Stenographie

Stenographie

Stenographie (v. gr.) I. Wesen u. Name. Die S. ist die Kunst ebenso schnell zu schreiben, wie gesprochen wird, demnach eine höhere Schreibkunst u. Schreibwissenschaft. Wenn die gewöhnliche Schrift um desto vollkommener zu erachten ist, je mehr sie nicht nur alle einzelnen Laute, sondern auch deren Veränderungen, Längen u. Kürzen (ο u. ω, ε u. η), ja selbst, wie im Griechischen, die Betonung der Wörter u. durch die Satzzeichen die Betonung der einzelnen Satzglieder u. des ganzen Satzes zu bezeichnen vermag; so sucht die S. im Gegentheil so wenig als nur irgend möglich zu schreiben, mit möglichst Wenigem möglichst Vieles zu bezeichnen u. doch bei möglichster Kürze der Schriftzeichen eine nicht zu verwischende Unterscheidbarkeit zu erlangen. Indem sich die S. darauf beschränkt, die durch die Schrift festzuhaltende Rede mit möglichst kurzen, aber möglichst charakteristischen Schriftzeichen anzudeuten, während die gemeine Schrift ausschreibt, kommen beide doch darin überein, daß sie die aufzuzeichnende Rede mit gleicher Treue u. mit gleicher Vollständigkeit darstellen u. den Lesenden zu weiterem Gebrauche darbieten. Daher ist der Begriff der S. näher u. ausführlicher dahin zu bestimmen, daß sie die Kunst ist, mittelst eines wissenschaftlichen Verfahrens, welches die Buchstaben, die einzelnen Wörter u. die Wörter im Satze abzukürzen lehrt, so schnell zu schreiben, wie gesprochen wird, u. auf diese Weise Gedachtes u. Gesprochenes so vollständig u. treu niederzuschreiben, daß es zu jeder Zeit mit derselben Leichtigkeit u. Zuverlässigkeit gelesen werden kann, wie die gemeine Schrift. Von dem Ziele, möglichst schnell zu schreiben, ist die S. auch bei den Alten Tachygraphie (Schnellschrift) genannt worden, u. von der Anwendung zum Auffassen u. Nachschreiben öffentlicher Verhandlungen hieß der Stenograph auch Hypographeús (Exceptor), jetzt, nach Gabelsbergers Vorschlag, Redezeichner u. die S. Redezeichenkunst. Ihren zu allen Zeiten gebräuchlichsten Namen hat sie aber von ihrem eigentlichen Kern u. Wesen erhalten, die Schrift u. die Schreibung der Wörter abzukürzen. Daher (weil bei Griechen u. Römern kurze, die Wörter nur andeutende, nicht ausschreibende Zeichen Σημεῖα, Notae verborum genannt wurden), der Name Semeiographie bei den Griechen u. Ars notaria bei den Römern, u. daher auch der üblichste Name S., von στενός (d.i. kurz zusammengedrängt),[763] also S. soviel als Kurzschrift, bei den Engländern Short writing, Short hand.

II. Schriftarten. A) Antike S. Die S. der Römer hat sich fast ganz vollständig erhalten, s. Notae Romanorum veterum quibus litera verbum facit, herausgegeben von Jan. Gruter, 1603. An der Spitze der antiken S. steht der Grundsatz, jedes einzelne Wort nur mit einem einzigen Buchstaben zu bezeichnen. Dieser Grundsatz ist bei einer sehr großen Anzahl von einfachen Wörtern rein durchgeführt, bei den übrigen (einfachen) aber wenigstens so, daß, wenn die Verbindung zweier Buchstaben sich nöthig gemacht hat, entweder von beiden nur Theile mit einander verbunden sind, od. ein ganzer mit einem Theile des andern verschmolzen ist, so daß der neue, auf diese Weise gewonnene Zug doch wieder nur in Bezug auf Schreibfähigkeit einem einzigen Buchstaben gleichzuachten ist. Ebenso werden selbst drei miteinander verbunden. Nimmt man z.B. die beiden altrömischen A u. C u. vereinigt den linken Schenkel des ersteren oben mit C zu einem Zuge (λ), so hat man ac, welches aber, wenn ein Punkt od. grammatische Formen der Declination, des Comparativs od. Superlativs daneben gesetzt werden, die Bedeutung von acer, acrior, acerrimus, acris etc. erhält. Von den Buchstaben, welche zusammengesetzte Züge sind, wie A, B, E, F, H etc. werden überhaupt nur Theile geschrieben. So bedeutet der linke Schenkel des A allein Stenographie die Präposition ad, der rechte (/)ab, weil der erstere die Richtung nach dem Schreibenden zu, der andere weg hat; beide zusammen aber (Λ) alius, alienus, je nachdem ein Punkt od. grammatische Formen daneben od. darunter gesetzt werden, weil nämlich darin zugleich das griechische Lambda liegt. Wird dieser ganze Zug schief gelegt, wie der für ad, so bezeichnet er diejenigen Wörter, in denen nach dem ad ein l lautet u. zwar, je nachdem ein Punkt u. grammatische Formen daneben od. darunter gesetzt werden, adolescens, adolescentia od. adulter, adulterium. Um jedoch mit einem einzigen