Montferrat [1]

Montferrat [1]

Montferrat (spr. Mongferraht), sonst Herzogthum zwischen Piemont, Mailand u. Genua; zog sich lang u. schmal von Norden nach Süden, war durch ein trennendes mailändisches Gebiet in zwei Stücken getheilt, bestand aus den Provinzen Acqui (südliches Stück) u. Casale (nördlicher Theil), hatte Casale zur Hauptstadt u. gehört jetzt zur Generalintendanz Turin. M. war ehedem ein Stück von Ligurien u. kam im 3. Jahrh. v. Chr. unter römische,[425] im 6. Jahrh. n.Chr. unter longobardische Regierung; 773 eroberten es die Franken u. Karl der Große setzte hier Grafen ein. Der letzte Graf war Wilhelm, sein Sohn Aleran kommt zuerst als Markgraf vor, der sich über die benachbarten italienischen Markgrafen erhob u. 995 starb; es folgten auf einander Wilhelm I., st. 1060; Bonifacius I., starb zu Ende des 11. Jahrh.; Wilhelm II., st. 1126; Rainer, st. um 1140; Wilhelm III. der Alte, half 1152 Lodi u. 1157 Parma gegen Mailand; stand in hoher Gunst bei Kaiser Konrad, mit welchem er einen Kreuzzug machte, u. bei Friedrich I., der ihn unter besondern kaiserlichen Schutz nahm u. ihn in seinen Besitzungen bestätigte. 1185 ging Wilhelm nach dem Gelobten Lande, um seinen Enkel, König Balduin V., zu unterstützen, wurde aber in der Schlacht bei Tiberias gefangen; er st. 1188, u. ihm folgte sein tapfrer zweiter Sohn, Konrad, der sich im Gelobten Lande berühmt gemacht hatte u. seit 1187 Herr von Tyrus war, s. unten 2); nach dessen Ermordung 1192 folgte sein Bruder Bonifacius II., der schon in Konrads Abwesenheit Regent gewesen war, in M. u. Tyrus, er wurde 1204 König von Thessalonich u. st. 1207 (s. unten 3); von seinen beiden Söhnen erhielt der jüngere, Demetrius, Thessalonich, in M. folgte der ältere Wilhelm IV., der durch seine Gemahlin Bertha, Tochter des Markgrafen Bonifacius von Gravefane, Monte Barcherio u. einen Theil von Cortemiglia erhielt; er focht mit Kaiser Heinrich VI. 1191 in Neapel, belagerte 1194 Gaeta u. Neapel mit den Kaiserlichen u. nahm Salerno; 1207 befestigte er seinen Bruder Demetrius auf dem Throne von Thessalonich, dann verband er sich mit Pavia gegen die Mailänder, wurde aber 1215 geschlagen. Er zog 1225 seinem Bruder, der 1222 vom Fürsten Theodor von Epiros aus seinem Reiche vertrieben worden war u. ihm die Thronfolge von Thessalonich zugesagt hatte, zu Hülfe, starb aber auf diesem Zuge. Sein Sohn, Bonifacius III. der Riese, welcher 1225 gefolgt war, erhielt 1239 die Entsagungsurkunde des Fürsten. Ihm folgte 1254 Wilhelm V. der Große od. Langdegen, sein u. der Margarethe von Savoyen Sohn; er machte 14. Mai 1264 mit Karl von Anjou ein Schutzbündniß gegen die ihm feindlichen Herren u. Städte in der Lombardei, dagegen 1273 ein andres mit Genua, Asti u. Pavia gegen Karl, der sich allzuweit in der Lombardei ausdehnte. 1278 wurde er Capitän der Mailänder gegen die Torriani. 1281 fing ihn der Graf Philipp I. von Savoyen, u. er konnte sich nur durch die Entsagung der Ansprüche auf Turin u.a. Plätze in Piemont lösen. Er lebte nach seiner Rückkehr in fortwährenden Kämpfen mit den benachbarten Städten bis an seinen Tod 1292. Seine Tochter Jolanthe vermählte er mit dem Kaiser Andronikos Paläologos u. gab derselben zur Mitgift Thessalonich; sein Sohn Johann folgte ihm in M. Er verband sich mit dem Markgrafen von Saluzzo, erwarb 1299 das verlorne Vercelli wieder u. dazu Novara, büßte aber später alle Macht in Asti ein u. st. 1306. Da er von dieser keine Kinder hatte, so starb mit ihm der alte Stamm der Markgrafen von M. aus; er vermachte M. seiner Schwester