Hildesheim [1]

Hildesheim [1]

Hildesheim, sonst reichsunmittelbares Stift u. Bisthum im niedersächsischen Kreise, grenzte an Lüneburg, Halberstadt, Kalenberg, Wolfenbüttel u. Grubenhagen; wurde in das kleine u. große Stift mit 11 Ämtern getheilt; das Land war meist lutherisch, der Bischof dagegen, welcher dasselbe red gierte, nebst seiner Umgebung katholisch. – Das Stift nahm seinen Anfang 822, wo Bischof Gunthar seinen Sitz von Elze nach der Stadt H. verlegte u. die Kirche der Sta. Cäcilia erbaute; Gunthar st. 835; sein Nachfolger Rembert starb noch in demselben Jahre; Ebbo, welcher viele Heiden bekehrte, st. 847; unter Altfrid (848–876) u. Marquard (876–880) begann das Stift schon so reich zu werden, daß Wigbert (880–884) eine Trennung der bischöflichen von den Capitelsgütern vorbereiten konnte, welche sein Nachfolger Walbert (st. 903) ausführte. Diesem folgten: Sehhard bis 928, Diethard (929–956); Otwin, welcher die Gebeine des St. Epiphanius von Rom nach H. brachte u. 986 starb; Osdag, st. 990; Gerdag, st. 993; Bernhard od. Bernward, (993–1023) vorher Lehrer des Kaisers Otto III., that viel für die Bereicherung des Stiftes; unter ihm brannte das Münster mit der Bibliothek 1013 ab. Er umgab dann seinen Sitz mit Mauern, baute Schutzburgen in seiner Diöcese, schlug die Slawen zurück u. kämpfte mit dem Erzbischof von Mainz über ein Recht an Gandersheim, das sein Nachfolger Godehard (1024–38) 1030 endlich gegen Aribo behauptete. Godehards Bild nahm die Stadt in ihr Wappen auf. Sein Nachfolger Dietmar st. 1044. Unter Bischof Azelin (1044–54) brannte 1046 der Bischofssitz nebst einem großen Theil der Stadt ab; sein Nachfolger Hezilo (1054–79) baute den Dom wieder auf u. gab durch mehrere, den Domherren gewährte Freiheiten Anlaß zu dem Sinken der Zucht. Bei dem Raubzuge des Kaisers Heinrich IV. durch Sachsen, erkaufte er durch große Geldzahlungen seinem Bisthum Unversehrtheit u. hatte einen Rangstreit mit dem Abt Widerad von Fulda. Durch Anhänglichkeit an jenen Kaiser brachte Udo (1079–1118) große Drangsale über das Stift, wofür ihn der Kaiser durch die Burg Werla bei Goslar entschädigte. Seine Nachfolger waren: Bruning, st. 1120, u. Barthold, st. 1130; Bischof Bernhard (1130–53) erwarb Schloß u. Grafschaft Winzenburg; sein Nachfolger Bruno, st. 1164; unter Hermann (1164–74) wurde das Bisthum durch Heinrich den Löwen sehr verwüstet, u. unter Adelog (1175–90) 1179 durch den Erzbischof von Köln u. 1189 durch König Heinrich. Seine Nachfolger waren: Berno (1190 bis 1198); Konrad I. versetzte mehrere Stiftsgüter u. wurde, als er 1199 Bischof von Würzburg geworden war, von dem Papst in den Bann gethan. Der nach ihm gewählte Habbert od. Hartbert sorgte sehr für das Wohl des Stifts, aber 1208 verlor er Gandersheim nach langem Streite; er st. in diesem Jahre, u. nun wurde Sigfrid I. bis 1221 Bischof. Unter Konrad II. (1221 bis 1245) erscheint H. reichsunmittelbar; Konrad war eben so energisch als Geistlicher, wie als weltlicher Fürst u. zerstörte viele Raubburgen. Heinrich I. (1245–57) kam wegen der Grafschaft Peine mit Herzog Albrecht von Braunschweig in Krieg, worin Letzter einen Theil des Bisthums einnahm; dieser Krieg dauerte auch unter Johann I. (1257 bis 1261) fort u. endigte mit einem Vertrag, in dem H. die Hälfte von Peine bekam. Johanns Nachfolger war (1261–79) der 14jährige Otto I., Herzog von Braunschweig-Lüneburg, welchen sein großes Vermögen zu dieser Wahl empfohlen hatte; er erweiterte die Besitzungen des Stiftes sehr, so daß er darüber mit seinen Brüdern, Johann u. Albrecht, in Krieg gerieth, der noch unter seinem Nachfolger Sigfrid II., Graf von Querfurt 1279–1310), fortdauerte, u. wozu noch ein anderer mit Brandenburg kam. Unter ihm begannen auch die Streitigkeiten zwischen Capitel u. Bürgern. Friedlicher mit der Stadt lebte sein Nachfolger, Heinrich