Bremen [1]

Bremen [1]

Bremen, 1) (Freie Hansestadt B.), selbständiger Staat im Deutschen Bunde. Das circa 5 QM. große Gebiet, durch die Weser in zwei ungleiche Hälften getheilt, zerfällt in zwei Landherrschaften u. enthält außer der Stadt B. die beiden Städte Vegesack u. Bremerhaven, u. 58 ländliche Ortschaften, worunter 12 Pfarrdörfer sind. Einwohnerzahl: 80,000, davon leben circa 60,000 in der Stadt u. sind protestantischer (lutherischer u. reformirter) Confession bis auf 2000 Katholiken u. 100 Juden (für letztere macht ein Gesetz von 1852 die Erwerbung des Staatsbürgerrechtes von einer besonderen Erlaubniß des Senates abhängig). Die Gewässer des Landes (Weser, Leesum, Ochum, mit ihren Zuflüssen) sind ziemlich reich an Fischen. Die Erzeugnisse B-s bestehen fast ganz aus denen der Stadt; die der Umgegend beschränken sich, auf dem höher liegenden Boden, auf etwas Getreide, Hanf, Flachs, Gemüse u. Obst, der meistentheils sehr feuchte, tiefliegende Boden dient zur Grasgewinnung u. als Weideland. Hauptbeschäftigung der Stadt B. bildet der Handel. Beim Deutschen Bunde bildet B. mit den anderen freien Städten, die 7. Curie, hat aber im Plenum eine eigene Stimme. Die gemäßigt demokratische Verfassung[266] der Republik, ähnlich der von Hamburg, Lübeck u. Frankfurt a. M., ging hervor aus dem ereignißreichen Jahre 1848, wurde am 8. März 1849 publicirt, im März des Jahres 1852 aber mittels Einschreitens des Deutschen Bundes in mehreren wesentlichen Punkten außer Kraft gesetzt. Seit dem 21. Febr. 1854 ist die Revision der Verfassung von Senat u. Bürgerschaft beendet u. ihr eine feste Gestalt wiedergegeben. Die Staatshoheit beruht in Senat u. Bürgerschaft in Gemeinschaft; der unter Theilnahme der Bürgerschaft sich ergänzende Senat, zugleich Magistrat der Stadt u. früher Rath genannt, zahlt 18 Mitglieder (Senatoren), wovon wenigstens 10 Rechtsgelehrte u. 5 Kaufleute sein müssen; zwei Mitglieder des Senats sind Bürgermeister, die Wahl derselben geschieht vom Senate u. alle 2 Jahre tritt Einer von ihnen aus; für die Dauer eines Jahres ist einer der Bürgermeister Präsident des Senats. Der Senat wirkt mit der Bürgerschaft in Ausübung der Staatsgewalt in allen Fällen, welche das Gesetz nicht anders bestimmt, gemeinschaftlich, hat jedoch die Leitung u. Oberaufsicht in allen Staatsangelegenheiten allein; in seinen Händen ruht ferner die vollziehende Gewalt überhaupt, das protestantische Episkopatrecht, Vertretung des Staates gegen Dritte u. in allen auswärtigen Angelegenheiten, das Gnadenrecht, die Polizeiverwaltung, Verfügung über die bewaffnete Macht. Die Bürgerschaft besteht aus 150 Vertretern der Staatsbürger; die Vertreter werden auf 6 Jahre gewählt, alle 3 Jahre geht die Hälfte ab; sie sind von keinerlei Instructionen abhängig u. haben lediglich ihre Überzeugung von dem, was das Wohl des Senats fordert, zu folgen. Gewählt wird nach einem Klassensystem; ein Präsident bildet mit einigen Vizepräsidenten u. einigen Schriftführern den Geschäftsvorstand der Corporation. Als Ausschuß der Bürgerschaft besteht das Bürgeramt, dies hat fortwährend auf Aufrechthaltung der Verfassung, Gesetze