Jolanthe, u. diese schenkte es 1306 ihrem zweiten Sohne Theodor, u. mit diesem kam M. an die Paläologen. Theodor erhielt 1310 vom Kaiser Heinrich VII. die Belehnung, nahm 1316 Casal S. Euvaise in seinen Schutz, erbte 1317 Sarravalla von seinem Schwiegervater u. st. 1338. Sein Sohn Johann II. versuchte durch eine Verbindung mit den Ghibellinen alle Plätze wieder zu erobern, welche während der Vacanz nach Wilhelms V. Tode von M. losgerissen waren, so nahm er Calusco von Piemont u. Asti von Sicilien, 1347 ergab sich ihm Valencia. 1372 folgte ihm sein älterer Sohn Otto als Markgraf; mit seinen Brüdern besaß dieser gemeinschaftlich Asti, von denen ihm 1378 Johann III. u. 1381 Theodor II. als Markgrafen folgten; unter Letzterem kam Asti an Galeazzo Visconti, Montevico riß der Prinz Ludwig von Savoyen an sich. 1409 wurde Theodor zum Gouverneur von Genua gewählt, 1414 vom Kaiser Sigismund zum kaiserlichen Vicar ernannt u. starb 1418. Sein Sohn Johann Jakob wurde von den Mailändern so gedrängt, daß er aus seinen Staaten floh u. sich in Venedig aufhielt; erst nach dem Frieden von 1433 kehrte er zurück u. mußte an Savoyen Chivas, Settimo, Areglio u. Brandis abtreten, welche Städte er jedoch als savoyische Lehen wieder empfing. Er nahm seine Residenz in Casale u. starb 1445. Unter seinem Sohne Johann IV. dauerten die Streitigkeiten mit Mailand fort, u. da er sich nach Philipp Maria Visconti's Tode gegen Franz Sforza erklärte, nahm ihn dieser 1449 in Pavia gefangen u. ließ ihn erst 1450 los. 1454 wurde M. in den venetianisch-mailändischen Frieden mit eingeschlossen. Johann IV. st. 1464; ihm folgten von seinen Brüdern erst Wilhelm VI., welcher 1475 mailändischer Capitän wurde, u. 1483 Bonifacius IV., der 1493 starb; dem Letztern folgte sein minderjähriger Sohn Wilhelm VII. unter der Vormundschaft seiner Mutter Marie; auch er hinterließ bei seinem Tode 1518 einen unmündigen Sohn Bonifacius V., dessen Vormünderin seine Mutter Anna, Tochter des Herzogs Renatus von Alençon, war; dieser st. 1530, u. nun folgte sein Oheim, Johann Georg, Bischof von Casale; dieser st. 1533 ohne von seiner Gemahlin, der Prinzessin Julie von Neapel, Kinder zu haben, u. mit ihm starben die Paläologen im Mannsstamm aus. Von Bonifacius waren noch zwei Schwestern: Marie, war früher verheirathet an den Herzog Friedrich II. von Mantua, wurde von ihm geschieden u. ging in ein Kloster, worauf 1533 ihre Schwester Margarethe jenen heirathete, der nun auf M. Ansprüche machte. Nächst ihm machten Ansprüche: Markgraf Ludwig II. von Saluzzo als Gemahl Johanna's, der Tochter des Markgrafen Wilhelm V.; dann Herzog Karl III. von Savoyen, theils als Abkömmling von Jolanthe von M., der Tochter Theodors I. u. 1330 der Gemahlin des Grafen Aimon von Savoyen, theils als Lehnsherr der Markgrafen von M. Kaiser Karl V. sprach bei einer Versammlung zu Genua den 5. Januar 1536 M. dem Herzog Friedrich Gonzaga von Mantua zu, der sich bereits im Besitz seiner Erbschaft gesetzt hatte. 1574 wurde M. vom Kaiser Maximilian II. zu einem Herzogthum erhoben, s.u. Mantua (Gesch.). Als 1627 der männliche Stamm des Herzogs Friedrich erlosch, wurde M. nebst Mantua dem Herzog Karl I. zu Nevers u. Rethel übertragen, 1631 dem Herzog von Savoyen aber statt 15.000 Kronen jährlicher Einkünfte, welche ihm der Herzog von Mantua bezahlen sollte, 75 Orte vom Herzogthum M. abgetreten. 1703 nahm der Kaiser Leopold I. dem der Felonie schuldigen[426] Herzog Karl IV. von Mantua M. u. gab es dem Herzog von Savoyen, welches Landes Schicksale M. seitdem theilte.