Buchstaben mehre verschiedene Wörter zu bezeichnen, reichte es nicht aus denselben in seine Theile zu zerlegen, od. ihm eine verschiedene Lage zu geben, wie C, Ɔ, Stenographie; man vervielfältigte daher die Gestalten durch kleine Abänderungen. So wurde z.B. der untere Schenkel des C entweder noch oben od. nach unten verlängert, od. nach unten krumm gebogen u. eben so der des Ɔ; od. man benutzte die verschiedenen Formen, mit denen derselbe Laut schon im gemeinen Alphabet der Römer bezeichnet wurde, z.B. v u. u für u u.a. Reichte auch dies nicht aus, so wurden Buchstaben aus fremden Alphabeten entlehnt, z.B. σ, δ, γ, ω, ρ aus dem Griechischen. Auch die verschiedene Länge der Züge wurde benutzt; so bedeutet unser Komma nach oben gerichtet (') die Sylbe od. das Wort it, derselbe Zug in doppelter Länge is u. in dreifacher Länge die Stammsylbe des Wortes tendere; die liegende Linie (–) e od. ae u. in doppelter Länge die Stammsylbe des Wortes jacet. Die mannigfaltigste Anwendung wurde von dem Punkt gemacht, vorn od. hinten, über od. unter od. endlich in verschiedenen Stellungen neben einen Buchstaben gesetzt, gibt demselben seine eigentliche Bedeutung. So bedeutet eins der Zeichen für a, wenn ein Punkt in der Mitte daneben steht ante, wenn unten daneben auctor, wenn darüber arbiter, wenn darunter animus, wenn dahinter in der Mitte amicus, wenn dahinter unten ager. Erhalten die Begriffswörter Formen der Declination, Conjugation od. der Steigerung, so werden sie an die Stelle des Punktes gesetzt u. geben wie der Punkt dem Hauptzeichen die eigentliche Wortbedeutung. Diese Punctation geschieht aber nicht willkürlich, sie enthält sinnbildliche Andeutungen. Das Schriftzeichen für ante hat den Punkt vorn, dasjenige für post hinten, superior oben, inferior unten; ebenso oriens sol oben, occasus solis unten, major oben, minor unten, homo oben, mulier unten etc. Ebenso erhalten die Punctation oben die Wörter, welche etwas Herrschendes, Hohes, Erhabenes bezeichnen, wie coelum, astrum, sol, aether, culmen, caput, pater, imperator, senatus etc.; unten dagegen, die etwas an. sich od. verhältnißmäßig Untergeordnetes, Niedriges bezeichnen, wie humus, familia, mare, stagnum, argentum, solum, mors; hinten in der Mitte, welche eine Last od. eine Verpflichtung ausdrücken, wie civis, custos, amicus; videre vorn oben an der Stelle des Gesichtes, currere von unten, an der Stelle der Füße, idem, qui, hic oben, eadem, quae, haec unten. Aber nicht nur in der Punctation, auch in den Zeichen selbst ist manchmal Symbolisches, z.B. wenn jaceo (ich liege) durch ein liegendes I. jacis (du wirfst) dagegen durch ein schief aufgerichtetes, gleichfalls durch die Luft fahrendes I. ausgedrückt wird etc. Die Formwörter, Pronomina, Conjunctionen, Adverbia, sowie die grammatischen Formen der Declination, Conjugation u. Comparation, die Bildungssylben, überhaupt alle kleinen Redetheile u. Sylben, welche in der schnell gesprochenen Rede tonlos sind, ja fast verschluckt werden, fordern, wenn die S. ihrer Begriffserklärung wirklich genügen soll, eine ganz außerordentliche Abkürzung. Auch in dieser Zeichenklasse ist die römische S. so kurz, daß sich manchmal kaum noch eine Buchstabenschrift erkennen läßt. Mehre Zeichen scheinen willkürlich gewählt, so que durch., das angehängte quidem durch der Accusativ im durch: it durch etc. Von den Vorsylben prae, pro, con, re etc. hat jede ein ihr eigenthümliches kurzes Zeichen, wodurch erreicht wird, daß die zusammengesetzten Zeitwörter dem Lesenden sofort in die Augen fallen u., durch die Präpositionen u. grammatische Endformen charakterisirt, im Übrigen die größte Abkürzung zulassen. Endlich werden nicht selten mehre Wörter, Redensarten, ja Formeln, welche aus kleinen Sätzen bestehen, nur mit einem einzigen Zeichen, od. wenigstens zusammengesetztem einzigen Zuge geschrieben. Dies geschieht dann, wenn mehre Wörter einen einzigen bestimmten Begriff ausdrücken u. daher immer in derselben Verbindung wiederkehren, wie im Deutschen: hoher Priester, Langeweile, Gut u. Blut, Grund u. Boden, Kartenspieler, kurze Zeit nachher, hierzu kommt noch dies, in Bezug auf etc. Nach Kopp ist das System der römischen S. weder von Tiro noch von irgend einem anderen Einzelnen auf einmal erfunden u. ausgedacht worden, sondern nur allmälig, im Laufe von Menschenaltern, wenn nicht Jahrhunderten, aus kleinen Anfängen entstanden u. ausgebildet.