u. Staatseinrichtungen zu achten, über wahrgenommene Mängel u. Beeinträchtigungen zu berichten, die Mittheilungen zwischen Senat u. Bürgerschaft zu vermitteln, die Versammlungen der Bürgerschaft zu veranstalten u. die Tagesordnung festzustellen. Übrigens kann jeder Vertreter auf vorschriftsmäßigem Wege Anträge zur Berathung u. Beschlußnahme über einen Gegenstand anbringen. Die Versammlungen der Bürgerschaft sind öffentlich, nur in Ausnahmefällen finden geheime Sitzungen statt. (Das früher sehr einflußreiche Collegium der Älterleute, Vorstand der Kaufmannschaft, ist seit 1848 eingegangen). Gegenstände gemeinsamer Wirksamkeit von Senat u. Bürgerschaft sind vorzugsweise: Erlassung, Auslegung, Aufhebung u. Abänderung von Gesetzen, Genehmigung von Verträgen mit auswärtigen Regierungen, Verwaltung des gesammten Staatsvermögens, Organisation u. Verwaltung des Schulwesens, des Gewerbewesens etc. Für alle Zweige der Verwaltung bestehen aus Senat u. Bürgerschaft gemischte Deputationen. Die Rechtspflege wird ausschließlich durch die dazu bestellten Gerichte, in der Regel aus rechtsgelehrten Mitgliedern bestehend, verwaltet. Die Richter werden von Senat u. Bürgerschaft gewählt. Das Collegium der rechtsgelehrten Richter zählt 12 Mitglieder, sie dürfen neben ihren Amtsgeschäften kein anderes Geschäft treiben. Gerichtsverfassung: für Civilsachen ist die 1. Instanz das Untergericht in B., die Ämter Vegesack u. Bremerhaven, in Sachen über 300 Thlr. das Obergericht; die 2. Instanz bildet das Obergericht in B., zugleich als Läuterungsinstanz in vor ihm anhängigen Sachen, statt deren Actenversendung an eine Juristenfacultät eintreten kann; die 3. Instanz ist das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Lübeck mit Obergerichtsordnung vom 29. Aug. 1831. Für Criminalsachen bilden die Untersuchungsbehörden u. entscheiden bei geringfügigen u. Injuriensachen das Criminalgericht in B. u. die Ämter Vegesack u. Bremerhaven, in Militärvergehen eigens berufene Militärgerichte. Über schwerere Verbrechen erkennt in 1. Instanz das Obergericht, in 2. das Oberappellationsgericht in Lübeck; vgl. Gerichts- u. Notariatsordnung vom 9. Nov. 1820. Das Gemeine Recht ist durch Specialgesetze vielfach abgeändert, so durch die Statuten von 1433, die Verordnung vom 15. März 1555, Erbe- u. Handfestenordnung vom 9. Dec. 1833, die Verordnung über Errichtung von Ehepacten vom 10. Dec. 1833, bes. eigenthümlich ist es im Güterrecht der Ehegatten (vgl. Gröning, De separatione liberorum etc., Gött. 1771; Post, Über die eheliche Gütergemeinschaft, Hannov. 1802; Berck, Über das Bremische Güterrecht, Brem. 1832) u. im Erbrechte. See- u. Handelsrecht sind ausgebildet durch Schiffsordnung u. Seerecht der Hansestädte vom 26. Mai 1614, die Bankerotierordnung vom 30. April 1620, Edict wider Bankerot vom 6. Jan. 1707, Verordnung über den Concurs auf dem Lande vom 7. Juni 1707, die Concursordnung vom 25. Juni 1711, die Wechselordnung vom 22. März 1712; Verordnung über Verbindlichkeiten der Rheder aus den Handlungen des Schiffers vom 9. Jan. 1832, über Beweiskraft der Schuldscheine vom 19. Dec. 1833 etc. Außerdem sind mit den meisten Schifffahrt