Kleist

Kleist

Kleist, eine der Lutherischen Confession folgende, ursprünglich aus Pommern stammende, gräfliche u. freiherrliche Familie, welche gegenwärtig im Königreich Sachsen, in der preußischen Lausitz, in der Mark, in Pommern u. Kurland begütert ist; 1) Ewald, war kurbrandenburgischer Geheimer Rath, Prälat, Dechant des Domcapitels in Kamin u. Präsident der hinterpommernschen Regierung zu Coblenz; er war mit einer Gräfin v. Maxelrain vermählt, auf deren Veranlassung er 1663 nach Baiern auswanderte u. zur Katholischen Kirche übertrat, er wurde 1886 Königspräsident; er entdeckte die Verstärkungsflasche der Elektricität, welche später den Namen Leydener Flasche (s.d.) erhielt, richtiger daher Kleistsche Flasche. 2) Ewald Christian von K., geb. 3. März 1715 zu Zeblin bei Köslin in Pommern; studirte in Königsberg die Rechte, trat 1736 als Offizier in dänische u. 1740 in preußische Dienste; zeichnete sich in Friedrichs II. Feldzügen aus, wurde 1749 Stabscapitän, 1756 Major, 1759 in der Schlacht bei Kunnersdorf schwer verwundet u. starb, nach Frankfurt a. d. Q. geschafft, 24. Aug. 1759. Sentimentaler Dichter, bes. durch den Verlust seiner Geliebten, Wilhelmine von Golz in Danzig, trübe u. wehmüthig gestimmt; er schr.: Lieder, Oden, Elegien, Idyllen, vor allem aber das Gedicht: Der Frühling (der zuerst 1749 erschien u. viele Auflagen erlebte). Sämmtliche Werke herausgeg. von Ramler, Berl. 1760, 2 Bde., 4. Aufl. 1778, u. von W. Körte, ebd. 1803, 2 Bde., u. Aufl. ebd. 1830; vgl. K-s Ehrengedächtniß von Fr. Nicolai, ebd. 1760. 3) Friedr. Wilhelm Gottfr. Arnd von K., geb. 1725, trat sehr jung zu einem preußischen Husarenregiment, zeichnete sich in den ersten beiden Schlesischen Kriegen aus u. stieg zeitig zum Stabsoffizier. Im Siebenjährigen Kriege wurde er General u. machte 1761, bei der Armee des Prinzen Heinrich stehend, einen Einfall bis tief in Franken hinein, schreckte die dortigen Reichsstände u. Nürnberg u. setzte den Reichstag zu Regensburg in große Furcht; 1762 fiel er mit 6000 Mann in Böhmen ein, benahm sich aber, trotz dem Befehl, die Verwüstungen in der Mark mit Gleichem zu vergelten, menschlich u. edel u. st. 1768 in Jäschkendorf bei Liegnitz. 4) Franz Kasimir von K., trat jung in preußische Kriegsdienste, focht im Siebenjährigen Kriege u. später mit Auszeichnung u. rückte durch Anciennetät bis zum General der Infanterie, wurde Gouverneur von Magdeburg u. schloß als solcher die Capitulation mit den; Franzosen, er wurde deshalb durch Kriegsgericht entlassen u. st. 1810 in Berlin. 5) Friedrich Ferdinand Heinr. Emil, Graf K. von Nollendorf, geb. 9. April 1762; trat früh in preußische Kriegsdienste, wohnte dem Baierischen Erbfolgekriege 1778! bei, wurde Adjutant des Feldmarschalls von Möllendorf, diente in den Rheincampagnen von 1792 als Capitän im Generalstabe, wurde Commandeur eines Grenadierbataillons u. 1803 vortragender Adjutant des Königs. Im Feldzuge von 1806 war er bei demselben u. wurde später nach Osterode an Napoleon gesendet. Nach dem Frieden Generalmajor u. Chef der Westpreußischen Brigade erhielt er, als Graf Chasot die Commandantenstelle von Berlin 1809 niederlegte, dieselbe; 1812 befehligte er eine Infanteriebrigade bei Yorks Corps im Russischen Feldzuge u. zeichnete sich bes. bei Eckau aus. Als Generallieutenant blockirte K. vom 26. März bis 20 April 1813 Wittenberg, bestand rühmlich am 28. April das Gefecht bei Halle, leitete in der Schlacht bei Bautzen die tapfere Vertheidigung des Spreeüberganges bei Burg, schloß den Waffenstillstand in Poischwitz als preußischer Bevollmächtigter, wurde dann mehrmals als Diplomat gebraucht u. stieß bei dessen Ende mit seinem Corps zur österreichischen Armee in Böhmen. Nach der Schlacht bei Dresden wollte er sich über den Gebirgskamm bei Nollendorf gegen Teplitz zurückziehen, fand aber den Weg so durch gebrochene Wagen u. Kriegsmaterialien gesperrt, daß er einen Seitenweg nach der Peterswaldauer Straße einschlug u. dort auf Vandamme stieß, den er auf diese Weise