B) Die moderne S. ist zum Theil noch in dem Stadium der Entwickelung begriffen od. doch wenigstens noch weit von der Vollendung, es gibt eine Menge Stenographischer Systeme. Am weitesten scheinen in ihrer Art die Engländer voran, weil sie[764] bereits vor 2 Jahrhunderten angefangen haben. Kein einziges geht von dem Grundgedanken der antiken Kurzschrift aus, u. deshalb haben auch alle einen von diesem grundverschiedenen Charakter in der Anlage u. Entwickelung. Man glaubte, es handle sich hauptsächlich darum, ein Alphabet zu erfinden, dessen Buchstaben die möglichst einfachen Züge sind, u. zwar so, daß einestheils die einfachste für die häufigsten Buchstaben, die schwierigeren für die seltener vorkommenden gesetzt werden, u. anderntheils daß alle Züge sich leicht mit einander verbinden lassen können: die S. sei daher um so vorzüglicher, je vollständiger sie alle Laute schreibe. Auslassungen von Consonanten sind weniger Regel als Ausnahme, Manche dringen sogar auf mehr od. weniger vollständige Bezeichnung der Vocale, u. die sogen. Sigeln od. die Bezeichnung ganzer Wörter durch ein od. zwei Buchstaben werden von den Meisten als todtes Gedächtnißwerk verworfen, von Anderen nur in wenigen Fällen zugelassen, im äußersten Falle auf eine verhältnißmäßig geringe Zahl von Wörtern beschränkt. Daher fehlt es nicht an Anleitungen zur S., deren ganzes Lehrgebäude auf einem od. zwei Druckbogen entwickelt ist. Davon ist man freilich bald zurückgekommen, sobald es sich um die Anwendung handelte. Mögen die Buchstaben auch nur aus den einfachsten Strichelchen bestehen, so wird man es doch nun u. nimmer dahin bringen, die Rede eines schnell Sprechenden Wort für Wort aufzufassen, wenn es zur Bedingung gemacht wird von allen Wörtern wenigstens alle Laute mitzuschreiben, welche wesentlich dazu gehören. Die Erfinder stenographischer Schriftarten haben dies meistens eingesehen u. sich bemüht verschiedene Mittel aufzufinden, um die aus dem Grundgedanken nothwendig hervorgehenden, sich fühlbar machenden Mängel zu beseitigen; Andere dagegen haben gemeint die Sache zu verbessern, wenn sie wieder von vorn anfingen u. neue vereinfachte Alphabete u. S-n erfänden. Die S. wird erst dann den höchsten Grad der Vollkommenheit erreichen, wenn man bei einer der erfundenen u. bereits zur Anwendung gebrachten stehen bleibt u. sie auszubilden sucht. a) Die in England am meisten verbreitete u. fortgebildete S. ist die von Taylor bereits im 18. Jahrh. aufgestellte, welche sich auf die von dem Stenographen Byrom (starb vor 1767) zuerst gegebene u. von Williamson u.a. bereits verbesserte Grundlage stützt. Es liegt ihr einestheils der Gedanke zu Grunde die einfache gerade Linie in verschiedenen Stellungen, ebenso den Halbkreis od. die halbe Ellipse u. den ganzen Kreis zu Buchstaben zu benutzen, um dadurch die möglichste Vereinfachung des Alphabetes zu erzielen; anderntheils eine Berechnung, wonach man aufgefunden hat, welche Laute u. Buchstaben in den englischen Wörtern am häufigsten, welche seltener vorkommen. Unter den ungefähr 13,800 gebräuchlichsten Wörtern befinden sich 6170, worin die Laute f (v), d, t, s (z, c), enthalten sind; es werden daher diese durch den geraden Strich bezeichnet, nämlich s durch –, t durch /, d durch den von rechts nach links hinuntergezogenen u. f durch den von links nach rechts abwärts gehenden. Seltener kommen die Laute u. Buchstaben b, h, m, p vor, sie werden durch den geraden Strich mit einem Ringelchen vertreten. Krumme Striche, also runde Züge, sind am zeitraubendsten u. am schwierigsten zu schreiben, nicht blos weil die krumme Linie eine weit längere Strecke durchläuft als die gerade, sondern noch mehr, weil zur Beschreibung der krummen Linie mit dem Schreibmittel auf dem Papier mehre Muskeln hintereinander thätig sein müssen, also eine zusammengesetzte Bewegung erforderlich ist, während der gerade durch die einfache Bewegung eines einzigen Muskels hervorgebracht wird. Die englische S. wendet daher den Halbkreis nach oben hohl für n an, nach unten hohl für k od. q, die Hälfte der Ellipse nach links hohl für g od. j, nach rechts hohl für ch, also nur für Buchstaben, welche seltener vorkommen; für w ein Ringelchen mit dem nach unten hohlen Kreis, für x, y, th, sh einen geraden Strich mit vorangehenden Häkchen u. für r den Buchstaben aus der englischen Currentschrift od. einen von links nach rechts aufsteigenden Haarstrich. Der einfache Punkt bezeichnet alle Vocale, welche aber überhaupt nur ausnahmsweise geschrieben werden. Jeder Buchstabe für sich allein hat mehre Bedeutungen, z.B. – für s kann heißen: as, has, is, his, us. Die