Sevilla [1]

Sevilla [1]

Sevilla, 1) Provinz im Königreiche Spanien, Theil von Andalusien, zwischen den Provinzen Huelba, Bajadoz, Cordova, Malaga u. Cadiz u. dem Atlantischen Meere, 249,94 QM.; ist im Innern eben, im Norden u. Süden gebirgig durch die östlichen Randgebirge der Sierra Morena u. des hochandalusischen Gebirgssystems, bewässert vom Guadalquivir (mit dem Xenil, Salado, Guadiamas u.a.). Das heiße Klima wird durch die Berg- u. Seeluft gemildert, der Winter ist sehr angenehm, doch erzeugen sich leicht Krankheiten (Gelbes Fieber). Die Provinz bildet ein anmuthiges Becken von fettem Marschlande mit Oliven-, Orangen-, Granaten- u. Feigenhainen, Pinien- u. Eichengehölzen, reichen Weizenfluren, von kolossalen Agave- u. Cactushecken eingefaßten Gemüse- u. Getreidefeldern, dazwischen freundliche, gut gebaute Flecken u. Dörfer u. elegante Villas mit geschmackvollen Parkanlagen. Die 463,486 Ew. (1857), welche in 129 Ortschaften wohnen, treiben Ackerbau, welcher fast monatliche Ernten gibt u. Weizen, Mais, Gerste, Reis gewinnen läßt, Garten-, Obst-, Weinbau; beschäftigen sich ferner mit Baumwollen-, Seiden-, Ölbau, Fischerei, Viehzucht (bes. Merino-, Pferde- u. Maulthierzucht); der Bergbau liefert Silber, Blei, Kupfer, Eisen, Steinkohlen (alles in der Sierra Morena); mehre Fabriken für Bearbeitung von Tabak, Weberei. Seide, Porzellan, Eisenwaaren, Maschinen, dabei ausgebreiteter Handel. Die Eisenbahn von Cadiz nach Cordova durchschneidet die Provinz; Eintheilung in 13 Bezirke. 2) Hauptstadt hier u. alte Hauptstadt von Andalusien, Waffen- u. Handelsplatz ersten Ranges, zu beiden Seiten des von hier an für Seeschiffe schiffbaren Guadalquivir u. an der Eisenbahn von Cadiz nach Cordova; Sitz der Provinzialbehörden, der Audienza real von Andalusien, eines Intendanten u. Erzbischofs; hat Drahtbrücke über den Guadalquivir, welche sie mit der großen, modernen Vorstadt Triana verbindet, Doppelmauer mit 166 Thürmen, 15 Thore (das schönste das von Triana), enge, doch reinliche, mit Gas erleuchtete Straßen, mit prächtigen Häusern u. außer Triana den Vorstädten los Humeros, S. Roque y la Calzada, S. Bernardo (Sitz des Proletariats), el Baratillo u. la Cesteria; unter den 111 Plätzen sind bes. Plaza de S. Francisco (Constitutionsplatz), Pl. de Duque, Pl. de la Encarnation (der Fleisch- u. Gemüsemarkt), unter den 477 Gassen bes. die Calle de la Sierpe u. Calle Francos schön. Die Häuser sind durchgängig mit platten Dächern in Maurischem Styl um einen viereckigen Hof gebaut u. selten über 2 Stockwerke hoch, gegen die Straße haben sie meist ein Balconfenster, nach dem Hof hinaus die übrigen, stets mit Blumen besetzt. Der Hof ist mit Säulengängen versehen u. mit Blumenbeeten, bunten Ziegeln u. einem Springbrunnen geziert. S. hat 74 Kirchen, darunter die Kathedrale S. Maria de la Sede, auf dem Fundament einer Moschee 1401–1519 in Kreuzform erbaut, 420 Fuß lang, 126 hoch, 260 breit, mit 82 Altären, großer Orgel mit 5000 Pfeifen, Grabmälern Ferdinands des Heiligen, Alfons X., Fernando Colombo's, Gemälden Murillo's u. anderer spanischen Meister, prächtigen Glasgemälden, Denkmal Christofero Colombo's, unendlichen Kostbarkeiten u. einem dabeistehenden 374 Fuß hohen Thurme (Giralda), in welchem 22 Glocken hängen, eine Menge Klöster (sonst 68), 24 Hospitäler (de la Sangre u. de la Caridad, wo 8 Gemälde von Murillo sind), Waisen-, Zucht-, Irrenhaus zu S. Marco; großes Amphitheater zu Stiergefechten (250 F. im Durchmesser, faßt 18,000 Menschen); Münze, Börse (Lonja, worin