Schauspielkunst

Schauspielkunst

Schauspielkunst, ist die Kunst der sinnlichen Darstellung dramatischer Gedichte durch lebendige Menschen (Schauspieler, im Gegensatz zu Marionetten, s.d.), welche die in dem Drama vorkommenden Personen sprechend u. handelnd darstellen. Die S. bezeichnet daher zuvörderst die Kunst des Schauspielers selbst; man rechnet zu ihr aber auch die Herbeischaffung der äußeren Bedingungen der theatralischen Darstellung, die Kunst der Anordnung u. Benutzung der Mittel, durch welche der Schein, als ob eine wirkliche Reihe von Begebenheiten u. Handlungen vor den Augen des Zuschauers sich ereigne, unterstützt werden kann (Einrichtung des Theaters, Maschinerie, Decoration, Kostüm etc.). Die Kunst des Schauspielers zeigt sich in zwei Hauptpunkten: der Auffassung seiner Rolle u. der Darstellung derselben durch Declamation u. Mimik (s. b.); die Verbindung beider charakterisirt sein Spiel. Seine Aufgabe ist, den von dem Dichter geschaffenen Charakter als ein lebendiges Ganze bis in die kleinsten u. feinsten Einzelnheiten dem Zuschauer zur Anschauung zu bringen; es gehört dazu nickt nur ein Studium menschlicher Individualitäten, Gemüthszustände, Affecte u. Leidenschaften überhaupt, sammt der Fähigkeit ihre verschiedenen Erscheinungsformen. Nüancen u. Abstufungen durch Declamation u. Mimik unabhängig von der eigenen Individualität den entsprechenden Ausdruck zu geben, sondern auch Verständniß u. Vertiefung in den Charakter des dramatischen Gedichtes u. der einzelnen Rolle. Ein Spiel, bei welchem die Individualität des Schauspieler hinter den Charakter seiner Rolle zurücktritt, nennt man ein objectives; ein solches, bei welchem man in jeder Rolle doch immer vorherrschend an die eigene Individualität des Schauspielers erinnert wird, ein subjectives; u. wenn gewisse feststehende, auf den Effect berechnende Angewohnheiten u. Arten des Vortrages auch am unpassenden Orte zum Vorschein kommen, ein maniriertes. Selten ist ein Schauspieler für die verschiedenartigsten Rollen gleich befähigt; die relative Vielseitigkeit desselben gehört daher mit zu dessen wesentlichen Vorzügen. Von großen Schauspielern, welche eine Rolle so darstellen, daß dadurch der Zuschauer erst zu dem rechten Verständniß des dargestellten Charakters gebracht wird, sagt man mit Recht, daß sie eine Rolle schaffen; der Schauspieler, obwohl abhängig vom Dichter, kann in dieser Beziehung eine echte u. großartige Poetische Kraft entfalten; Schauspieler dieser Art erreichen selbst bei unbedeutenden Rollen oft große Wirkungen. Zu den Erfordernissen der S. gehört endlich auch noch ein richtiges u. wirksames Zusammenspiel (Ensemble), indem der künstlerische u. dramatische Totaleffect nothwendig gestört wird, nicht nur, wenn neben einigen gut ausgeführten Rosen andere mittelmäßig u. schlecht gespielt werden, sondern auch, wenn die Darstellung jeder einzelnen Rolle nicht in dem richtigen Verhältnisse zu den übrigen u. dadurch zu dem Ganzen der dramatischen Dichtung steht. Indem die S. durch die sinnliche Darstellung einer dramatischen Handlung, vorzüglich wo sie durch das Kostüm u. die Decoration unterstützt wird, den Zuschauer aus der Alltagswelt seiner gewohnten Wirklichkeit in eine mehr od. weniger ideale u. dichterische Welt versetzt, fesselt