eigentliche Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhange. Auf diese Weise bezeichnet die englische S. die Sätze: Sciences are of a sociable disposition and flourish best in the neighbourhood of each other, in ihrer Schrift mit folgenden Buchstaben u. Buchstabenverbindungen: sncs r f a sb dsps n flsh bst n th nbrh f. ch. thr, wo die Endung ble durch b u. ea u. o durch den einfachen Punkt vertreten werden. Es sind hier Laute, welche wesentliche Bestandtheile der Wörter bilden, weggelassen; dagegen sind hauptsächlich die Anlaute der Wortstämme berücksichtigt u. beibehalten worden nach dem Princip der altrömischen Kurzschrift, daß die Anlaute die Hauptträger der Bedeutung der Wörter sind. b) In Deutschland sind gegenwärtig verschiedene stenographische Schriftarten gleichzeitig in Gebrauch, welche sich auf drei Hauptsysteme zurückführen lassen: das erste, welches sich die englische S. von Taylor zum Muster genommen u. es der Deutschen Sprache anzupassen versucht hat; das zweite das Gabelsbergersche u. das dritte, welches aus beiden vorhergehenden mehr od. weniger entlehnt, dabei aber doch seinen eigenthümlichen Weg geht, wie die S. von Stolze u.a. Alle unterscheiden sich von der englischen durch die Bezeichnung der Selbstlaute. aa) Die Schriftarten, welche nach dem englischen System gebildet sind, sind die ältesten deutschen. Nachdem Fr. Mosengeil einen verunglückten Versuch gemacht hatte, gelang es Horstig in Bückeburg (1796) nach den Grundsätzen der englischen S. eine ihm eigenthümliche Schriftart aufzustellen, welche mehr Anklang fand. Er entwickelte die einzelnen Buchstaben ebenfalls aus der geraden Linie, dem Kreis u. der Ellipse, fügte aber noch die Schlangenlinie hinzu. Zur größeren Vereinfachung des Alphabetes gab er dem b u. p ein gleiches Zeichen, ebenso dem d u. t, auch unterschied er nicht e von ä u. ö, ei von eu, i von ü. Mosengeil verwarf nun seinen ersten Versuch u. stellte einen neuen auf, welcher dem von Horstig größtentheils sich anschloß. Eine neuere Bearbeitung der S. nach diesen Grundsätzen veröffentlichte I. Nowak in Wien (1831), welcher Horstigs Alphabet größtentheils beibehielt, jedoch b von p u. d von t unterscheidet, zwar auch die Vocale, wie Horstig, von den Consonanten getrennt nach Art des Punktes schreibt, sie aber mit Ausnahme des u. anders bezeichnet. Er entlehnte[765] später auch manche Kürzungsvortheile aus der Gabelsbergerschen S. Seine Schrift ist geläufig, u. er hat ganz besondere Sorgfalt auf die möglichste Abkürzung der kleinen Redetheile, Formwörter, Vorsylben u. Nachsylben u. grammatische Formen verwandt. Zu der Horstigschen Schule gehört auch die stenographische Schriftart Winters in Stuttgart u. dessen Schüler. bb) Einen ganz neuen u. eigenen Weg ging Gabelsberger in München. Eine vorwiegende Neigung zur Schönschrift trieb ihn schön u. schnell zu gleicher Zeit zu schreiben. Die runden Züge, den Kreis, das Eirund, die Schlangenlinie, die Wellenlinie sind die Linien des Reizenden u. Schönen, u. da die Gabelsbergersche stenographische Schrift sich vorzugsweise in diesen runden Zügen hinschlängelt u. den geraden Strich u. die Ecke nur sparsam dazwischen streut, so trägt sie den Charakter des Zierlichen, Reizenden, ja Schönen an sich. Alle Buchstaben ohne Ausnahme sind Züge, welche er aus der deutschen u. englischen Cursivschönschrift genommen hat. Nur sechs davon bestehen aus dem geraden Strich u. darunter e, was meistens nur als Endung vorkommt (das häufig vorkommende i wird dagegen mit drei einfachen Strichen geschrieben). Daher findet der gerade Strich bei ihm verhältnißmäßig nur selten Anwendung. Z.B. in den Worten: sie wissen von Allem zusagen, ist nach seiner Schrift ein einziger, ebenso in: wenn sich dir das Wahre zeigen soll. Hierzu kommt noch, daß das Zeichen für der gerade Strich von der Linken abwärts nach der Rechten ist, was auf viele zusammengesetzte Selbstlaute wie: str, pr, spr, sehr übergeht, während seine Schrift in der Regel die Schreibrichtung mit unserer cursiven gemein hat. Die Gabelsbergersche S. hat mit der Zeit durch Benutzung aus dem Leben gegriffener Erfahrungen einen Grad wissenschaftlicher u. praktischer Fortbildung erlangt, wie keine andere deutsche. Während in der ersten Ausgabe des Gabelsbergerschen Lehrbuchs noch ein langer Abschnitt davon handelt, die Sätze nicht wörtlich nachzuschreiben, sondern nach dem Sinne abzukürzen, was dem Begriff der S. widerstreitet; hält sich der Gabelsbergersche Stenograph nunmehr schon seit längerer Zeit streng daran, Wort für Wort aufzunehmen, u. ist es auch bei dem schnellsten Sprecher im Stande. Ein besonderes Verdienst hat Gabelsberger dadurch, daß er nicht nur einfachen