Krakau [1]

Krakau [1]

Krakau, 1) von 1815–46 Freistaat, welcher, aus einem Theile Polens gebildet, unter den Schutz Österreichs, Rußlands u. Preußens gestellt war; er lag zwischen Österreichisch Galizien (von dem er durch die Weichsel), der preußischen Provinz Schlesien (von welcher er durch die Przemza geschieden war) u. dem Königreiche Polen; 22, 30 QM. Der auf immer für neutral erklärte Staat mit dem Titel: Durchlauchtige Stadt, u. Republik K., hatte unter dem Schutze von Österreich, Preußen u. Rußland eine gemischt republikanische Verfassung vom 3. Mai 1815, revidirt den 30 Mai 1833. Jeder Bürger war vor dem Gesetze gleich, die Leibeigenschaft war aufgehoben. Die Volksrepräsentation bestand aus 20 (wenigstens 26 Jahr alten) Abgeordneten der 20 Gemeinden, aus 2 Mitgliedern des Senats, 2 Abgeordneten des Capitels zu K., 2 Doctoren der Akademie, 4 Friedensrichtern; Präsident war einer der Senatoren Die Repräsentanten wurden alle drei Jahre zu Feststellung des Budgets, zur Rechunngsabnahme u. zur Wahl der Senatoren berufen. Die Wähler mußten Mitglieder des Capitels, od. der Universität, od. an der Börse eingeschrieben, Künstler, Gelehrte od. Grundeigenthümer (wenn sie wenigstens 50 polnische Gulden steuerten) sein. Der Senat bestand aus einem Präsidenten, acht Senatoren, hatte die vollziehende Gewalt, ernannte alle Staatsbeamte (ausgenommen die von der Volksversammlung gewählt wurden u. vier der Universität zustehende Capitularstellen) u. prüfte die Gesetze; ein Staatssecretär war dem Senat zugeordnet. Der Präsident, mit dem Prädicate: Hoheit, u. sechs Senatoren wurden auf sechs Jahre vom Volke, ein Senator vom Domcapitel, einer von der Universität lebenslänglich gewählt. Jeder Senator mußte wenigstens 35 Jahre alt sein, auf einer polnischen Universität studirt, ein öffentliches Amt bekleidet haben u. 150 polnische Gulden von seinem Vermögen Steuer geben. Die Gesetzgebung stand der Volksrepräsentation (s. oben) zu, jedoch durfte keine Gesetzabänderung beantragt werden, wenn solche nicht bereits im Senat von der Stimmenmehrheit gebilligt worden war. Rechtsverfassung: Seitdem K. zum Großherzogthum Warschau gehörte, galten daselbst Französische Gesetzbücher u. Französisches Recht. Die Polizei stand seit 1837 unter Leitung eines österreichischen Commissärs. Die höchste Justizbehörde war ein Obertribunal als Appellationsgericht, Mittelinstanz ein Tribuual, unterste Instanz Friedensgericht. Die Republik theilte sich in Stadt u. Land u. beide in Stadt- (zu 2000) u. Landgemeinden (zu 2500 Ew.), jeder war ein Starost vorgesetzt. Jeder Bezirk (wenigstens 6000 Ew.) hatte einen Friedensrichter. Militär: eine Compagnie Polizeisoldaten, zwei Compagnien Linieninfanterie (Uniform: dunkelblau mit rothen Aufschlägen), eine Abtheilung Gendarmen (Uniform: dunkelblau mit hellblauen Aufschlägen), zusammen 501 Mann. Finanzen: Einkünfte: 300,000 Thlr., Ausgaben eben so viel, Schulden (obschon die des Königreichs Polen auf die Republik nicht übertragen waren) gegen 200,000 Thaler Wappen: ein Stadtthor mit drei Thürmen, auf den aufgemachten Thorflügeln ein weißer, gekrönter Adler mit goldenen Kleeblättern im rothen Felde, für gewöhnlich nur letztere. Zum Freistaate K. gehörten außer der Hauptstadt: Krzeszowice (s.d.). Chrzanow, Dorf, 4000 Ew., dabei das Kloster Czerna; Mogila, Dorf mit altem Grabhügel u. der Abtei Klaratumba. 