- Madrid [1]
Madrid (Madrit), 1) Provinz (Subdelegation) im spanischen Königreiche Neucastilien; liegt zwischen den Provinzen Toledo, Euença, Guadalaxara u. Segovia u. umfaßt 62 OM. mit 406,000 Ew.; sie bildet eine im niedrigsten Theile 1700 Fuß hohe Hochebene, ist im Norden durch die Sierra Guadarama gebirgig, wasserarm, daher nicht fruchtbar u. wird von dem Manzanares, Jarama, Henares, Guadarama u.a. Nebenflüssen des Tajo (erster im Sommer äußerst wasserarm, zur Regenzeit oft sehr reißend) durchflossen. Das Klima ist wegen der schnellen Abwechselung nicht ganz gesund, im Ganzer sehr trocken, mit Wärme von oft 40° u. Kälte von selbst 8°, doch mit reiner Luft. Die Einwohner beschäftigen sich bes. mit Schafzucht, der Acker-, Wein- u. Ölbau ist wegen der mangelhaften Bewässerung unbedeutend; von Mineralien findet man viel Salpeter; 2) Hauptstadt der Provinz u. des ganzer Königreichs, größte Stadt Spaniens; wird als Villa, nicht als eigentliche Stadt (Ciudad), betrachtet; liegt auf. vielen Hügeln, 2040 Fuß über dem Meere, links am Manzanares, welcher außerhalb östlich der Stadt, aber dicht an ihr vorbeifließt; über ihn führen zwei große steinerne Brücken (von Segovia [2000 Fuß lang] u. von Toledo). Das Trinkwasser in M. ist falpetrig, das bessere wird vom Guadaramagebirg durch eine Wasserleitung hergeleitet, in 32 Brunnen vertheilt u. ist Gegenstand des öffentlichen Verkaufs. M. ist Restdenz des Königs, Sitz der höchsten Landes- u. Provinzialbehörden u. der Cortes, des Generalcapitäns von Neucastilien, eines Magistrats, mehrer Tribunale; in jeder der 64 Gemeinden, in welche es getheilt wird, ist ein eigener Alcalde nebst dem nöthigen Gerichtspersonale. M. liegt in einer einförmigen, unangebauten, ungesunden u. wasserarmen Hochebene, bildet ein mit hoher Mauer aus Backsteinen eingefaßtes Viereck, hat 31/2 Stunden im Umfang, 15 Thore (darunter 6 königliche, z.B. Puerto de Alcala, welches einem Triumphbogen gleicht, das von Atocha), u. zerfällt in zwei nördliche u. zwei südliche Stadttheile, von welchen jeder fünf Bezirke enthält; der südwestliche ältere Stadttheil hatenge Straßen mit niedrigen Häusern, der neuere hat breite, gerade Straßen u. schönehohe Häuser. Von den 42 Plätzen ist der Hauptplatz Plaza mayor (1536 Fuß im Umfang mit hohen Häusern, welche im untern Stock Arcaden haben, eingefaßt); auf dem Puerto del Sol (Sonnenthor, aber jetzt kein Thor, sondern ein kleiner Platz mitten in der Stadt an der Calle de Alcala), versammelt sich das Volk häufig, findet viel Handel Statt u. flanirt die geschäftslose Welt; Plaza oriental de Palazio etc. Unter den 506 gut gepflasterten u. wohlerleuchteten Straßen ist die schönste Calle d'Alcala, welche nebst ihren Fortsetzungen, der Mayor Carrera de S. Geronimo u. der de la Amudema Platerias die Stadt in zwei ziemlich gleiche Hälften theilt, ferner de S. Bernardo, Fuencarrel, Atocha, Toledo u.a. Die 77 Kirchen, unter ihnen die der Jesuiten, Sta. Isabella, Sta. Isidora, von Philipp IV. gegründet, die Kirche der Salesianerinnen, die Kirche von Antiochia, S. Pascal, S. Marlin, S. Domingo u. de la Incarnation u.a., sind weder durch Größe u. noch durch besondere Schönheit ausgezeichnet, aber reich an Meisterwerken berühmter spanischer, italienischer u. niederländischer Maler; einst 72 Klöster (jetzt meist aufgehoben), 5 Gefängnisse. Auf einer Anhöhe der Westseite der Stadt liegt zwischen den Thoren von Segovia u. S. Vincente das königliche Schloß, nach dem Brande 1734 wieder neu errichtet (1737–50), ein castellartiges Viereck, mit 470 Fuß Seitenlänge, 100 Fuß hoch, mit 3 Stockwerken unter, 5 über der Erde, mit plattem Dache, Gemäldegallerie u. herrlichen Sälen im Innern, Kapelle, Sternwarte u. bis zum Manzanares reichendem Schloßgarten. Der alte königliche von Philipp IV. erbaute Palast Buen Retiro am östlichen Ende M-s, am Thor von Alcala, nimmt mit seinen weitläufigen Gärten 1/4 der Grundfläche der[684] Stadt ein, war ehedem Residenz der Könige, hat aber durch