- Longobarden
Longobarden (latinisirte, seit dem 12. Jahrh. übliche Namensform für die ursprüngliche Langobarden, welche die eigene nationale Sage von ihren langen Bärten herleitet, nach And. aber mit parta, barte, Streitaxt zusammengesetzt ist), eine wenig zahlreiche, aber sehr tapfere Völkerschaft im alten Deutschland, welche zum Stamme der Sueven gehörte, um Anfang unserer Zeitrechnung am linken Ufer der Niederelbe, im heutigen Lüneburgischen (wo der Bardengau, die Stadt Bardowick u. andere Ortsbezeichnungen noch an die ehemaligen Bewohner erinnern), seine Wohnsitze hatte, im Osten mit den Semnonen u. vielleicht auch slawischen Stämmen, südlich mit den Hermunduren, westlich den Cheruskern, nördlich mit den Haruden u. Chauken grenzte, auf dem Kriegszuge des Tiberius 5 n. Chr. berührt wurde, sich darauf 17 n. Chr. von Marbod hinweg zu den Cheruskern unter Arminius (Hermann) wandte u. wenig später den vertriebenen Italicus wieder als König der Cherusker einsetzte. Seitdem werden sie auf lange Zeit in der Geschichte nicht wieder genannt. Was von ihrem ersten König Agelmund (gegen 390 n. Chr.) aus dem Geschlechte der Kugingen, den sie sich nach den Herzogen wählten, Lamissio, Lethu u. dessen Sohn u. Enkel Childehok (Hildehok) u. Godehok erzählt wird, ist mythisch. Im Laufe des 4. Jahrh. mögen die Eroberungs- u. Wanderzüge der L. begonnen haben, bis sie nach langen Fahrten u. vielfachen Kämpfen mit den ostdeutschen Stämmen, wie den slawischen u. auch hunnischen Völkern, in die Donauländer gelangten, zunächst unter ihrem sechsten Könige Claffo in das Land der Rugier. Sie kamen mit dem Byzantinischen Reiche in nähere Berührung u. nahmen das Christenthum nach dem arianischen Bekenntnisse an. Bedrängt von mäcktigen Nachbarstämmen wurden sie den Herulern zinsbar, zertrümmerten jedoch unter Claffo's Nachfolger, Tato, um 512 deren Reich. Darauf fiel Wacho, Sohn seines Bruders Zuchilo, über ihn her, erschlug ihn u. regierte nun selbst. Ihm folgte zunächst sein Sohn Waltari, diesem nach 7 Jahren sein Sohn Audoin. Dieser führte die L. nach Pannonien (527–548), welches Justinian ihnen einräumte. So entspann sich die Freundschaft mit dem Kaiser u. die Feindschaft mit den Gepiden, welche Audoin 551 schlug. Dem kaiserlichen Feldherrn Narses sandten die L. Hülfstruppen nach Italien gegen die Ostgothen. Unter Audoins Sohne Alboin (561–573), einem unternehmenden, aber auch mit höherer politischer Einsicht begabten, in den Heldenliedern seines Volkes lange u. weithin gefeierten Heerführer, verbanden sich die L. mit den Avaren u. vernichteten 566 das Reich der Gepiden gänzlich. Alboin überließ darauf den Avaren Pannonien, rief 20,000 Sachsen zu sich u. führte diese u. die L. 568 nach Italien. In Forum Julium ließ er seinen Neffen Gisulf als Herzog zurück. Vicenza, Verona u. Mailand öffneten llmälig die Thore, doch Pavia mußten die L. 3 Jahre lang belagern, während, außer Rom u. Ravenna, ganz Italien bis nach Toscana schon ihre Herrschaft anerkannte. Nachdem Alboin 574 auf Veranstaltung seiner Gemahlin Rosamunde, welche sich an ihm wegen Ermordung ihres Vaters Kunimund rächen wollte, durch zwei Edle getödtet worden war, wählten die L. Kleph (Cleve) zum König, den, nebst seiner Gemahlin Massane, einer seiner Hausbedienten schon nach achtzehnmonatlicher Regierung 576 erschlug. Während der Minderjährigkeit seines Sohnes Authari führten 10 Jahre hindurch die Regierung 36 Herzöge, von denen Zaban zu Pavia, Waltari zu Bergamo, Alachis zu Brescia, Ewin zu Trient, Gisulf zu Friaul, Droctuls (der 583 zu den Griechen überging) die berühmtesten waren; drei derselben, der zu Friaul, Spoleto u. Benevent, welches letztere die Griechen die kleine Lombardei nannten, behaupteten nachmals fast unabhängige Macht.