2) (West-Galizien), seit 1854 eins der beiden Verwaltungsgebiete des österreichischen Königreichs Galizien; 417, 97 QM.; grenzt im Norden an Polen, im Westen an Preußisch Schlesien u. Österreichisch Schlesien (Mähren), im Süden an Ungarn, im Osten an das galizische Verwaltungsgebiet Lemberg; es zerfällt in die sieben Kreise: K., Wadowice, Sandee Jaslo, Gzeszow, Tarnow u. Bochnia. Im Süden gebirgig durch die Karpathen, im Norden fruchtbares, zum Theil waldiges Land; Flüsse: Weichsel (hier schiffbar geworden); Nebenflüsse: Rudawa, Czarna u. Biala (schwarze u. weiße), Przemza etc.; Einw.: 1, 590,000; Beschäftigung: Acker- u. Gartenbau, mit Gewinn von Getreide (nicht immer hinreichend), Gemüse (vorzüglich reichlich), Hülsenfrüchten, Flachs, Obst, Gartenfrüchten (Ananas, Artischocken); Viehzucht (Rindvieh, Schafe, Schweine, Bienen, Geflügel), Jagd bedeutend, Bergbau (Eisen, Blei, Zink, Steinkohlen, Marmor, Alaun); etwas Handel; Fabrikwesen u. Schifffahrt findet sich fast gar nicht. 3) Kreis darin, 22, 30 QM., den Umfang des ehemaligen Freistaates einnehmend; 150,000 Ew. 4) (Cracovia), poln. Krakow, Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsgebietes u. Kreises, am Einflusse der Rudawa in die Weichsel u. in einer weiten Ebene am Berge Wawel; Sitz der Regierung, einer Bezirkshauptmannschaft, eines Bezirksgerichts etc., eines Bischofs (Fürst von Severien), Marktplatz mit dem Tuchlaubengebäude (1258 von Kasimir dem Großen erbaut u. 1557 restaurirt) K. besteht aus: a) Alt-K., westlicher Theil, nebst dem weitläufigen Schloß (Zamek), auf einem Felsen, welches mit Mauern u. Thürmen umgeben ist; in seinen Gewölben wurde (bis 1794) der Kronschatz u. die Kronjuwelen Polens verwahrt; 1702 brannte es ab, wurde aber von August II. prächtig wieder aufgebaut, war unter österreichischer Herrschaft Kaserne u. ist jetzt in eine milde Stiftung verwandelt, mit ihm verbunden ist die Kathedrale; b) Kazimierz, östlich von K., auf einer Weichselinsel, von Kasimir dem Großen (1333–70) angelegt, hieß, da es fast ganz von Juden bewohnt wurde u. noch bewohnt wird, die Judenstadt; c) mehrere Vorstädte (Kiepartz, Stradom, Zwierzyniec, Wesola, Piasek, Smolensk, Rybaki, Wielepole). Jenseit der Weichsel, dicht bei K., liegt noch Podgorze, welches zwar eigentlich Vorstadt von K. ist, aber zu Galizien gehört u. seit Ende 1850 durch die Franz-Josephsbrücke mit K. verbunden ist. Nur das eigentliche K. war einigermaßen befestigt u. wurde von Johann Sobieski mit einigen Bastionen u. einem Erdwalle von Rasen umgeben. K. besitzt 39 (sonst 70) Kirchen, darunter große Kathedrale mit silbernem Sarg des St. Stanislaus, 50 Altären, 20 Kapellen, Gräbern u. Denkmälern des Jagello, der Hedwig, der drei Sigismunde, des Stephan Bathori, Joh. Sobieski, Koszinszko, Poniatowski, Potocki mit einem [759] Denkmal von Thorwaldsen, seit 1320 nach Gewohnheit, seit 1564 u. 1569 nach Gesetz Krönungsort der polnischen Könige bis 1764; St. Marien- (Stadt-) kirche mit einem 300 Fuß hohen kunstreichen Thurm; St. Peters- u. Pauls- (vormals Jesuiten-) kirche, St. Stanislauskirche (Skalka), die älteste Polens, Universitätskirche zu St. Anna, mit Denkmal des Copernicus, die Katharinen- u. Fronleichnamskirche, die Dreifaltigkeitskirche, die St. Michaelskirche u. eine protestantische Kirche; Synagogen. Akademie (Schola regni), mit Bibliothek von 50,000 Bänden u. 4000 Manuscripten, Naturaliencabinet, Sternwarte, Botanischem Garten u. Medicinisch-chirurgischem Clinicum; nicht gegründet von Jagello, Jagellonische Akademie hieß sie deshalb, weil die Könige aus diesem Hause dies Institut besonders pflegten, sondern projectirt von Kasimir dem Großen u. begonnen von der Königin Hedwig u. Peter von Radolin, Fürstbischof