Heidelberg

Heidelberg

Heidelberg, 1) Oberamt im badenschen Unterrheinkreise; 37,000 Ew.; 2) Stadt hier, am Neckar, mit 702 Fuß langer, mit der Bildsäule des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz verzierter Brücke über denselben; in einer reizenden Gegend; Sitz des Oberamts (der Oberamtmann ist zugleich Stadtdirector), einer Bezirks-, einer Wasser- u. Straßenbauinspection etc. Südöstlich von der Stadt erheben sich der Große u. Kleine Geisberg u. der 1800 Fuß hohe Königsstuhl, wo 1832 der Grundstein zu dem 90 Fuß hohen Thurme gelegt wurde von welchem man eine schöne Aussicht in die Umgegend genießt; nördlich auf dem rechten Neckarufer der Heiligenberg mit Klosterruine. Dicht bei der Stadt, auf dem Schloßberge (Jettenbühl), am Fuße des Königsstuhls, prächtige Schloßruinen, unter denen sich bes. der gesprengte u. der dicke Thurm, mit 16 bis 22 Fuß dicken Mauern, der Otto-Heinrichbau, der Friedrichsbau mit der Schloßkapelle auszeichnen. Im Keller des Schlosses liegt das Heidelberger Faß, welches 250 Fuder (283,000 Flaschen) faßt. Das erste große Faß wurde vom Pfalzgrafen Johann Casimir 1589 bei einem guten Weinjahr erbaut; als dieses durch Krieg u. andere Unbilden verdarb, erbaute Kurfürst Karl Ludwig 1664 ein zweites größeres; das jetzt noch vorhandene große Faß erbaute Karl Theodor 1751. An dem Schloßberg liegt die Bergstadt. H. hat 6 Thore u. 8 öffentliche Plätze, von denen der Ludwigs- (Parade-) platz der schönste ist. Die zur Stadt gehörige Thalgemeinde Schlierbach, zieht sich 1/2 Meile den Neckar hinaus. H. hat 8 Kirchen (darunter die protestantische Petrikirche, eine katholische Pfarrkirche u. die Heiligengeistskirche, protestantische u. katholische Simultankirche, zwei katholische Kapellen); Rathhaus, Theater, Marstall, Museum (seit 1826), Oberamthaus, Landschreiberei (Absteigequartier des Großherzogs). Öffentliche Unterrichtsanstalten: [165] Lyceum u. Universität. Letztere wurde 1346 von Ruprecht I. als Ruperta gestiftet (die älteste deutsche Universität) u. 1386 vom Papst Urban bestätigt; von den ersten Kurfürsten freigebig dotirt, mit Gütern u. Wohnhäusern der Juden, später zur Reformationszeit mit den Besitzungen des Augustiner- u. Franziscanerklosters u. vier anderen in der Umgegend bereichert. 1784 wurde die Staatswirthschaftsschule mit der Universität verbunden, doch war sie, ihrer wichtigsten Besitzungen durch den Frieden von Lüneville beraubt, 1802 der Auflösung nahe u. sie hob sich erst wieder zu seltnem Glanz, als H. 1803 an Baden kam u. der Kurfürst Karl Friedrich sie ausstattete, ihr ihre jetzige Gestalt u. den Namen Ruperto-Carolina gab. Ihre Einkünfte betragen 180,000 Fl. (61,714 Thlr.), sie ist in vier Facultäten (die theologische mit 6, die juristische mit 7, die medicinische mit 8, die philosophische mit 20 Professoren) getheilt. Rector ist der Großherzog; Prorector, welcher die Verwaltung besorgt, ein Professor, der jährlich durch die ordentlichen Professoren gewählt u. vom Großherzog bestätigt wird u. nach den Facultäten wechselt. Auch ist, wie bei allen deutschen Universitäten, ein Curator gestellt. Die Rechtspflege besorgt ein Universitätsamtmann. Studenten zählt H. jetzt 650 (1831 über 900), Professoren u. Lehrer 66. Die Universitätsbibliothek (Palatina) entstand vorzüglich aus dem ihr vermachten Büchervorrath des Stifters Ruprecht I. u. aus dem des ersten Rectors Marsilius von Inghen u. des ersten Kanzlers Konrads von Geylenhausen, der Kurfürsten Ludwigs III. u. Otto Heinrichs, des Janus