Lamaismus

Lamaismus

Lamaismus, die eigenthümliche Form, welche der Buddhismus (s.d.) bei den Tibetanern, Mongolen u. Kalmyken angenommen hat. I. Entstehung des L. aus dem Buddhismus. Ungefähr im 6. Jahrh. v. Chr. wurde in Mittelindien der Buddhismus durch Sarvârthasiddha, einen Königssohn aus der Dynastie der Sâkya von Kapilavastu (bei Gorakhpur in Oude) gestiftet. Derselbe trat mit seinem 30. Jahre in den Skand der Asketen ein, wobei er den Namen Gautama angenommen zu haben scheint; noch häufiger aber wird er seitdem Sâkyamuni (d. h. Einsiedler aus dem Geschlecht der Sakya) genannt. Nachdem derselbe sechs Jahre lang in den Umgebungen von Gayâ (unweit Patna in Süd-Behar) als Büßer gelebt, auf diese Weise nach langem Kampfe den Sieg über den Herrscher in der Welt des Gelüstes (den Mâra) errungen u. die vollendete Weisheit (Bôdhi) erlangt hatte od. zum Buddha geworden war, kehrte er in die Welt zurück, um die ihm gewordene Erleuchtung Anderen mitzutheilen, sammelte Schüler u. Gläubige um sich, bildete, eine Gemeinde u. starb 80 Jahre alt zu Kusinagara (südlich von seiner Vaterstadt), seinen Jüngern den Befehl zur Ausbreitung seines Gesetzes als ein heiliges Vermächtniß hinterlassend. Unmittelbar nach dem Tode Sakyamunis sollen Letztere in Radschagriha, der Hauptstadt Magadhas, ein Concil abgehalten u. auf demselben die Worte ihres Meisters gesammelt haben; etwa 100 Jahre später erfolgte ein zweites zu Vaisâli (unweit Patna), welches durch Disciplinarstreitigkeiten hervorgerufen war u. auf dem eine neue Sammlung u. Redaction des Gesetzes festgestellt wurde. Die Beschlüsse desselben wurden die Ursachen der nun im Buddhathum beginnenden Spaltungen u. Secten, deren Zahl in den nächstfolgenden Jahrhunderten auf 18 angewachsen sein soll. Von Bedeutung für die Erstarkung u. Ausbreitung der neuen Religion wurde nach der Invasion Alexanders des Großen das Aufkommen der Dynastie des Tschandragupta, dessen Enkel Asoka od. Dharmasoka, zum Buddhismus übertrat u. denselben somit zur bevorzugten Religion erhob, für das Gedeihen des Guten Gesetzes sorgte, die äußeren Verhältnisse ordnete, Klöster gründete, Reliquienthürme (Stûpas od. Topen, s.d.) erbaute etc. Auch veranlaßte er die Berufung eines dritten allgemeinen Concils in Pâtaliputra (jetzt Patna), auf welchem unter Anderem auch eine neue Revision u. Sammlung der Worte des Buddha veranstaltet u. diese wahrscheinlich zum ersten Male schriftlich aufgezeichnet wurden. Zugleich faßte man den Beschluß, das Gute Gesetz überall in Indien u. auch den Grenzvölkern durch Missionäre verkündigen zu lassen. Damals kam der Buddhismus nach Ceylon, wie nach Kaschmir[44] u. den Kabulländern; auch am Himalaya u. im Dekhan, namentlich bei den Mahratten, faßte er festen Fuß. Durch diese weite Verbreitung wurde die Scheidung des Buddhismus in eine nördliche u. eine südliche Kirche, letztere mit dem Mittelpunkt Ceylon, angebahnt. Eine zweite Glanzperiode erlebte der Buddhismus, namentlich der