Richard [1]

Richard [1]

Richard, deutscher Name (engl. Ritscherd ausgesprochen). I: Weltliche Fürsten: A) Deutscher Kaiser: 1) R. Graf von Cornwallis u. von Poitou, aus dem Hause Plantagenet, jüngerer Sohn Johanns ohne Land u. der Isabella von Angoulême u. Neffe R-s 2), geb. 1209 in Winchester, focht bereits im 16. Jahre für seinen Bruder Heinrich VII., König von England, mit Glück in Guyenne, nahm 1236 das Kreuz u. ging nach Ptolemais, vermochte aber nur wenig auszurichten u. kehrte über Sicilien heim, wo er vergebens strebte, Kaiser Friedrich II. mit dem Papste auszusöhnen. Er traf 1242 wieder in London ein u. focht von Neuem für seinen Bruder gegen Frankreich, wurde aber, da dieser ihm Guyenne nehmen u. ihn bis zu seiner Einwilligung in Hast halten wollte, schlecht belohnt u. entfloh zur See. 1243 heirathete er Sanche von Provence u. versöhnte sich mit seinem Bruder, welcher ihn für den Verlust von Guyenne 1000 Mark Silber jährlich auszuzahlen versprach u. ihn mit beträchtlichen Gütern belehnte. 1256 wurde er gegen Alfons X. von Castilien zum deutschen Kaiser gewählt u. 1257 in Aachen gekrönt. Darauf kehrte er nach England zurück, wo er seinen Bruder gegen die Barone schützte; 1264 riefen ihn die inneren Unruhen von Neuem in sein Geburtsland, wo er nach der Niederlage der Königlichen bei Leves gefangen u. erst nach 14 Monaten wieder freigelassen wurde. 1268 erschien er noch einmal in Deutschland, über seine Regierung hier s.u. Deutschland (Gesch.) IX. 1269 Wittwer geworden, heirathete er Beatrix von Falkenstein, welche er mit nach England nahm, dort st. er am Schlag den 2. April 1272 u. wurde in der von ihm gestifteten Abtei Hayles beigesetzt. Vgl. Gundling, Geschichte Kaiser R-s, Berl. 1719; Gebauer, Leben u. denkwürdige Thaten R-s, Lpz. 1744. B) Könige: a) von England: 2) R. I. Löwenherz, aus dem Hause Plantagenet, zweiter Sohn Heinrichs II. u. der Eleonore von Poitou, geb. 1157 in Oxford, empörte sich mit seinen älteren Brüdern Heinrich u. Johann gegen seinen Vater, da ihn dieser von seiner Braut, der französischen Prinzessin Alice, trennen wollte (s. England S. 716 s.). Unterdessen hatte er das Kreuz genommen, seine Fehden gegen seinen Vater hielten ihn aber immer ab, seinem Gelübde nachzukommen u. nach Palästina abzureisen. Er wurde deshalb excommunicirt. Erst als sein Vater starb, u. nachdem er selbst 1189 gekrönt war, zog er 1190 als Mitanführer des dritten Kreuzzuges (s. Kreuzzüge S. 807) mit seinem Schwager Philipp August, König von Frankreich, nach Palästina. Auf dem Wege dahin überwinterte er in Sicilien, wo er, obgleich er vom König Tancred gut aufgenommen worden war, sich so anmaßend benahm, daß es zwischen den Engländern u. den Einwohnern von Messina zum Gefecht kam, wobei Messina geplündert wurde. Am 10. April 1191 zog er weiter, eroberte Cypern, weil der dortige Fürst Isaak Komnenus einige seiner dahin verschlagenen Schiffe verbrannt hatte, u. vermählte sich daselbst mit der navarrischen Prinzessin Berengaria, welche ihm gefolgt war. Am 8. Juli kam er vor Ptolemais an u. bewies hier viel Tapferkeit in den Kämpfen mit Saladin u. eroberte 12. Juli 1191 Ptolemais (s. Akre 2). Bald zeigte sich aber zwischen ihm u. Philipp August, welcher ebenfalls in Palästina war, Eifersucht; R. begünstigte Guido von Lusignan, Philipp dagegen Konrad, Markgrafen von Montserrat, in ihrer Bewerbung um den