt mehrerer Heerstraßen war. F. hatte schon im Anfang des 4. Jahrh. ein Bisthum. Bei F. schlug 405 Stilicho die Horden des Radagais. Von Totila zerstört, erhob sich die Stadt nur allmälig wieder aus ihren Ruinen u. stand nach einander unter den Gothen, Longobarden u. Franken, welche Letztere daselbst eigene Grafen hatten. Erst Karl d. Gr. sorgte für einen Wiederaufbau der alten Stadt. 1078 wurde der zweite Mauerkreis (Secondo cerchio) um das erweiterte F. gezogen. F. stand nun unter den deutschen Kaisern, welche Pfalzgrafen hier hatten. Seit Anfang des 12. Jahrh. machte sich F. vom Reiche los u. wurde selbständiger Freistaat, s.u. Florenz (Gesch. des Staates). Obgleich heftig erschüttert durch die Parteiungen der Guelfen u. Ghibellinen, wuchs es dennoch an Macht u. Reichthum. 1284 wurde der dritte Mauerkreis (Primo cerchio) begonnen, aber erst 1327 vollendet u. ist, obgleich mehrfach verändert, noch jetzt vorhanden. Seit Anfang des 15. Jahrh., unter Papst Martin V., wurde das Bisthum zu einem Erzbisthum erhoben u. 1438 wurde die Universität gegründet. 1439 wurde hier das Florentinische Concil (hierher wegen der Pest von Ferrara verlegt) gehalten, wo am 8. Juni mit der Griechischen Kirche eine (jedoch nur bis 1443 dauernde) Vereinigung zu Stande kam, wonach die Griechen das Ausgehen des heiligen Geistes vom Sohne anerkennen sollten. Seit 1529 von den Kaiserlichen belagert, wurde die Stadt 1530 von denselben[365] genommen; 1590 wurde der letzte Zusatz zur Befestigung mit den Bastionen Cosmos I. u. dem Fort von St. Georg, durch Ferdinand I. gemacht. Am 25 Juli 1731 hier Familienvertrag zwischen Spanien u. Toscana, wodurch Don Carlos, Infant von Spanien, vom Großherzog Johann Gaston u. dessen Schwester, der Kurfürstin von der Pfalz, zum Erben u. Nachfolger in Toscana designirt wurde. 25. März 1799 u. 15. October 1800 wurde F. von den Franzosen besetzt. 28. März 1801 hier der Florentiner Friede zwischen Neapel u. Frankreich. Am 26. Oct. 1847 brachen in F. Unruhen aus, wobei das Polizeigebäude demolirt wurde; die Unruhen wiederholten sich am 20. März 1848. Am 25. Mai 1849 wurde die Stadt von den Österreichern besetzt, welche dieselbe im October 1854 wieder räumten. Vgl. Nardi, Storia della città di F., 1582.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.