von Krakan; da die von der Königin bestimmten Gelder nach ihrem Tode nicht ausreichten, so vollendete sie der Fürstbischof aus eigenen Mitteln; sie hatte 11 Collegien u. unter sich, außer einem Gymnasium, noch 14 in der Stadt zerstreute grammatikalische Schulen; ihre öffentlichen Lehrer genossen, nebst dem Indigenat, die Ritterwürde, welche bei den Professoren der Medicin, welche 20 Jahre gelehrt hatten, auch auf ihre Nachkommen forterbte; die Professoren der Theologie, Philosophie, Jurisprudenz u. der Schönen Künste u. Wissenschaften aber mußten unverheirathet u. katholische Priester sein. 1817 erhielt diese Universität eine neue Einrichtung, wurde am 5. October 1826 von den drei Schutzmächten bestätigt, aber schon 1833 umgestaltet. Gelehrten-, Unterrichts- u. Wohlthätigkeitsgesellschaften: Literarische, Musikalische Gesellschaft, Forstwissenschaftlicher Verein, 4 Bibliotheken, Anna-Gymnasium, Geistliches Seminar, Schullehrer-Seminar, Lyceum, Gewerbschule (sonst Barbara-Gymnasium), 15 Mönchs- u. 10 Nonnenklöster, St. Lazarushospital, Pfandleihhaus etc. Fabriken in Tuch, Baumwollen- u. Leinenwaaren, Hüten, Wachslichtern etc., Gerbereien; starker Handel, besonders als Speditionshandel zwischen Ungarn, Schlesien u. Galizien. Einw.: 50,300, darunter 12,000 Juden. In der Nähe K-s der Hügel Bronislawa mit 125 Fuß hohem, von Kosciuszkos Büste gekröntem Denkmal zu Ehren dieses: ferner die Dörfer Wo! a mit schönem Garten, Cobzów (Zobzow) mit altem Schloß. K. steht nordwärts durch eine Eisenbahn mit Warschau, westwärts mit den Schleichen Bahnen u. der Österreichischen Nordbahn n. ostwärts mit Wieliczka, Bochnia, Tarnow etc. in Verbindung.

Die Stadt K. soll 700 von Krak I. gegründet worden sein. Früher hatte K. ein Erzbisthum; als aber 1060 Lambertus Zula die erzbischöfliche Würde nicht annahm, wurde es in ein Bisthum verwandelt u. unter den Erzbischof von Gnesen gestellt. Ziemowit eroberte K. im 11. Jahrh. von den Mähren. 1076 ermordete Boleslaw II. von Böhmen den Bischof Stanislaw vor dem Altar, weil er ihm mit seinen Ermahnungen lästig fiel. Die Diöcese des Bischofs erstreckte sich über die Woiwodschaften K., Sandomir u. Lubliu; außerdem war der Bischof seit 1433 zugleich souveräner Herzog von Severien, dem Landstrich zwischen K. u. Schlesien. 1241, 1260 u. 1281 wurde K. von den Tataren erobert u. zerstört. 1257 erhielt K. Magdeburgisches Recht. 1291 kam K. an Böhmen; von diesen eroberte es König Wladislaw von Polen wieder u. ließ sich 1320 daselbst krönen; seit dieser Zeit blieb es die Krönungsstadt u, Residenz der Könige von Polen, während früher Gnesen dieselbe gewesen war. 1345 wurde es vergebens vom König Kasimir III. von Polen belagert. Dagegen verlegte Sigismund III. (1587–1632) die Residenz von K. nach Warschau, wo sie seitdem verblieb. 1591 entstanden bürgerliche Unruhen zwischen Katholiken u. Protestanten, u. 1606 wurde die protestantische Kirche gestürmt. 1655 n. 1702 wurde K. von den Schweden erobert u. Stradom ganz verwüstet. 1702 neue Verwüstung durch die Schweden, wobei das königliche Schloß abbrannte. 1768 wurde in K. die Krakauer Conföderation abgeschlossen, s. Polen (Gesch.), u. die Conföderirten daselbst von den Russen belagert u. die Stadt mit Sturm genommen. 2. Febr. 1772 wurde K. von den Conföderirten Polens überrumpelt u. die russische Besatzung capitulirte. 1796 wurde K. österreichisch. 13. Juli 1809 von den Polen u. Russen genommen. K. kam nun an das Großherzogthum Warschau, bis es durch den Wiener Congreß 1815 Hauptstadt einer Republik wurde.