Lauten, welche mit zusammengesetzten Zeichen im Deutschen geschrieben werden, wie ch, sch, ng, einfache Zeichen gab, wie auch schon Horstig gethan, sondern auch zusammengesetzte in Anlaut u. Auslaut mit einfachen Zeichen versah, z.B. br, pr, sp, spr, sehr, schw, schm in braten, preißen, spielen etc. Freilich ist ihm dies nicht überall gelungen. Er strebte überhaupt weniger nach Vereinfachung des Alphabetes, als nach genauer u. vollständiger Bezeichnung, indem er die Regel aufstellte: die Schrift muß für die Rede haften, u. ist es nicht der Buchstabe, so sei es doch die Regel, welche für seine Anwesenheit Bürgschaft leistet. Deshalb hat er auch für alle Vocale besondere Zeichen, schreibt sie aber meist, od. doch größtentheils nicht ausdrücklich, sondern bezeichnet sie entweder dadurch, daß der Consonant stärker od. schwächer gezeichnet wird, od. durch eine kleine Veränderung an dem Zuge des Consonanten, od. dadurch, daß der eine Consonant im Worte höher od. tiefer als der andere gesetzt wird, od. er läßt die Vocale durch den kleinen Haarstrich vertreten, od. er schreibt ei für eu, e für ö, i für ü, od. auch u für ü, au für äu etc. Die Zahl der Einzellinge ist bei ihr sehr beschränkt, auch die Monogramme, Verschlingung mehrer Buchstaben zu einem einzigen Zuge, welche sich von dem Wesen der gemeinen Schrift entfernten. Dagegen gibt es zur Vereinfachung der Schrift, um einzelne Wurzelwörter u. Stämme zu kürzen, Regeln, z.B. daß das h als Dehnungszeichen wegzulassen, die Verdoppelung der Consonanten (ll, mm, nn) entweder nicht, od. kürzer zu bezeichnen, das r in der Mitte der Wörter auszustoßen ist, so daß man z.B. die At, der Ot statt die Art, der Ort schreiben könne u. dgl. mehr. Dies ist der erste Abschnitt seiner Lehre, die Schriftkürzung, wodurch er, einzelne Züge geschickt verbindend, kurze od. auch abgekürzte Wortbilder zu erlangen sucht. Eine weitere Vereinfachung bietet der zweite Abschnitt, die Schreibkürzung, worin er Vor- u. Nachsylben, grammatische Formen u. Formwörter abgekürzt zu schreiben lehrt. Er stellte dabei den Grundsatz auf, die Begriffswörter stets auf der Zeile zu halten, u. nur die Abkürzungen für die Formwörter über, auf od. unter die Zeile zu stellen. Er näherte sich dadurch, mit Berücksichtigung deutscher Eigenthümlichkeit, der römischen Kurzschrift. Das von Stolze gelehrte Verfahren, auch Zeichen für die Begriffswörter selbst über od. unter die Zeile zu setzen, bekämpfte er, wurde sich aber hierin später selbst untreu. Im dritten Abschnitt, den syntaktischen Kürzungen, handelt er von den Kürzungen, welche sich mit Nothwendigkeit aus dem Zusammenhange ergänzen lassen sollen. Es ist diesen Kürzungen eigen, daß sie für sich allein keine Bedeutung haben, sondern in verschiedener Verbindung eine verschiedene erhalten. Dieser Theil der S. ist von ihm am meisten umgearbeitet u. am meisten bearbeitet worden, ohne noch zur vollständigen Entwickelung u. Ausbildung gelangt zu sein. Die S. Gabelsbergers war nur in seinen ersten Grundlagen (1834) veröffentlicht, als cc) Stolze in Berlin (1841) mit einer neuen stenographischen Schrift hervortrat. Sein Ziel war eine S. zu liefern, welche geläufiger od. schreibflüchtiger u. leichter zu erlernen sein sollte, als die bisherigen. Er glaubte dies zu erreichen, wenn sie ihre Züge sämmtlich aus der gewöhnlichen Schrift entlehne, in der Regel nur beim Anfange eines neuen Wortes die Faden absetze u. alle allgesonderten Punctationen u. Signaturen vermeide; wenn ihre Schrift rechts schräg stehe, u. die Züge sich dabei nur unter spitzen Winkeln vereinigen, u. wenn ihre Wortbilder so gestaltet seien, daß bei einer Zeilenentfernung von 1/3 Zoll die Schriftzüge der einen Reihe die der anderen durchaus nicht berühren können. In Bezug auf die Zuverlässigkeit der Schrift erklärt er die Vollständigkeit der Bezeichnung für die Hauptsache. Ergänzungen aus dem Zusammenhange der Rede verwirft er u. bezeichnet jede Auslassung als unzulässig, wenn erst beim Lesen aus dem Zusammenhange der Rede geschlossen werden solle, welcher Buchstabe, welche Sylbe, welches Wort hinzuzudenken sei. Die sogenannten Sigeln sollen nur Eine Bedeutung haben; Vocale in der Mitte der Wörter sollen durch die Stellung u. Gestaltung der Consonanten ausgedrückt werden; willkürliche Zeichen, denen jede Beziehung auf das Alphabet fehlt, zur Bezeichnung von Sylben u. Wörtern verwirft er. In Bezug auf die Lesbarkeit fordert er, daß die[766] stenographische Rechtschreibung nicht ganz von dem Schriftgebrauch abweiche. Die Wortbilder sollen, abgesehen von den grammatischen Formen, immer in derselben Gestalt erscheinen. Da das Wort in der S. nicht aus