- Schafwolle
Schafwolle, ist die Hautbedeckung der Schafe. Die Wollfaser ist mit einem leichten, zarten, gleichartigen Stäbchen von Hornstoff zu vergleichen, welches keine Höhlung od. Röhrenbildung zeigt u. auf der Oberfläche mit quer- od. schieflaufenden, oft geästelten, gezahnten, gewellten, vorspringenden, kantigen Streifen besetzt erscheint. Andere sehr zarte Streifen verlaufen an der Oberfläche nach der Länge der Faser u. verleihen derselben gleichsam ein cannelirtes Äußere. Jene gröberen wulstigen Querstreifen, von welchen die Rauhheit der S.u. ihre Fähigkeit sich zu filzen abhängt, sind die Folge des inneren Baues des Haares, das wie aus trichterförmigen, mit der Spitze nach unten gestellten, in einander geschobenen Querschnitten zusammengesetzt ist, so daß die Ränder dieser Streifen hervorspringen. Nach dem Ende zu verschwinden allmälig diese Cannelirungen od. Längestreifen, die Zahl der Querstreifen od. Wülste vermindert sich u. das Haar bildet endlich eine seine, zarte, glatte, nicht cannelirte, aus wenig Fasern bestehende Spitze. Jede einzelne der trichterartigen Querschichten besteht aus zarten Fibern, welche strahlig von innen nach außen u. aufwärts laufen u. unten in der Spitze der Trichterform zusammenstoßen. Diese Faserbildung macht es möglich, daß sich einzelne Wollhaare an der Spitze spalten od. wohl gar pinselartig auslaufen. Durch theilweise Trennung dieser Fasern u. dadurch erfolgende Austreibung einzelner Stellen des Wollfadens entstehen Kanten, welche bei häufigem Vorkommen Ungleichheit der Fäden u. der S. im Ganzen zur Folge haben. Alle Wollfäden sind gleich gebaut, aber ihr äußerer Charakter wird bei den verschiedenen Wollsorten durch das Überwiegen einzelner Theile bestimmt.[73] So sind die Querstreifen, Wülste od. Knoten oft horizontal, die Achse des Haares vertical stehend gewachsen od. sie bilden scheinbar eine Spirallinie auf der Oberfläche des Fadens. Entweder sind sie einfach, von einander abstehend, od. sie verfließen theilweise mit ihren Rändern. Oft bilden die verschließenden Kanten schuppenartige Vereinigungen od. ein gleichartiges Netz. Die Kanten sind bald glatt, bald wellenförmig, bald zahnförmig mehr od. weniger tief eingeschnitten; zuweilen sind ihre Ränder wenig, zuweilen stark u. scharf vorspringend, zuweilen rund u. dicht. Am oberen Theile des Wollfadens ist die Kantenbildung oft undeutlich u. verwischt. Die seinen Längestreifen od. Cannelirungen sind entweder gerade od. wellig, übrigens mehr od. minder zart, gedrängt od. entfernt stehend, tief od. flach. Im Querschnitt betrachtet, hat das Wollhaar eine rundliche Gestalt, doch ist es nie kreisrund u. eiförmig, sondern an einer od. mehren Seiten etwas flach gedrückt u. oft so sehr verflacht, daß es bandförmig wird u. sich rinnenartig zusammenrollt. Das Schweißfett der Wolle besteht aus hellen Öltröpfchen, welche der Oberfläche des Fadens anhängen u. sich bes. in der Vertiefung der rinnenartigen Haare ablagern.
A) Vließ heißt der ganze zusammenhängende Wollpelz eines Schafes. Normal in allen Theilen wird ein Vließ genannt, wenn es die Eigenschaften besitzt, welche die betreffende S. haben muß, während manche Vließe wegen bes. guter od. schlechter Eigenschaften höher od. niedriger stehen. Praktisch ist das Vließ, wenn es mit Vermeidung der höheren Feinheit einer kräftigen u. rauhwolligen Zucht angehört. Geschlossen ist das Vließ, wenn die Wolle desselben einen so dichten Stand auf der Haut hat, daß man beim Scheiteln derselben nur einen seinen Hautstrich sieht. Die Oberfläche des Vließes bildet dann eine feste Decke u. greift sich voll an. Der Gegensatz von geschlossen ist schütterwollig. Das Vließ scheitelt sich in diesem Falle von selbst, bes. längs dem Rücken u. auf dem Kreuze. Gleichbedeutend mit schütterwollig sind die Ausdrücke leer, dünnbestanden, loswollig, doch bedeutet schütterwollig den höheren Grad dieses Fehlers. Mastig, rauh, voluminös nennt man ein geschlossenes Vließ, wenn dessen Stapel nicht zu kurz u. dabei über das ganze Vließ gleichmäßig lang u. gedrungen ist. Tiefwollig nennt man das Vließ, wenn der Stapel lang, fest u. kräftig ist u. sich zur Kammwolle neigt; abfallend (abweichend, nicht aushaltend) ist ein Vließ, wenn die Wolle an mehren Stellen, z.B. am Widerrist, Hals u. Koder, auf dem Kreuz, an den Hosen u. am Wolfsbiß, sowohl in Feinheit als im Stapelbau u. in der Ausgeglichenheit zu sehr von der Wolle der Seite u. des Blattes abweicht, also nicht in derselben Güte ausfällt, davon abfällt, z.B. schlaffe Hosen (Lenden). Klar wird der Wuchs eines Vließes genannt, wenn bei der Ausdehnung desselben die kegelförmigen Stapel auf der Oberfläche völlig einzeln dastehen u. bis in die Mitte derselben fast gar nicht, unten an der Schurseite aber regelmäßig netzartig verbunden sind. Verworren ist das Vließ, wenn schon an der Oberfläche des Vließes eine Menge Wollfäden (Spinner, Überläufer) kreuz u. quer von einem Stapel zum andern überlaufen, der Stapel überhaupt nicht regelmäßig gebaut ist. Oft sind diese Spinner gröber als das übrige Wollhaar u. ragen aus dem Vließe hervor (Überwuchs). Bodig ist ein Vließ, wenn dessen Scherseite so dicht mit einander verbunden ist, daß es sich nicht netzartig ausdehnen läßt, sondern auf dem Grunde wie zusammengeklebt, verworren u. zusammenhaltend erscheint. Findet dieser Fehler in höherem Grade statt, so bildet die Schurseite eine feste Decke, u. die Vereinigung des Wollhaares geht selbst bis in die Spitzen der Stapel hinauf, so daß das Vließ fast ganz unbrauchbar wird, man nennt dies Filz od. filzig. Ausgeglichen ist ein Vließ, wenn die Wolle des Widerristes, Halses, Rückens, Kreuzes u. der Hintertheile der Wolle des Blattes u. der Seite möglichst gleich kommt; unausgeglichen, wenn letzteres nicht der Fall ist.
