Schleinitz [1]

Schleinitz [1]

Schleinitz, ein altes in Deutschland weitverzweigtes Freiherrngeschlecht slawischer Abstammung, welches seinen Ursprung aus Österreich unter der Enns herleitet u. nach dem Dorfe Schleinitz im Viertel Ober-Manhartsberg genannt ist. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. zogen sich die S. nach Böhmen, wo zuerst urkundlich 1184 ein Baron Ulrich von S. als Erbschenk unter Herzog Friedrich von Böhmen vorkommt, u. von da an werden die S., obgleich 1337 die böhmische Erbschenkenwürde an die von Wartemberg überging, zu dem höheren Adel Böhmens gerechnet. Ende des 13. od. Anfang des 14. Jahrh. siedelte ein Zweig nach den Meißnischen Landen über, wo sich derselbe großen Grundbesitz erwarb (namentlich zwischen Lommatzsch u. der Elbe, wo auch noch jetzt das Dorf Schleinitz liegt, welches auch bis 1598 im Besitz der Familie S. blieb) u. Mitte des 16. Jahrh. zum Protestantismus übertrat, während der in Böhmen zurückbleibende Zweig katholisch blieb. Unter den Gliedern des nach Sachsen übergesiedelten Zweiges zeichneten sich bes. aus: 1) Johann, war Geheimer Rath des Kurfürsten Friedrich I. von Sachsen, wurde 1410 Propst in Bautzen, 1420 Dompropst in Meißen u.st. 1421. 2) Johann II., war 1422 Bischof von Naumburg u.st. 1434. 3) Peter, war 1434 bis 1463 Bischof von Naumburg. 4) Johann, sprach 1455 mit Hans von Miltitz u. dem Kanzler Georg von Haugwitz das Schiedsurtheil in dem Rechtshandel des Ritters Kunz von Kauffungen gegen den Kurfürsten Friedrich den Saul müthigen, dessen Folge der Prinzenraub war. 5) Georg, verheerte, nachdem Kaiser Albrecht II. auf seiner Rückkehr aus dem Türkenkriege 1439 gestorben war, mit der gegen 10,000 Mann starken, nach ihren schwarzgestreiften Fahnen sogenannten Schwarzen Bande die österreichischen Lande, trat dann in die Kriegsdienste des Königs Matthias I. von Ungarn u. später in die des Königs Johann I. von Dänemark, kämpfte gegen die Schweden u. Ditmarschen u. fiel 1500 in der Schlacht bei Hemmingstedt. 6) Heinrich von S. genannt der Blinde, welcher zu den reichsten Männern der damaligen Zeit gehörte u. außer großen Gütern in Sachsen noch die böhmischen Herrschaften Schluckenau, Hayersbach u. Rumburg besaß; er st. 1518. 7) Vincenz wurde 1517 vom Naumburger Domcapitel als Gegenbischof gegen den baierischen Herzog Philipp gewählt, später Bischof von Merseburg u.st. 1535. 8) Johann VII., 1518 als der 41. Bischof von Meißen erwählt, wurde zu wichtigen Gesandtschaften nach Rom u. Polen verwendet, war ein heftiger Gegner Luthers u.st. 1532; er war der letzte Bischof, welcher im dortigen Dom begraben liegt. 9) Ernst, Sohn von S. 6), war 1511 Dompropst zu Prag, 1514 auch zu Meißen, disputirte vor dem Herzog Georg mit Luther, war bis 1542 Administrator des Erzbisthums Prag u.st. 1548 zu Schluckenau. 10) Hans III, an ihn erließ Luther ein Sendschreiben im ersten Theil seines Buchs Vom ehelichen Leben; er verlor die Gunst des Herzogs Georg u.st. 1525._– Von Sachsen aus verbreitete sich die Familie nach Braunschweig u. Preußen, wo sich namentlich folgende auszeichneten: 11) Hans Christoph von S., kam 1713 im Gefolge der zur Gattin des Prinzen Alexej bestimmten Prinzessin Charlotte Christine Sophie mit nach Rußland u. wurde nach Alexej's Hinrichtung (1718) Gesandter Peters des Großen in Paris