die Zeitereignisse sehr gelitten, war von den Franzosen befestigt, ist jetzt zu Sammlungen, zur Artilleriekaserne u. dgl. verwendet, enthält in den Gärten eine Fasanerie, die Reiterstatue Philipps IV., den Campo grande (Exercierplatz), den Campo Sante, Observatorium, das königliche Museum mit der reichsten Gemäldesammlung der Erde, Botanischen Garten etc.; der Palacio de las Consejas od. Regierungspalast, Palast des Herzogs von Medina Sidonia, Palast Panadería, das Stadthaus, die Aduana od. das Zollhaus, Posthaus (el Coréo), Zeughaus, Münze, Hofgefängniß etc. Milde Stiftungen: 19 Hospitäler, darunter Männerhospital zu S. Fernando für 1400 Kranke, de la Passion für Weiber, 4 Findel-, 2 Gebärhäuser, Hebammen- u. Taubstummenschule etc. Wissenschaftliche u. Unterrichtsanstalten u. Sammlungen: Universität, 1770 erneuet, die Real Estudio di S. Isidoro mit 16 Professoren u. Bibliothek; Real Estudio für praktische Heilkunde, Chirurgie, Botanik, Chemie, Mineralogie, Realseminario de Nobles (mit Generaldirector, 9 Directoren u. 23 Lehrern), Lyceum (eine Art Künstlerverein, königliches Naturaliencabinet, Sternwarte, Kunstsammlungen der Herzöge von Alba, Insantado u. Medina Celi, Gemäldegallerie des Antonio de Perez, Thierarzneischule, Ingenieurakademie, Polytechnisches Institut, Ackerbauschule u. andere Schulen. M. hat ferner 13 königliche Akademien, so Akademie der Schönen Wissenschaften u. Künste von S. Fernando, der Geschichte, welche in der Panadería ihre Sitzungen hält, der Spanischen Sprache, Rechtsgelehrsamkeit, des Kirchenrechts u. m. a.); ferner mehrere Bibliotheken (die königliche in einem Kloster nahe am Palaste Buen-Retiro mit 2000 Handschriften u. Medaillensammlung, die zu S. Isidoro, bei mehreren Akademien etc.). Es gibt Fabriken für wollene u. baumwollene Waaren, Teppiche, Seidenzeuge, Leder u. Cigarren; der Handel ist verhältnißmäßig unbedeutend, doch gibt es eine Art Messe, einige Banken u. Assecuranzgesellschaften, eine Börse. Unter den mit Baumalleen besetzten öffentlichen Spaziergängen ist bes. el Prado merkwürdig; er geht als Prado S. Geronimo 1/4 Meile lang zwischen dem Palast Buen Retiro u. der Stadt u. als Prado de los Recoleitos nördlich von ersterem mehr gartenähnlich hin durch mehre Straßen, hat eine Menge Springbrunnen mit Statuen, Inschriften u. dgl., dient zum Reiten, Gehen u. Fahren; beide Theile trennt die Straße Alcala; ferner las Delicias, südlich der Stadt, stößt an das Thor von Atocha u. den Prado de S. Geronimo u. läuft eine Viertelstunde lang am Kanal von Manzanares hin; ebenda liegen noch die Paseos nuevas, die Paseo de Florida aber nördlich am Manzanares u. m. Theater hat M. 4, das Cannos del Peral, ursprünglich für Hoffestlichkeiten, jetzt für die Italienische Oper u. das Nationalschauspiel, das del Principe, das de la Cruz (beide spanische Nationaltheater) u. das del Oriente (erst 1838 vollendet); das Stiergefechtamphithéater liegt bei dem Thor von Alcala. Außerdem vergnügt man sich durch Tertullias (s.d.), kirchliche Processionen etc. Von M. führt eine Eisenbahn über Aranjuez nach Ciudad Real, Albacete bis Valencia u. Alicante. Einwohner: bei 290,000. Die Umgebungen M-s sind öde u. einförmig, doch enthalten sie mehre königliche Luft- u. Jagdschlösser, als el Prado (mit Eichenwald u. Thiergarten u. mit Städtchen von 1000 Ew.), Casa bel Campo, Florida, Zarzuela, Villa Viciosa (ws 1759 Ferdinand VI. starb), Alameda etc. Det Ausdruck. des Madrider Lebens ist wie das in Spanien überhaupt; das Innere der Häuser ist schmucklos, auf den Straßen begegnet man den meisten Männern in französischer, meist schwarzer Tracht, nur das Volk ist in spanischen braunen Mänteln, die Frauen in mehr französischer als spanischer Tracht, doch mit Schleiern, nur bei den Stiergefechten erscheinen die Damen in ihren Nationaltrachten. Man sieht wenig Wagen u. Reiter, dagegen viel Maulthiere. M. ist Geburtsort mehrer Gelehrten, als Lopez de Calderon, Vega, Pedro Muñoz, Alonzo d'Erzilla u. m. A.