In dem neuen Freistaate K. (s. oben 1) hatte Rußland die vornehmsten Beamten für sein Interesse zu gewinnen gewußt u. die Verwaltung wurde ziemlich willkürlich geführt. In der Polnischen Revolution brach der Aufstand auch in K. im Dec. 1830 aus; zunächst wurde der Senatspräsident Wodzicki u. andere Senatoren ab- u. mit bewährten Patrioten ersetzt; Krakauer traten in die polnischen Heere, reiche Unterstützung wurde von K. aus nach Polen geschafft, u. als dieser Aufstand unterdrückt war, nahm K. viele polnische Flüchtlinge auf. Obgleich die meisten dieser Flüchtlinge bereits nach Österreich ausgetreten waren, so kam doch noch ein russisches Corps unter Rüdiger, welches vollends alle den Russen Verdächtige entfernte. Darauf zogen die Russen ab, u. nach einer Maßregel der drei Schutzmächte zur Wiederherstellung der gestörten Ordnung im Staate, wurde 1833 der alte Senat aufgelöst. Die Abneigung gegen Rußland wuchs; man nahm immer noch polnische Flüchtlinge auf u. zeigte sich offenbar feindselig gegen die russischen Anhänger, wie denn Einer, Joh. Pawlowski, sogar ermordet wurde. Da man die Mörder nicht entdecken konnte, erging von den Schutzmächten am 9. Febr. 1836 an den Senat eine Anforderung, die politischen Flüchtlinge binnen acht Tagen aus dem Gebiet des Freistaates zu verweisen. Der Senat forderte die Gäste auf, zu gehen, da es aber nur wenige thaten, so zogen am 17 Febr. österreichische, den 20. russische u. den 22. preußische Truppen, welche alle unter das Kommando des österreichischen Generalfeldwachtmeisters Kaufmann gestellt wurden, in K. ein. In Folge davon nahm der Präsident Wieloglowski seine Entlassung, u. an seine Stelle wurde Joseph Haller Präsident. Nachdem die Flüchtlinge gewaltsam entfernt waren, zogen am 20. April die russischen n. preußischen Truppen ab, eine Abtheilung der österreichischen sollte zurückbleiben, bis eine neue Polizei u, eine neue Miliz gebildet war, welche jede fernere Demonstration des Staates gegen die Schutzmächte hindern sollte. Zugleich wurden in der Verfassung die Rechte des Präsidenten u. der Schutzmächte vermehrt, wogegen Frankreich u. England vergebens protestirten. Nachdem Alles abgemacht[760] schien, verließen die letzten österreichischen Truppen im Herbst 1837 K., nur ein österreichischer Commissär leitete noch die Polizei. Durch die neuen Anordnungen u. Maßregeln, die Erhöhung der Steuern, das Sinken des Handels, indem Rußland eine Grenzsperre eintreten ließ, den Verfall der Akademie, da weder Russen noch Österreicher dieselbe besuchen durften, verfiel der Staat sehr. Inzwischen fanden sich ungeachtet aller Strenge der Polizei wieder polnische Flüchtlinge ein; u. nun wurde neben der öffentlichen eine geheime Polizei eingesetzt, u. da Einer derselben, Celak, ermordet worden war, u. die Behörden die Untersuchung nicht ernst genug betrieben, so rückten wieder österreichische Truppen ein, u. eine Untersuchungscommission, gebildet von den Schutzmächten, sollte den vorliegenden Fall untersuchen u. zugleich eine bestehende Behörde für die Einleitung der Untersuchung aller politischen Verbrechen bleiben. Dieselbe entdeckte auch wirklich 1839 eine Verbindung mit revolutionären Zwecken (Bund der polnischen Nation), von Krakauer Studenten gestiftet. 