u. später hannoverisch-braunschweigischer Minister in Braunschweig. Seine beiden Enkel, Karl Anton u. Julius, gründeten die Preußische u. Braunschweigische Linie. A) Preußische Linie, Stifter: 12) Freiherr Karl Anton, Enkel des Vorigen, war zuletzt Präsident des Kammergerichts in Berlin u.st. 1807; jetziger Repräsentant der Linie ist: 13) Freiherr Gustav, Enkel des Vorigen u. Sohn des 1858 verstorbenen Freiherrn Gustav, geb. 7. Dec. 1820, ist Oberförster zu Forsthaus Cunersdorf bei Potsdam u. seit 1857 vermählt mit Maria geborne Elzholz; 14) Freiherr Hans Eduard, Oheim des Vor., geb. 28. Aug. 1798, ist preußischer wirklicher Geh. Rath u. Oberpräsident der Provinz Schlesien, auch königlicher Commissarius des Generallandtags der schlesischen Landschaft u. Curator der Universität Breslau, ist in zweiter Ehe mit Marie geb. von Hippel vermählt. 15) Freiherr Emil, Bruder des Vor., geb. 15 März 1800, ist preußischer Oberstlieutenant u. Festungscommandant von Küstrin. B) Braunschweigische Linie, Stifter: 16) Freiherr Julius, Bruder von S. 12), war herzoglich braunschweigischer Minister. 17) Freiherr Wilhelm Johann, Enkel des Vorigen u. Sohn des 1837 verstorbenen Freiherrn Ferdinand, geb. 4. Juni 1794 in Blankenburg am Harz, studirte die Rechte in Göttingen u. machte 1814 den Feldzug gegen Frankreich mit; er wurde 1818 Assessor in Wolfenbüttel, 1821 Rath beim Oberlandesgericht daselbst, 1830 Geheimerath u. Minister der Justiz, 1843 Staatsminister u.st. 3. Nov. 1856 in Braunschweig; er concipirte die braunschweigische revidirte Landschaftsordnung von 1831, welche 1832 ins Leben trat, verfaßte 1834 die neue Städteordnung, die Ablösungsordnung, die Gemeindetheilungsordnung,[234] 1837 das Gesetz über die Modifikation der Leben u. das neue Criminalgesetzbuch; jetziger Repräsentant der Linie Ist: 18) Freiherr Wilhelm, ältester Sohn des Vor., geb. 15. Oct. 1826; vermählt 1857 mit Rosa geb. Gräfin Toldallagi von Nagy Ertse. 19) Freiherr Julius, Bruder von S. 17). geb. 22. Juli 1806, ist Chefpräsident der Regierung in Bromberg ü. seit 1838 vermählt mit Jenny von Schwedthoff. 20) Freih. Alexander, Bruder des Porigen, geb. 29. Dec. 1807, studirte in Göttingen u. trat dann in preußische Dienste, er wurde zu mehren diplomatischen Sendungen gebraucht, dann vortragender Nach im Ministerium des Auswärtigen, 1848 preußischer Gesandter in Hannover u. ging 1849 nach Kopenhagen wegen Unterhandlung über einen Waffenstillstand u. die vorläufigen Friedensbedingungen; er wurde im Juli 1849 preußischer Minister der auswärtigen Angelegenheiten, wo er das Dreikönigsbündniß u. dann die Union zu erhalten suchte; als ihm auch Letzteres nicht gelang, gab er 26. Sept. 1850 seine Entlassung ein, worauf er als Geheimerath zur Disposition gebellt wurde. Nach dem Regierungsantritt des Prinzregenten trat er am 6. Nov. 1858 in das neugebildete Ministerium Hohenzollern, wo er das Portefeuille des Auswärtigen übernahm (s. Preußen S. 554), übergab dasselbe aber im Oct. 1861 an den Grafen von Beinstorfs u. wurde Minister des königlichen Hauses, C) Jüngere preußische Linie, deren Chef ist: 21) Freiherr August, ist preußischer Major zur Disposition u. seit 1860 vermählt mit Adelgunde geb. von Wacholtz.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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