sie nicht nur die Schaulust u. beschäftigt die Einbildungskraft, u. bietet somit ein Mittel der geistigen Unterhaltung dar, sondern sie ist auch fähig, die stärksten u. großartigsten Eindrücke von echt künstlerischem u. sittlichem Gehalt zu machen. Daher erklärt sich, daß bei allen Culturvölkern mit der Entstehung u. Entwickelung der dramatischen Poesie die S. Hand in Hand gegangen ist u. daß meistentheils Blüthe u. Verfall der S. mit der Blüthe u. dem Verfall der dramatischen Poesie parallel läuft, über den sittlichen Werth u. namentlich über den Grad bürgerlicher Achtung, welche dem Schauspieler gebühre, haben lange Jahrhunderte hindurch vielfache Vorurtheile geherrscht, welche, wenn auch namentlich in früheren Zeiten, wo Schauspieler u. Schauspielergesellschaften meist ein herumwanderndes Leben führten, durch ihre bisweilen leichtfertige u. lockere Lebensweise gerechtfertigt, doch allmälig vor der Einsicht in den idealen Werth der dramatischen [107] Kunst verschwunden sind. Nicht nur die künstlerischen Leistungen großer Schauspieler, sondern auch die bürgerliche Ehrenhaftigkeit einer sehr großen Anzahl derselben, welche durch gesicherte Anstellungen an stehenden Theatern ihnen erleichtert worden ist, haben ihrem Stande zu derselben Achtung verholfen, welche jede andere Gattung von Künstlern in Anspruch zu nehmen berechtigt ist. Vgl. K. Fr. Stäudlin, Geschichte der Vorstellungen von der Sittlichkeit des Schauspiels, Gött. 1823; Rötscher, Das Schauspielwesen vom Standpunkt der Wissenschaft u. Civilisation aus beurtheilt, Berl. 1843.

Die S. entwickelte sich in Europa zuerst in Griechenland, namentlich in Athen. Das Schauspiel, sowohl Tragödie wie Komödie, ging dort aus der Feier der Dionysosfeste hervor, u. wie diese nicht eine Privatsache, sondern eine Angelegenheit des Staates waren, so stand bis in der späteren Zeit herab die S. in Athen, wo an den großen od. städtischen, den kleinen od. ländlichen Dionysien, den Lenäen u. den Anthesterien scenische Stücke aufgeführt wurden, unter Aufsicht des Staates, nämlich des Archon Basileus für die Lenäen, des Archon Eponymos für die großen Dionysien u. die übrigen. Wollte ein Dichter, welcher indeß das gesetzliche Alter (von wohl 30 Jahren) erreicht haben mußte, sein Stück zur Aufführung bringen, so wandte er sich an den Archon u. bat um einen Chor, d.h. um die Erlaubniß zur Aufführung. Dieselbe wurde, wenn dem Archon das Stück gefiel, ihm gegeben mit der Weisung an denjenigen, welchem die Choregie (s. Athen [Ant.] I. E) gerade oblag. Dieser, der Choregos, hatte die Ausstattung, die Erhaltung von da bis zur Aufführung u. die Einübung des Chores durch den Chorodidaskalos zu besorgen. Der tragische Dichter brachte gewöhnlich drei Stücke (Trilogie) in Verbindung mit einem Satyrdrama (Tetralogie) auf die Bühne, u. da die theatralische Aufführung eine Art musischer Wettkampf war, so traten gewöhnlich drei Dichter gegen einander in die Schranken. Zur Entscheidung dieses Wettkampfes waren vom Staate vereidigte Kampfrichter (Agonotheten) bestellt, welche am Schlusse der Aufführung über die Leistungen der Dichter, Choregen u. Schauspieler zu urtheilen u. die Kampfpreise zuzuertheilen hatten. Diese Preise bestanden für den Dichter aus einem Ährenkranze; dem Choregen