1839 legte Haller seine Stelle nieder, weil er das Zutrauen der Mächte nicht mehr zu haben glaubte. Erst 20. Febr. 1841 zogen die Österreicher ihre letzten Truppen aus K. An Hallers Stelle wurde Schindler Staatspräsident. Obgleich er sehr aufmerksam die Pläne der mißvergnügten Patrioten beobachtete, so war ihm doch die schon seit längerer Zeit angezettelte u. weitverzweigte Verschwörung entgangen, welche eine Erhebung u. Befreiung ganz Polens bezweckte u. in dem Freistaat K. einen ihrer wichtigsten Punkte hatte. Geheime Proclamationen hatten dort bereits seit geraumer Zeit das Volk auf die beabsichtigte Umwälzung vorbereitet u. Waffen, Munition u. Kriegsvorräthe in großer Menge eine sichere Niederlage gefunden. Anfang 1846 häuften sich die drohenden Anzeichen dermaßen, daß die Schutzmächte nicht länger in Zweifel über die devorstehende Gefahr sein konnten. Am 14. Febr. fanden in Posen Verhaftungen in, Masse Statt, u. am 18. Febr. rückten 1200 Mann Österreicher unter General Collin in K. ein. Dies wurde das Signal zum Aufstande. Schon am 19. Febr. war der ganze Freistaat unter Waffen; die Bauern waren dem Rufe der Edelleute gefolgt, u. bis zum 21. Febr. hatten die Österreicher bereits beständige Angriffe durch Insurgentenhaufen zu bestehen, schlugen dieselben aber stets zurück. Als aber am 22. Febr. die Nachricht von dem Anrücken neuer größerer Haufen kam u. die erwartete russische Hülfe noch immer ausblieb, räumte General Collin K. vorläufig. Die Stadtmiliz, der Senat u. viele Privatpersonen begleiteten ihn nach Podgorze. In K. selbst bildete sich sofort ein Sicherheitscomité, bestehend aus Wodzicki, welcher 1831 die Krakauer Miliz befehligte, u. angesehenen Bürgern. Dasselbe mußte jedoch fast sofort wieder vor einer aus Gorszkowski, Tyssowski u. Grzegorzewski gebildeten Nationalregierung weichen. Ein von dieser am 22. Februar erlassenes Manifest rief alle Polen zu den Waffen u. verhieß Aufhebung der Zinsen, Frohnden etc., sowie den Freiheitskämpfern Entschädigung aus den Nationalgütern. Am 23. Febr. wurde von den Aufständischen ein Angriff auf Podgorze gemacht, in dessen Folge sich die Österreicher bis Wadowice zurückzogen. Inzwischen hatten aber die revolutionären Ereignisse außerhalb des Freistaates eine entschieden ungünstige Wendung genommen. In Posen war jeder Gedanke an eine Erhebung unmöglich geworden; das Königreich Polen, Podolien, Volhynien waren, da dort der meist in Verbannung lebende Adel fehlte, ganz theilnahmlos; in Galizien traten die Bauern entschieden auf Seite der Regierung u. wandten sich mit gewaffneter Hand gegen die Insurgenten, ja gegen den Adel überhaupt. So eilte auch der Aufstand in K. rasch seinem Ende zu. Die Krakauer, welche in Galizien schon Fortschritte gemacht u. Gdow u. Wieliczka besetzt hatten, konnten nicht weiter vordringen. Am 26. Febr. an beiden Orten von den Österreichern u. Bauern angegriffen, leisteten sie nur bei Gdow einen vergeblichen Widerstand, verließen aber Wieliczka schon bei dem Erscheinen der österreichischen Vorhut; auch Podgorze wurde noch am Abend von Collin wieder genommen. Schon waren aber auch nun in Galizien bedeutende österreichische Truppenmassen concentrirt, die Russen marschirten von Kielce heran u. die Preußen hatten die Grenze stark besetzt. In K. selbst war die von vornherein herrschende Uneinigkeit in offene Spaltung zwischen der aristokratischen Partei, welcher sich die Bürgerschaft angeschlossen hatte, u. der demokratischen übergegangen. Zwei der Regierungsmitglieder waren bereits ausgeschieden, u. Johann Tyssowski hatte die Gewalt allein als Dictator übernommen. Bei dem Heranrücken der fremden Truppen zeigte sich des Dietators Unentschlossenheit, u. es riß eine allgemeine Muthlosigkeit ein. Bis zum Morgen des 3. März räumten die Insurgenten