Gruterus, vieler Klosterbibliotheken, die mit ihr vereint wurden, so wie aus vielen Schenkungen, u.a. von Ulrich v. Fugger. Zuerst befand sie sich in dem Chor der Heiligengeistskirche. Sie enthielt damals bes. Handschriften, deren man ohne die französischen 3522 zählte. Nach der Eroberung H-s durch Tilly, 1622, schenkte Kurfürst Maximilian von Baiern sie als Kriegsbeute dem Papst Gregor XV., der sie durch Leo Allatius 1624 auf mehr als 100 Maulthieren nach Rom bringen u. im Vatican als Bibliotheca Palatina aufstellen ließ. 1815 erhielt die Bibliothek nicht nur 38 der besten Handschriften, die von den Franzosen nach Paris geschafft worden waren, vom Papst abgetreten, sondern dieser gab auch auf Österreichs u. Preußens Verwendung zu, daß die sämmtlichen altdeutschen Handschriften (847) u. der Codex palatinus des Mönchs Otfried 1816 nach H. zurückgeschafft wurden. (Vgl. Bähr, Die Entführung der Heidelberger Bibliothek, Lpz. 1845; Ruland, Zur Geschichte der alten nach Rom entführten Bibliothek zu H., Lpz. 1856). Die Bibliothek wurde 1803 durch einen eignen Fond wieder gegründet u. mehrte sich durch die angekauften Büchersammlungen von I. G. Grävius, Bökler, Bett u. der Klosterbibliothek von Salmannshausen etc. Sie kam 1828 in ein neues Bibliothekgebäude u. zählt gegenwärtig 200,000 Bände, gegen 2000 Manuscripte u. außerdem eine Sammlung von alten Münzen u. eine Anzahl von Gypsabdrücken der vorzüglichsten Antiken. In dem Universitätsgebäude (Domus Wilhelmiana), 1712 gebaut, befinden sich die Auditorien u. mehrere Anstalten, Sammlung mathematischer u. physikalischer Instrumente u. Modelle, Naturaliensammlung, ferner gehören dazu Anatomisches Theater, Botanischer, Forstbotanischer u. Ökonomisch-botanischer Garten, Klinik u. Poliklinik, Entbindungsanstalt, akademisches Hospital. Mit der theologischen Facultät ist ein Theologisches, mit der philosophischen ein Philologisches Seminar verbunden. Wissenschaftliche Gesellschaften: Großherzogliche Gesellschaft für Naturwissenschaft u. Heilkunde u. Forst- u. Landbauinstitut. H. hat bedeutenden Handel, der durch die sich hier kreuzenden Chausseen (die Bergstraße, von Frankfurt u. Darmstadt nach H. führend u. von da als Straße nach der Schweiz u. nach Manheim gehend, u. die Straße von dem linken Rheinufer nach Sachsen u. Schwaben), durch eine Messe, durch einen Freihafen (seit 1832) im schiffbaren Neckar (worauf seit 1842 Dampfschifffahrt nach Heilbron) u. durch die Eisenbahnverbindung mit Manheim, Karlsruhe, Kehl, Freiburg etc. (Badische Eisenbahn) u. mit Darmstadt u. Frankfurt (Main-Neckarbahn) begünstigt wird; eine Odenwälderbahn (bis Würzburg) ist in Angriff genommen). Der Handel beschäftigt sich bes. mit rohem Tabak, Ölsamen u. Öl. Von Gewerben blüht bes. eine Wachslichter- u. Krappfabrik, Tabaksfabriken, Ultramarinfabrik u. eine Fabrik hydropathischer u. mechanischer Heilgeräthschaften u. eine Feuerspritzenfabrik, Bierbrauereien etc. In H. bestehen 6 Buchhandlungen u. 4 Buchdruckereien. Vergnügungsorte: das Museum, für Vergnügen edler Art eingerichtet. Einw. 15,000, worunter etwa 8500 Evangelische, 6200 Katholiken, 300 Juden. Vgl. Leger, Führer durch das heidelberger Schloß, Heidelb. 1815; Schreiber, H. u. seine Umgebungen, Heidelb. 1811; Helm. v. Chezy, Gemälde von H. etc., ebd. 1821; Löwis, Die Gegend von H., Berl. 1816, u. Ausg. v. Dittmar; Engelmann, H. u. seine Umgebung, ebd. 1824; Leonhard, Fremdenbuch, Heidelb. 1834; Wanderung durch die Ruinen des Heidelberger Schlosses u. seine Umgebungen, 1858.