wurde außer einem Kranze noch die Erlaubniß gegeben dem Dionysos ein Weihgeschenk, gewöhnlich einen Dreifuß, im Theater, in der Tripodenstraße od. im Tempel aufzustellen. Den Schauspielern waren außer der Besoldung gleichfalls Kampfpreise, in Geld bestehend, ausgesetzt, dagegen wurden sie für schlechtes Spiel nicht selten durch Geißelhiebe von den Zuschauern bestraft. Für Ordnung u. Ruhe während der Aufführung hatten die unter den Agonotheten stehenden Mastigophoroi zu sorgen. Über den Ort der Aufführung s. Theater. Das agirende Personal war der Chor (s.d.) u. die Schauspieler (Hypokritai). Alle Rollen, auch Weiberrollen, wurden von Männern gegeben, da bei dem Dionysoscult, aus welchem das Schauspiel hervorgegangen war, nur Männer thätig waren. Der Dichter hatte seine Schauspieler selbst zu stellen u. trat in älterer Zeit nicht selten selbst in einer Rolle auf. Die Zahl der Schauspieler war eine feststehende, zur Zeit des Äschylos hatte man zwei, durch Sophokles kam ein dritter hinzu. Sie mußten in Musik, Gesang u. Declamation gut geschult sein u. ein gutes Gedächtniß, eine starke Stimme, einen deutlichen u. richtigen Vortrag haben. Aus den von dem Dichter präsentirten Schauspielern wurden drei durch das Loos bestimmt, geprüft u. von dem Dichter zur Aufführung eingeübt. Wenn ein Schauspieler einmal gefallen hatte, brauchte er, wenn das Loos ihn wieder traf, keine zweite Prüfung zu bestehen. Der Stand der Schauspieler war in dem literarisch u. künstlerisch gebildeten Griechenland geehrt, u. es gingen oft Redner zu ihnen in die Schule, z.B. Demosthenes zu dem Neoptolemos. Nicht selten ehrte man hervorragende Schauspieler durch Inschriften u. Denkmäler. Die in einem Stücke vorkommenden Rollen wurden unter die drei Schauspieler vertheilt, u. diese selbst in Bezug auf Umfang u. poetische Bedeutung der Rolle Protagonistes, erster, Deuteragonistes, zweiter, u. Tritagonistes, dritter Schauspieler genannt. Oft hatte der Protagonist nur eine umfangreichere Rolle, der Tritagonist vier od. fünf Nebenrollen zu spielen. Daß der Protagonist durch die mittlere Thür der Scenenwand, wenn diese einen Palast vorstellte, auftrat, ist nur insofern richtig, als, da die Hauptperson des Stückes häufig der König war, dieser aus dem Innern des Palastes durch die mittlere, die königliche Thür, auftreten mußte. Die Nachricht des Pollux, daß der Deuteragonist durch die rechte, der Tritagonist durch die linke Thür auftraten, traf nicht immer; aber das war Regel, daß die aus der Stadt u. vom Lande kommenden Personen dem Zuschauer zur Rechten, vom Meere u. aus der Fremde kommenden zur Linken auftraten. Diese Regel, aus Athen stammend, wo die Lage des Dionysostheaters dieses Auftreten verlangte, verbreitete sich bald weiter u. wurde allgemein giltig. Sehr selten kam es vor, daß die Aufführung noch eine vierte Person nöthig machte; diese Aushülfe hieß Parachoregema, nach And. Paraskenion. Neben diesen Personen konnte der Dichter noch eine Anzahl stummer Personen (κωφὰ πρόσωπα, κενὰ πρόσωπα) auf die Bühne bringen als Gefolge von Königen, Königinnen u. Helden. Diese hießen Therapontes od., wenn sie bewaffnet auftraten, Doryphoroi; die weibliche Bedienung Therapainai. Auch dieses Gefolge hatte der Choreg zu stellen. Die Garderobe bestand