Der Exarch in Ravenna suchte sich gegen die wachsende Macht der L. durch Hülfe der Franken zu retten. Diese kamen dreimal mit Heeresmacht über die Alpen. Aber Authari, den die Großen in dieser Gefahr 585 aus der Vormundschaft entließen, schlug die Franken u. behauptete Italiens Herrschaft. Doch war die fränkische Einmischung Ursache, daß die Herrschaft der L. trotz ihrer Ausdehnung nicht alle Theile von Italien umfaßte. Dazu kam, daß die L. als Arianer ihre Lehre zur herrschenden zu machen strebten, u. daher die Katholiken auf Tod u. Leben gegen sie kämpften. Authari's (st. 590) Wittwe, Theodelinde von Baiern, wählte Agilulf, Herzog von Turin u. Vetter ihres ersten Gemahls, zu ihrem Gemahl u. damit zum König u. bewog ihn, den katholischen Glauben anzunehmen. Seinem Beispiele folgten viele L., u. auch Adelwald, Anthari's Sohn u. Nachfolger 615, von seiner Mutter geleitet, half dem Katholicismus durch Wiederherstellung der Kirchen u. Klöster auf, wiewohl der Arianismus in Ariwald, den die L. 624, als Adelwald in Wahnsinn gefallen war, zum König erkoren, u. seinem Nachfolger noch Beschützer fand. Rothari, 636 von Ariwalds Wittwe zum Gemahl u. Könige gewählt, beschränkte durch seine Kriegsthaten die Griechen sehr u. machte sich durch Abfassung der Longobardischen Gesetze berühmt (s. Longobardisches Volksrecht). Rotharis Sohn u. Nachfolger, Rodvald, wurde 656 von einem L., dessen Gemahlin er geschändet hatte, erschlagen. Nun wurde Theodelindeus Neffe, Aribert I., ein Agilolfinge, zum König gewählt. Er beschützte Künste u. Wissenschaften, theilte[511] aber sein Reich unter seine beiden Söhne. Godeberk, welcher seinen Sitz in Pavia hatte, wurde von Grimoald, Herzog von Benevent, umgebracht; der andere, Berthari, welcher in Mailand residirte, vettrieben. Nun wurde Grimvald König von 661–672; er verbesserte die Gesetze u. dehnte die Eroberungen gegen die Griechen noch weiter aus. Sein unmündiger Sohn Gariwald konnte sich nach des Vaters Tode 672 nicht gegen Berthari behaupten, welcher 690 das Reich auf seinen Sohn u. (seit 680) Mitregenten Kunibert vererbte. Gegen sie empörte sich der Herzog Alachis von Trident u. beraubte 692 Kunibert des Reichs. Aber von den L. unterstützt, schlug ihn Kunibert in einer Schlacht u. regierte noch bis 703. Sein Sohn u. Nachfolger Liutbert wurde 704 von Raginbert, Herzog von Turin, besiegt u. des Reichs beraubt. Dieses riß nach dessen, im nämlichen Jahre erfolgten Tode sein Sohn Aribert II. an sich, fing Liutbert u. ließ ihn nachmals umbringen. Der Herzog Rothari von Bergamo warf sich zum Gegenkönig auf, wurde aber von Aribert in Bergamo gefangen u. umgebracht. Ansprand, der Vormund Liutberts, welcher vertrieben bei dem Herzog der Baiern, Theudebert, 9 Jahre gelebt hatte, schlug im zehnten mit ihrer Hülfe Aribert, welcher auf der Flucht nach Frankreich im Tessin 712 ertrank. Der weise Ansprant, nur 3 Monate König, hinterließ seinem Sohne Liutprant (713–744) den Thron. Dieser kräftige Fürst erhob das Longobardische Reich auf den Gipfel seiner Macht. Wegen des Beistandes, welchen die Römer dem Herzog Trasimund von Spoleto u. anderen Empörern gegen den König geleistet hatten, nahmen die L., die Römer bekriegend, mehre Städte. Liutprants Enkel u. Nachfolger Hildeprant (744), welcher schon seit 740 dessen Mitregent gewesen war, wurde nach 7 Monaten (745) von den L. wieder des Reichs entsetzt. Sie gaben es Ratchis, dem Herzog von Friaul, u. als derselbe 149 in Rom Geistlicher wurde, seinem Bruder Aistolf (749–756). Dieser eroberte Ravenna nebst dem ganzen Exarchat, machte der Herrschaft der griechischen Kaiser im oberen u. mittleren Theile Italiens ein Ende, bedrängte den Papst Stephan II. u. wurde dafür vom König der Franken, Pipin, in Ravenna belagert u. des Exarchats beraubt; er st. 756. Desiderius, früher Herzog von Toscana, brachte 756 nach dem Tode des unbeerbten Aistolf das Reich an sich. Anfangs hielt es Desiderius, da Ratchis sich ihm wieder als Gegenkönig entgegengestellt, mit dem Papste Stephan u. gab ihm die Städte heraus, welche Aistolf ihm vorenthalten