Grönland

Grönland

Grönland, der Hauptkörper des Arktischen Archipels, entweder eine einzige Insel, od. eine durch Eismassen verbundene Inselgruppe, od. eine große nach Süden hin sich erstreckende Halbinsel eines Polarcontinents, im O. vom Atlantischen Ocean, im W. von der Baffinsbai bespielt, sich nach S. bis 49° 45' nördl. Breite (Cap Farewell, südlichster Punkt) ausdehnend. Die Nordgrenze ist unbekannt, der nördlichste gesehene Punkt auf der Westküste unter 78°, auf der Ostküste unter 79° nördl. Br. E. K. Kane nimmt an, daß G. von einem ungeheuerem Gletscher (von ihm Humboldtgletscher genannt) begrenzt wird. Der Gesammtflächenraum mag sich auf 18–20,000 QM. belaufen. Flüsse: Baalsriver, der beträchtlichste; Baien: Baal, Disko, Melville, Jakobsbai u. and. westlich, Frederiksbai, Scoresbysund u. and. östlich. Das Innere des Landes, ein Hochland mit felsigem Boden von etwa 2000 F. Höhe, ist unbekannt; die Küsten sind überall Steil- u. Klippenküsten, das Land steigt durchgängig mehrere hundert Fuß hoch senkrecht aus dem Meere empor u. wird schon in geringer Entfernung 2–3000 F. hoch. Die Ostküste ist wegen ihrer Unzugänglichkeit durch die daselbst angehäuften Eismassen nur wenig bekannt. Die häufigsten Gebirgsarten sind Granit, Gneuß, Glimmerschiefer, Syenit, Grünstein, Talk, Porphyr, Basalt etc., auch Braunkohle findet sich; vulkanische Producte fehlen, doch kommen heiße Quellen vor. Die Westküste sinkt fortwährend, u. auf derselben ist das Klima weniger rauh, als im O.; der Juli ist der einzige schneefreie Monat; auf einen kurzen Sommer folgt rasch ein langer strenger Winter. Die Extreme der Sommer- u. Wintertemperatur sind + 12° u. – 32° R. Südwindeherrschen vor. Die Luft ist im Ganzen gesund u. rein, daher während der langen Winternächte Mond- u. Sternenschein, so wie Nordlichter. Was die Producte anlangt, so besteht die Vegetation im Norden nur aus Flechten u. Moosen, im S. finden sich auch krautartige Gewächse (z. B. Löffelkraut) u. einige Sträucher (Weißdorn, Wachholder) mit eßbaren Beeren. Bäume fehlen; nur in einigen geschützten Theilen finden sich mannshohe Buchen, Birken u. Weiden. Daselbst gibt es auch am Meere Wiesen; der Anbau von Gerste u. Hafer ist ohne Erfolg versucht worden; Kartoffeln u. einige Wurzelgewächse gedeihen. Rennthiere, Hafen, Füchse u. Eisbären sind die wilden Vierfüßer, der Hund das einzige Hausthier der Eskimos, zu welchem bei den Colonisten noch sparsam das Schaf kommt. Seevögel sind zahlreich, bes. die Eidergans. Das Meer ist reich an Fischen, Wallfischen u. Seehunden. Die Grönländer gehören zu den Eskimos (s.d.) u. haben mit diesen alle Eigenthümlichkeiten gemein. Ihre Gesammtzahl mag sich auf 20–24,000 Seelen belaufen. In neuerer Zeit ist ein großer Theil derselben, der äußern Form nach wenigstens, zum Christenthum übergetreten. Über ihre Sprache s.u. Karalitsprache. G. steht unter