treibenden Staaten wegen Gleichstellung der Handels- u. Schifffahrtsabgaben Staatsverträge abgeschlossen. Ein allgemeines Bremisches Rechtsbuch, den neueren Verhältnissen angemessen, wird ausgearbeitet. Die Gesetzgebung befindet sich in Sammlungen von Verordnungen u. Proclamen des Senats von 1751–1810, Brem. 1820 u. seit 1813 jährlich ein Band, vgl. Ölrichs Realregister darüber, Brem. 1832 f. u. die Sammlungen derselben, von Meier, ebd. 1750, u. Ölrichs, ebd. 1771, von Meute, ebd. 1854. Vgl. Gildemeister, Beiträge zur Kenntniß des Bremer Rechts, edd. 1806 u. 1808; Watermeyer u. Ölrichs Beiträge, ebd. 1837, u. Bremische Blätter, ebd. 1835 f.; Donandt, Bremisches Magazin, ebd. 1830–1834. Besonders wichtig ist das zuerst 1303, dann 1428, u. endlich 1433 als das noch gültige Stadtbuch: Dat Bok, aufgezeichnete Stadtrecht, vgl. Donandt, Geschichte des Bremer Stadtrechts, Brem. 1830, 2 Bde.; Deneken, Vorlesungen über dasselbe, ebd. 1798. Zur Förderung des Handels, der Gewerbe u. der Landwirthschaft bestehen verfassungsmäßig folgende Staatsanstalten: a) Kaufmannsconvent u. Handelskammer. Der Kaufmannsconvent besteht aus Mitgliedern der Bremischen Börse u. hat über Handels- u. Schifffahrtsangelegenheiten zu berathen. 24 Mitglieder des Convents bilden als Geschäftsausschuß die Handelskammer, letztere ist Vorstand der Kaufmannschaft u. vertritt dieselbe gegen Dritte; b) Gewerbeconvent u. Gewerbekammer. Der Gewerbeconvent[267] wird von den Genossen der verschiedenen Gewerbe auf eine gesetzlich bestimmte Anzahl von Jahren erwählt. Angelegenheiten, welche die Interessen des Gewerbestandes berühren, werden vom Gewerbeconvent berathen. Einige Senatoren u. 21 Mitglieder des Gewerbeconvents bilden die Gewerbekammer; sie hat auf Alles, was dem Gewerbewesen dienlich sein kann, ihr Augenmerk zu richten u. gutachtlich zu berichten: c) Kammer für Landwirthschaft. Diese besteht aus einigen Mitgliedern des Senats u. 20 praktischen Landwirthen; sie hat auf Alles zu achten, was Ackerbau u. Viehzucht dienlich sein kann. Alle Gesetze, welche sich speciell aus Handel, Gewerbe u. Landwirthschaft beziehen, müssen zuvor den betreffenden Kammern zur Begutachtung vorgelegt werden. – Militär: 1 Infanteriebataillon von circa 700 Mann. Die allgemeine Wehrpflicht, 1841 eingeführt, wurde in den letzten Jahren abgeschafft u. seitdem zum Werbesystem zurückgegangen. Die Vereinigung mit dem Lübeck'schen Contingent, welche früher bestand, ist jetzt aufgehoben; für Cavallerie u. Artillerie sorgt Oldenburg gegen Geldentschädigung, B-s Militär gehört zum 10. deutschen Armeecorps, die Uniform ist die der anderen Hansestädte (s. Hamburg). Seit 1835 haben die Hansestädte auch mit Oldenburg eine Militärschule in Oldenburg. Die Bürgerwache (früher 1 Regiment zu 3 Bataillonen), ist seit 1852 gänzlich abgeschafft; das Schützencorps (Schützenverein, aus wohlhabenden Bürgern gebildet, 1846), einige hundert Mann stark, muß sich erforderlichen Falles dem Aufgebot des Senats zur Verfügung stellen. Dem Militärwesen steht eine Deputation von Senatoren u. Mitgliedern der Bürgerschaft vor. Nationalfarben: die der anderen Hanseaten, weiß