II., Graf von Woldenberg (1310–18), aber später wurden die Streitigkeiten, oft mit großer Erbitterung, fortgesetzt. Otto II., Graf von Woldenberg (1318–34), verfolgte die Raubritter eifrig. Heinrich III., Herzog zu Braunschweig, erhielt durch den Papst einen Gegenbischof an Erich von Schaumburg, welchem Letzteren indeß nur die Stadt anhing, bis 1343, wo der Bischof die uneinigen Bürger besiegte; Erich st. 1348 u. Heinrich wurde nun auch vom Papste anerkannt. Dieser beschwor übrigens dem Capitel zuerst eine, auf die Rechte der weltlichen Regierung u. die Theilnahme des Domcapitels an derselben bezügliche Capitulation. Als er 1362 gestorben war, setzte der Papst, ungeachtet das Capitel, welches sein Wahlrecht sich bewahrt wissen wollte, dagegen protestirte, Johann II. u., als dieser 1365 resignirte, Gerhard (1365–98), als Bischof ein; unter heftigen Fehden mit den benachbarten Fürsten u. Streitigkeiten mit der Stadt regierte dieser bis 1395, wo er Rupert zum Coadjutor erhielt. Unter ihm kamen die gräflich Woldenbergschen Besitzungen an H.; Johann III., Graf von Hoya folgte, dieser gerieth 1421 mit dem Herzog Otto von Grubenhagen über das, von dem Stifte erworbene Witthum seiner zweiten Gemahlin, Schonetta von Nassau, in eine Fehde, in welcher er von dem Herzog, den Erzbischöfen von Köln u. Magdeburg, den Herzögen von Braunschweig u. Schleswig unterstützt, aber bei Asseburg, Osterwick u. Grohnde geschlagen u. das Stift arg verwüstet wurde. Um die traurige Lage zu mildern, resignirte er 1424 zu Gunsten des reichen Bischofs von Kamin, Magnus, Herzog von Sachsen, der bis 1452 regierte. Sein Nachfolger Bernhard II., Herzog von Braunschweig-Lüneburg, früher schon sein Coadjutor, war kein Geistlicher, nannte sich auch nicht Bischof, sondern Vorständer, dann Administrator u. endlich bestätigter Herr u. Vorständer des Stiftes H., bekümmerte sich auch wenig um das Stift; 1459 resignirte er zu Gunsten des Grafen von Schaumburg, Ernst I., der seine Zeit im Kriege u. auf der Jagd zubrachte, in ersterem aber gegen Herzog Friedrich sehr unglücklich war; er st. 1471. Sein Nachfolger Henning mußte erst zwei von der [376] Mehrzahl des Capitels gewählte Gegenbischöfe, Hermann, Landgraf von Hessen, u. Balthasar, Herzog von Mecklenburg, bekämpfen u. besiegte, durch den Beistand der Bürger von H., Ersteren 1472, Letzteren 1474; 1479 od. 1481 legte er sein Amt nieder; sein Nachfolger Barthold II. von Landsberg führte bis 1486 mit der von Braunschweig unterstützten Stadt einen blutigen Krieg u. st. 1503. Nach ihm wurde 1503 Erich, Herzog zu Sachsen-Lauenburg, gewählt, überließ aber das Stift 1504 seinem Bruder Johann IV. Dieser fand eine Schuldenmasse von 280,000 Goldgulden u. 24 Amthäuser verpfändet vor, u. da er sparsam war u. streng Ordnung hielt, so war er nicht beliebt. Die Aufkündigung eines Pfandschillings an die Herren von Saldern war der Grund zu der berühmten Hildesheimer Stifsfehde. Jene verbündeten sich mit den Herzögen Heinrich u. Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel u. Herzog Erich von Kalenberg, u. während eines Kriegs des Bischofs von Minden, fielen sie in H. ein, wurden aber von den Bischöflichen, welche von dem Coadjutor Franz, Herzog von Sachsen-Lauenburg, u. von den Grafen von Schaumburg u. Lippe, Diepholz u. Hoya unterstützt wurden, 1520 bei Soltau geschlagen. Da sich nun der Bischof einem kaiserlichen Ausspruch zwischen den Streitenden nicht unterwarf, wurde er 1521 in die Reichsacht erklärt, u. deren Vollziehung dem König Christian von Dänemark u. den Herzögen von Braunschweig übertragen. Die Herzöge eroberten die ganzen Stiftslande bis auf wenige Städte, u. endlich schloß das Capitel u. der Stadtrath 1523 zu Quedlinburg einen Vertrag, wornach der Kirche zu H. von ihren sieben Grafschaften u. 21 Schlössern nur noch die drei verpfändeten