nördliche, um die Zeit Christi unter der Herrschaft des indoskythischen Königs Kanischka (Kanerkes), durch welchen die Indusländer, namentlich Kaschmir, Gâudhâra u. Udyana (Kaseristan) zu Centralpünkten der Buddhareligion wurden, von wo aus dieselbe bald einen großen Theil von Mittel- u. Ostasien eroberte. Unter Kanischka trat das sogenannte vierte Concil im Kloster Dschâlandara in Kaschmir zusammen, auf welchem für den nördlichen Buddhismus der Canon der heiligen Schriften definitiv abgeschlossen, der Codex schriftlich in Sanskritsprache abgefaßt u. somit auch Glaubenssätze u. religiöse Lehren jüngeren Datums als orthodox legitimirt wurden. Die nördliche Kirche war jetzt von der südlichen geschieden; die erstere ging über die ältere Gestalt der Lehre, welche die letztere bewahrte, weit hinaus. Bald darauf soll Nâgârdschuna od. Nâgasêna die Schule der Mahâyâna (d.i. Große Überfahrt) gestiftet haben, welche die zweite, mittlere Entwickelungsstufe des Buddhismus u. seiner Literatur repräsentirt. Im Gegensatz zur Mahâyâna bezeichnete man seitdem die ganze frühere Form der Doctrin, wie der religiösen u. mönchischen Praxis als Hînayâna od. die Kleine Überfahrt, zu welcher auch die achtzehn alten Secten gehören. Das Hauptdogma, in welchem sich die Mahâyâta entschieden von der Hînayâna trennte, ist die Lehre von den verschiedenen Rangstufen der Heiligen (die im Buddhismus an die Stelle der Mythologie des Brahmanismus trat). In früheren Jahrhunderten war die Würde des Arhat die einzige Stufe der Heiligkeit, die allein der Stifter der Lehre, der Buddha Sakyamuni, überragte. Der erste, welcher über die Rangstufe der Arhats erhöht wurde, war jedenfalls Mâitreya, der angebliche Nachfolger Sâkyamunis, der fünfte in der Reihe der Buddhas, welcher 5000 Jahre nach dessen Nirvâna als Erlöser herabkommen wird. Mâitreya ist der erste u. älteste Bôdhisattva (d.i. derjenige, dessen Wesenheit die höchste Weisheit geworden ist) od. künftige, gewissermaßen designirte Buddha u. der einzige, den auch die südlichen Buddhisten im Bilde darstellen u. verehren. Die Mahâyâna kennt jedoch unzählige Bôdhisattvas, welche der Reihe nach die Würde eines Buddha in Zukunft bekleiden werden; in diesem Weltalter allein werden 1000 vollendete, erlösende Buddhas auftreten, von denen vier schon vorübergegangen sind; der nächste der noch zu erwartenden 996 wird eben Mâltreya sein. Es wurde eine Hierarchie der exclusiven Speculation u. Scholastik begründet, welche den gewöhnlichen Bettelmönchen (Bhikschu) verschlossen blieb. Den gefeierten Lehrern u. Auslegern wurde nach ihrem Tode der Heiligkeitstitel eines Bôdhisattva beigelegt, so z.B. dem Nâyârdschuna, Vasumitra, Aryadeva, Dharmapâla, Gunamati etc. Außer diesen geschichtlichen Bodhisattvas kennt das Mahayanasystem noch unendlich viele Heilige desselben Ranges, die jedoch Producte der Gnosis u. Legende, wie der theologischen Fiction zu sein scheinen, wie Mandschusri, Avalôkitêsvara u. Vadschradhara.