B) Stapel nennt man die durch Vereinigung der einzelnen Wollsträhnchen entstandenen Wollbüschel, welche, von einander getrennt, die Oberfläche des Vließes bilden, in der Regel von der Mitte an durch Binder od. Bindehaare verbunden sind u. nach unten zu netzartig zusammenhalten, so daß die Schurseite voll u. regelmäßig aussieht. Die natürliche Länge des Stapels in nicht ausgedehntem Zutande nennt man die Höhe des Stapels, dagegen braucht man für die höchste natürliche Ausdehnung des Stapels, bis die Wellungen glatt gezogen sind, die Bezeichnung Länge des Stapels. Die oberste Spitze des Stapels wird Gipfel genannt Sind die Stapel auf dem ganzen Körper des Thieres von gleich guter Form, so nennt man das Vließ gleichmäßig gestapelt. Gleichständig bedeutet, wenn sämmtliche Stapel von gleicher Höhe u. nicht an manchen Theilen des Vließes od. gar neben einander verschieden hoch sind. Freiständig ist der Stapel, wenn der Wucht so klar ist, daß die Stapel von der Mitte bis zum Gipfel frei stehen. Die äußere Form des Stapels, sowie der Stand derselben auf der Haut, ist sehr verschieden. Je seiner die Wolle ist, desto kleiner pflegt der Stapel zu sein, d.h. desto geringer sein Durchmesser. Bilden die Stapel auf der Oberfläche des Vließes eine ebene Decke, so nennt man sie gesschlossen; stumpf, wenn der Stapel in seinem Gipfel geschlossen ist u. eine kleine ebene Fläche bildet; rund, wenn der Stapel einen abgerundeten, convexen Gipfel hat. Hat der Stapel einen großen Durchmesser u. erscheint auf der Oberfläche in Würfelform, so nennt man ihn stark, breit od. groß, auch voll od. vollgewachsen. Sind die Stapel klein u. der Gipfel rund u. geschlossen, so nennt man ihn, nach der Form des Blumenkohls, Blumenkohlstapel; Rapssaatstapel dagegen, wenn die einzelnen Strähnchen, welche den Stapel bilden, sich in ihren Gipfeln nicht fest verbunden haben, sondern körnig erscheinen. Sind die Stapel statt körnig noch seiner u. spitz, so heißt ein solcher Stapel Nähnadelstapel Man nennt den Stapel offen, wenn der Gipfel desselben nicht geschlossen ist, sondern rauh u. offen von einander steht. Oft ist der Stapel oben geschlossen, nach der Haut zu aber hohl u. leer, was daher kommt, daß die Thiere gleich nach der Schur reichlich genährt, später aber kärglich gefüttert wurden. Ein solcher Stapel wird leer, hohl, hohlauftragend od. geschwollen genannt, je nachdem er einer dieser Bezeichnungen am ähnlichsten sieht. Wenn die Gipfel der Haare an der Oberfläche des Stapels einzeln u. unregelmäßig hervortreten u. weder Strähnchen noch Stapel zu bilden scheinen, so nennt man dies einen wergigen, moosigen Stapel. Sind die Strähnchen im Stapel[74] nicht gleichlaufend, sondern durchkreuzen sich u. kaufen in andere Stapel über, so ist die Wolle verworren od. unklar im Stapel. Sind die Strähnchen so lose verbunden, daß sich Zwischenräume bemerken lassen, die Wolle also einen losen Stand auf der Haut hat, so nennt man dies einen flüchtig gewachsenen Stapel. Treten die Gipfel bei kleinem Durchmesser der Stapel stark hervor, so nennt man dies einen spitzen Stapel. Sind die Strähnchen des Stapels von ungleicher Höhe u. stehen ihre Gipfel spitz hervor, so heißt ein solcher Stapel spitziger Stapel. Sind die Gipfel der Strähnchen gewunden od. gedreht, so heißt der Stapel gedreht. Stehen die Strähnchen des Stapels od. die klein gebauten Stapel selbst ganz sein u. ohne Verbindung mit einander vom Fuße bis zum Gipfel, so nennt man dies bandförmigen Stapel, wegen der Ähnlichkeit, welche diese Strähnchen mit schmalem Band haben.