Thron von Jerusalem. Dieser Zwist wurde bald ernstlich, Philipp beschuldigte R. des Einverständnisses mit Saladin u. reiste, als R. immer stolzer u. hochfahrender wurde, auch wirklich von Palästina ab. Sein Stolz verwickelte ihn auch in andere ernste Streitigkeiten, so ließ er einst im Zorn das im Lager aufgerichtete Panier des Herzogs Leopold von Österreich vom Wall in den Graben werfen u. beleidigte so diesen Fürsten empfindlich. Mit 100,000 Kreuzfahrern zog er gegen Askalon, schlug die Sarazenen bei Assur, entzweite sich aber, da er nicht nach Jerusalem wollte, mit den Anführern des Kreuzzugs u. bewirkte, daß Schaaren von Pilgern, unter anderen 6000 Franzosen unter dem Herzog von Burgund, das Kreuzheer verließen. Man gab ihm selbst die Ermordung Konrads von Montserrat Schuld, welcher endlich mit seiner Bewilligung König von Jerusalem geworden war. Als nun sein ergeiziger Bruder Johann nach der Krone zu streben schien u. Philipp August seine französischen Besitzungen bedrohte, schloß er mit Saladin einen Waffenstillstand u. schiffte sich 8. Oct. 1192 in Ptolemais zur Rückkehr nach Europa ein. Vom Sturm an die Küste Dalmatiens verschlagen, wollte er als Pilger den Weg zu Lande weiter fortsetzen, fiel aber in die Hände des Herzogs Leopold VI. von Österreich, welchen er in Palästina beleidigt hatte, u. wurde von demselben auf dem Dürrenstein eingesperrt. Darauf verlangte der Kaiser Heinrich VI. von Leopold die Auslieferung R-s, welcher denselben nacheinander zu Mainz, Worms u. auf der Feste Trifels gefangen hielt u. erst im Febr. 1194 gegen ein Lösegeld von 150,000 Mark losgab. Die Mitwirkung seines Dieners Blondel (s.d.) zu dieser Befreiung ist bloße Sage, eben so daß R., um frei zu werden, die Krone England vom Kaiser in Lehn genommen habe. Am 13. März nach England zurückgekehrt, fand R. ein Bündniß seines Bruders Johann mit Philipp August von Frankreich zu seiner Entthronung; er setzte nach der Normandie über u. führte bis 1199 Krieg mit den Franzosen, wo am 13. Jan. ein fünfjähriger Waffenstillstand geschlossen wurde, s. England (Gesch.) S. 717. In einer Privatfehde mit dem Grafen Vidomar von Limoges wurde er vor dem Schlosse Limoges am 28. März 1199 in die Schulter verwundet u. st. in Folge davon 6. April 1199. Sein Leichnam wurde in Fontevrault zu den Füßen seines Vaters beigesetzt, die Eingeweide zu Charonne u. das Herz zu Rouen. Da er keine Kinder hatte, so folgte ihm sein Bruder Johann auf dem Throne. Seine ritterlichen Thaten gaben vielfachen Stoff zu Gesängen u. Erzählungen u. er gilt bei den Briten als das Ideal der Ritterlichkeit. Seinen Beinamen Löwenherz soll er erhalten haben, weil er, nach einer Verwundung des Sohnes des Kaisers Heinrich, einen gegen ihn losgelassenen Löwen zerriß. Seine von Marochetti gebildete Reiterstatue wurde 1860 auf Old Palace-Yard[137] in London aufgestellt. Vgl. Bruns, De reb us gestis Richardi Angliae Regis in Palaestina, excerpt. ex Abulfaragii chronico, Oxf. 1780. 