die Stadt; ein Theil verbarg sich auf Krakauer Gebiet, die am meisten Compromittirten traten nach Preußen über, wo sie entwaffnet wurden. Noch am 3. März besetzten die Russen ohne Schwertstreich die Stadt K., an demselben Tage die Österreicher unter Collin; am 7. März endlich rückten Preußen ein. Tyssowski wurde erst in Dresden verhaftet, auf den Königstein gebracht, daselbst von sächsischen u. östereichischen Commissären verhört u. endlich gegen das Gelübde, nie nach Europa zurückzukehren, in Triest straflos nach Nordamerika entlassen. Nach Niederwerfung des Aufstandes wurde K. in Belagerungszustand erklärt. Der Commandant der österreichischen Truppen in K., Graf von Castiglione, wurde an die Spitze der einstweiligen Verwaltung gestellt, wie auch österreichische Truppen die Besetzung der Stadt K. übernahmen, während die russischen u. preußischen Truppen nach bestimmten Abgrenzungen im Lande aufgestellt wurden. Auch wurden sofort hinsichtlich der Zusammensetzung der Civilverwaltung unter militärischer Oberleitung u. der Bildung einer gemischten Untersuchungscommission die nöthigen Anordnungen getroffen. Unterthanen der Schutzmächte wurden ausgeliefert, eingeborene Krakauer od. fremde Angehörige einem ordentlichen Gerichtsverfahren unterworfen. In Berlin aber begannen vom 6. April an Conferenzen der Abgeordneten der drei Schutzmächte behufs der Feststellung der künftigen Verhältnisse desselben, u. am 6. Novbr. 1846 wurde in Wien definitiv über das Schicksal K-s durch Übereinkunft zwischen Österreich, Preußen u. Rußland dahin entschieden, daß, weil die Republik K. sich als politischer Körper zu schwach erwiesen habe, um den unaufhörlichen Umtrieben der polnischen Emigranten zu widerstehen, u. deshalb den Schutzmächten keine Bürgschaft gegen Umwälzungsversuche gebe, derartige Versuche aber offene Verletzungen des Tractats vom 3. Mai u. 21. April 1815, wie des zweiten [761] Artikels des Verfassungsstatutes von 1833 seien, jener Tractat aufgehoben u. K. mit seinem Gebiet an Österreich zurückgestellt werde, wie es dasselbe bis 1809 besessen. Die Protestation Englands u. Frankreichs blieben unberücksichtigt, das Besitznahmepatent wurde unter dem 11. Novbr. erlassen, am 16. in K. publicirt u. den 17. Novbr. erfolgte die Besitzergreifung durch den Grafen von Deym. Die Organisation der österreichischen Behörden in K. erfolgte dann unverweilt; alle bei dem Aufstand nicht gravirten Beamten der früheren Krakauer Regierung wurden von Österreich übernommen. Schwieriger zu ordnen waren die Zollverhältnisse des neuen Gebietes, hinsichtlich deren längere Verhandlungen, bes. mit Preußen, stattfanden. Doch hatte man sich bis Anfang des Jahres 1847 auch hierüber geeinigt, dergestalt, daß Stadt u. Gebiet K. vom 29. Jan. 1847 ab zum österreichischen Zollgebiete gehören u. die Staatsgrenze gegen Preußen u. das Königreich Polen auch die Zolllinie bilden solle. Durch die Reichsverfassung vom Jahre 1849 wurde das Krakauische Gebiet als Großherzogthum K. mit dem Kronlande Galizien vereinigt, bildete nach der Landesverfassung von 1850 einen der drei Regierungsbezirke Galiziens, wurde 1854 jedoch vergrößert u. bildet seitdem eins der beiden Verwaltungsgebiete des österreichischen Kronlandes (Königreichs) Galizien. In der Stadt K. war am 18. Juli 1850 eine große Feuersbrunst. Vgl. Krolikowski, Mém. hist. et polit. sur l'état actuel de la ville libre de K., Par. 1840.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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