- Stolberg [2]
Stolberg, eins der ältesten deutschen Grafengeschlechter, welches seit dem 11. Jahrh. urkundlich vorkommt u. zu seinem ältesten Stammlande die thüringensche Grafschaft S. (s.d. 2) hat; es folgt zum Theil der Evangelischen, zum Theil der Katholischen Confession, wurde 1412 in den Reichsgrafenstand erhoben u. hatte Sitz u. Stimme auf der Wetterauischen Grafenbank. Die Grafen von S. kauften 1412 von den Grafen von Hohenstein die Ämter Heringen u. Kelbra in Thüringen u. 1413 Hohenstein, welche Grafschaft das Geschlecht seitdem mit Ausnahme von Ilefeld ganz besaß; Wernigerode erwarben sie 1429; 1535 erbten sie von dem letzten Grafen von Königstein aus dem Hause Epstein die Grafschaft Königstein, derer sich aber das Erzstift Mainz bis auf Gedern u. Ortenberg bemächtigte, u. die rochefortischen Grafschaften u. Herrschaften im Lüttichschen, worüber mit dem Hause Löwenstein (aus welchem Graf Ludwig II. mit Anna, einer Tochter des 1574 verstorbenen Grafen Ludwig von S. die Grafschaft Wertheim in Franken u. die Grafschaft Rochefort im Lüttichschen erheirathet hatte) ein Proceß entstand, welcher erst 1755 durch Landestheilung beigelegt wurde. 1577 erwarb das Haus S., vermöge letztwilliger Verordnung des letzten Grafen von Henneberg, Schloß u. Flecken Schwarza. Im Deutschen Reiche hatte es Reichsstandschaft durch dreifache (S.-Gedern mit Roßla-Ortenberg, Wernigerode, S.) Theilnahme an der gräflich wetterauischen Curiatstimme; doch waren nur Gedern u. Roßla wegen ihrer Antheile an der Grafschaft Königstein (Gedern u. Ortenberg) dazu qualificirt. Die Grafschaft S. stand unter kursächsischer, die Grafschaft Wernigerode unter brandenburgischer, die Grafschaft Hohenstein unter braunschweigischer Landeshoheit; aber durch Verträge (wegen S. von 1738, wegen Wernigerode vom 19. Mai 1714 u. 28. Sept. 1814, wegen Hohenstein vom 17. März 1733 u. 4. Aug. 1821) kam es dahin, daß es in allen diesen Besitzungen eine untergeordnete Landeshoheit auszuüben hat. Für den Verlust des Antheils an Rochefort u. die stolbergischen Ansprüche auf Königstein wurde dasselbe mit einer Jahrrente von 30,000 Fl. vom Ertrage des Rheinschifffahrtsoctroi entschädigt; die gedernsche Hälfte der rochefortischen Landestheile gab Frankreich mit Aufhebung der Feudalgerechtsame der gedachten Linie zurück. Gedern u. Ortenberg sind großherzoglich hessischer, Wernigerode u. S. preußischer, Hohenstein hannöverischer Staatshoheit untergeordnet. Wappen: ein schwarzer, zum Gange geschickter Hirsch in goldenem Felde. Das Geschlecht theilte sich früher in die Harzlinie u. die Rheinlinie, von welchen erstere 1631 erlosch. Aus der Rheinlinie stammte der Stammvater der sämmtlichen noch blühenden Linien: 1) Graf Christoph, geb. 1567, st. 1638; seine beiden Söhne Heinrich Ernst u. Johann Martin theilten das Geschlecht in zwei Linien: I. Ältere Hauptlinie zu Wernigerode, Stifter: 2) Graf Heinrich Ernst, Sohn des Vor., geb. 1593, st. 1672; durch dessen Söhne Ernst u. Ludwig Christian zerfiel diese Linie in den Zweig zu Ilsenburg, welcher mit dem Stifter Ernst 1710 wieder ausstarb, u. den Zweig zu Wernigerode, dessen Gründer 3) Graf Ludwig Christian bei seinem Tode 1710 drei Söhne, Christian Ernst, Friedrich Karl u. Heinrich August, hinterließ, welche ebensoviele Häuser stifteten, nämlich: A) Haus S.