einzelnen Buchstaben zusammengesetzt erscheine, so solle es vielmehr als Ein Bild uns vor die Augen treten, worin gleichwohl die beiden einander entgegengesetzten Elemente, Vocal u. Consonant, Anlaut u. Auslaut, Endung u. Stamm, stets deutlich unterschieden würden; die fremden Wörter jedoch, bei denen diese Elemente nicht erkannt würden, sollen auch in der S. die einzelnen Buchstaben zu Elementen haben. Seine Buchstaben sind aus den Zügen der deutschen u. englischen Cursivschrift genommen, zum Theil mit denjenigen von Nowak u. Gabelsberger übereinstimmend, aber die Schlangenlinie, der Kreis, der Kreisbogen u. der elliptische Bogen in seinem Alphabete noch vorherrschender. Der Haarstrich unserer Cursivschrift dient zur Verbindung des anlautenden Consonanten mit dem auslautenden u. hilft dem anlautenden die Vocale bezeichnen, je nachdem er lang od. kurz ist. Alle Vocale haben nämlich nach ihrer Unterscheidung in der gemeinen Schrift besondere Zeichen, sie werden aber nur als Auslaute der Sylbe, z.B. in Streu, da, wo etc., u. als Anlaute nur a, ä. u, au, eu, ai ausdrücklich geschrieben, dagegen die mit i anlautenden Wörter über, die mit e u. ei auf, die mit ou. ö anlautenden unter die Zeile gesetzt. Ein kurzer Haarstrich zu Anfang bedeutet dann i, eod. o, ein langer ei od. ö. Inlautende Vocale werden nicht ausgeschrieben, sondern die Wörter, die mit i od. ai lauten über die Zeile, die mit a, ä, eu. ei auf, die mit u u. ü, o u. ö unter, die mit au, äu, eu halb auf u. halb unter die Zeile gesetzt. Die Consonanten werden als Anlaute entweder in der Stärke eines Haarstriches od. in der eines Grundstriches geschrieben, u. da mit jedem ein kurzer od. langer Haarstrich verbunden werden kann, so ergeben sich vier Unterscheidungen, wovon jede einen anlautenden Consonanten mit einem Vocal bezeichnet. Der schief auf der Zeile stehende gerade Strich z.B. in der Höhe eines d der Cursivschrift bedeutet d; die vier Unterschiede sind: d in der Stärke des Haarstriches mit kurzem Haarstrich, je nachdem es auf, unter od. über der Zeile steht = de, do, di; in der Stärke des Haarstriches mit langem Haarstrich = dei, dö; als Grundstrich mit kurzem = da, du; als Grundstrich mit langem Haarstrich = dae, dü, dai, vorausgesetzt, daß der auslautende Consonant jedesmal zugleich mit dem anlautenden auf, unter od. über der Zeile steht; wird aber der Anlaut auf, der Auslaut unter die Zeile geschrieben, so ist das Zeichen im ersten Falle = deu, im dritten = dan, im vierten = dän. Ebenso bei allen anderen anlautenden Consonanten. Dieselben sind aber entweder einfache, wie b in bilden, od. zusammengesetzte, wie br in brechen; sowohl die einfachen als zusammengesetzten, zusammen 51, erhalten jeder ein besonderes charakteristisches Zeichen, ebenso die einfachen u. zusammengesetzten auslautenden Consonanten, zusammen 117. Unter letzteren befinden sich die verdoppelten Auslaute tt, dd, ll etc. Während die einfachen Auslaute in der Stärke des Haarstriches geschrieben werden, bedeutet dasselbe Zeichen in der Stärke des Grundstriches den verdoppelten Consonanten. Allein alle diese Mittel reichen nicht aus, um die für den Stenographen unentbehrliche Kürze herzustellen, da durch die vollständig durchgeführte Unterscheidung zusammengesetzter Consonanten (br, bl etc.) von den Consonantenverbindungen, zwischen denen Vocale lauten (bar, bail etc.), zwar für die Deutlichkeit der Schrift, aber auf Kosten der Kürze gesorgt ist, es muß daher dieser Schade durch eine größere Zahl von sogenannten Sigeln ersetzt werden. Dabei geht er von dem Grundsatze aus, daß bes. der anlautende Consonant als unwandelbarer Grundbestandtheil der Träger des Begriffes sei u. sich daher vorzugsweise zu Sigeln für Begriffswörter eigene. Er bildet auf diese Weise ungefähr 200 Sigeln für die öfteren Begriffswörter. Bei den Sigeln für Vorsylben, Nachsylben u. Formwörter wechselt er zwischen An- u. Auslaut ab. Die Zahl seiner allgemeinen Sigeln für deutsche Wörter beträgt 453; hierzu kommen noch ungefähr 150 für fremde. Außerdem empfiehlt Stolze die sogenannten Specialsigeln, d.h. Sigeln, welche sich Jeder nach seinem Einzelbedürfniß in beliebiger Anzahl bilden kann, wozu er allgemeine Regeln aufstellt. Zu dem System der S., welches oben als das dritte bezeichnet wurde, gehört auch ein Versuch des Schweizers Rahm, welcher auch in Deutschland Anhänger gefunden hat. c) Die französische, italienische, schwedische, norwegische, nordamerikanische S. ist der englischen nachgebildet od. gleich; auf die griechische, dänische u. die slawische Sprache ist die Gabelsbergersche Schrift angewendet worden, um für dieselben eine S. zu schaffen.