C) Die S. zerfällt in Tuch-, Kamm- u. Kluftwolle. Eine gute Tuchwolle muß kurz, gekräuselt u. sein sein. Mit dieser Eigenschaft ist in der Regel große Elasticität, Krimmkraft u. Walkfähigkeit verbunden. Zur Kammwolle genügt schon eine Länge der Wolle von 2 Zoll. Eine allzugroße Länge, z.B. von 3 Zoll u. darüber, ist sogar nicht wünschenswerth, weil dann die Spitzen seiten treu sind; dagegen ist ein wesentliches Erforderniß guter Kammwolle schlichter Wuchs u. kräftiges Haar. Eine zu sehr gekräuselte od. eine matte, mürbe Wolle würde zu viel Kämmling geben. Kluft- od. Landwolle nennt man die geringe od. gar nicht veredelte Wolle, welche meist zu Strumpfwaaren u. ordinären Wollenzeugen verwendet wird. Kreppwolle nennt man die Wolle, deren Kräuselung bei sehr dichtem Stande auf der Haut so sein u. doch so wenig markirt ist, daß die Form verschwimmt u. die Wolle dem Kreppgewebe gleicht. Man findet biete Wollbildung gewöhnlich bei weißem Fettschweiß. Unter Charakter versteht man nicht allein die größere od. geringere Vereinigung derjenigen Wolleigenschaften, welche, durch örtliche Verhältnisse bedingt, zur Zucht die wünschenswerthesten sind, sondern auch die verschiedenen Formen des Wollhaares u. die Eigenthümlichkeit, welche durch die Art der Gattung, Fütterung, Weide u. durch das Klima der Wolle mitgetheilt wird. So gibt es z.B. einen Normal-, einen Krepp-, markirten, gemaschen, gesträngten, gezwirnten, flachsartigen, fehlerhaften, einen Schlesischen, Sächsischen, Mährischen, Mecklenburgischen Charakter. Fast alle Wollen haben einen gewissen Charakter, aus welchem man ihr Vaterland erkennen kann. Dieser Charakter verliert sich aber, wenn das Vaterland verändert wird. Zum Unterschied von dem Charakter ist die Natur der Wolle, d.h. die augenblickliche Beschaffenheit einer Wolle. Jeder Charakter der Wolle kann eine gute od. schlechte Natur haben. Eine Wolle mit den edelsten Eigenschaften kann eine schlechte Natur als Handelswolle haben, z.B. einen spröden, harten Angriff, welcher durch schlechte Haltung od. schlechte Wäsche entstanden ist; dagegen kann eine Mestizenwolle eine gute Natur haben, weil sie gut gewaschen ist, sich sanft anfühlt u. dabei doch kräftig u. voll im Bau ist. Aus Vorstehendem ergibt sich, was unter gut- u. schlechtnaturig zu verstehen ist. Bei Vereinigung der besten Wolleigenschaften, namentlich der Feinheit, Ausgeglichenheit, Sanftheit, nebst einem kräftigen Haar, eignet sich eine Wolle zu den besten u. feinsten Fabrikaten u. wird dann eine edele od. hochedele genannt. Das auf sehr verschiedene Weise erfolgende Emporwachsen der Wolle aus der Haut der Schafe nennt man Wollwuchs, Wollstand u. redet von einem dünnen, dichten, flüchtigen Wollstand u. Wollwuchs. Einige andere Arten des Wollwuchses s. oben bei dem Vließ; das Vließ kann nämlich klar od. verworren, bodig od. filzig, regelmäßig ausgeglichen, gut gewachsen, unausgeglichen, reich, arm, der Stand auf der Haut lose od. gedrängt sein. Es gibt indeß noch viele Eigenschaften der Wolle, welche ihren Grund in der verschiedenen Haltung u. dem größern od. geringern Wohlbefinden der Thiere haben, so sind Sanftheit u. Seidenartigkeit der Wolle hauptsächlich nur guter Haltung u. seinen Gräsern zuzuschreiben. Diesen Eigenschaften stehen Starrheit, Barschheit u. Trockenheit gegenüber. Weiche, flaumige, matte, mürbe Wolle besitzt zur Verarbeitung nicht Kraft genug u. liefert auch ein geringes Schurgewicht. Bei eintretendem Futtermangel entsteht ein Knick, Absatz in der Wolle, ebenso bei plötzlicher Futterverbesserung od. bei Krankheiten der Thiere. Die Wolle wird dann hungerig, in höherem Grade des Übels krank genannt, u. sie bricht od. reißt an der Stelle, wo sie abgesetzt hat. Der der S. mehr od. weniger anhängende ölige Stoff (Wollfett od. Fettschweiß). dient zur Erhaltung des Wollhaars. Die Menge desselben hängt theils von der Race, theils u. hauptsächlich von der Haltung u. Fütterung ab. Bei stärkerem Futter od. bei hoher Stallwärme im Winter tritt sogleich mehr Fett ein. Dieses Fett ist entweder leicht- od. schwerflüssig, im letzteren Falle, namentlich wenn es sehr klebrig u. zähe ist, nennt man es wachs- od. pechartig. Ist die Wolle durch starke Fütterung mit Fett überladen, so nennt man sie mastig, in höherem Grade beladen od. schwerbeladen, bes. wenn die Wäsche derselben schlecht ausfällt. Doch ist eine mastige Wolle, wenn sie auch sehr gut gewaschen ist, daran zu erkennen, daß die Haare u. Kräuselung durch zu starke Fütterung aufgetrieben u. vergröbert sind. Bei Mangel an hinreichendem Wollfett wird die Wolle trocken, strohig, flachsig, glasig, holzig, todt genannt. Die verschiedenen Abstufungen der Wäsche werden gewöhnlich durch die Ausdrücke blank, rein, bedeckt, trübe, schlecht angedeutet.
