Vicenza [1]

Vicenza [1]

Vicenza (spr. Witschenza), 1) Provinz des Lombardisch-Venetianischen Königreichs zwischen Tyrol u. den Provinzen Verona, Padua, Treviso u. Belluno, 50,43 QM. mit 318,100 Ew.; ist zum Theil gebirgig durch die Venetianischen Alpen u. die isolirt liegende Gruppe der Monte Berici, sonst ebenes Land, bewässert vom Bacchiglione mit Timonchio u. Astico, von der Brenta u. Tesina, bringt Getreide, Wein, Obst, Gemüse, Seide, Vieh, Wild, Steinkohlen, Marmor etc. Die Einwohner sind mit Ausnahme der deutschen Sette communi Italiener u. fertigen Seide, Seidenwaaren, Papier, Holz-, Strohwaaren etc. Die Provinz wird von der Lombardisch-Venetianischen Eisenbahn durchschnitten; sie ist in 10 Districte eingetheilt, war früher ein Theil der Republik Venedig, später österreichisch u. bildete das italienische Departement Bacchiglione. 2) Hauptstadt darin, am Zusammenfluß des Bacchiglione u. Retrone, am nordöstlichen Fuße der Bericischen Berge u. an der Lombardisch-Venetianischen Eisenbahn (Linie Venedig-Verona), mit zahlreichen Bauwerken des hier geborenen Palladio, Mauern u. Gräben, 6 Thoren, 9 Brücken (darunter 3 antike u. die Brücke S. Michele von Palladio in Einem Bogen gebaut) u. größtentheils engen mit niedrigen Lauben versehenen Straßen, mit Ausnahme des mit Palästen geschmückten Corso. V. ist Sitz der Provinzialdelegationsbehörden, der Provinzialcongregation, des Tribunals, einer Handels- u. Gewerbekammer, eines Platz- u. Stadtcommandos, eines Bischofs, Kathedralcapitels etc. Der schönste Platz ist die Piazza dei Signori mit den von den Venetianern 1404 zum Zeichen ihrer Herrschaft errichteten zwei Säulen, dem 300 Fuß hohen Glockenthurm, dem Rathhaus u. dem Palazzo della Delegazione von Palladio. Unter den 19 Kirchen hat die im Germanischitalienischen Styl aufgeführte Kathedrale Gemälde von Montagna u. A., die Kirche S. Corona Bilder von Paul Veronese u. A. Bildungsanstalten sind: Bischöfliches Seminar, Theologische Lehranstalt, 2 Gymnasien (darunter das bischöfliche mit Bibliothek), Akademie (Accademie olimpica di scienze, lettere ed arte) für die exacten Wissenschaften u. Schönen Künste, Institut der englischen Fräulein, Institut der Dorotheerinnen, Congregation der Väter des Oratorium, Stadtbibliothek (la Bertoliana). Wohlthätigkeitsinstitute: Civilspital, Versorgungs- u. Arbeitshaus, Findelhaus, 2 Waisenhäuser, Kinderbewahranstalt, die Hospize delle Zitelle, Soccorso u. Soccorsetto für Mädchen u. Frauen, Unterstützungsvereine. Unter den ausgezeichneten Bauwerken Palladio's, außer den erwähnten, die Paläste Chiericato, Tiene, Barbarano, Valmarana, del Conte Orazio da Porta, Trissino in Cricoli u.a., das Rathhaus (Basilica od. Palazzo della Ragione) an der Piazza dei Signori (von Palladio restaurirt), das Teatro olimpico in antiker Art nach Zeichnungen von Palladio erbaut (jetzt in ziemlich vernachlässigtem Zustande), der Triumphbogen am Campo marzio u. die Loggia an der Präfectur. Außerdem ist bemerkenswerth das 1855 vollendete Museo civico am Ende des Corso mit verschiedenen Sammlungen u. unter den 3 modernen Theatern das Teatro filarmonico. Die Industrie V-s erstreckt sich aus Fabrikation von Seidenzeugen, Strohhüten, Porzellan, Leder, Spielkarten, Alkohol, Öl; es gibt 4 Buchdruckereien, eine Lithographische Anstalt u. es wird viel Handel mit Getreide u. Wein (von Braganza) getrieben; 33,300 Ew. Am Frohnleichnamsfest findet das Volksfest della Rua statt, bei welchem zum Andenken an die Vertreibung des Tyrannen Ezzelino ein großer, thurmartiger geschmückter Wagen von Menschen durch die Straßen gezogen wird. Bei V. sind auf dem Hügel S. Sebastiane viele Villen, darunter die Villa Rotonda des Grafen Caprara (das Meisterwerk des Palladio), ferner der an Fischversteinerungen reiche Hügel Marano, die große Höhle Grotta di Castrozzo u. die Wallfahrtskirche Madonna de Monti auf dem Monte Berico, wohin ein 2000 Fuß langer, auf 1800 Pfeilern ruhender Bogengang führt, um dessen Besitz 1848, wo die Italiener den Berg mit seinen Villen befestigt hatten, hartnäckig gekämpft wurde. V. gab dem französischen Minister Caulincourt den Herzogstitel. – V., bei den Römern Vicentia od. Vicetia, eine Stadt in Venetia, sollte von den Enganeern um 600 v. Chr. erbaut worden sein. Die Sennonischen Gallier (389 v. Chr.) vergrößerten[554] es, die Römer gaben V. das römische Bürgerrecht. Später wurde V. von Attila verheert u. dann von den Longobarden, Gothen u. den Königen von Italien unterworfen. Nach der Besiegung des Desiderius kam 35. zu Karls des Großen Reich. Später hatte es eigene Herzöge u. Grafen. Kaiser Otto der Große gab V. das Recht der Autonomie. Unter Kaiser Friedrich I. schloß sich V. mit Padua, Venedig u. Mailand dem Lombardischen Städtebund an, doch litt es unter Kaiser Friedrich II. sehr, indem nicht nur die dortige Universität, sondern die Stadt selbst 1236 zerstört wurde. Die Scalas bauten sie wieder auf u. herrschten daselbst, so wie mehre andere edle Familien, bis V. sich 1304 der Republik Venedig unterwarf. Maximilian I. eroberte V. 1509, aber 1516 gab er es der Republik wieder. Es blieb nun bei Venedig, theilte seitdem alle Schicksale dieser Republik, wurde 1801 von den Franzosen unter General Brune besetzt u. kam mit Venedig 1815 an Österreich. Im März 1848 revoltirte V. gegen die Österreicher u. wurde von päpstlichen Truppen besetzt, welche am 20. Mai mit den Österreichern ein Gefecht hatten; am 23. Mai u. 19. Juni beschossen die Österreicher die Stadt, welche am 10. an Radetzky capitulirte, s.u. Lombardisch-Venetianisches Königreich S. 482. Vgl. Forti, Notizie statistische della citta di V., Vicenza 1821; Berti, Guida per V., Venedig 1822; Guida per V., Vicenza 1830; Scamozzi, Forestiere istruttivo nelle cose d'architettura di V., ebd. 1780.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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