Während die Mahayanalehre mit dem von ihr gegründeten Cultus Mandschusris u. Avalokitesvaras u. einiger anderer, weniger hervortretender Gestalten, die zweite od. mittlere Entwickelungsstufe des indischen Buddhismus bildet, schreitet letzter auf der dritten u. letzten Stufe zum Mysticismus (Yôgâtschâra) u. dem Tantrasystem vor. In demselben werden ganz neue fremdartige Elemente an die Große Überfahrt geknüpft u. mit derselben verschmolzen, namentlich die Theorie der Dhyâni-Buddhas u. der Sivaismus. Die Dhyâna-Buddhas (d.i. Buddhas der Beschauung) sind überirdische, himmlische Buddhas, die verklärten Bilder der irdischen, sterblichen Buddhas, wie sie sich in der Welt der Beschauung u. der Formen abspiegeln, od. umgekehrt, es wird ein irdischer, in die Materie eingegangener Buddha nur als Erscheinung u. Abglanz, als ein Abbild des im reinen Äther des Dhyâna, im Reiche der Ideen u. Paradigmen wohnenden Urbildes gedacht. Die Dhyanibuddhas sind somit zwar von Manuschi-Buddhas (den menschlichen Buddhas) zu unterscheiden, aber beide gehören zusammen u. entsprechen einander. Jeder Manuschi-Buddha hat seinen Dhyâni-Buddha als sein verklärtes Selbst im Himmel. Da die Gesammtzahl der menschlichen, erlösenden Buddhas, die in diesem Kalpa erscheinen, fünf beträgt (Krakutschanda, Kanakamuni, Kâsyapa, der noch regierende Sâkyamuni u. der noch erwartete Mâitreya), so werden meist auch nur fünf Dhyanibuddhas namentlich genannt, nämlich Vairotschana, Akschôbhya, Ratnasambhava, Amitâbha u. Amôghasiddha, von denen der erste dem Krakutschanda, der zweite dem Kanakamuni, der dritte dem Kasyapa, der vierte dem Sâkyamuni, der fünfte dem Mâitreya entspricht. Da es die Aufgabe derselben ist, nach dem Entschwinden des Menschgewordenen, den sie im Himmel repräsentiren, seine Lehre auf Erden zu überwachen, so zeugt jeder von ihnen durch Emanation einen geistlichen Sohn, einen Dhyâni-Bodhisattva, den er als seinen Stellvertreter, als wirklichen, thatsächlichen Regenten der Kirche einsetzt; ihre Namen sind Samantabhadra, Vadschrapani, Ratnapani, Padmapâni u. Visvapani. Unter diesen Abstractionen nehmen Amitâbha u. dessen emaniter Sohn Padmapani als Beherrscher der jetzigen Erlösungsperiode Sâkyamunis, eine hervorragende Stellung ein. Amitâbha (d.i. das unendliche Licht) thront im Westen im Reiche der Freude (Sukhavati), einem wirklichen Paradiese. Noch mehr als die Scholastik u. Mystik hat jedoch die Verbindung der Sivamythologie u. der dazu gehörigen Praxis auf die Entartung des Buddhismus eingewirkt, wie sie im Tantrasystem vorliegt u. in den Sculpturen der späteren buddhistischen Grottentempel hervortritt. Diese Verbindung zweier so fremdartiger Elemente zeigt sich darin, daß Siva mit seiner ungeheuerlichen Genossenschaft unter den mannichfachsten Namen u. Gestalten (Mahâkâla, Yamantaka, Bhâirava, Hadschagrîva, Bhîmâ, Durgâ, Mahâkâli, Párvatî etc.) in das buddhistische Pantheon übergegangen sind, in den Tempeln neben den Buddhas u. Bodhisattvas ihre Bilder haben u. durch Opfer verehrt werden; theils haben die Buddhisten auch von den Sivaiten die zu einem förmlichen System ausgebildete Zauberei angenommen; die Tantras (d.i. Beschwörungen), in denen die Wissenschaft u. Kunst der Magie gelehrt wird, nehmen noch jetzt[45] einen sehr umfangreichen Theil im heiligen Codex der Lamaisten ein; aus ihnen lernt man, wie man wundersame Kräfte (Siddhi) erlangen u. diese durch Zaubersprüche (Dhâranî), magische Kreise (Mandala) u. dgl. ausüben könne. Als scholastischer Begründer dieses Systems od. der Schule Yôyâtschâra gilt Aryâsamgha od. Asanga Bodhi-sattva aus Puruschapura (Pischawer) im Reiche Gândhâra, der im 4. od. 5. Jahrh. n. Chr. in seinem Yogâtschârya-bhûmiçâstra die Brahmanischsivaitische Yogalehre nebst der dazu gehörigen Magie u. Mythologie einerseits mit der Theorie der Dhyânibuddhas, andererseits mit der Philosophie der Mahâyâna in Einklang zu bringen gesucht hat.