III. Geschichte der S. Die ersten unzweifelhaften Nachrichten über eine Geschwindschreibkunst finden sich bei den Griechen, so arbeitete Xenophon seine Memorabilien nach geschwindschriftlichen Aufzeichnungen aus. Auch sind in Pariser Handschriften Bruchstücke griechischer stenographischer Schrift vorhanden, welche Kopp in der Paläographie (1817) mittheilt u. entziffert. Diese griechische S. scheint den Einen nicht früher als im 3. od. 4. Jahrh. n. Chr. entstanden zu sein, weil sie aus der alten griechischen Cursivschrift gebildet ist, letztere aber erst im 2. od. 3. Jahrh. n. Chr. erscheint; Andere aber glauben, weil in den viel älteren Papyrus griechische Cursivschrift vorkomme, daß die uns noch bekannte griechische S. dieselbe sein könne, welche zur Zeit des Freistaates Athen schon angewendet wurde. Bei den Römern wurde die S. im 1. Jahrh. v. Chr. angeblich von Ennius eingeführt u. nicht nur in allen Gebieten der Öffentlichkeit angewandt, sondern auch ein Hülfsmittel bei literarischen Beschäftigungen. Plutarch erzählt, daß eine einzige Rede Catos erhalten worden sei durch den Consul Cicero, welcher den besten Köpfen unter den Schreibern Schriftzeichen, welche in kleinen u. kurzen Wortbildern die Bedeutung vieler Buchstaben hatten, gelehrt u. dieselben auf verschiedene Plätze im Versammlungsorte des Senates vertheilt hätte. Zu Ciceros Zeit, unter Jul. Cäsar u. Augustus fand die S. allgemeine Anwendung u. Stenographen (Notarii, Actuarii) wurden von Staatswegen u. von vornehmen Römern, so bes. Tiro u. Aquila von Cicero u. Mäcenas, gebraucht, um öffentliche Verhandlungen im Senat, vor den Kaisern, in den öffentlichen Gerichten, wissenschaftliche Verträge u. Abhandlungen u. auch Acte der freiwilligen. Gerichtsbarkeit (Verträge, Testamente) aufzunehmen. Plinius d. I. erzählt von seinem Stenographen, welchen er nachschreiben ließ, u.[767] von dem seines Oheims, Martial macht sich über einen Anwalt lustig, welcher einen ganzen Trupp Stenographen bei sich führte etc. Später war die Ausbildung solcher Schnellschreiber ein besonderer Lehrgegenstand u. es gab Schnellschreiber von Profession. Mit der römischen Civilisation erhielt sie sich noch bis ins 9. Jahrh. unter den fränkischen Königen u. Kaisern, u. diesem Umstande haben wir die Erhaltung der römischen Kurzschrift zu verdanken. Mehre Capitularien aus dieser Zeit, in tironischen Noten geschrieben, sind noch erhalten, u. die Codices des Commentars über die römische S., welche dem Rhetor Seneca zugeschrieben wird, aber wahrscheinlich aus der Zeit der Antonine stammt u. von Kirchenvätern interpolirt ist, rühren wahrscheinlich aus derselben Zeit. Seit dem 10. Jahrh. kam die Anwendung u. Kenntniß der antiken Schnellschreibekunst in Vergessenheit. Die ersten Spuren der modernen S. finden wir in England, wo sie sich nach Einsetzung der jetzigen englischen Staatsverfassung von 1689 als Träger der Öffentlichkeit ausbildete. Zur Zeit der ersten Französischen Revolution von 1789 fand sie in Frankreich Aufnahme, was zu den ersten Versuchen deutscher S. von Mosengeil u. Horstig Veranlassung gab, ohne jedoch damals in Deutschland einen geeigneten Boden zu ihrem Gedeihen zu finden. Erst die Einführung landständischer Verfassungen in Württemberg, Badenn. Baiern schuf die jetzige deutsche S., welche sich anfänglich auf Süddeutschland beschränkte. Während Winter in Stuttgart u. Karlsruhe mit seinen Schülern in den zwanziger Jahren u. vorher den stenographischen Dienst versah, nahm Gabelsberger mit seinen Schülern in München die Verhandlungen der zweiten Kammer auf u. erhielt bereits im Jahre 1831 den Auftrag Lehrcurse zur Heranbildung von Stenographen abzuhalten. Nach der Einführung der landständischen Verfassung im Königreich Sachsen verpflanzte K. Krause die Gabelsbergersche S. nach Norddeutschland, indem er beim ersten öffentlichen Landtage in Dresden 1833 als Mitredacteur des Landtagsblattes einen Schüler Gabelsbergers, Wigard, von München holte u. zur stenographischen Aufnahme von Landtagsverhandlungen verwendete u. selbst für Verbreitung der S. wirkte. Die sächsische Regierung gründete zuerst für die S. eine eigene u. besondere Staatsanstalt, das königlich sächsische Stenographische Institut, mit dem doppelten Zwecke für die Regierung bei allen vorkommenden Gelegenheiten den stenographischen Dienst zu versehen u. außerhalb des Landtages neue Stenographen heranzubilden. Um eine weitere Verbreitung der S. in Norddeutschland, namentlich in Preußen, machte sich Stolze in Berlin seit 1841 verdient, konnte aber erst im Jahre 1847 beim Vereinigten Landtage in Berlin von der Regierung zum stenographischen Dienst verwendet werden. Seine Schüler genügten damals nicht, so daß die königlich sächsische Regierung mit ihren Stenographen aushelfen mußte. Gegenwärtig sind zwei stenographische Kanzleien bei den preußischen Kammern; dem Director der einen liegt zugleich ob während der Zeit, wo die Kammern nicht versammelt sind, für die Ausbildung von Stenographen auf