D) Wollhaar, Wollfaden ist jeder einzelne Schuß der Wolle, welcher aus seiner Zwiebel durch die Poren der Haut dringt. Das obere Ende des Wollhaares, welches in seiner Vereinigung zu Strähnchen u. in deren Vereinigung zu Stapeln die Oberfläche des Vließes bildet, wird Spitze od. Gipfel, das untere Ende Wurzel- od. Schurende genannt. Die Wellungen, welche sich an dem Wollhaar verschiedenen Charakters zeigen u. die bei der höchsten Feinheit etwa bis zu 38 Bogen steigen, nennt man Kräuselungen od. Bogen. Sind diese Bogen sehr scharf ausgeprägt u. bilden sie mehr als einen Halbkreis, so nennt man sie hohe Bogen u. die Wolle markirt. Gleichen die Strähnchen mit ihren Bogen den Maschen der gestrickten Wolle, so nennt man sie maschenartig; haben die hohen Bogen ungleiche Form u. Größe bei demselben Wollhaar, so nennt man die Bogen unregelmäßig. Sind die Wollhaare so fest mit einander verbunden, daß die Strähnchen einem einzigen, stark gekräuselten Wollhaar gleichen u. so einen[75] schlechten Stapel bilden, so heißt dies leichter Zwirn, in höherem Grade krillig, in höchstem Grade Zwirn. Bei dem Zwirn fehlt der Stapel ganz, u. die Oberfläche bildet sich in Knötchen, was knöterig genannt wird. Sind die Bogen zwar scharf ausgeprägt, bilden aber doch nur einen Halbkreis, u. sind sie dabei von gleicher Größe u. Form von der Wurzel bis zum Gipfel des Haares, so ist das Haar elegant gewachsen u. regelmäßig gekräuselt. Bilden die Bogen keinen Halbkreis, so sind sie flache Bogen. Sind diese überdies noch schwach ausgeprägt od. ausgesprochen, so nennt man das Haar schlicht. Unter Feinheit des Wollhaares versteht man den geringen Durchmesser desselben. Sind die Durchmesser der Wollhaare eines Strähnchens od. Stapels sich alle gleich od. doch ziemlich gleich, so heißt dies ausgeglichen od. gleich; sind sie aber in Form u. Feinheit sehr verschiedenartig, so heißt dies unausgeglichen od. unegal od. ungleich. Wird das Haar nach dem Gipfel zu bedeutend gröber, so ist es untreu u. hat schlechte Spitzen, bleibt es sich ziemlich gleich, so nennt man es treu. Reines Haar ist solches, welches keinen Fehler hat. Läßt sich das Wollhaar, ohne zu zerreißen, über seine wirkliche Länge ausdehnen u. nimmt es die frühere Form wieder an, so nennt man dies die Elasticität des Haares. Geht es in seine gleichen Formen schnell u. kräftig zurück, so hat das Haar Nerv. Die Eigenschaft des einzelnen Haares, dem leisesten Hauche nachzugeben, wenn es an einem Ende festgehalten wird, heißt Geschmeidigkeit; das Gegentheil davon ist Sprödigkeit, welche man oft bei schlichter Wolle findet. Wollhaare ohne alle Elasticität nennt man matt u. mürbe. Stichelhaare sind die weißen, kurzen, spröden Haare, welche man zuweilen in ganz veredelten Vließen lose in den Stapeln bemerkt. Verschieden sind die Hunde- od. Ziegenhaare, mit denen die Wolle älterer Thiere zuweilen untermischt ist. Diese Haare sind grob, glatt, schlicht u. sitzen fest auf der Haut. Überhaare sind bei fehlerhafter Wolle die Gipfel der Binder, welche, aus den Stapeln hervorragend, lose darauf zu sitzen scheinen u. ihnen ein rauhes, offenes Ansehen geben. Am Koder u. Halse der Thiere findet sich das Glanzhaar, welches wie rohe Seide glänzt u. bei steigender Veredelung mehr u. mehr verschwindet.
Die Abtheilungen der einzeln Vließtheile nach ihrer Übereinstimmung in allen Eigenschaften u. nach den Abstufungen in denselben heißen Sorten, deren man sechs hat u. deren Grundlage zwar größtentheils die Stufe der Feinheit bildet, aber stets unter der Voraussetzung, daß Brauchbarkeit u. Werth der Wolle, durch deren Feinheit bedingt, nicht durch Fehler herabgesetzt werden. In die erste Sorte, Superelecta, können deshalb nur die Vließtheile kommen, welche nicht nur den höheren Grad der Feinheit (28–32 Bogen auf 1 Zoll), sondern dabei auch Gleichmäßigkeit, Sanftheit, Gleichartigkeit u. Elasticität besitzen u. durch einen regelmäßig niedrigen (11/4 Zoll hoben) Stapel, sowie durch angemessene Länge u. Feinheit sich auszeichnen. Electa ist die Wolle, welche alle vorgenannten Eigenschaften zwar noch in hohem, jedoch alle od. doch mehre in einen etwas geringerem Grade als Superelecta u. namentlich nur 25–28 Bogen auf 1 Zoll begreift, od. wenn es ihr an einer vollkommenen Gleichmäßigkeit auch an den Spitzen od. an einer angemessenen Länge fehlt. Prima soll 22–25 Bogen auf 1 Zoll u. dabei alle übrigen schätzbaren Eigenschaften enthalten, wenngleich in etwas geringerem Grade als Electa, u. überhaupt frei von Fehlern sein. Secunda soll 18–22 Bogen auf 1 Zoll haben, sie besitzt eine od. mehre fehlerhafte Eigenschaften, aber in sehr geringem Grade, z.B. gröbere Spitzen, Mangel an höherer Sanftheit od. Gleichartigkeit etc., wie dies gewöhnlich der Fall bei der Wolle von den unedelen Theilen der Vließe ist, welche auf den edelen Theilen Prima liefern. In Tertia kommen Wolle u. Vließtheile von 16–18 Bogen auf 1 Zoll, in Quarta von 12–16 Bogen auf 1 Zoll. Bei diesem Durchmesser fehlt es mehr od. weniger an allen schätzbaren, mit höherer Feinheit gewöhnlich verbundenen Eigenschaften, bes. an Sanftheit, Gleichartigkeit u. regelmäßigem Bau des Stapels, dafür finden sich Fehler in geringerem od. größerem Maße, u. nach diesem wird die Wolle entweder als Tertia od. Quarta