-Wernigerode, dasselbe besitzt die Grafschaft Wernigerode (s.d.) mit dem Amte Schwarza (0,27 QM. mit 1500 Ew.), in Schlesien die Herrschaft Peterswaldau (8 Dörfer mit 7200 Ew.), nebst den Herrschaften Jannowitz (6 Dörfer u. 2700 Ew.) u. Kreppelhof (5 Dörfer mit 2600 Ew.), im Großherzogthum Hessen die Herrschaft Gedern (0,62 QM. mit 3700 Ew.) u. in Hannover das Amt Sophienhof (1 QM. mit 550 Ew.) u. hat seinen Wohnsitz zu Wernigerode; Stifter: ist 4) Graf Christian Ernst, Sohn des Vor., geb. 2. April 1691 u. gest. 25. Oct. 1771. 5) Graf Heinrich Ernst, geb. 1716 zu Wernigerode, Domherr in Halberstadt; st. 1778; religiöser Dichter; er schr.: Betrachtung über die sonn- u. festtäglichen Evangelien u. Lieder, Wernigerode 1755, u.a. 6) Graf Henrich, Sohn des Grafen Christian Friedrich, geb. 25. December 1772, succedirte 1824, war Mitglied des preußischen Staatsrathes u. in erster Ehe mit Karoline geb. Prinzessin von Schönburg-Waldenburg, in zweiter Ehe seit 1810 mit Eberhardine geb. Freiin von der Reck vermählt u. st. 16. Februar 1854 auf Schloß Wernigerode. 7) Graf Ferdinand, Bruder des Vor., geb. 18. October 1775, war preußischer wirklicher Geheime Rath u. st. 20. Mai 1854 zu Peterwaldau. 8) Graf Anton, Bruder des Vor., geb. 23. October 1785, war preußischer Generallieutenant, bis 1840 Oberpräsident der Provinz Sachsen, dann 1842–48 zweiter Chef des Ministeriums des königlichen Hauses, seit 1809 mit Luise geb. Freiin von der Reck vermählt u. st. 11. Februar 1854 in Berlin. Jetziger Chef ist: 9) Graf Otto, Enkel von S. 6) u. Sohn des 1841 verstorbenen Erbgrafen Hermann u. der Erbgräfin Emma geb. Gräfin zu Erbach-Fürstenau, geb. 30. October 1837, succedirte 1854 seinem Großvater, zuerst bis 1858 unter Vormundschaft seines Oheims, des 1805 geb. Grafen Botho, u. steht in preußischen Militärdiensten. Zu dieser Linie gehören noch: 10) Graf Friedrich, ältester Sohn von S. 7), geb. 17. Januar 1804, ist Majoratsherr der Fideicommißherrschaft Peterswaldau in Schlesien u. erbliches Mitglied des preußischen Herrenhauses. 11) Graf Wilhelm, Neffe von S. 7) u. Sohn des 1817 verst. Grafen Constantin, geb. 13. Mai 1807, ist Majoratsherr der Fideicommißherrschaften Jannowitz u. Kupferberg etc. u. preußischer Generalmajor. 12) Graf Eberhard, älterer Sohn von S. 8), geb. 11. März 1810, ist Majoratsherr der Fideicommißherrschaft Kreppelhof u. lebenslängliches Mitglied des preußischen Herrenhauses, so wie Oberstlieutenant à la suite des 12. Landwehrhusarenregimentes. B) Haus S.-Gedern, welches 1742 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, Stifter: 13) Graf Friedrich Karl, Sohn von S. 3), st. 1767. 14) Fürst Wilhelm Karl, geb. 1725,[866] nahm früh holländische Dienste, ging 1756 in Reichsdienste, wurde Feldmarschalllieutenant u. erhielt 1758 ein Commando, nahm 1759 Torgau, erhielt 1762 das Obercommando der Reichsarmee, verlor als solcher die Schlacht bei Freiberg gegen den Prinzen Heinrich von Preußen u. st. 1764. 15) Prinzessin Luise Maximiliane Karoline, Gräfin Albany, s.d. 6). Dieses Haus starb 1804 mit dem Grafen Karl Heinrich (st. 5. Jan. 1804) im Mannesstamme aus u. die Besitzungen fielen an Wernigerode. C) Haus S.-Schwarza, erlosch mit dem Tode seines Gründers, des 16) Grafen Heinrich August, Sohn von S. 3), st. 14. Sept. 1748, seine Besitzungen gingen ebenfalls an Wernigerode über.