u. roth. Wappen: ein silberner, schräg rechts liegender Schlüssel mit aufwärts u. links gelehrtem Schließblatte im rochen Felde. Flagge: roth u. weiß, 5 Mal horizontal gestreift, hinter zwei Reihen eben solcher gepachteter Vierecke. Einkünfte: 1,250,000 Thlr.; Schulden: 8–9 Mill. Thlr. B. rechnet nach Reichsthalern zu 72 Groten à 5 Schwaren, in Pistolen à 5 Thlr.; den Friedrichsd'or à 51/2 Thlr. angenommen, ist 1 Bremer Thlr. = 1 Thlr. 4 Sgr., 1 Groten = 52/3 Pf., 1 Schwaren = 12/15 Pf. preußisch; der Zahlwerth ist Conventionsgeld, 131/2 Thlr. = 1 Mark f. kölnisch. Geprägte Münzen hat B. nun in Silber: 1/2, 1/6, 1/12 Thlr., à 36, 12 u. 6 Groten, ferner 4, 2 u. 1 Groten; in Kupfer 21/2 Schwaren. Die geprägte Münze ist zum größten Theil alt. 48- u. 24 Grotenstücke, sowie Bremermark = 32 Groten u. 1 Schwaren sind gegenwärtig Seltenheiten geworden. Ganze Thaler sind in einem Stücke nicht ausgeprägt. Die neue Goldmünze, Krone, ist Sept. 1857 in Umlauf gebracht. 1 Krone = 8 Thlr. 284/5 Groten, 25 Kronen = 210 Thlr. Bremer Gold. Maße: Längenmaß die Ruthe à 22/3 Klafter, 8 Ellen, 16 Fuß; die Elle (= 256,4 Par. Lin.) hat 4 Quartier, 100 Bremer Ellen = 98,724 Verl. Ellen, der Fuß (= 128,2 Par. Lin.) à 12 Zoll, 51 Bremer Fuß = 47 Rhein. Fuß; Flächenmaß: der Quadratfuß 144 Quadratzoll od. 100 Decimalzoll, 53 Bremer Quadratfuß = 45 Rhein. Quadratfuß; Körper- od. Cubikmaß: 1 Cubikfuß hat 1728 gemeine od. 1000 Decimalcubikzoll, 23 Bremer Cubikfuß = 18 Rhein. Cubikfuß; Getreide- u. Salzmaß hat die Last 4 Quart, 40 Scheffel, 160 Viertel, 640 Spint, der Scheffel = 35853/5 französische Cubikzoll, 100 Bremer Scheffel = 129,411 Verl. Scheffel; 1 Brau Malz hält 45,1 Tonne Salz 31/3 Scheffel; Weinmaß: das Oxhoft hat 11/2 Tierzen od. Ahm, 6 Anker, 30 Viertel od. 264 Quart, 1 Fuder Rheinwein hat 6 Ahm, 1 Ahm = 45 Stübchen, 180 Quart, 720 Mengeln, Franzwein hat die Ahm 44, das Viertel 21/5 Stübchen; Biermaß hat die Tonne 45, die halbe 24, das Viertel 121/2 Stübchen; die Tonne Thran od. Öl hat 6 Steckan od. Stechkannen à 16 Mengel, wiegt 216 Pfd. netto, Branntwein wird nach Quart à 4 Mengel verkauft, 1 Stübchen = 2,7718 Berl. Quart; Holz wird nach Reep od. Reif mit einer 171/2 Fuß langen Kette in die Runde gemessen, ist 41/2, 5 u. 6 Fuß lang, od. nach Faden à 6 Fuß breit u. hoch, die Scheitlänge ist dann meist 2 Fuß. Gewicht: bisher wurde gerechnet der Centner Handelsgewicht zu 116 Pfund, 100 Bremer Pfd. = 106,702 Berl. Pfd., 1 Pfd. = 10,380 holländische Aß, vom 1. Jan. 1858 an rechnet man nach dem Zollgewichtssystem. Demnach ist 1 Pfd. von 500 Grammen = 1/2 Kilogramm französischen (metrischen) Gewichts u. stimmt mit dem Zollpfund der Zoll- u. Handelsvereinsstaaten, so wie mildem neuen preußischen Pfunde. Ein neues Pfd. = Pfd. 0,096288 Loth des zeitigen Bremer Handelsgewichtes = 1 Pfd. 2,022048 Loth des bisherigen Krämergewichtes; 100 neue Pfund auf den Center, das Pfd. = 10 Neuloth, das Neuloth = 10 Quint, das Quint = 10 Halbgrammen. Gold- u. Silbergewicht wird durch die neue Übereinkunft nicht geändert. B. rechnet nach der alten Kölnischen Mark zu 233,812 Grammen. Gold in 24 Karat zu 12 Grän; Silber