bestimmt. Am häufigsten kommen in diesen Sorten die Vließtheile vom Rücken, Halse, den Schenkeln von den noch in der Veredelung begriffenen u. daher noch nicht ausgeglichenen Heerden u. Thieren, von denen die Wolle der edelen Theile theils in Prima, theils in Secunda kommt. Quinta u. Sexta enthalten Wolle gar nicht veredelter Heerden od. die Wolle von den Hintertheilen nur wenig veredelter Heerden, welche nur auf den Vordertheilen Secunda- u. Tertiawolle liefern, ferner Wolle, welche zwar nach ihrer Feinheit in eine höhere Sorte, Tertia od. Quarta, gehören würde, aber einen bedeutenden Fehler hat, z.B. grobe Spitzen, od. welche sehr sitzt, zwirnt od. knöterig ist. Unter Stücken versteht man die Wolltheile, welche mit dem eigentlichen Vließ keinen Zusammenhang haben, sondern einzeln in kleinen od. großen Flocken abfallen, dahin gehört die Wolle von den Füßen, zunächst oberhalb der Knie, die Wolle von dem unteren Schenkel, dem Schwanze, dem Bauche u. die glanzhaarige Nacken- u. Koderwolle. Locken sind die groben, haarigen, gelben, stark fetten u. sonst beschmutzten Theile des Vließes, sie werden gleich bei der Schur von den Vließen getrennt. Die mastige Wolle od. die Schweißwolle wird von den übrigen Sorten ganz getrennt. Die Landwolle wird nach ihrer Feinheit, Länge u. guten Wäsche abgeschätzt u. verkauft.
Um die Stärke der Wolle in ihren einzelnen Fäden zu messen, dient der Wollmesser (Eriometer). Die besten u. gebräuchlichsten Wollmesser sind der Dollond'sche u. Köhler'sche. Der Dollond'sche Wollmesser ist ganz nach den Grundsätzen der Mikrometer eingerichtet. Mittelst der bei diesem Instrument angebrachten Scala kann der Unterschied der Dicke einer Wollfaser bis auf 1/10000 Theilchen eines Londoner Zolles gemessen werden. Der Köhler'sche Wollmesser zeigt die Abweichungen der Stärke von einer Wollforte gegen die andere von Grad zu Grad an. Jeder Grad ist wieder in vier Unterabtheilungen gebracht. Die zu messende Wolle muß von allen fremden Beimengungen sorgfältig gereinigt u. gekämmt werden. Man zählt 100 gereinigte Wollfäden ab (indem der Wollmesser auf diese Zahl der Fäden eingerichtet ist), legt dann den Zeiger des Wollmessers nach der rechten Hand nieder u. dreht die Kurbel so lange rechts um, bis man eine Hemmung derselben fühlt, die durch einen kleinen Anschlagestift an der Welle bewirkt wird. Dadurch hat sich der Schieber sammt seinem [76] Gewicht u. dem Haar in die Höhe gewunden. Die Enden der Wollhaare müssen von beiden Seiten des Herdes gleich weit hervorragen. Ist die Wolle in den Herd eingelegt, so streicht man mit Daumen u. Zeigefinger der linken Hand sanft über die aus dem Haar herausragenden Enden der Wolle nieder, so daß sie gespannt bleiben, u. drückt sie so lange gegen den Herd an, bis man mit der rechten Hand durch die Kurbel das Gewicht völlig abgewunden hat. Nun wird der Zeiger aufgerichtet u. die an demselben befindliche Stahlspitze in die kleine Vertiefung des unter ihr befindlichen Carneols eingestellt. Die Güte der Wollsorte wird nun rücksichtlich ihrer Stärke durch den Zeiger an dem Gradbogen angegeben. Außer der Feinheit der Wolle kann man noch die Dichtigkeit derselben messen, wozu Mentzel einen Wolldichtigkeitsmesser erfunden hat. Er bildet eine Meßgabel in Form eines kleinen Meßstabes. Derselbe läuft in zwei Spitzen aus, ist gespalten u. mit einem schwanhalsigen Stiel versehen. Der Spalt ist genau, 1/10, Zoll breit u. der Länge nach in Zehntheile des Zolles u. deren Bruchtheile eingetheilt. Beide Spitzen stehen genau Zoll von einander entfernt. Zur Ausgleichung der Messung dient ein besonderer Schieber mit Spiralfeder, Schraube u. Nonius, welcher auf die Spitze aufgesetzt u. mittelst der Schraube befestigt wird. Das Vließ wird behufs der Messung an der dazu bestimmten Stelle in gerader Linie gescheitelt u. rechtwinkelig auf dieser Linie ein zweiter Scheitel angelegt. Von beiden Scheiteln wird mittelst Anhalten der Gabelspitzen genau 1/2 Zoll vom Winkel abgemessen u. an den betreffenden Endpunkten wieder rechtwinkelig neue Scheitel angebracht, welche sich gegenseitig kreuzen u. die Absonderung eines Wollstapels bewirkt haben, der von allen vier Seiten Zoll mißt, folglich 1/4 Quadratzoll Fläche einnimmt. Die Abscheitelung muß sowohl hinsichtlich der Länge als der Geradlinigkeit u. Rechtwinkeligkeit mit Genauigkeit geschehen, sie läßt sich durch wiederholte Anlegung der zum Meßstabe dienenden Gadelspitzen controliren u. durch Abnahme od. Hinzufügung überschießender od. am richtigen Maße fehlender Haare od. schmaler Haarstreifchen leicht berichtigen. Der nun isolirte Wollbüschel wird mit Vermeidung von Drehung od. Verwirrung des natürlichen Haarstandes in den Gabelspalt geschoben, dann der Schieber eingesetzt u. an die Spitzen der Gabel durch die Schraube befestigt. Hierauf wird die in der Feder liegende Hauptschraube links so lange umgedreht, bis sie zu wirken aufhört. Das ist der Fall, wenn sie die zulässige Druckkraft auf die Wolle ausgeübt hat. Der Schraubenkopf löst sich dann von selbst. Meßstab u. Nonius zeigen dann leicht erkennbar in Bruchtheilen des Zolles die Quadratfläche od. den Durchmesser an, welche die auf 1/4 Quadratzoll des Vließes gewachsene, unter gleichmäßigem Federdruck zusammengepreßte Wolle einnimmt.