Ob H. Anfangs ein Römercastell od. eine deutsche Schanze gegen die Römer gewesen, ist ungewiß; das Schloß ließ Friedrichs I. Bruder, Konrad, im 12. Jahrh. ausbauen. An der Stelle des alten Schlosses steht jetzt die Wegnersche Molkencur. Das jetzige Schloß auf dem Jettenbühl wurde am Ende des 13. Jahrh. vom Kurfürsten Rudolf I. dem Pfalzer angefangen u. wird zuerst in dem Vertrag von Pavia 1329 genannt. H. war damals ein Lehn der Bischöfe von Worms, u. diese belehnten 1225 den Pfalzgrafen Ludwig mit H. Unter Pfalzgraf Ruprecht I. wurde das eingeäscherte H. wieder aufgebaut u. erweitert. Er nahm dort seine Residenz u. stiftete 1346 hier eine Universität (s. oben). 1384 wurde hier die Heidelberger Einung gestiftet, s. Deutschland (Gesch. X.). 1502 begann die Reformation in H. 1584 u. 1585 wurde hier ein Religionsgespräch gehalten, durch das der Pfalzgraf Kasimir die Lutherischen u. Reformirten zu vereinigen suchte. 1603 wurde hier die Heidelberger Union von den protestantischen Fürsten geschlossen, s.u. Deutschland (Gesch. XI.). Im Dreißigjährigen Kriege mußte H., als Residenz des Kurfürsten von der Pfalz, viel leiden. Tilly belagerte u. eroberte es 1622 u. Kurfürst Maximilian von Baiern schenkte die Bibliothek dem Papst Gregor XV. (s. oben). 1634 wurde das Schloß durch die Kaiserlichen unter Gronsfeld belagert, durch den Herzog Bernhard von Weimar[166] aber entsetzt. Nach dem Westfälischen Frieden erhielt Friedrichs V. Sohn, Herzog Karl Ludwig, H. wieder u. richtete Schloß u. Schloßgarten auf das Glänzendste ein. Die im Kriege aufgehobene Universität wurde auch wieder hergestellt. 1688 wurde H. von dem Dauphin belagert, auch das Schloß nach der Einnahme durch den General Melac zum Theil in die Luft gesprengt, die Stadt geplündert u. demolirt. 1693 wurde sie in dem über die Succession nach Aussterben der protestantischen Linie entstandnen Kriege wieder erobert, die kurfürstlichen Gräber spoliirt u. das Schloß zerstört, welche Zerstörung 1764 der Blitz vollendete. 1720 wurde die Residenz von H. nach Manheim verlegt. 1803 wurde H. von Pfalz-Baiern an Baden abgetreten, u. Karl Friedrich, Kurfürst von Baden, wurde der zweite Stifter der Universität. Hier am 5. März 1848 Versammlung von 51 Männern aus den verschiedenen deutschen Staaten, aus welcher das Vorparlament in Frankfurt hervorging, s. Deutschland Gesch. XIII. C) b). H. wurde 23. Juni 1849 von den Preußen besetzt.

4) Dorf im Gerichtsamt Sayda des königlich sächsischen Kreisdirectionsbezirks Dresden, mit dem Flecken Seifen (s.d.) zusammenhängend, Holz-, bes. Spielwaarenfabrikation; Schwefelbad mit Badehaus (das sogenannte Einsiedlerbad); 1730 Ew.; 5) Berge: im Böhmerwalde, 4333 Fuß; in den Sudeten bei Hohenelbe 3042 Fuß; im Reichensteiner Gebirge in Schlesien, 2780 Fuß; im Hainich, 1300 Fuß hoch; 6) Städtischer Bezirk (Township) in der Grafschaft Lebanon des Staates Pennsylvanien (Nordamerika), 1600 Ew.; 7) Städtischer Bezirk in der Grafschaft Lehigh des Staates Pennsylvanien; 1400 Ew.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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