- Naros
Naros, 1) (Naxia), die östlichste u. größte[727] aller Kykladeninseln, gegenwärtig zur griechischen Nomarchie der Kykladen gehörig, von Paros (im Westen) nur durch eine schmale Meerenge getrennt, sehr fruchtbar; 61/4 QM., fast rund, sehr gebirgig (Dia, mit Stalactitenhöhle [Höhle von N.]), sehr fruchtbar, bringt Mastix, Getreide (Weizen, Gerste, Hülsenfrüchte, Schminkbohnen), Obst (Feigen u. allerhand Südfrüchte), Öl, Wein; hat geringe Viehzucht (Maulesel, Schafe), Bienenzucht, Fischfang, Salz, Schmirgel, Ophaltes od. Ophites (eine Art Marmor); Bewässerung sehr vortheilhaft; 12–15,000 Ew. (bis auf 1500 Katholiken) Griechen, ohne bes. Industrie u. Handel, Jagdliebhaber; hat die Quelle Ariadne, daneben Ruinen eines Bakchostempels; 2) Hauptort der Insel, anf der Nordwestküste gelegen, hat ein von den Venetianern herrührendes festes Schloß, zählt gegen 5000 Ew., ist der Sitz eines griechischen Bischofs, u. eines katholischen Erzbischofs, so wie eines Friedensgerichts, u. hat mehre griechische u. katholische Kirchen, hellenische Schule, Gemeindeschule u. Zollamt. Auf dem Schloßberge, einem niedrigen Felsenhügel, mit dem Kapuzinerkloster, wohnt der lateinische Adel u. die katholische Gelsilichkeit; die untere Stadt dehnt sich zwischen dem Fuße des Schloßbergs u. dem Hafen aus. N. ist schon in der Mythologie berühmt, da hier Theseus die aus Kreta entführte Ariadne (s.d.) zurückließ, wo sie dann Bakchos fand u. sich mit ihr vermählte, daher N. zu den heiligen Eilanden gehörte. Die ältesten Bewohner waren Thraker od. Thessaler, dahin geführt von den Aloiden Otos u. Ephialtes, deren Gräber man auf N. noch spät zeigte. Nach 200 Jahren verließen die Thraker die Insel, u. Karer besetzten sie unter Anführung des Naxos, Sohnes des karischen Königs Polemo. In der geschichtlichen Zeit kamen Joner von Attika nach N., welche die Insel zu großer Blüthe brachten. Später besiegte Pisistratos die Insulaner u. verhalf dem Lygdamis zur Tyrannis daselbst. Die Oligarchen riefen 501 v. Chr. die Perser zur Hülfe, doch mußten diese unverrichteter Dinge abziehen, dafür verwüsteten sie aber 490 die Insel. Da sich N. nachher als Verbündete des athenischen Seebundes dem Stolz der Athener widersetzte, wurde es 471 gedemüthigt u. stand unter Athen; 376 besiegte Chabrias bei N. die spartanische Flotte. Nach manchem Wechsel der Herrschaft kam N. zur Zeit des Mithridatischen Krieges unter die Römer, bei denen sie, als größte u. fruchtbarste der Kykladen, Klein-Sicilien hieß. Im Mittelalter hieß sie Naxia. Nach Errichtung des Lateinischen Kaiserthums in Constantinopel eroberte 1207 der Venetianer Marco Sanudo N nebst Paros, Antiparos, Thera (Santorin), Jos (Nio), Anaphe, Kimolos, Siphnos u. Polykandros; der lateinische Kaiser Heinrich machte den Eroberer zum erblichen Herzog des Ägäischen Meeres od. des Archipelagus, u. N. wurde der Sitz des Herzogthums. Aus dem Hause Sanudo stammten noch die Herzöge: Angelo, des Vor. Sohn, seit 1220; Marco II. seit 1244; Wilhelm, seit 1262, Nikolaus, seit 1283; diesem folgte sein Bruder Johann, der seinem andern Bruder Marco die Insel Milos, wo dieser Gouverneur gewesen war, als Eigenthum abtrat. Mit Johann starb das Haus Sanudo aus, u. nach seinem Tode erhielt der Gemahl seiner Tochter Florentina, Johann della Carcere, Herr von Negroponte, das Herzogthum N. Bei Johanns Tode war sein Sohn Nikolaus noch minderjährig, daher heirathete seine Wittwe Florentina den Nikolaus Sanudo Spezzabanda; dieser verband sich mit