Im Handel unterscheidet man bei der S. im Allgemeinen Einschur u. Zweischur (wenn das Schaf zwei Mal im Jahre geschoren worden ist), von der letzteren Sorte wieder die längere Winterwolle, welche im Winter erwachsen ist, u. die Sommerwolle. Die einschurige Wolle ist zu den vermischten Wollzeugen besser, von der zweischurigen aber ist in der Regel die Winterwolle besser als die Sommerwolle. Überhaupt benutzt man die zweischurige Wolle lieber zu Tüchern, zu seinen u. ganz wollenen Zeugen u. zu Filzen. Die Lammwolle ist im Ganzen ungleich kürzer u. steht der eigentlichen S., welche von alten Schafen geschoren ist, sehr nach. Ferner unterscheidet man Schweiß- od. Fettwolle, welche noch nicht gewaschen, Waschwolle, Schlachtwolle, von geschlachteten Schafen u. Sterblingswolle, von gestorbenen Schafen. Letztere beiden Wollsorten sind die schlechtesten. Die beste u. gewöhnliche Wolle ist die von den Schafen abgeschnittene Schurwolle. Im Besondern unterscheidet man Land- od. unveredelte Wolle von den gemeinen Landschafen der verschiedenen europäischen Länder; sie ist von verschiedener Güte, die krause od. geschlängelte Sorte ist meistens 3–41/2 Zoll lang, die platte od. gerade Sorte 3–10 Z. lang u. zum Theil ziemlich weich. Dazu gehört auch die Kammwolle. Besondere Arten der Landwolle sind noch die Zackelwolle, grob, lang u. zottig, von dem Strepsikarosschafe in der Walachei, Ungarn u. Österreich, u. die Haideschnucken- (Bremer-) wolle, von den Haideschnucken im nördlichsten Deutschland, sie ist schwärzlich, schwarzbräunlich, grau od. weiß, kurz, grob u. hart, u. man unterscheidet davon die glatte od. Mai- u. die Herbstwolle. Nach den Theilen des Schafes unterscheidet man Seitenwolle, von den vordern Seiten längs des Rückens bis über die Mitte des Körpers, von der obern Seite des Halses, an den Schultern u. in der Weiche als die beste; die Schenkelwolle ist minder sein; die Halswolle vom untern Theile des Halses bis auf die Vorderschenkel kurzer u. gröber; die Kopfwolle kurz u. grob; die Bauchwolle meist etwas gefilzt; die Bein- od. Fußwolle wie die Kopfwolle. Schwarze, graue u. braune Wolle ist nicht beliebt, auch hat die weiße Wolle zuweilen braune Spitzen (Brandspitzen), die Farbe von kränkelnden od. darbenden Schafen ist auch zuweilen fahl (mißfarbig). Der Landwirth verkauft die Wolle nicht nach den Theilen sortirt, sondern in Vließen u. sortirt nur die Vließe, wenn seine Schafheerde von verschiedener Güte ist, u. scheidet die Lammwolle von der S. Das eigentliche Sortiren läßt der Kaufmann von Wollsortirern (Wolllesern, Wollputzern) besorgen, um an die verschiedenen Fabrikanten die Wollsorten abzuliefern, welche sie gebrauchen können. Wenn nach dem Sortiren nur die besten Theile eines seinen Vließes zusammengepackt werden, so heißt dies Vließwolle (gereinigte Vließwolle), die gelben, braunen, unreinen u. ungleichen Flocken heißen Brack-, Flocken-, Ausschuß-, Abfall-, Lese- od. Klattenwolle; Stückwolle besteht aus solchen Theilen des Vließes, welche wegen fehlerhaften Baues der Wolle nicht in die guten Bündel passen; Lockenwolle ist die, welche wegen ihrer verschiedenartigen Beschaffenheit nicht in die guten Bündel paßt. Unter der veredelten Wolle steht die spanische Merinowolle oben an; sie stammt von dem spanischen od. in andere Länder verpflanzten Merinoschaf, ist sehr elastisch, weich, sein u. stets gekräuselt; s.u. Schaf II. A). Bes. aus den Provinzen Leon (Leonesas, seidenartig), Segovia (Segovianas, um das Kloster Escurial, schon weniger seidenartig, aber noch sehr sein u. stark), Soria (Sorias), Avila (Avilas, beide noch sehr gut), Burgos (Burgaleses), Andalusien etc. führt Spanien noch Wolle aus. Die Lana Castiliana, Molina, Ortijosa, Albaracin, Badajoz etc. fallen an Güte bedeutend ab; geringere Sorten sind die Caceres; die geringste Sorte, Cahidas, darf nicht ausgeführt werden. Man unterscheidet[77] noch der Güte nach: Refloreta (Resina), Fina, Segunda, Tercera, welche auf den Ballen ad. Säcken mit den Buchstaben: R., F., S., T. bezeichnet wird. Über die vermeinte Eintheilung der spanischen S. in Escurial-, Negrettis-, Infantadowolle, s.u. Schaf. Portugal producirt seine Wolle, führt aber wenig aus, die verschiedenen Sorten folgen in der Feinheit so aufeinander: Badajoz, Campo-Mayor, Elvas, Olivenza, Estremos. England liefert vorzüglich in seinen mittleren Provinzen eine sehr gute Wolle, welche lang, glänzend u. weiß, aber nicht so sein, weich u. elastisch