Unter den Markgrafen von Montserrat haben sich bes. berühmt gemacht: 1) Wilhelm, Sohn des Markgrafen Wilhelm III.; wohnte 1175 mit seinem Bruder Rainer einem Kreuzzuge bei u. heirathete 1178 Sibylle, Schwester des Königs Balduin IV. von Jerusalem. Sein Schwager, der ihn zum Grafen von Joppe u. Askalon ernannt hatte, wollte, da er selbst keine Kinder hatte u. vom Aussatz befallen war, zu Wilhelms Gunsten die Krone niederlegen, allein dieser verwaltete blos als Regent das Reich u. st. 1179; sein Sohn, Balduin V-, wurde 1185 König von Jerusalem. 2) Konrad, Bruder des Vorigen, zog 1186 ins Gelobte Land, kam vorher nach Constantinopel, wo ihm der Kaiser Isaak, um ihn zur Hülfe gegen den Usurpator Theodor Branas zu gewinnen, seine Schwester Theodora vermählte u. den Oberbefehl über die Truppen übergab. Konrad schlug den Usurpator u. wurde im Triumph von dem Kaiser in Constantinopel eingeführt. 1187 ging Konrad nach dem Gelobten Lande, kämpfte bei Tiberias, vertheidigte Tyrus gegen Saladin u. entsetzte Tripolis. Er vereinigte die Herrschaft Tyrus, die er 1187 erhalten hatte, mit dem Marquisat M., in dem er 1188 seinem Vater folgte, s. oben (Gesch.). 1189, wo seine Gemahlin Theodora von Auge gestorben war, heirathete er Isabelle, Erbtochter des Königs Almerich I. von Jerusalem; über die Nachfolge im Königreich Jerusalem stritt er mit Guido von Lusignan u. erhielt bei der Wahl 1192 die meisten Stimmen der Herren, wurde aber am 29. April d. J. von zwei Banditen des Alten vom Berge ermordet. 3) Bonifacius II., Bruder des Vorigen, dessen Stellvertreter in M. u. nach seinem Tode 1192 sein Nachfolger. Er hielt es mit Kaiser Heinrich VI., wurde 1201 zum Anführer eines neuen Kreuzzugs gewählt, unterwarf 1202 Corfu, ging dann nach Constantinopel, wo Kaiser Isaak von seinem Bruder Alexios vom Thron gestoßen war, u. setzte diesen 1203 wieder ein. Da darauf Isaak gestorben u. dessen Sohn ermordet war, kehrte M. zurück u. belagerte u. nahm Constantinopel (s. Byzantinisches Reich). Die venetianischen u. französischen Wahlfürsten wählten nun M. zum Lateinischen Kaiser, allein der Doge von Venedig, Dandolo, fürchtete einen, seinem Staate so nahen Fürsten u. gab dem Grafen von Flandern den Vorzug. M. erhielt dagegen die Belehnung mit Candia u. den Ländereien jenseit des Bosporus; doch damit nicht zufrieden, vertauschte er seine asiatischen Länder gegen das Königreich Thessalonich u. st. 1207. Er war vermählt zuerst mit Eleonore, Tochter des Grafen Humbert III. von Savoyen, u. dann mit Margarethe, Tochter des Königs Bela von Ungarn, Wittwe des Kaisers Isaak; Letztere war Mutter von Demetrius, welcher König von Thessalonich wurde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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