Madrid kommt erst in der maurischen Zeit seit dem 8. Jahrh. als Magerita (Majoritum, arab. Medschellit) vor u. wurde 931 den Arabern von den Christen entrissen, erhielt aber erst unter Heinrich III. Größe u. Wichtigkeit; Residenz der spanischen Könige wurde es seit Philipp II. Hier Friedensschlüsse 1526 zwischen Karl V. u. Franz I. von Frankreich (Vertrag von M.), 1604 zwischen Philipp III. u. Jakob I. von England, 1617 zwischen Spanien u. Venedig, 5. Nov. 1630 zwischen Spanien u. England. Im Spanischen Erbfolgekrieg huldigte M. der französischen Partei, doch besetzte es Karl IV. 1706 auf kurze Zeit, s Spanischer Erbfolgekrieg. 27. März 1721 wurden Verträge zwischen Spanien, Frankreich u. Großbritannien abgeschlossen, eine Folge der Quadrupelallianz, wodurch sie diefrühern Frieden aufrecht zu halten versprachen; am 13. Jan.1750 Vertrag zwischen Spanien u. Portugal über ihre amerikanischen Besitzungen u. die Demarcationslinie u. am 21. März 1801 Vertrag zwischen Spanien, Frankreich u. Parma, wodurch der Herzog von Parma sein Land an Frankreich abtrat u. Etrurien erhielt. Am 2. Mai 1808 brach hier ein Volksaufstand gegen die Franzosen aus, welcher das Zeichen zur Erhebung von ganz Spanien gab. Später mußten die Franzosen M. räumen, nahmen es jedoch durch Capitulation am 4. Dec. 1808 wieder u. behaupteten sich bis August 1812 daselbst, wo sie es wieder räumen mußten. Am 6. u. 7. März 1820 Aufstand für die neue Constitution, die Gefängnisse der Inquisition wurden erbrochen u. die Gefangenen befreit; am 30. Juni neuer Straßenkampf zwischen den Garden u. Milizen, die ersteren erklärten sich gegen die Constitution, wurden jedoch überwältigt. 1823–26 wurde M. von der französischen Invasionsarmee unter dem Herzog von Angoulème besetzt u. 1834 durch die politischen Kämpfe zwischen den Christinos u. Don Carlos beunruhigt; es blieb immer für Christinen, obschon Don Carlos einmal bis dicht vor M. vordrang. 18. Jan.1835 scheiterte die Militärrevolution eines Theils der Infanterie unter Lieutenant Jose Cardero, um eine liberalere Verfassung einzuführen.1. Sept. 1840 Aufstand gegen das neue Ministerium der Moderados. 1843 nahm M. für Espartero Theil u. ergab sich erst, als dessen Sache gänzlich verloren war, an den General Narvaez, Prim u. andere Anhänger des Ministeriums Lopez. 25. März u. 7. Mai 1848 revolutionäre Aufstände, welche von Narvaez unterdrückt wurden, Juni u. Juli 1854 Militärrevolution unter O'Donnell. Vgl. Lazarillo, Nueva guia para los naturales y foresteros de M., Madr. 1783; D. Alvarez y Barna, Compendio [685] historico de las grandezas de la coronadavilla de M., ebd. 1786; Dessen Hijos de M. etc., ebd. 1789–91, 4 Bde.; Ch. A. Fischer, Gemälde von M., Berl. 1802; A. Blanqui, Reise nach M. im August u. September 1826, aus dem Französischen von G. Sellen, Lpz. 1827. Ramon de Mesonero Romanos, Manual de M. historico-topogra-phico, Madr. 1831 u. ö.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.