ist. Frankreich liefert jetzt auch sehr seine Wolle, die besten Sorten finden sich im ehemaligen Berry, bes. in der Ebene von Batan bei Narbonne u. in Roussillon, Languedoc, Burgund, Brie u. Normandie; bes. geschätzt ist die S. von Abbeville, welche in Auxe, Frontiere u. Triée getheilt wird; schlechtere Sorten in Artois, der Picardie u. Champagne. Unter den italienischen Wollsorten kommen die aus Apulien u. aus Basilicata in Neapel, sowie die aus dem Kirchenstaate in den allgemeinen Handel; die Wolle aus Apulien ist eine der besten in Europa, die erste Sorte heißt Lucali, die zweite Celano. Dänemark hat hier u. da sehr gute Wolle, wie die Eyderstädtische, Seeländische u. Jütländische. Die holländische Wolle ist weniger sein, die polnische meistens gering. Rußland hat die Veredelung der Schafzucht erst in neuerer Zeit in seinen südlichen Provinzen begonnen, zeither konnte es nur grobe Wolle ausführen. Ungarn producirt eine sehr große Menge Wolle, indem ungeheuere Strecken Landes nur von Schäfereien benutzt werden. Ehemals wurde meist nur Zackelwolle u. Landwolle producirt; in neuerer Zeit hat man daselbst auch veredelte Schäfereien angelegt. Die Bacsker S. gibt ordinäres Tuch, die Palitscher u. Lepschiner Mitteltuch. Von der griechischen S. ist die Livadische kraus, sein, weich, seidenartig; man unterscheidet Surgewolle, welche ungewaschen ist; Bajawolle, von den Schenkeln u. Schwänzen; Gunwolle, gewaschen, lang u. schön; Peladewolle, von Schlachtschafen; Bastardwolle, welche den Schafen von selbst ausgefallen ist. Sehr viel Wolle liefert die Moldau u. Walachei, weiße u. schwarze, welche, bes. die bessere walachische, nach Deutschland verführt wird; man unterscheidet Zurkannwolle, lang, zottig u. hart, Zigaywolle, kurz u. sein, Tatarische Wolle, welche die Mitte zwischen beiden fält. Die Wolle von Salonichi, Smyrna u. Constantinopel ist in seine, grobe u. Ausschuß sortirt. Die circassische Wolle ist meist schwarz; die persische Wolle von Kerman ist sehr sein u. weiß. Die Wolle der Barbareskenstaaten ist zwar sortirt, aber so nachlässig, daß man sie von Neuem sortiren muß. Deutschland liefert sehr viel Wolle u. zum Theil die feinste. Zuerst lieferte Sachsen die feinste Merinowolle, von dem ehemaligen Kurfürstenthum Electa genannt; Schlesien macht jetzt Sachsen den Vorrang des Alleinbesitzes streitig; Mähren, Böhmen, Österreich, Baiern, Brandenburg, Mecklenburg, Holstein, Lüneburg u. Württemberg liefern auch sehr seine Wolle. In neuester Zeit ist auch auf dem englischen Wollmarkte die australische u. südamerikanische Wolle wichtig; sie besitzt vieles Milde u. Seidenartige u. ist bes. für Kammwollspinnereien geeignet; die Wäsche ist zwar schlecht, die Preise jedoch niedrig.
Die Wolle zeichnet sich vor der Mehrzahl der übrigen landwirthschaftlichen Producte durch bedeutende Transportfähigkeit aus. Bei einiger Sorgfalt der Aufbewahrung ist sie dem Verderben fast gar nicht ausgesetzt. Da ihr Preis circa 25 Mal so hoch ist als der des Getreides, so ist sie auch zu einem 25 Mal so weiten Transport geeignet. Demnach können die entferntesten Länder der ganzen Erde in Beziehung auf die S. mit einander in Concurrenz treten, u. der Wollhandel ist ein wahrer Welthandel. Daher können bei den im Verhältniß zum Preise so geringen Transportkosten schwach bevölkerte Länder, wo der Stand der Grundrente niedrig ist, ihr Product zu billigen Preisen auf den Markt liefern; für sie ist die S. oft die einzige Form, in welcher sie die Erzeugnisse der Landwirthschaft im Auslande verwerthen können. Zur Erleichterung des Wollhandels sind in neuerer Zeit in vielen Städten Wollmärkte errichtet. Der Hauptmarkt für die S. ist London; auch Amsterdam, Hamburg u. Bremen sind wichtige Wollplätze. In London werden auf den zu bestimmten Zeiten (meist alle 6 Wochen) abgehaltenen Wollauctionen Wollen aus allen Weltgegenden zu Markte gebracht, u. Einkäufer aus allen Ländern versorgen sich hier mit ihrem Bedarf. Nach den Preisen daselbst richten sich die Preise auf den Märkten aller andern Länder, nur mit den Abweichungen, welche die lokalen Verhältnisse der Production u. Fabrikation bedingen. Obgleich die Schafzucht Großbritanniens von großer Bedeutung ist (das Gesammterzeugniß von S. beläuft sich auf circa 130 Mill. Pfund), so reicht doch diese beträchtliche Wollmenge für den Bedarf der britischen Wollmanufactur nicht aus, sondern es findet noch eine beträchtliche Einfuhr fremder Wollen statt. Früher