in 16 Loth zu 18 Grän; in beiden Fällen die Mark = 288 Grän. (Vgl. Schimmelpfennig, Handbuch über das metrische Gewichtssystem). – 2) Stadt B., Hauptstadt des Staates, an der Weser (10 Meilen von der Mündung, 15 Meilen vom offenen Meere), darüber zwei Brücken, von denen eine 175 Schritte lang, auf steinernen Lagen ruhend, über die große, die andere, hölzerne, über die kleine Weser (todter Arm der Weser), besteht aus der Alt- u. Neustadt, jene, die größere, am rechten, diese, die kleinere, am linken Weserufer, außerdem noch aus den Vorstädten, die außerhalb der Wälle liegen u. eine bedeutende Ausdehnung haben. Die Neustadt ist am schwächsten, die Vorstädte am stärksten bevölkert. Seitdem die Festungswerke geschleift sind, hat man die Wälle in parkähnliche Spaziergänge verwandelt. Die Häuser der Altstadt sind meist altmodisch, die Straßen gekrümmt, die Neustadt hat regelmäßige, breite Straßen, aber wenig hübsche Häuser, in den Vorstädten dagegen u. am Wall finden sich geschmackvolle, neue Gebäude in Menge. Die öffentlichen Plätze sind außer dem Domshof, dem Markt u. der Domshaide (wo seit 1856 die Gustav-Adolf-Statue steht) ohne Bedeutung. Merkwürdig sind: die Domkirche (1160 vom Erzbischof Adalbert erbaut) mit dem Bleikeller, in welchem sich Leichname seit mehreren 100 Jahren unversehrt erhalten haben; 8 andere Kirchen, darunter die Ansgariikirche, mit 324 Fuß hohen: Thurme. Das Rathhaus ist im gothischen Styl 1405 erbaut. Der Stadtweinkeller, unter dem Rathhaus u. der Börse sich hinziehend enthält einen kostbaren Vorrath alter Rheinweine; eine Abtheilung darin (mit einem Stückfasse des[268] ältesten Weins, 1626, dessen Tropfen nach Thalern berechnet werden können) heißt die Rose; eine andere, worin 12 Stückfässer des besten Hochheimer u. Niersteiner liegen, heißt der Apostelkeller. Bekannt sind Wilhelm Hauff's Phantasien im Bremer Rathskeller; auch H. Heine hat ihm eine Hymne geweiht. Vor dem Rathhause steht die 18 Fuß hohe Rolandsäule, demselben gegenüber liegt der Schütting, wo sich die Älterleute versammelten, u. an der Westseite die Börse. Das Stadthaus, (1819 hierzu eingerichtet, vormals erzbischöflicher Palast), das Schauspielhaus, Arbeitshaus, die Stadtwage, das Museum (mit ornithologischer Sammlung), die Union, mit Concert- u. Ballsaale, die Kunsthalle, in der Nähe seit 1850 das Olbersdenkmal, die Erholung, die Seefahrt, das Krameramthaus, die Bahnhofsgebäude u. die Gasanstalt sind beachtenswerthe Gebäude. Kunstwerke, größtentheils von Karl Steinhäuser ausgeführt, sind theils im Privatbesitz, theils öffentlich aufgestellt. Unter letzteren eine große Marmorvase, Alberts Standbild mit Postament (beide in den Wallanlagen) u. mehrere Grabmonumente. Werthvolle Gemäldesammlungen werden bei mehreren Privaten gefunden. Wissenschaftliche Anstalten: höhere Hauptschule (dazu Vor-, Gelehrten- u. Handelsschule), Navigationsschule, Seminarium, Zeichnenschule, Alberts Sternwarte, Physikalische Gesellschaft, Stadtbibliothek von mehr als 20,000 Bänden, Bibliothek der Handelskammer, der Gesellschaft Museum u. Union, Bureau für Handelsstatistik (auf dem Schütting), 11 Buchdruckereien, 8 