in der Tragödie für Könige u. Helden in einem bunten gewirkten Leibrock mit Ärmeln, bei jüngeren Personen bis an die Knie, bei ältern bis auf die Füße reichend, einem Wams, welches die Brust bedeckte, u. einem grünen Überwurf mit goldgesticktem Purpursaum. Andere hochstehende Personen trugen einen kürzern purpurnen goldgestickten Mantel, welcher von einem breiten reichgestickten Gürtel zusammengehalten wurde; die Kleidung einer Königin war ein langes purpurnes Kleid, in Trauer ein schwarzes Schleppkleid mit blauem od. dunkelgelbem Überwurf; Flüchtlinge od. andere Unglückliche trugen graue od. schwarze Kleidung. Dazu kamen die Schuhe mit ungewöhnlich hohen Absätzen (Kothornoi) u. der hohe Haaraufsatz (Onkos), sowie verschiedene Ausstopfung von Brust u. Gliedern, was Alles dazu diente, die hohen Gestalten der Helden des Alterthums auch auf der Bühne hervortreten zu lassen. Zur vollständigen Garderobe gehörten dann noch Waffen aller Art, Scepter, Heroldsstäbe etc. Den Satyren u. Silenen dienten Felle von Ziegen, Böcken u. Hirschen als Kleidung.[108] Das Kostüm der Komödie war im Allgemeinen das des gewöhnlichen Lebens, für Männer ein weißer Leibrock, für Jünglinge ein rother, für Sklaven ein bunter Mantel mit gleichfarbigem Überwurf; Bauern trugen einen zottigen Rock od. Pelz nebst einem Ranzen u. Stock; alte Frauen ein hellblaues od. dunkelgelbes Kleid, Jungfrauen u. Priesterinnen ein weißes Gewand. An den Dionysosfesten hatte man sich das Gesicht mit Weinhefen, späterhin mit Mennich roth gefärbt od. mit Blättern u. Baumrinde bedeckt. Daraus entstanden mit Äschylos die leinenen bemalten, den ganzen Kopf bedeckende Masken (Prosopa), welche die typischen Züge des betreffenden Charakters darstellten u. deren weite Mundöffnung zugleich dazu bestimmt war, bei den unter freiem Himmel vor einer sehr großen Menschenmenge stattfindenden Aufführungen die Stimme zu verstärken. Dadurch wurde ihnen freilich die Möglichkeit entzogen ihr Spiel durch die Mimik des Gesichts zu individualisiren. Die Farbe des an den Masken angebrachten Haupthaares hatte ihre bestimmten Unterschiede; die Götter u. das reifere Alter trugen schwarzbraunes, junge Personen u. Göttinnen blondes, die Götter der Unterwelt schwarzes u. das Greisenalter bleiches Haar. Die Choreuten trugen der gewöhnlichen Natur u. Sitte nachgebildete Masken, in Satyrspielen der Chor Satyr- u. Silenmasken. In der Komödie war durch die Maske die ganze Erscheinung ins Lächerliche gezogen. Wenn ein Chor von Thieren aufzutreten hatte, so wurde auch die menschliche Gestalt beibehalten, doch so, daß z.B. in den Fröschen des Aristophanes die Choreuten froschgrüne, anliegende Kleider u. Masken mit weitaufgesperrtem Maule trugen, in den Vögeln desselben die Masken mit großen Schnäbeln, Federbüschen u. Kämmen versehen waren. Die neuere Komödie brachte eine große Anzahl feststehender Charaktermasken auf. Aufgeschriebene Nachrichten über die Aufführung u. den Erfolg der einzelnen Vorstellungen enthielten die in dem Theater aufgestellten Didaskalien (s.d. 4) u. 5). Vgl. Schneider, Das attische Theaterwesen, Weimar 1855; Geppert, Die alte griechische Bühne, Lpz. 1843; Witzschel, Die tragische Bühne in Athen, Jena 1847; Kannengießer, Die alte komische Bühne zu Athen, Breslau 1817.