war es hauptsächlich Spanien, welches die meiste Wolle nach England einführte, doch hat die Wollerzeugung u. Wollausfuhr dieses Landes sehr abgenommen; denn während die Ausfuhr nach England im Jahr 1844 918,853 Pfd. betrug, belief sie sich 1859 nur auf 110,510 Pfd. An die Stelle Spaniens trat zunächst Deutschland als hauptsächlichstes Exportland, während von da 1815 erst 3 Mill. Pfd. S. nach England ausgeführt wurde, betrug die Ausfuhrproduction 1836 schon 31,766,194 Pfd. Von da an nahm aber die Ausfuhr von Jahr zu Jahr ab, u. 1859 betrug sie nur noch 10,595,186 Pfd. Weniger ungünstig gestaltete sich die Wollausfuhr der übrigen Länder Europas nach England, während sich dieselbe 1841 auf 15,313,087 Pfund belief, war sie 1859 auf 16,597,504 Pfd. gestiegen, eine Erscheinung, welche jedenfalls mit dem Aufschwung der Schafzucht in Rußland u. Ungarn in Verbindung steht, doch ist die Wollausfuhr der übrigen europäischen Länder in manchen Jahren auch schon bedeutender gewesen als 1859, indem sie z.B. 1853 26,861,166 Pfund betrug. Die Ursache, daß die europäische Wolleinfuhr nach England so bedeutend abgenommen hat, ist in der Concurrenz von Ländern zu suchen, in denen die Schafzucht erst seit einigen Decennien eingeführt ist, wo sie aber, durch klimatische Verhältnisse u. niedrige Grundrente begünstigt, einen unglaublich raschen Aufschwung genommen hat. Obenan steht in dieser Beziehung Australien; bis 1855 betrug die Wollausfuhr dieses Landes kaum 1/2 Mill. Pfd. jährlich, 1859 schon 51,104,560 Pfund. Auch einige andere britische Colonien zeigen eine beträchtlich gesteigerte Wollausfuhr, so das Cap der[78] guten Hoffnung u. Ostindien, während ersteres 1838 nur 100,000 Pfd. Wolle nach England ausfuhr, betrug die Ausfuhr 1859 schon 16,597,504 Pfd.; Ostindien aber führte 1859 nach England 17,333,507 Pfd. Wolle aus, 1835 erst 300,000 Pfd. Nächst den britischen Colonien führen die südamerikanischen Staaten, bes. Buenos Ayres, Peru, Uruguay, dem englischen Wollmarkte bedeutende Quantitäten S. zu, 1854 betrug die Ausfuhr dieser Länder nach England erst 1 Mill. Pfund, 1859 schon 10,046,381 Pfund. Südamerika scheint in der Wollproduction mit Deutschland in um so größere Concurrenz zu treten, als es sich durch Einfuhr seiner Merinoböcke aus Sachsen u. Schlesien bestrebt nur feinere Wollen zu erzeugen u. Klima u. Weide der Production seiner Wollen sehr günstig sind. Die in England eingeführten Wollen dienen aber nicht allein der inländischen Fabrikation, sondern es hat sich auch eine ziemlich beträchtliche Wiederausfuhr entwickelt, nicht nur Belgien, Frankreich u. Nordamerika, sondern auch Deutschland versorgen sich mit geringeren Wollensorten auf dem englischen Markte. Bes. sind es die Wollen des Rio-la-Plata, welche unter dem Namen Buenos-Ayreswollen in Deutschland verarbeitet werden. Durch die Vervollkommnung der Maschinen lassen sich diese Wollen in der Art veredeln, daß man das daraus bereitete Garn zu Nouveautés aller Art verwenden kann. Auch die Vereinigten Staaten Nordamerikas haben in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in der Wollproduction gemacht, dieselbe ist von 7 Mill. Pfd. im Jahr 1847 auf 521/2 Mill. Pfd. i.J. 1856 gestiegen. Diese eigene Production reichte aber für den Bedarf nicht aus, sondern es mußten noch 32 (Mill. Pfd. eingeführt werden. Vgl. von Ehrenfels, Die Electoralwolle, Prag 1822; Andrée, Neueste Ansichten über Wolle, Prag 1825; Westfal, Anleitung zur Kenntniß der S.u. deren Sortirung, Berl. 1830; Jeppe, Wollprobenkarte, Rost. 1831; Löhner, Anleitung zur Wollkunde, 2. Aufl Prag 1835; Elsner, Die Erzeugung der Merinowolle, Tüb. 1838; Ders., Das goldne Vließ, Stuttg. 1838; Barthels, Naturgemäße Behandlung der Schafwolle, Lpz. 1838; Wagner, Die neuesten Erfahrungen u. Fortschritte in der Wollkunde, Quedlinb. 1839; Petri, Mittheilungen des Interessantesten u. Neuesten aus dem Gebiete der Wollkunde, Wien 1843; Derselbe, Mittheilungen aus dem Gebiete der höhern Schaf- u. Wollkunde, Wien 1844; Jeppe, Terminologie der Wollkunde, Rost. 1847; Schmidt, Wollkunde, Stuttg. 1852; Rohde, Beiträge zur Kenntniß des Wollhaares, Berl. 1857; Buschberti, Über Böhmens Schafwollhandel, Prag 1843; Elsner, Die Zukunft von Deutschlands Wollerzeugung u. Wollhandel, Stuttg. 1845; Derselbe, Deutschlands Merinowollerzeugung, Lpz. 1853; von Patow, Die Wollproduction des Deutschen Zollvereins, Berl. 1851.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.