Staatskosten Sorge zu tragen. In Baiern wurde nach Gabelsbergers Tode Georg Berber, Schüler Gabelsbergers, als Lehrer der S. an der Universität u. Polytechnischen Schule zu München angestellt. Außerdem werden jährlich von der Regierung Prämien zur Fortbildung u. Ermunterung von Anfängern in der S. vertheilt, u. während des baierischen Landtags erhalten zwei Vorsteher des gesammten stenographischen Dienstes u. außerdem 20 Stenographen Tagegelder, von denen acht in der ersten u. zwölf in der zweiten Kammer schreiben. Am glänzendsten war die Stellung der Stenographen der französischen Nationalversammlung von 1848 bis 2. Dec. 1851. Nach französischen Blättern wurden 18 Stenographen als Staatsdiener (Fonctionnaires publics) angestellt, nämlich fünf Redactionsstenographen (Réviseurs), zwei Unterredactionsstenographen (Rouleurs-Réviseurs) u. 11 Turnusstenographen (Rouleurs) mit Jahresgehalt. Von den Turnusstenographen schrieb jeder nur zwei Minuten lang, wurde dann abgelöst u. mußte sofort seine Aufzeichnung in gemeine Schrift übertragen; von den Redactionsstenographen jeder eine Viertelstunde u. besorgte dann nach seiner Niederschrift die Durchsicht der von den Turnusstenographen gelieferten Arbeiten. Das neue Kaiserreich hat der S. in Frankreich keinen Platz eingeräumt; selbst der Moniteur hat keine Stenographen mehr. In Dänemark, wohin Dav. Dessau die Gabelsbergersche S. verpflanzte, beschäftigt jede der beiden Kammern neun Stenographen, einschließlich eines Oberstenographen. In der zweiten Kammer wird eine der englischen nachgebildete S. angewendet. In Schweden ist ebenfalls eine nach dem englischen System ausgearbeitete S. heimisch; von den vier Reichsständen beschäftigt nur die Ritterschaft Stenographen. In Norwegen ist die englische S. üblich, scheint aber beim Storthing keine Anwendung zu finden. Nach Italien kam die moderne S. zu Ende des 18. Jahrh. durch Amanti, welcher das englische System auf die Italienische Sprache übertrug; man benutzte dieselbe aber erst seit 1848 in Turin. Den stenographischen Dienst bei der Nationalversammlung des Königreichs Sardinien wurde auf Vorschlag Milanesios, Professor der S. an der Militärakademie zu Turin, nach dem Vorbilde des französischen geregelt. Die Verhältnisse der englischen Stenographen (Reporters) sind ganz eigenthümlicher Art; sie gehören zum Personal der großen Londoner Zeitungen u. werden von den Redactionen besoldet. Die Stenographen an den Gerichtshöfen sind häufig junge Advocaten, welche ihre Lehrzeit, in der sie auf Clienten warten, auf diese Weise ausfüllen. Überhaupt ist die S. in England so in Aufnahme, daß sie selbst an den Universitäten gelehrt wird. Auch in Deutschland ist sie Lehrgegenstand an mehren Universitäten, so in Berlin, Gratz, Prag, München, Würzburg, Wien. Außerdem sind aber noch zwei Hauptvereine für Ausbreitung u. Förderung der S. (Stenographenvereine) thätig, nämlich der Gabelsberger Stenographen-Centralverein in München, welchem sich der Centralverein der Stenographen des österreichischen Kaiserstaates zu Wien u. Zweigvereine zu Berlin, Leipzig u. Chemnitz angeschlossen haben; sodann der Stenographische Hauptverein für Stolzesche S. zu Berlin, welcher mit einer Menge von Zweigvereinen in ganz Norddeutschland in Verbindung steht. Der Münchener Verein läßt seit 1849 eine Zeitschrift Stenographische Blätter, u. der Berliner Stolzesche ebenfalls seit 1849 ein Archiv für S. erscheinen, beide in stenographischer Schrift. Das Hauptwerk über altrömische[768] S. ist: Ulr. Kopp, Palaeographia critica, Manh. 1817; für die moderne S.: Fr. Xav. Gabelsberger, Anleitung zur deutschen Redezeichenkunst od. S., Münch. 1834, 2. A. 1850; für die Gabelsbergersche S.: Wigard, Lehrbuch der Redezeichenkunft, nach Gabelsbergerschem Lehrgebäude, Dessau 1853, 2 Bde.; Heyde, Krause u. Steinmann, Lehrbuch der Gabelsbergerschen S., Dresd. 1853; dazu: Stenographisches Lesebuch, ebendas.; Kurzgefaßtes Lehrbuch der Gabelsbergerschen S., herausgegeben von der ersten allgemeinen Versammlung Gabelsbergerscher Stenographen zu München, Münch. 1859; K. Albrecht, Lehrbuch der Gabelsbergerschen S. für Schul-, Privat- u. Selbstunterricht, Lpz. 1860; R. Fischer, Stenographische Unterrichtsbriefe nach Gabelsbergers System, Glauchau 1861; Heger, Bemerkenswerthes über die S., Wien 1841; Derselbe, Über den Nutzen u. die Wichtigkeit der S., Prag 1845; Derselbe, Praktisches Handbuch der Stenotachygraphie, Wien 1846, 2 Bde.; W. Stolze, Theoretisch-praktisches Lehrbuch für höhere S., Berl. 1841; Anleitung für deutsche S., ebd. 1845; Ausführlicher Lehrgang der deutschen S., Berl 1852; für die Stolzesche S.: E. Danneberg, Theoretisch-praktischer Leitfaden der deutschen S., Berl. 1851; I. Nowak, Leicht lesbare Geschwindschrift, Wien 1848; Jacobi, System der Stolzeschen Schrift, Berl. 1851; R. Fischer, Die stenographischen Systeme von Gabelsberger u. Stolze, Gera 1853.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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