dem Kaiser Andronikos gegen die Türken, welche 1325 die Insel verwüsteten, aber 1330 besiegte er diese, mit dem Kreuzheer verbunden, am Berge Athos. Nach ihm wurde sein Stiefsohn Nikolaus della Carcere Herzog, der ebenfalls gegen die Türken, dann mit den Venetianern verbündet gegen die Genuesen focht. Da er sich gewöhnlich in seinem Erbstaate Negroponte aufhielt, so benutzte Franz Crispo, Herr von Milos, seine Abwesenheit das Herzogthum N. an sich zu reißen; er ließ Nicolaus 1401 ermorden u. wurde Herzog. Als er bald darauf starb, folgte sein Sohn Jakob, von welchem der türkische Sultan Muhamed vergebens die Huldigung erzwingen wollte, dann sein Bruder Johann, welcher seinen andern Brüdern Marco, Nicolaus u. Wilhelm Theile seines Herzogthums gab. Johann stritt immer im Bunde mit den Venetianern gegen die Türken u. hatte zum Nachfolger seinen unmündigen Sohn Jakob, der bis 1453 unter der Vormundschaft seiner Mutter stand; er schloß mit den Türken nach der Eroberung Constantinopels Frieden u. wurde von diesen als Herzog anerkannt. Bald darauf starb er u. als nach einem Jahre auch sein Postumus Johann Jakob mit Tode abgegangen war, so erhielt Wilhelm das Herzogthum; sein Nachfolger Franz verlor 1470 Negroponte an die Türken u. st. 1472. Sein älterer Sohn Jakob verband sich mit dem Kaiser David Komnenos von Trapezunt u. heirathete dessen Tochter. Um sich gegen die Türken zu rüsten, verpfändete er Therasia an seinen Vetter, den Herrn von Jos. Ihm folgte sein jüngerer Bruder Johann, die sein dessen Sohn Franz, der immer mit den Venetianern im Bunde blieb, so auch sein Sohn Johann. Als der Sultan Soliman Napoli di Romania belagerte, verrieth Johann dessen Plan den Venetianern, aber der Brief wurde aufgefangen u. die Türken zogen vor N., nahmen Johann gefangen, plünderten die Insel u. legten derselben einen jährlichen Tribut von 6000 Goldgulden auf. Johann wurde später wieder eingesetzt u. hatte seinen Sohn Jakob zum Nachfolger. Der letzte Herzog von N. war Jakobs Sohn Johann, gegen den sich die Naxioten wegen seiner Erpressungen empörten u. die Türken zu Hülfe riefen. Johann ging nach Constantinopel, um durch Bestechungen sich zu erhalten, allein der Sultan Selîm II. ließ ihn ins Gefängniß werfen u. gab N. Anfangs dem Juden Johann Michez (Miquez) zu Lehn, u. dieser ließ die Insel durch den Spanier Franz Coronello verwalten. Der Herzog Johann wurde wieder freigelassen, ging nach Venedig u. st. daselbst 1566. Nun kam N. unmittelbar unter türkische Herrschaft, u. der Sultan Selim II. gab die Insel zunächst dem portugiesischen Jussuf Nassy. Die türkische Verwaltung war eine sehr milde, indem die Insulaner sich durch ihre Ältesten selbst regieren durften u. dem Kapudan-Pascha nur den jährlichen Tribut zu zahlen brauchten. In Folge des Griechischen Freiheitskrieges kam N. an das Königreich Griechenland. Vgl. Gruter, De insura Naxo, Halle 1833; Engel, Quaestiones Naxicae, Gött. 1835; Curtius, Über N., Berl. 1846. 3) Stadt auf der Küste Ost-Siciliens. N. war die älteste griechische Colonie auf Sicilien, 736 v. Chr. von Chalkideusern unter Theokles, angelegt. Von Hippokrates, Tyrannen von Gela, unterworfen, wurde sie bald wieder frei, kriegte glücklich mit Messana, stand [728] Athen gegen Syrakus bei u. wurde vom Tyrannen Dionysius 403 v. Chr. eingenommen u. zerstört. 358 baute Andromachos mit dem Reste der alten Einwohner auf dem dabei gelegenen Hügel Taurus die Stadt Tauromenium.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.