II. Jüngere Hauptlinie zu Stollberg, Gründer: 17) Graf Johann Martin, jüngerer Sohn von S. 1), geb. 1594 u. gest. 1689; seine beiden Söhne trennten dieselbe 1689 in die Linie zu Ortenberg u. zu S., erstere gestiftet von Friedrich Wilhelm, starb wieder aus; der Gründer der noch blühenden letztern war: 18) Graf Christian Ludwig, Sohn des Vor., geb. 1634, st. 1704; durch seine zwei Söhne Christoph Friedrich u. Justus Christian wurde diese Linie in die beiden noch blühenden Häuser zu S.-S. u. zu S-Roßla gespalten. A) Haus Stolberg-Stolberg, besitzt in Preußen die Grafschaft S. (2 QM. mit 6500 Ew.) u. das Amt Heringen (2,25 QM. mit 8600 Ew.), in Hannover das Amt Neustadt (1,5 QM. mit 7200 Ew.), hat seinen Wohnsitz zu S. am Harz u. sein Stifter war: 19) Graf Christoph Friedrich, Sohn des Vor., geb. 1672, st. 1758; dessen zwei Söhne theilten dieses Haus in einen älteren u. einen jüngeren Zweig: a) Älterer Zweig, folgt der Lutherischen Confession u. ist gestiftet vom 20) Grafen Christoph Ludwig II., Sohn des Vor.; jetziger Chef ist: 21) Graf Alfred, Sohn des 1839 verstorbenen Grafen Joseph Christian Ernst Ludwig, geb. 23. Nov. 1820 u. ist seit 1848 mit Auguste geb. Prinzessin von Waldeck vermählt; seine Mutter, Gräfin Luise, die Tochter des Bruders ihres Gemahls, geb. 13. Januar 1799, schrieb Königslieder, Stolb. 1841; der Erbgraf Wolffgang ist 15. April 1849 geboren. b) Jüngerer Zweig, folgt der Katholischen Confession u. ist gestiftet vom 22) Grafen Christian Günther, Bruder von S. 20), st. 22. Juni 1765 als dänischer Geheime Rath u. Oberhofmeister der Königin Sophia Magdalena von Dänemark. 23) Graf Christian, Sohn des Vor., geb. 15. Oct. 1748 in Homburg, studirte 1770–74 in Halle u. Göttingen u. gehörte dort zu dem Hainbunde (s.d.); er wurde 1777 Amtmann zu Tremsbüttel in Holstein, nachdem er längere Zeit königlich dänischer Kammerjunker u. später Kammerherr gewesen war, legte aber diese Stelle 1800 nieder u. lebte seitdem, mit der, in seinen Gedichten gefeierten Louise von Reventlow vermählt, auf seinem Gute Wiedebye bei Eckernförde im Schleswigschen u. st. dort 18. Jan. 1821. Als Dichter empfahl ihn edle Begeisterung, Innigkeit des Gefühls, ein starker u. kraftvoller Ausdruck, Neuheit der Gedanken, Zartheit u. Lieblichkeit. Seine Gedichte finden sich in den gesammelten Werken der Brüder S. (s. S. 24); er schr. noch: Die weiße Frau, Berl. 1814; die Schauspiele Balsazar u. Otanes; übersetzte den Theokrit, Bion, Moschus, die Homerischen Hymnen u.a. Gedichte aus dem Griechischen (Hamb. 1782) u. Sophokles (Lpz. 1787, 2 Bde.). 24) Graf Friedrich Leopold, Bruder des Vor., geb. 7. Nov. 1750 in Bramstedt, studirte mit seinem Bruder seit 1770 in Halle u. seit 1772 in Göttingen, wo er ebenfalls zum Hainbunde gehörte; machte 1775 eine Reise nach der Schweiz, ging 1777 als Minister des Fürstbischofs von Lübeck unter dem Titel eines Oberschenken nach Kopenhagen, lebte aber meist in Eutin in J. H. Voß's Umgange; 1786 wurde er Amtmann zu Neuenburg im Herzogthum Oldenburg u. 1789 dänischer Gesandter in Berlin. Nach dem am 15. Nov. 1788 erfolgten Tode seiner Gattin Agnes geb. von Witzleben vermählte er sich 1790 mit Sophie geb. Gräfin von Redern (geb. 1765, st. 8. Januar 1842); 1791 machte er eine Reise nach Italien u. wurde nach seiner Rückkehr 1793 Präsident der fürstbischöflichen Regierung