Buchhandlungen, Lesegesellschaften, Lesezimmer der Gewerbekammer. Schulen: 1 Bürgerschule, 4 Vorbereitungsschulen für die Haupt- u. Bürgerschule, 7 höhere Töchterschulen, 16 Elementarschulen für höhere Stände, 8 städtische Gemeindeschulen, 6 Freischulen für Kinder unbemittelter Eltern, 2 Frauenvereinsschulen, 1 Sonntagsschule, außerdem noch mehrere concessionirte Schulen für den mittleren Bürgerstand. Das Unterrichts- u. Erziehungswesen hat in seiner Gesammtheit als Oberaufsichtsbehörde das Scholarchat, bestehend aus mehreren Mitgliedern des Senats. Eine Schuldeputation wird von Seiten der Bürgerschaft ernannt. Für die Gemeindeschulen besteht ein Schulrath, aus Geemeindegliedern gebildet. Wohlthätigkeitsanstalten u. milde Stiftungen: Armenhaus für 250 Personen beiderlei Geschlechts eingerichtet; Krankenhaus, in der Osterthorsvorstadt, 1850 neu aufgeführt, 3 Wittwenhäuser, Haus Seefahrt (Hospital für alte Schiffer); lutherisches, reformirtes u. katholisches Waisenhaus, Taubstummeninstitut, 3 Kinderbewahranstalten, 1 Kinderkrankenhaus, Verein für entlassene Gefangene, großer u. kleiner Frauenverein, mehrere Gottesbuden (freie Wohnungen für Bedürftige), Missionsgesellschaft (großer nordischer Missionsverein), Verein zur Verbreitung christlicher Erbauungsschriften (Bibeln u. Tractätlein), Verein zur Pflege armer Wöchnerinnen, Suppenanstalten, Vereine zum Wohlthun, Armeninstitut etc. Mehrere Stiftungen gewähren gegen Einkauf freie Wohnung nebst sonstigen Äquivalenten, so das Rombertistift, das Katharinen-, das Ilsabeenstift, das Annenhaus etc. Vereine mit verschiedenen Tendenzen, mit Ausnahme politischer, gibt es viele: Bildungsverein Vorwärts (seit 1846), mit mehr als 1000 Mitgliedern aus allen Ständen, der Kunstverein (Eigenthum der Kunsthalle), der Künstlerverein (zur Bildung u. Veredlung des ästhetischen Geschmacks); polytechnische Vereine, Architektenverein, Gartenbauverein, Gesangvereine, Singakademie u. Liedertafel; Freimaurerloge: Zum Ölzweig. Außer den kirchlichen Gemeinden der größeren christlichen Confessionen existirt eine freie Gemeinde, 1 Brüdergemeinde, 1 Tractathaus der bischöflichen Methodisten; auch findet sonntäglich im Hause Seefahrt englischer Gottesdienst statt. Judustrie: Hauptzweig Cigarrenfabrikation (seit Erhöhung der Zölle auf rohen Tabak im Sinken), Segeltuch, Farben (Bremer Grün), Bierbrauereien, 1 Fischbeinreißerei, Korkschneidereien, Zuckerraffinerien, Spritfabrikation, Eisengießereien (bedeutendste von Waltje u. Comp.), Kalkbrennereien, Thonsiedereien, Schiffswerfte, Dampfmühlen etc. Die Handgewerke sind größtentheils noch zünftig, jedoch in beschränkter Form. Schifffahrt: B. betreibt mit Minden fast die ganze Weserschifffahrt. Zur Stadt B. selbst können nur Lichterschiffe, Boote u. Weserkähne kommen. Zwischen Hamburg u. B. ist die Wattenfahrt mit platten Beurtschiffen von 20–30 Lasten lebhaft. Überseeische Schifffahrt betreibt B. sehr stark, hauptsächlich nach Nord- u. SAmerika, West- u. OIndien, nach England, Frankreich u. dem Mittelmeere, Norwegen, Archangel u. der Ostsee. Der früher sehr lebhafte Häringsfang hat fast aufgehört; auch der Wallfischfang