- Manheim [1]
Manheim, 1) Stadtamt im badischen Unterrheinkreise, enthält nur die 2) Stadt am Einflusse des Neckars in den Rhein, mit Schiffbrücke über den Rhein u. einer 1845 eröffneten Kettenbrücke über den Neckar, u. einem Freihafen mit großen Lagerhäusern am Rhein; ist Hauptstadt des Unterrheinkreises u. zweite Hauptstadt des Großherzogthums; Sitz der Kreisregierung, des Oberhofgerichts, Hofgerichts; Kreisgefängniß, Oberaichamt, Schiffsaichanstalt, Hauptzollamt, Rheinzollamt. Post, Eisenbahnamt. M. ist sehr regelmäßig, in Form eines Ovals gebaut, war sonst Festung, ist aber seit 1802 geschleift u. die Werke in Gärten u. Anlagen verwandelt. Die 11 der Länge u. 10 der Quere laufenden, schnurgeraden Straßen durchschneiden sich rechtwinkelig u. bilden 112 Quadrate; freie Plätze: Paradeplatz (mit Marmorbassin), Marktplatz (mit Merkursgruppe), Speisemarkt, Zeughausplatz mit Denkmal; 6 Kirchen, davon 4 katholisch (unter diesen vorzüglich die Jesuitenkirche ausgezeichnet), die andern evangelisch, Synagoge, Schloß (eins der schönsten u. größten in Deutschland), der eine Flügel brannte durch das Bombardement 1795 ab, in dem übrigen befinden sich Sammlungen von Gypsabgüssen berühmter Antiken, von Kupferstichen, Gemälden, Naturalien. Außerdem sind vorhanden: Botanischer Garten, Sternwarte, Zeughaus, Kaufhaus, Darleihkasse, Kunstverein mit jährlichen Ausstellungen, Musikverein, deutsche Tonhalle zur Beförderung der Tonkunst, Lyceum mit der Derbillonschen Bibliothek, Realschule u. Handelsschule, höhere Bürgerschule, Kunstschule, Militärschwimmanstalt, 5 weibliche Erziehungsanstalten, Schauspiel- u. Redoutenhaus, 3 Hospitäler, Armen- u. Krankenhaus, Waisenanstalt (Louisenhaus, unter Leitung von Barmherzigen Schwestern), Zuchthaus, Militärlazareth. Fabrikation von Krapp, Tabak, Cigarren, Tapeten, Karten, Gold- u. Silberwaaren (Manheimer Gold, geringhaltiges Gold), Branntwein (Manheimer Wasser, versüßter Anisbranntwein), große Zuckerraffinerien, Fabriken in Senf, Bijouteriewaaren, Steingut etc., 7 Buchhandlungen, 5 Buchdruckereien. Der Handel auf dem Rheine ist nicht unbedeutend, u. M. ist der Hauptspeditionsplatz für Südwestdeutschland. Hauptzweige des Eigenhandels sind bes. Pfälzer Tabake, die von hier aus nach allen Theilen Europas gehen, Wein, Getreide, Öl u. andere Landesproducte. Jährlich werden zwei Messen gehalten. Der Handel u. Verkehr wird durch die Eisenbahn von M. nach Heidelberg, Karlsruhe, Strasburg, Basel etc., nach Darmstadt, Frankfurt etc., nach Worms, Mainz etc., nach Speier, nach Kaiserslautern, Saarbrück, Metz etc.,[828] durch zahlreiche Chausseen u. die Schifffahrt auf dem schein u. Neckar befördert. Die vereinigte Kölnisch-Düsseldorfer u. die Niederländer Dampfschifffahrtsgesellschaft haben hier Hauptstationsplätze. Vergnügungorte u. Promenaden im Schloßgarten, Mühlauschlößchen, Rheinlust, Ludwigsbad, Nektargärten, Kaisershütte etc. Außerdem besteht dir Harmonie mit Bibliothek, das Theater gehört zu den besten Süddeutschlands, u. es wurden hier Schillers erste Stücke unter seiner u. Ifflands Leitung aufgeführt; Freimaurerloge: Karl zur Eintracht. 27,000 Ew., die zur Hälfte Katholiken sind. Vgl. Sophie la Roche, Briefe über M., Zür. 1791; Rieger, Beschreibung von M., Mauh. 1824.
Ehedem war M., dessen schon im 8. Jahrh. erwähnt wird, ein Dorf, zur Burg Rheinhausen in der Pfalz gehörig; 1608 wurde vom Kurfürsten Friedrich IV. der Grund zur Festung Friedrichsburg gelegt, in der sich die Bewohner des Dorfs M., vertriebene Niederländer A. andere Auswanderer niederließen, u. 1607 bekam M. Stadtgerechtigkeit. Erobert wurde die Festung 1622 von Tilly, 1631 vom Herzog Bernhard von Weimar, 1644 von den Franzosen, 1688 vom französischen General Melac u. bei Verwüstung der Pfalz durch die Franzosen gänzlich zerstört; 1699 erfolgte der Wiederaufbau derselben nach Coehorns Angabe u. die Einrichtung der Stadt jetziger Weise. 1720 wurde es Residenz des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz u. bekam durch Kaiser Karl Theodor eine Menge gelehrter Anstalten, doch wurde 1777 die Residenz, nach Aussterben des Baierischen Hauses, nach München verlegt. 1794 wurde die Rheinschanze bei M. u. der M-er Brückenkopf von den Franzosen erobert, u. M. fiel 22. Sept. 1795 durch Capitulation in deren Gewalt, kam aber am 18. Oct. wieder an Wurmser, 1796 wurde bei der Belagerung durch die Franzosen ein Theil des Schlosses zerstört, 9. Jan. bis 2. Febr. 1798 wurden die beiden Brückenköpfe u. 18. Sept. 1799 die Stadt von den Österreichern wieder mit Sturm genommen. Nach dem Lüneviller Frieden, wobei M. an Baden kam, mußten die Festungswerke geschleift werden. Am 1. Jan, 1814 erfolgte hier der Rheinübergang des Corps des russischen Generals Sacken. Hier am 17. Sept. 1840 Einweihung des neuen Hafens; am 15. Nov. 1845 Einweihung der Kettenbrücke über den Neckar. In dem badischen Aufstande wurde M. am 22. Juni 1849 von den Preußen besetzt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.