Oberhoheit der Krone Dänemark. Die Dänischen Colonien liegen sämmtlich auf der mehr vom Eis befreiten Westküste u. den dort gelegenen Inseln, u. nehmen einen Flächenraum von ungefähr 186 QM. ein. Die wichtigste Beschäftigung der Bewohner ist der Seehundsfang. Der Handel mit G. ist Tauschhandel u. wird auf Regierungsrechnung durch die administrative Direction des grönländischen u. färöerischen Handels in Kopenhagen betrieben. Die Einfuhr besteht bes. in Fleisch, Speck, Erbsen, Mehl u. anderem Proviante, Tuch, Zeuche, Tabak, Branntwein, Eisen u. Eisenwaaren, namentlich Harpunen, Pulver, Blei; die Ausfuhr in Wallfisch u. Robbenspeck, Hai- u. Dorschleber, Thran, Wallfischbarden, Seehundsfellen, Eiderdunen u. etwas Pelzwerk. Der Gesammtwerth der Aus- u. Einfuhr beläuft sich jährlich auf etwas mehr als 200,000 Rbthlr. Durch den Handel, welcher von 7–8 Schiffen besorgt wird, wird ein i. J. 1789 dazu bestimmtes Capital von 225,000 Rbthlr. mit 4 Proc. verzinset, u. derselbe liefert durchschnittlich jährlich 60,000 Rbthlr. Überschuß. Die Dänen halten auf G. weder Garnisonen noch Obrigkeiten, sondern blos Missionäre u. einige Rentbeamte. Die grönländische Mission wurde 1721 von Hans Egede gestiftet u. seit 1733 von der Regierung unterstützt; ihre Missionäre werden in dem seit 1737 in Kopenhagen bestehenden grönländischen Seminare gebildet. Die Zahl der Missionäre war bis 1791 in G. zehn, seitdem fünf, seit 1844 aber beträgt sie acht. Seit 1733 hat auch die Brüdergemeinde zu Herrnhut ihre Missionäre nach G. gesandt. Die Gesammtausgaben für das grönländische Kirchen- u. Schulwesen betragen jährlich durchschnittlich 17,000 Rbthlr. In G. sind jetzt eilf Missionsplätze: sieben (nämlich Upernavik, Omanak u. Egedesminde in Nordgrönland, sowie Holsteinborg, Julianehaab, Frederikshaab u. Godthaab in Südgrönland), unter dem Missionscollegium zu Kopenhagen; die vier übrigen (Neu-Herrnhut, Lichtenfels, Lichtenau u. Friedrichsthal in Südgrönland), unter dem Directorium der Brüdergemeinde zu Herrnhut stehend.[664] G. gehört zum Sprengel des Bischofs von Seeland. Die Zahl der Bewohner der dänischen Besitzung betrug 1855: 9892 Seelen, worunter gegen 300 Dänen. G. wird in zwei Inspectorate getheilt, welche durch den Norder-Strömsfjord (67° nördl. Br.) getrennt sind: Nordgrönland, 1840 mit 2880 Ew., darunter 130 Dänen, u. Südgrönland, 1840 mit 5250 Ew., darunter 120 Dänen. G. zählt 12 Colonien, 6 in jedem Inspectorate, 15 kleinere Handelsanlagen, 11 Missionsplätze. Der Inspector von Nordgrönland wohnt zu Godhavn auf der Discoinsel, 250 Ew., in der Nähe sind Braunkohlenbrüche. Der Inspector von Südgrönland hat seinen Sitz in Godthaab, mit 740 Ew. u. einem Seminare zur Bildung eingeborener Katecheten u. einem schönen Hafen; hier liegt Julianehaab, mit 2200 Ew., die fruchtbarste u. bevölkertste Colonie. Auf der Insel Onartok sind warme Quellen (32° R.).