das amerikanische Archiv aller Actenstücke von der Entdeckung an bis auf die neueste Zeit verwahrt wird), königliche Tabaksfabrik (1770 vollendet), Arsenal, maurischen Palast (Alcazar), im Alhambrastyle erbaut, durch Peter den Grausamen u. Karl V. erweitert, mit großen Gärten in altspanischem Geschmack, dabei die Casa de Pilate, des Herzogs von Medina Celi, des Colegio de S. Telmo, von Columbo's Sohne gegründet, ehemals Marineschule, jetzt Wohnung des Herzogs von Montpensier; große Trinkwasserleitung (Caños de Carmona), von Julius Cäsar erbaut, auf 410 Bogen. S. hat 1 Universität (gestiftet 1504), 5 Akademien, große Bibliothek, 12 Gemäldegallerien (darunter im Museo der berühmte Murillosaal), 6 Theater, Gelehrte Gesellschaften, erzbischöfliches Seminar, 1 Pharmaceutische u. 2 Mathematische Schulen, 1 Pilotenschule, 22 Freischulen, 1 Schule der Tauromachie (wo der Kampf mit Stieren gelehrt wird). S. hat königl. Gießereien u. Gewehrfabriken, eine Porzellanfabrik, Eisen- u. Maschinenfabriken, Webereien u. Seifensiedereien. Der Wechsel- u. Proprehandel mit Wolle, Öl, Südfrüchten, Safran, Süßholz sind bedeutend, begünstigt durch die Schiffahrt auf dem Guadalquivir; regelmäßige Dampfschiffverbindung findet mit Cadiz statt. Münzen, Maße u. Gewichte sind die castilischen, s.u. Spanien (Geogr.). Spaziergänge: Alameda de Vieja, el Salon de Cristina, las Delicias, [921] Promenaden, welche sich vom Thor von Triana am Flusse hinziehen; das nahe S. Juan de Aznalfarache ist der Lieblingsaufenthalt der reichen Sevillaner; 112,200 Ew. (während es im 12. Jahrh. zur Zeit seines Glanzes 300,000 Ew. hatte). – S. hieß zur Römerzeit Hispalis u. soll wegen der morastigen Gegend auf Rost gebaut worden sein; sie lag am Bätis, welcher bis hierher schiffbar war, daher die Stadt durch Handel blühte; unter Cäsar wurde sie römische Colonie mit dem Namen Col. Romulensis (Julia Romula) u. Sitz eines Oberhofgerichts; Kaiser Hadrian baute in der Nähe die Stadt Italica (Trajani civitas, wovon noch jetzt Ruinen als Sevilla la vieja vorhanden sind). Zur Zeit der Gothischen u. Vandalischen Herrschaft in Spanien galt sie als Hauptstadt des südlichen Spanien. Hier wurden 590 u. 619 die beiden Concilia Hispalensia gehalten. Im 8. Jahrh. ward sie von den Arabern genommen u. wurde unter dem Namen Ischbilijash die Hauptstadt des Königreichs S., s.u. Spanien (Gesch.). 845 bei S. Schlacht zwischen den Sarazenen u. Normännern; Letztere, welche S. belagern wollten, zogen wieder ab. Ferdinand III., König von Aragon, eroberte S. 1248 wieder für die Christen u. zerstörte das Königreich S. 1478 wurde in S. das erste Inquisitionsgericht errichtet. S. war bes. Sitz der Seidenweberei u. hatte seit Anfang des 16. Jahrh. bis ins 18. Jahrh. den ausschließlichen Handel mit Amerika, worauf dieser sich nach Cadix zog. Hier 1729 Friedens- u. Freundschaftstractat zwischen Spanien, Frankreich u. England, welchem später auch Holland beitrat. In dem Kriege auf der Pyrenäischen Halbinsel befand sich seit 27. Mai 1808 die spanische Centraljunta in S., bis sie sich, als Victor vorrückte, 1. Febr. 1810 nach Cadix zurückzog u. große Artillerie- u. andere Vorräthe im Stiche ließ, s. Spanisch-portugiesischer Befreiungskrieg. Eben so flüchteten sich die Cortez von Madrid 1823 hierher u. entführten von da den König nach Cadix, s. Spanien (Gesch.). Vom 20. bis 25. Juli 1843 wurde S. von Van Halen bombardirt, s. ebd.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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