ist sehr im Abnehmen, namentlich in der Südsee. Eigene Seeschiffe hat B. 270, mit circa 75,882 Last. B. ist für NDeutschland der Hauptpunkt zur Überfahrt der Auswanderer nach NAmerika, u. überhaupt ist die directe Dampfschifffahrtverbindung mit der neuen Welt im Aufschwung begriffen. Die Unterweser wird täglich von vielen Flußdampfern befahren, die Oberweser hat auch einige Dampfschiffe. Der Handel von B. umfaßt alle Erzeugnisse des Wesergebietes u. deutsche, englische u. französische Productionen. Für rohe Baumwolle u. Tabak ist B. Weltmarkt. (Die österreichische Regie wird von hier mit ihrem ganzen Bedarf an Tabak versorgt). Werth der Aus- u. Einfuhrartikel über 90 Mill. Thlr. Da B. dem großen Zollverband norddeutscher Staaten nicht angehört, so ist zur Verkehrserleichterung ein Hauptzollamt desselben in B. errichtet. Den Handel befördern der 1856 ins Leben getretene Norddeutsche Lloyd (dem österreichischen nachgebildet), dessen Direction in B. ihren Sitz hat; 13 Seeassecuranzen, 1 Bank (1856 gegründet) u. 1 Agentur der Braunschweigischen Bank. Die B. Bank setzt Scheine im Werthe von 5–100 Thlr. Gold im Umlauf u. macht überhaupt brillante Geschäfte. Mehrere Chausseen (von Bremerhaven, Stade, Hannover, Hamburg, Verden, Osnabrück, Oldenburg, Quackenbrück), führen nach B. Eine Eisenbahn, die Weser u. Aller hinauf über Verden nach Hannover, zur Verbindung mit der großen Bahnlinie zwischen Berlin u. Köln ist 1847 eröffnet. Die Bahn reicht bei Bremen unmittelbar an die Weser. Eine Verlängerung bis Bremerhaven wird mit Hannover vereinbart. Kanäle für kleine Fahrzeuge führen von B. aus in die Moorgegend Hannovers, zwischen Weser u. Elbe, u. können diese kleinen Torfschiffe durch ein Labyrinth von Gräben u. Kanälen in die Elbe bis Stade u. Hamburg gelangen. Öffentliche[269] Vergnügungen: Verschiedene Clubgebäude mit Lesezimmern u. großen Sälen zu öffentlichen Vorträgen u. geselligen Vergnügungen (Concerten u. Bällen), so das Museum, die Union (bes. für jüngere Kaufleute), die Erholung u. das Krameramthaus; ferner der Schützenhof, umfangreiches Gebäude im Schweizerstyl mit Gartenanlagen u. Schießständen, liegt außerhalb der Neustadt; Schauspiel u. Oper; Sommertheater im Volksgarten; elegante Kaffee- u. Weinhäuser (darunter Stehely u. Josti, Hotel Siedenburg); Bierhallen in großer Zahl; Tanzsäle (öffentliche) besonders 3 große, die den Hamburgischen gleichkommen; Centralhalle, mit 3 großen Sälen u. Liebhabertheater, Tonhalle u. Colosseum. Spaziergänge um die Stadt u. öffentliche Anlagen; Lustpartien nach Vegesack, Blumenthal, Obernuland, Blockland u. Lilienthal, wo der Astronom Schröter lebte. Einwohner 60,000. B. ist Geburtsort von G. R. Treviranus, A. H. Heeren u. Olbers. Vgl. Stork, Ansichten der Stadt B., Frankf. a. M. 1822; Kohl, Ansichten von B.; I. Bosse, Karte von der Wesermündung, mit Text; B., Führer durch Stadt u. Umgebung; Kotzenberg, Bremische Verfassungskrisis; I. Krüger, Bilder aus der Geschichte B-s, Brem. 1855; Marie Wiedemann, Eigentümlichkeiten der Bremer Neuzeit.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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