zu Eutin. Nachdem er schon seit 1793 vielfach Umgang mit Katholischen gehabt hatte, trat er am 1. Juni 1800 in der Hauskapelle der Fürstin Galiczin zu Münster mit seiner Gemahlin zur Römisch-katholischen Kirche über, welcher Schritt ihm manchen harten Tadel zuzog, bes. von J. H. Voß. Er legte darauf seine Ämter nieder, verließ Eutin u. zog nach Münster. Seit 1812 lebte er in Tatenhausen bei Bielefeld u. pachtete 1816 die hannöversche Domäne Sondermühlen im Osnabrückischen, wo er 5. December 1819 starb. Durch größere Kühnheit der Gedanken u. Bilder unterschieden sich seine Gedichte (Oden, Lieder, Elegien, Romanzen etc.) von denen seines Bruders; Natur, Freundschaft u. Freiheit bildeten das Lieblingsthema in denselben. Er schr.: Jamben, 1784; Die Trauer- u. Schauspiele mit Chören Theseus, Apollon's Hain, Servius Tullius u. Der Säugling, 1784–1786; den Roman: Die Insel, 1788; Reise in Deutschland, Schweiz, Italien u. Sicilien, 1794, 4 Bde.; Leben Alfreds d. Gr., 1815; Vaterländische Lieder, mit dem Vor., 1815; übersetzte Platons auserlesene Dialoge, 1795 f., vier Tragödien des Äschylos, 1802; Ossian, 1806; die Ilias, 1778. In den sämmtlichen Werken der Brüder S., Hamb. 1827, 20 Bde., füllen die seinigen den größeren Theil. Die Gedichte besonders, Lpz. 1821, Wien 1822; Goldene Früchte in silbernen Schalen (Auswahl der schönsten aus S-s Schriften), Freib. 1825; seine Balladen erläutert in F. W. Schmidts Balladen deutscher Dichter, Berl. 1827. Nach seinem Übertritte zur Katholischen Kirche schrieb S.: Zwo Schriften des heil. Augustinus von der wahren Religion u. von den Sitten der katholischen Kirche, München u. Lpz. 1803, u. Geschichte der Religion Jesu Christi, Hamb. 1811–1818, 15 Bde. (fortgesetzt von Fr. von Kerz, Bd. 16–45, Mainz 1825–46, u. von Brischar, Bd. 46–48, ebd. 1849–53); Kurze Abfertigung der langen Schmähschrift des Herrn Hofrath Voß, Hamb. 1820; Betrachtungen u. Beherzigungen der Heiligen Schrift, 1819–21, 2 Bde.; Leben des Vincenz von Paula; Ein Büchlein von der Liebe, 1819. Vgl. Lebensumstände des Grafen Friedrich Leopold zu S., Lpz. 1821; Schott, Voß u. S., Stuttg. 1820; Alfr. Nicolovius, Fr. L. Graf zu S., Mainz 1846; Wilh. von Bippen, Eutiner Skizzen, Weim. 1859; Th. Menge, Der Graf Fr. L. S. u. seine Zeitgenossen, Gotha 1862, 2 Bde. 25) Graf Christian Ernst, Sohn des Vor., geb. 30. Juli 1783, war österreichischer Feldmarschalllieutenant u. st. 22. Mai 1846. 26) Graf Andreas, Bruder des Vor., geb. 6. November 1786, ist hannöverscher[867] wirklicher Geheime Rath. Jetziger Chef des jüngeren Zweiges ist: 27) Graf Günther, Sohn von S. 25), geb. 22. November 1820 u. ist kaiserl. königl. Major ind. A.; er ist unvermählt u. hat auch keine Brüder. B) Haus S.-Roßla, dasselbe besitzt die Standesherrschaft Ortenberg in der Wetterau (1,5 QM. mit 3900 Ew.), die Grafschaft S.-Roßla (3,5 QM. mit 9400 Ew.) mit dem Amte Bärnroda (im Bernburgischen) u. das Amt Kelbra (1,5 QM. mit 5400 Ew.), hat zum Wohnsitz Roßla; Gründer: 28) Graf Justus Christian, Bruder von S. 19), geb. 1676 u. gest. 1739; gegenwärtiger Chef: 29) Graf Karl, Sohn des 1846 verstorbenen Grafen August, geb. 1. Aug. 1822 u. ist seit 1849 mit Bertha geb. Gräfin zu Solms-Rödelheim u. Assenheim vermählt; der Erbgraf Botho ist den 12. Juli 1850 geboren.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.