Peine, Steuerwald u. Marienburg verbleiben, die Herzöge aber ihre Eroberungen behalten sollten. Erich resignirte 1527, u. seine Nachfolger Balthasar Mercklin, Reichsvicar des Kaisers Karl V., bis 1531, u. Otto III., Graf von Schaumburg, bis 1537, thaten für die Sache des Stiftes nichts, u. Valentins von Teteleben (bis 1551) Versuche waren vergebens; Friedrich, Herzog von Holstein (seit 1551), löste zwar Steuerwald u. Peine ein, aber seine Verschwendung u. Sorglosigkeit zerrütteten das Stift vollends ebenso, wie die Verwüstungen des Grafen Mansfeld u. des Markgrafen Albrecht von Brandenburg. Bischof Burchard von Oberg (bis 1573) setzte die Verhandlungen wegen der Restitution vergebens fort u. hatte immer Streit mit der Stadt; noch ernster wurden diese Streitigkeiten unter dem mächtigen Ernst II. (1573–1612), jüngstem Sohn des Herzogs Albrecht III. von Baiern, der auch Bischof von Freisingen, Lüttich, Münster u. Erzbischof von Köln war; seinem Nachfolger Ferdinand (1612–1650), Sohn des Herzogs Wilhelm II. von Baiern, welcher auch zugleich Erzbischof von Köln u. Bischof von Lüttich, Münster u. Paderborn war, glückte es, 1629 den Proceß gegen Braunschweig, wegen der Restitution des großen Stiftes, zu gewinnen, u. die Bevollmächtigten desselben nahmen mit Tillys Hülfe 1629 u. 1630 von den einzelnen Theilen Besitz, doch führte Braunschweig den Streit fort, bis es sich endlich 1643 bequemte, dem Stifte Alles zurückzugeben, bis auf die Amter Koldingen, Westerhof u. Lutter am Barenberge, welche es als Stiftslehn behielt. Ferdinands Nachfolger, Maximilian Heinrich, Sohn des Herzogs Albrecht VI. von Baiern, war auch Kurfürst von Köln u. regierte bis 1688; er vereinigte zuerst das Domcapitel, die sieben Stifter u. die neun Feldklöster. Bischof Jodocus Edmund erhielt schon 1694 Joseph Clemens, Herzog von Baiern, zum Coadjutor, der ihm nach seinem Tode 1702 als Bischof folgte, doch kam er, wegen der über ihn verhängten Reichsacht, erst 1774 zum Besitz des Bisthums. Inzwischen hatte das Capitel einen langen Streit mit Herzog Georg Ludwig von Braunschweig, welcher sich der von dem Capitel bedrückten protestantischen Stände annahm, bis 1711 der Religionsreceß zu Stande kam, in welchem das Capitel Beseitigung der Beschwerden versprach. Joseph Clemens erhielt das Stift beruhigt u. st. 1723; ihm folgte Clemens August, Herzog von Baiern, auch Erzbischof von Köln, u. als dieser 1761 gestorben war, 1763 Friedrich Wilhelm von Westfalen, dessen Verordnungen noch jetzt hauptsächlich die Grundlage des Provinzialrechts u. der Provinzialverfassung ausmachen. Sein Nachfolger war 1789 Franz Egon, Freiherr von Fürstenberg, seit 1786 Coadjutor. Unter ihm wurde der Bauernproceß geführt; eine Anzahl Bauern hatten sich nämlich 1793 unter Anführung des Canonicus Goffaux bei den Reichsgerichten über Regierung u. Landstände wegen Bedrückung u. Ungerechtigkeit beschwert, u. in Folge dieser Beschwerden wurde den Übelständen in der Verwaltung abgeholfen, der Staatshaushalt geregelter u. die Abgaben gleichmäßiger vertheilt. 1803 kam das Stift in Folge des Lüneviller Friedens u. des Reichsdeputationsschlusses an Preußen, der Bischof legte seine Würde nieder u. erhielt eine Pension von 50,000 Thlrn. 1806 nahm es der französische Intendant Daru für Frankreich im Besitz u. 1807 wurde es zum Königreich Westfalen geschlagen; 1813 aber von Hannover im Besitz genommen u. verblieb demselben 1815 nach der Wiener Schlußacte. Nach dem Tode des Bischofs Franz Egon 1825 wurde Godehard Joseph von dem Capitel als Bischof gewählt. Ihm folgte Ferdinand Fritz, diesem 1842 Jakob Joseph Wandt u. 1850 Eduard Jakob Wedekin. Vgl. Das Bisthum H., in geographischer, statistischer u. topographischer Hinsicht, Berl. 1802.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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