G. wurde von Island aus entdeckt; gesehen wurde es, u. zwar seine Ostküste, im Jahre 876 od. 877 von Gunnbjörn, aber erst 983 von Erik dem Rothen betreten, der es 986 zu colonisiren anfing (s. Amerika, geschichtl. Geogr. II.). Aus den Colonien, welche auf der Westküste in zwei durch eine unbewohnte Strecke getrennten Districte od. Lygden (Ostdistrict od. Austurbygd u. Westdistrict od. Westurbygd) lagen, entstand ein unabhängiger Staat, welcher 1261 in Abhängigkeit von Norwegen kam. Im 14. Jahrh. wurde ein Theil der im Westdistricte gelegenen Colonien von den Eskimos vernichtet. Zu. Anfang des 15. Jahrh. bestand der Ostdistrict aus 190 Dörfern mit einem Bischofssitze Gardar, 12 Kirchspielen u. 2 Klöstern; in ihnen muß nach den vorhandenen Ruinen ein blühender Zustand geherrscht haben. Zu derselben Zeit wurden diese Colonien ihrem Schicksal überlassen, weil die Regierung, um den Handel nach Grönland zu monopolisiren, denselben allen Privaten untersagt hatte, sie selbst aber wegen der damaligen Kriege im N. keine Schiffe dahin senden konnte. Bald darauf wurden wahrscheinlich die letzten Colonien durch eine feindliche Flotte u. die Eingeborenen zerstört. Erst unter Christian III. wurde jenes Verbot aufgehoben u. der erste Versuch gemacht, die Colonien wieder aufzufinden; jedoch blieb dieser, wie alle späteren, ohne Erfolg, da man die alten Colonien des Ostdistrictes auf der Ostküste suchte. 1721 wurde durch Egede wieder eine neue Colonie (Godthaab) auf der Westküste gegründet, worauf sehr bald weitere Niederlassungen erfolgten. Die Westküste war unterdessen von Davis (1585–1587), Bassin (1611–16), sowie durch die zahlreichen Wallfischfahrer ziemlich bekannt geworden, u. ihre Kenntniß wurde auch in neuerer Zeit durch Roß, Parry u. And. bedeutend erweitert. Die Ostküste blieb wegen ihrer Unzugänglichkeit bis 1822 unbekannt. In diesem Jahre untersuchte aber der Engländer Scoresby dieselbe zwischen 69° u. 75° nördl. Br.; 1823 dehnte der Engländer Clavering die Erforschung von 75° bis 76° nördl. Br. aus; 1829 setzte sie der Däne Graah fort, drang vom Cap Farewell bis zur Danebrogsinsel (651/4° nördl. Br.) vor u. nahm die Küste, welche er König Frederik VI. Küste nannte, für Dänemark in Besitz; er bewies ferner, daß auf der Ostküste nie Colonien gewesen sind. 1833 ging der Franzose De Blosseville zur Untersuchung der noch 50 Ml. weit zwischen Grahs u. Scoresbys Entdeckungen unbekannten Küste um 68° nördl. Br., kam aber dabei um. Nachforschungen nach ihm blieben ohne Erfolg. In neuester Zeit haben sich namentlich der Däne H. Rink u. der Amerikaner E. K. Kane durch ihre Forschungen verdient gemacht. Vgl. H. Egede, Beschreibung u. Naturgeschichte von G., aus dem Dänischen von J. G. Krünitz, Berl. 1763; P. Egede, Nachrichten von G., Kopenh. 1790; D. Cranz, Historie von G., Lpz. 1765–70, 2 Bde.; von Eger, Über die wahre Lage des alten Ostgrönlandes, Kiel 1794; H. Egede, Saabye, Bruchstücke eines Tagebuchs, gehalten in G., aus dem Dänischen von G. Fries, Hamb. 1817; F. G. Köhler, Reise ins Eismeer u. nach der Küste von G., Lpz. 1820; Manky, Reise nach G., ebd. 1823; W. Scoresby, Tagebuch einer Reise nach der Ostküste von G., aus dem Englischen von F. Kries, Hamburg 1825; Graah, Reise til Östkysten of G., Kopenh. 1832; H. Rink, Die dänischen Handelsbezirke in Nordgrönland, ebd. 1852; E. K. Kane, Arctic explorations, Philad. 1856, 2 Bde., deutsch im Auszuge, Lpz. 1857.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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