hatte. Doch brach er 767 mit Rom, indem er nach dem Tode des Papstes Paul eigenmächtig Constantin als Papst aufstellte, welcher sich aber gegen den von den Bürgern Roms 768 gegen ihn gewählten Stephan III. nicht behaupten konnte. Desiderius stürzte nun 769 die Häupter seiner Gegner in Rom, u. Stephan suchte 770 Karlmann u. Karl den Großen gegen Desiderius aufzuregen. Aufgebracht, daß Karl der Große seine Tochter Desiderata 771 verstieß, nahm Desiderius 771 die zu ihm mit ihren Kindern fliehende Wittwe Karlmanns, Gilberga, auf, u. um so leichter erhörte dann Karl die Bitten des Papstes Hadrian, als dieser 773 ihn um Schutz gegen Desiderius bat. Desiderius u. sein Sohn Adalgis (Adelgises), den er 759 zum Mitregenten angenommen, überließen, nachdem Karl über die Alpen gegangen war, diesem das Lager ohne Schlacht, Bei Eroberung von Pavia (im Mai 774), mit welcher der longobardischen Herrschaft in Italien ein Ende gemacht wurde, wurde Desiderius gefangen genommen u. mußte als Mönch in der Verbannung zu Lüttich leben. Adalgis floh nach Byzanz u. kam mit einer griechischen Schaar 789 nach Calabrien, wurde aber von Karl geschlagen u. blieb selbst. Mit Desiderius endigte die Reihe der longobardischen Könige, u. Karl der Große ließ 781 seinen Sohn Pipin zum Könige der Lombardei wählen. Die weitere Geschichte s.u. Italien (Gesch.).
Bis auf König Authari (585–590) war der Rechtszustand Italiens nicht gesichert, das Verhältniß der Bewohner zu den Eroberern nicht fest geordnet, obgleich schon die L. mit ihren Hülfsvölkern, wie früher Odoacer u. die Ostgothen, den dritten Theil des Bodens od. des Ertrags für sich beansprucht hatten, aber vielfach gewaltthätig u. willkürlich verfahren waren. Für König Authari lag es bei dem Zustande des Reichs jedoch im Interesse der Selbsterhaltung, sich mit den römischen Bewohnern des Landes in rechtlicher Form u. Festsetzung zu vergleichen. Er ordnete die Verhältnisse des Eigenthums durch eine neue Dreitheilung u. nahm den von der constantinischen Familie u. den späteren römischen Kaisern geführten Titel Flavius an, wodurch er in die Ansprüche u. Rechtsverhältnisse des römischen Herrschers eintrat, also den legitimen Besitz aller fiscalischen Rechte u. alles herrenlosen Landes erlangte u. Schutzherr seiner römischen Unterthanen wurde, während er als longobardischer König nur der erste seines Adels dlieb. Es bildete sich von nun an auch ein königlicher Hof u. ein für die neuen Verhältnisse erforderlicher Beamtenstaat. Die Verwaltung der L. blieb jedoch viel einfacher, als die äußerst drückende römische. Die unmittelbaren königlichen Beamten, welche die Rechte des Fiscus wahrten, die Domänen verwalteten, auf diesen das Richteramt übten u. die eigentlichen Vertreter der römischen Bevölkerung bildeten, waren die Gastalden. Neben ihnen standen als oberste Würdenträger der longobardischen Staatsangehörigen die Herzöge (Duces), welche vom Könige auf Lebenszeit ernannt wurden u. als Heerführer, Richter u. Verwalter fungirten. Den Gastalden wie den Herzögen untergeordnet waren die Scultasii (Schultheißen), welche die Richter für die einzelnen Bezirke abgaben; unter ihnen standen wiederum die Decani u. Saltarii (die Zehnt- u. Holzgrafen), welche blos polizeiliche Befugnisse hatten. Die Verfassung der Städte blieb zunächst im Wesentlichen bestehen; die Oberhoheit u. Schutzherrlichkeit, welche sich die Könige von den Römern angeeignet hatten, wurde durch die Gastalden im Namen des Königs ausgeübt. Die altrömische municipale Freiheit der Selbstverwaltung war bis auf geringe Reste schon längst erloschen, doch bildeten sie die Keime zu einem schon gegen das Ende der longobardischen Zeit erkennbaren neuen, frischen Leben, das später mit dem Wiedererwachen der städtischen Lebensbedingungen, dem Handel u. Verkehr, gerade in den oberitalischen Städten so kräftige u. so mannigfache Blüthen trieb. Vgl. Flegler, Das Königreich der L. in Italien, Lpz. 1851; Abel, der Untergang des Longobardenreichs in Italien, Gött. 1858.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.