In Rom war die Aufführung der Schauspiele einer Behörde übergeben. Die Curulischen Ädilen u. der Praetor urbanus hatten für die Aufführung von scenischen Spielen aus eigenen Mitteln zu sorgen u. wetteiferten mit einander in Glanz u. Pracht der Ausstattung. Der Beamte (Dator muneris od. ludi) hatte als solcher für den ganzen scenischen Apparat, d.h. für die Ausschmückung der Bühne, für Theatermaschinen u. Kostüme der Schauspieler, zu sorgen, dem Dichter für neue Stücke das Honorar zu bezahlen, die Schauspieler zu besolden, die Proben zu halten u. die Spiele anzukündigen. Unter ihm standen als Unterbeamte der Praeco, welcher Ruhe gebot, wenn die Vorstellung begann, die Designatores, welche den Zuschauern die Plätze anwiesen u. Unordnung u. Störung zu verhüten hatten, wobei die Lictoren sie wohl zuweilen unterstützten, u. die Conquisitores, welche das Publicum zum Applaudiren (s.d. 2) auffordern sollten. Unter den Kaisern wuchs die Zahl dieses Personals noch mehr. Die Schauspieler (Histriones, Tragoedi u. Comoedi, Actores, Artifices, weniger ehrenvoll Ludii, Ludiones genannt) schaarten sich gewöhnlich als Truppe (Grex, Acerva) um den Hauptschauspieler (Actor primarum partium), welcher als solcher Dominus gregis, Director, sie selbst Gregales genannt wurden, u. zwar nach ihrem Director Grex Roscianus etc. Solche Schauspielschulen scheinen bes. in Ciceros Zeit geblüht zu haben, u. berühmte Schauspieler, wie Roscius u. Pylades, standen bei den vornehmsten Männern in Achtung u. genossen deren Gunst u. Umgang. Der Dator muneris hatte sich mit dem Director über Zeit u. Honorar des Spieles zu vereinigen. Waren die Schauspieler Sklaven, so erhielt ihr Herr das Geld, waren sie Freie, so bekamen sie es selbst. Die Honorirung ausgezeichneter Schauspieler war sehr beträchtlich; gewöhnliche erhielten für eine Vorstellung 5 bis 7 Denare. Im Zeitalter des Tiberius war der Sold derselben so hoch gestiegen, daß sich die Sumtuargesetze auch auf die Minderung dieses Aufwandes erstreckten; M. Antoninus setzte 5 Aurei fest u. befahl, daß sich diese Summe nicht über 10 vermehrte. Nicht selten erhielten gute Schauspieler noch besondere Ehrengeschenke (Corollaria, Donationes). Der Director od. der Dichter vertheilte die Rollen. Lange wurden auch in Rom die weiblichen Rollen von Männern gespielt, u. erst unter den Kaisern kamen Frauen auf die Bühne. Die Zahl der Schauspieler für ein einzelnes Stück war in Rom nicht so beschränkt wie bei den Griechen, sondern richtete sich nach dem Inhalte des Stückes. Die Kostüme waren der Sitte des Volkes nachgebildet, welchem die betreffenden Personen angehörten. Auf die römische Bühne kam die Maske (Persona) zur Zeit des Terentius, doch wurden die Schauspieler zuweilen genöthigt dieselbe abzulegen, damit die Zuschauer das Mienenspiel beobachten konnten. Obgleich in den ältesten Zeiten die Dichter bisweilen selbst mit auf der Bühne auftraten u. einzelne berühmte Schauspieler ihrer Bildung wegen Achtung genossen (s. oben), so war doch im Allgemeinen der Stand der Histrionen ein verachteter. Nur in den Atellanen aufzutreten galt nicht für schimpflich u. gefährdete die bürgerlichen Rechte in keiner Weise, weil die Atellanen gleichsam eine Fortsetzung der Exodien u. Saturae war, welche angesehen waren, ja die Söhne römischer Bürger hatten diese Aufführung sich selbst vorbehalten. Am meisten Gewicht ward in Rom auf prachtvolle Ausschmückung der Bühne, auf rauschende Musik u. leidenschaftliche Action gelegt, weshalb die Pantomimen bis in die späteste Kaiserzeit beliebt waren.