am 30. Aug. angriff u. viel zur Vernichtung des Vandammeschen Corps bei Kulm beitrug. Bei Leipzig befehligte er auf dem linken Flügel, blockirte dann Erfurt, folgte später den: Heere nach Frankreich u. zeigte bei dem Rückzuge von Etoges große Einsicht u. hohen Muth. Die Schlacht von Laon half K. mit York durch den nächtlichen Überfall entscheiden u. führte bei Claye persönlich eine Brigade zum Sturm, worauf die Armeen vor Paris rückten. Nach dem Pariser Frieden wurde er am 3. Juni 1814 zum Grafen K von Nollendorf mit einer Dotation erhoben u. Chef des 6. preußischen Infanterieregiments. Er folgte dem Könige nach London, übernahm hierauf das Commando der Rheinarmee u. erhielt bei der Rückkehr Napoleons 1815 den Oberbefehl über das norddeutsche Bundes- u. das 2. preußische Armeecorps, konnte es indeß wegen Krankheit nicht gegen den Feind führen. Beim Frieden wurde er commandirender General der Provinz Sachsen, nahm im Juni 1821 den Abschied, wurde Feldmarschall, zog sich nach Berlin zurück u. st. daselbst 17. Febr. 1823. 6) Franz Alexander von K., geb. 1769 in Potsdam; früher Offizier, studirte 1790–91 in Göttingen, wurde königlich preußischer Legationsrath u. st. 1797 zu Ringewalde in der Neumark; er schr.: Hohe Aussichten der Liebe, Berl. 1789, u. Aufl. ebd. 1791; Graf Peter der Däne, ebd. 1791; Phantasien auf einer Reise nach Prag, Dresd. 1792; Sappho (dramatisches Gedicht), Berl. 1793; Zamori, ebd. 1793; Das Glück der Liebe, ebd. 1793; Das Glück der Ehe, ebd. 1796; Vermischte Schriften, ebd. 1797; Liebe u. Ehe, ebd. 1799. 7) Heinrich von K., geb. 10. Oct. 1776 in Frankfurt a. d. O., trat 1795 als Fähndrich in die preußische Garde, machte als solcher den Feldzug am Rhein mit, nahm hierauf seinen Abschied, studirte in Frankfurt a. d. O. u. wurde 1800 in dem Departement des Ministers von Struensee angestellt, ging 1801 nach Paris, hielt sich im Sommer 1802 in der Schweiz auf, kehrte 1806 nach Berlin zurück, u. ging nach der Schlacht bei Jena nach Königsberg; bei seiner Rückkehr nach Berlin wurde er von den Franzosen verhaftet; die Vereitlung seines Wunsches 1809 gegen die Franzosen zu fechten u.[568] das Mislingen mehrer Lebenspläne, bewog ihn, 21. Nov. 1811 mit seiner Geliebten Henriette Vogel, bei Potsdam sich gegenseitig zu erschießen. Er schr. die Trauerspiele: Die Familie Schroffenstein, Berl. 1803; Penthesilea, Tüb. 1808; Prinz von Homburg, Berl. 1821, u. Das Käthchen von Heilbronn, ebd. 1810. Auch für das Lustspiel hatte K. Talent, wie sein Zerbrochener Krug, ebd. 1811, beweist. Seine Gesammelten Schriften gab Ludw. Tieck, ebd. 1826 (n. Aufl., revidirt von Julian Schmidt, ebd. 1859) heraus. Vgl. Heinrich von K-s Leben u. Briefe, herausgeg. von E. von Bülow, Berl. 1848. Gegenwärtig blüht die Familie in 3 Linien: A) K. yom Löß, 1823 in den Grafenstand erhoben, in Pommern, im Königreich Sachsen, in der preußischen Provinz Sachsen, der preußischen Lausitz u. Kurland angesessen, ihr Gründer u. dermaliger Chef ist: 8) Graf Wilhelm, geb. 1792, ist preußischer Hofjägermeister u. Major a. D. u. seit 1858 Wittwer von seiner zweiten Gemahlin Elisabeth, geb. Gräfin v. Medem, sein ältester Sohn aus erster Ehe mit Auguste geb. Gräfin vom Lost (st. 1821), Bogislav, geb. 1824, ist sächsischer Kammerherr u. Geschäftsträger am Toscanischen Hofe. B) K. v. Nollendorf, seit 1814 Grafen, angesessen in der Provinz Preußen, gegründet von K. 5), jetziger Chef: 9) Graf Hermann, Sohn von K. 5), geb. 1804, ist. Landrath a. D. u. vermählt 1829 mit Veuriette geb. Freiin v. Gutsiedt; sein älterer Sohn Hermann ist geb. 1831. C) K. auf Zützen, in den Grafenstand nach dem Rechte der Erstgeburt 1841 erhoben, in der preußischen Niederlausitz angesessen; Chef: 10) Graf Leopold, Sohn des 1852 verstorbenen preußischen Majors der Cavallerie Grafen Eduard, welcher Begründer dieser Linie war, geb. 1830, ist preußischer Premierlieutenant in der Landwehr.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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