3) R. II., Sohn des Schwarzen Prinzen, Enkel Eduards III., geb. 1366 in Bordeaux, wurde 1377 als Nachfolger seines Großvaters, unter der Leitung der Herzöge von Lancaster, York u. Glocester König; seine Verschwendung u. Ausschweifungen als König erbitterte ebenso das Volk, wie die Großen, Letztere auch bes., daß er sich ganz der Leitung seines Günstlings Robert Vere's, Grafen von Oxford, überließ. Nach dem Bauernaufstand unter Wat Tyler u. der Empörung unter Arundel, Warwick u. Glocester, welche beide vereitelt wurden (s.u. England, Gesch. S. 722 s.), verlor R. durch seine Gewaltthaten immer mehr an Ansehen beim Volke; in seiner Abwesenheit in Irland brach ein neuer Aufstand unter Hereford aus; R. übergab sich selbst im Aug. 1399 seinen Feinden, wurde in den Tower gesetzt u. mußte 29. Sept. seine Entsagungsacte unterschreiben; er wurde darauf nach dem Schlosse Pomfred in der Grafschaft York gebracht u. st. hier 14. Febr. 1400, uach Einigen durch Hunger, nach Anderen durch seine Wächter ermordet. Er war vermählt 1381 mit Anna von Luxemburg, Schwester des Kaisers Wenzel (st. 1394), u. 1396 mit Isabella von Frankreich, Tochter des Königs Karl VI. Vgl. Knyghton, Historia vitae et regni Ricardi II., herausgegeben von Hearne, Oxf. 1729. 4) R. III. der Bucklige, jüngster Sohn des Herzogs Richard (s.d. 17) von York, geb. 1450, wurde, nachdem sein Bruder Eduard IV. den Thron bestiegen hatte, Herzog von Glocester u. nach Eduards Tode 1483 Regent für seinen Neffen Eduard V. unter dem Titel Protector; nach wenigen Monaten aber, nachdem er seinen Neffen u. dessen Bruder Richard (s. unten 18) für unehelich erklärt hatte, ließ er sich selbst zum König wählen u. wurde 6. Juli 1483 gekrönt; darauf ließ er seine beiden Neffen ermorden. Unter dem Grafen von Richmond bildete sich aber eine Verschwörung gegen ihn, u. R. fiel in der Schlacht bei Bosworth 22. Aug. 1485 gegen Richmond. Mit ihm endigte das Haus Plantagenet auf dem Throne Englands, s. England (Gesch.) S. 728. Er war vermählt mit Anna Warwick. Vgl. Horace Walpole, Historic doubts on the life and reign of King R. III., Lond. 1768; Shakespeare hat ihn zum Sujet einer gleichnamigen Tragödie gebraucht. 5) R. IV., so v.w. Perkin Warbeck. h) König von Leinster: 6) R. Strongbow, Graf vom Pembrocke, unterstützte den Häuptling Dermod von Leinster, fiel 1171 in Irland ein u. wurde König von Leinster, s. Irland (Gesch.) S. 63.

C) Andere Fürsten: a) Herzog von Burgund: 7) R. der Gerechte, Sohn des Grafen Theoderich von Autun, wurde durch seinen Schwager Karl den Kahlen 877 Herzog von Burgund; er verband sich bei dem Kriege von Ludwigs des Stammlers Söhnen, Ludwig u. Karlmann, gegen seinen Bruder Boso, König von Provence; als er vor Eudo fliehen mußte, nahm ihn R. auf u. eroberte ihm auch 896 Sens; 899 u. 911 schlug er die Normänner u. zwang sie zum Frieden. Er st. 921, s. Burgund (Gesch.) II. A). b) Fürsten von Capua: 8) R. I., wurde um 1050 Graf von Aversa (s.d.) u. 1062 Fürst von Capua, s.d. (Gesch.) u. st. 1078; seine Gemahlin war Fridesina, Schwester Robert Guiscards. 9) R. II., Enkel des Vorigen, Sohn Jordans I., regierte 1091–1106, s. Capua (Gesch.). 10) R. III., Neffe des Vorigen u. Sohn Roberts I., regierte 11208 Tage, s. ebd. c) Herzöge von der Normandie: 11) R. I. ohne Furcht, Sohn Wilhelms I., geb. 933, regierte von 943–996, s. Normandie (Gesch.). 12) R. II. der Gute, Sohn des Vorigen, regierte von 996–1027, s. ebd.; er war mit Judith Gräfin von Rennes u. in zweiter Ehe mit Margarethe, Tochter des Königs Sueno von Dänemark, vermählt. 13) R. III., Sohn des Vorigen u. der Judith, regierte nur wenige Monate im Jahre 1027, s. ebd. d) Pfalzgraf von Simmern: 14) R., Sohn Johanns II., geb. 1521, folgte seinem Bruder 1559 u. st. 1598 kinderlos, s. Pfalz (Gesch.) C) a).