Der Bekanntschaft mit den Römern hatten die Juden die Einführung dramatischer Schauspiele zu danken, das erste Theater in Jerusalem wurde unter Herodes gebaut. Als die heidnischen Schauspiele allmälig verfielen u. ihr Besuch den Christen verboten wurde, konnte von einer Theilnahme derselben nicht mehr die Rede sein, wenn auch noch unter den Karolingern Spuren eines possenhaften Volksspiels in christlicher Zeit vorkommen. Das Theater wurde erst für Christen wieder zugänglich, als ihnen christliche Stoffe aus der Bibel u. Heiligengeschichte vorgeführt wurden. Dies geschah an den Kirchenfesten, zu deren Feier diese Schauspiele mitwirkten (vgl. Bauernspiele, Geistliche Schauspiele, Miracles, Moralities, Mysterien, Passionsspiele). Sie waren lateinisch geschrieben u. behandelten[109] die Festmaterien, so Officium resurrectionis, Officium peregrinorum, Officium pastorum, Mysterium der Geburt Christi, der Erscheinung des Herrn zu Emmaus, der Auferweckung des Lazarus, des Mordes der unschuldigen Kinder, auf die Feste des St. Stephanus, des St. Thomas, die Bekehrung Pauli, Daniel etc. Noch im 17. Jahrh. wurden solche geistliche Spiele für Charfreitag u. Fronleichnam geschrieben, vgl. Du Meril, Origines lat. du theâtre moderne, Par. 1849. Den Gang, welchen die Ausbildung der S. in den einzelnen Ländern Europa's genommen hat, s. in den Artikeln der betreffenden Nationalliteraturen. In Deutschland führten seit dem 15. Jahrh. Schüler der Meistersänger, bes. in Augsburg, Komödien des Terentius u. Trauerspiele mit biblischen Sujets auf. Seit dem 16. Jahrh. wurden dergl. auch von Schülern der gelehrten Schulen an öffentlichen u. Privatorten aufgeführt; aber im 17. Jahrh. hörten sie in den protestantischen auf, während sie in den Jesuitenschulen noch bis ins 18. Jahrh. fortdauerten. An die Stelle jener Schulschauspiele bildeten sich unter dem Namen Fahrender Schüler einzelne, für längere od. kürzere Zeit bestehende Schauspielergesellschaften (Komödianten), welche von Ort zu Ort zogen (wandernde, ambulante Schauspielergesellschaften), sich auch wohl für einzelne Länder Privilegien erwarben. Die in Deutschland zuerst bekannter gewordene Schauspielergesellschaft zu Ende des 17. Jahrh. war die Veltensche, welche ein Magister Velten od. Veltheim errichtete; er zog mit derselben in den bedeutendsten Städten Deutschlands umher u. erwarb sich auch das Privilegium in Sachsen, woher die Gesellschaft den Titel königlich polnische u. kurfürstlich sächsische Hofkomödianten führte. Zu gleicher Zeit u. in der Folge entstanden mehre solcher Vereine mit zunftmäßiger Etikette. Die Schauspieler sonderten sich streng nach den Fächern u. bildeten dadurch unter sich eine eigene Rangfolge; so gab es Königsagent, Tyrannenagent (später Heldenspieler), Pantalon, Courtisan (die lustige Person, früher der Hanswurst) u.a. scharf markirte Rollenfächer, welches Wesen sich aus den Nachbildungen spanischer Trauerspiele u. den extemporirten, nur nach Skizzen aufgeführten Stücken, den sogenannten Haupt- u. Staatsactionen, entwickelte. Der Umstand, daß