II. Prinzen: A) Prinz von Kent: 15) R., Sohn des Königs Lothar von Kent, wurde von seinem Vater zum Mitregenten angenommen; doch nachdem er Edrik Lothar erschlagen hatte, mußte er nach Deutschland fliehen; nach unsicheren Nachrichten soll er die Schwester des St. Bonifacius geheirathet haben u. König der Sueven geworden sein. Er st. in Lucca. B) Graf von Cambridge: 16) R. von Coniesborough, Graf von Cambridge, s. Cambridge 1). c) Herzog von York: 17) R., Herzog von York, Sohn des Vorigen, wurde nach dem Tode des Herzogs Johann von Bedford 1435 von Seiten Englands zum Regenten von Frankreich ernannt, jedoch 1437 zurückberufen u. durch den Grafen von Warwick ersetzt; 1440 wurde er zum zweitenmal Regent, 1446 nochmals, doch hintertrieb die Königin Margarethe, den Herzog von Somerset, seinen Mitbewerber, begünstigend, seine Abreise. Aus Rache strebte R. nun nach der Krone, auf welche er, wie Heinrich VI. von einem Sohne Eduards III., noch mehr als von mütterlicher Seite von dem älteren Sohne desselben, dem Herzog von Clarence stammend, Ansprüche zu haben meinte. Daraus entstand der englische Dreißigjährige Krieg; R. nahm den König Heinrich VI. zweimal gefangen, ließ sich zum Protector des Reiches ernennen, wurde aber von der Königin Margarethe, Heinrichs VI. Gemahlin, am 30. Dec. 1460 bei Wakefield geschlagen, gefangen u. dann hingerichtet, s.u. England (Gesch.) S. 726. R-s Kopf wurde an den Thoren von York aufgesteckt u. erst durch R-s ältesten Sohn, welcher Heinrich VI. bald entthronte u. als Eduard VI. den Thron bestieg, abgenommen. 18) R., Herzog von York, jüngster Sohn Eduards IV. u. der Elisabeth von Woodville, geb. 1472, wurde mit seinem Bruder Eduard von seinem Oheim R. III. (s.d. 4) ermordet, s.u. England (Gesch.) S. 728.

III. Erzbischof von Trier: 19) R. von Greiffenklau, geb. 1467, war erst Domcantor in Trier u. wurde 1511 zum Erzbischof gewählt; er hatte 1522–1523 eine Fehde mit Franz von Sickingen, in welcher dieser fiel; 1525 zog R. selbst mit gegen die Wiedertäufer u. st. 13. März 1531 in Wittlich.

IV. Geistliche u. Schriftsteller: 20) R. von St. Victor, ein Schotte, Mystiker des 12. Jahrh, war Chorherr u. seit 1162 Prior des Klosters St. Victor in Paris u. st. 1173. In seiner Stufenleiter menschlicher Erkenntniß nannte er die 4 ersten Intelligenzgrade die natürlichen, in welchen der Mensch das Göttliche ahne, darüber reflectire, sich zum Übersinnlichen erhebe u. dann durch eigene Kraft das Himmlische suche. Nun aber vereinige sich die Offenbarung mit der Vernunft im fünften Grade zu gleichen [138] Resultaten, bis erstere endlich im sechsten Grade Dinge offenbare, welche gegen die Vernunft zu sein schienen, wie die Lehre von der Dreieinigkeit. Opera (enthaltend Auslegungen biblischer Bücher, moralische u. dogmatische Abhandlungen u. mystische Contemplationen), Par. 1528, Lyon 1534, Köln 1621, Rouen 1650, 2 Thle., Fol.; vgl. Engelhard, R. von St. Victor, Erl. 1838; Liebner, Richardi a St. Victore de contemplatione doctrina, Gött. 1837–39, 2 Thle. 21) R. de media villa, aus Middleton, geb. 1300, war Minorit, Lehrer zu Oxford, erhielt die Beinamen Doctor solidus, fundatissimus, copiosus, machte sich vorzüglich um natürliche Theologie u. Psychologie verdient u. schr.: Commentt. super IV, libr. sentiarum, Vened. 1489, Fol. u. am. 22) R., war Benedictiner zu Westminster u. st. 1401 in seinem Kloster; er schr.: De situ Britanniae, herausgegeben von Stuckley, Lond. 1757, Kopenh. 1757, zuletzt 1809.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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