die Schauspielertruppen aus Leuten bestanden, welche bei allem Talent doch keinen Sinn für ernstere Lebensbeschäftigungen hatten, so wie das unstete, wandernde Leben, welches eine ungeordnete Lebensweise begünstigte, machte, daß der Stand der Schauspieler ein wenig ehrenvoller war; erst seit der Mitte des 18. Jahrh. gewann durch die rasch vorwärts schreitende Bildung der ästhetischen Literatur, so wie dadurch, daß reine Neigung zur Kunst Männer wie Schröder, Eckhof, Iffland u.a. zur Bühne berief, der Schauspieler eine ehrenvollere Stellung (s. oben). Fürsten u. größere Städte errichteten unter besonderer Aufsicht u. Leitung stehende Theater, sicherten die Existenz des Schauspielers durch lebenslängliches Engagement od. durch Pensionsanstalten. Ausgezeichneten Ruf erhielt u.a. das Wiener Burgtheater, Manheim, Gotha, Weimar, Hamburg, Berlin, München, Stuttgart, Dresden u. Leipzig, während unter der Leitung eines Dahlberg, Schröder, Eckhof, Iffland, Goethe u.a. Schauspielerschulen entstanden. Bedeutende Summen wurden selbst von Privatunternehmern auf den Bau u. die scenische Ausschmückung der Theater verwendet, der Zutritt zu den gebildetsten Cirkeln war dem als wahren Künstler sich auszeichnenden Schauspieler geöffnet. Die höchste Stufe der S. war im 18. Jahrh., wo noch weniger der äußere Glanz, sondern hauptsächlich die gediegenen Kunstleistungen der Schauspieler in Betracht kamen; s.u. Deutsche Literatur S. 901 f. Vgl. Prutz, Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Theaters, Berl. 1849; Ed. Devrient, Geschichte der deutschen S., Lpz. 1848–61, 4 Bde.; Wirsing, Das deutsche Theater, Lpz. 1862; Schiller, Die Schaubühne als moralische Anstalt etc., Goethe im Wilhelm Meister; Lessing, Hamburger Dramaturgie u. einzelne kritische Aufsätze; Einsiedel, Grundlinien einer Theorie der S., Lpz. 1797), Gustav von Seckendorf, Vorlesungen über Declamation u. Mimik, Braunschw. 1816, 2 Bde.; Seume (Abhandlung über die S. [2. Bändchen der Obolen], Lpz. 1798; Iffland, Über Menschendarstellung auf der Bühne, Gotha 1785; Fragmente in seinem Theateralmanach, Berlin 1807–1812; Schink, Dramaturgische Fragmente, Grätz 1781, 4 Bde.; Dramaturgische Monate, Schwerin 1790, 4 Bde.; Sievers, Schauspielerstudien, Braunschw. 1812; Schröder, Der Schauspieler nach Riccoboni; Tieck, Dramaturgische Blätter, Breslau 1826, 2 Bde.; Rötscher, Die Kunst der dramatischen Darstellung, Berl. 1841; Müllner, Über das Spiel auf der Bühne, in dessen Theateralmanach von 1817; Blümner u. Küstner, Geschichte des Theaters der Stadt Leipzig; Über Ifflands Spiel, Lpz. 1796; Klingemann u.a.; Neue deutsche Dramaturgie, Altona 1798, 2 Bde.; Chironomia, or the proper regulation of the voice, the countenance and gesture, Lond. 1806; Neue dramaturgische Blätter von F. G. Zimmermann, Hamb. 1828, 1829; R. Blum, K. Herloßsohn u. H. Markgraf, Theaterlexikon, Altenb. u. Berl. 1838–42, 7 Bde.; Küstner, Taschen- u. Handbuch für Theaterstatistik, Berl 1855.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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