II. Die Einführung u. Entwickelung des Buddhismus A) in Tibet. Von Kaschmir u. Gandhara war der Buddhismus schon in den nächsten Jahrhunderten nach Asoka in die Oxusländer u. nordöstlich in die Kleine Bucharei gelangt; in Baktra u. am Tarim gab es schon vor. Christi Zeit Buddhisten; bis zur muhammedanischen Invasion war Khotan die Metropole des Buddhismus in jenen Gegenden. In China wurde der Cultus des Fo im Jahre 65 n. Chr. förmlich durch Kaiser Mingti eingeführt, von wo aus er zu den Uiguren in Hami u. am Ili, später gegen Ende des 4. Jahrh. nach Korea u. seit der Mitte des 6. Jahrh. nach Japan gelangte. Aus Persien, wohin der Buddhismus seit Kanischkas Zeit vorgedrungen war, wurde er durch die Sassaniden nach dem Kabul zurückgedrängt. In seiner Heimath (in Magadha u. Behar) u. den angrenzenden Gebieten erscheint er seit dem 5. Jahrh. gegen den Brahmanismus in beständigem Rückschritte begriffen; in den westlichen Gegenden mußte er seit Mitte des 7. dem vordringenden Islam weichen. Während dies geschah, setzte sich jedoch der Buddhismus in Tibet fest, um hier eine neue, vorzugsweise hierarchische Entwickelungsphase zu beginnen u. sich zum L. zu gestalten, dies geschah bes. durch den König Srongtsan Ganpo (regierte seit 629), welcher 632 seinen Minister Thu mi Ssam bho ta nebst 16 Gefährten nach Indien schickte, um hier die Schrift u. die Lehre des Buddha kennen zu lernen. Derselbe brachte unter Anderem auch die sechssilbige Gebetsformel: Om meni padmê hûm! (d.i. O! das Kleinod im Lotus! Amen!), deren Urheber u. Offenbarer Avalokitesvara Cenresi, dem geistlichen Sohne des Buddha Amitâbha, in Tibet das erste Bild errichtet u. der erste Cultus gewidmet wurde. Ein bedeutender Antheil an der Beförderung des Bekehrungs- u. Civilisationswerkes des Srongtsau wird dessen beiden Gemahlinnen, der sogen. weißen (tsaghan) u. grünen (noghon) Dâra Eke (erstere die Prinzessin Bribsun aus Nepal, die zweite die Prinzessin Wen-tsching aus China) zugeschrieben. Letztere brachten u.a. zwei wunderkräftige Buddhabilder aus Nepal u. aus China (tibet. die beiden Tsch'o, mongol. Dschû) nach Tibet. Zu deren Aufbewahrung u. zu Ehren der Königinnen wurden zu Lhassa (s.d.) die beiden ersten Lamaischen Klostertempel errichtet, u. die beiden Dschu sind seitdem das Palladium Tibets u. haben sich durch unzählige Wunder verherrlicht. Srongtsan wird in der Lamaischen Kirche als eine Incarnation des Avalokitesvara verherrlicht; seine beiden Gattinnen wurden apotheosirt u. mit der Gattin des Siva (Durgâ) identificirt. Unter Srongtsan's nächsten Nachfolgern macht der Buddhismus in Tibet kaum einen Fortschritt; einen neuen Aufschwung nahm derselbe jedoch unter König Thisrong-de-tsau (reg. 740–86), welcher viele buddhistische Geistliche u. Lehrer, darunter den Bodhisattva Santa-Rakschita u. den berühmten Padma Sambhava aus Udayana, nach Tibet berief u. das große Tempelkloster Samje erbaute. Bes. durch Padma Sambhava wurde die Tantralehre in Tibet heimisch gemacht; durch Hülfe seines Schülers Pagur Vairôtschana kam vorzüglich die Übersetzung des heiligen Codex (der Kandschur) ins Tibetanische. Als der 3. Glaubenskönig gilt Thi de srong tsan; da unter ihm jedoch die Priesterwirthschaft unerträglich wurde, ward er von den Anhängern seines entthronten Bruders Lan dar ma ermordet (zwischen 821–40). Letzter, von den Lamen später als Feind der Religion verflucht, bestieg den Thron u. begann eine wüthende Verfolgung der buddhistischen Religion u. Kirche. Er wurde zwar auf Anstiften der Priester ermordet, doch konnte der Buddhismus längere Zeit hindurch nicht wieder aufkommen, erst ins 10. u. 11. Jahrh. fällt die Periode der sogen. zweiten Verbreitung der Religion, die von zwei Seiten, einmal von Kham, dann direct von Kaschmir u. Indien her, statt fand. Der Wiederbegründer des L. wurde der Pandita Dschobo-Atîscha, unter dessen Schülern der Tibetaner 'Brom od. 'Brom ss Ton, gewöhnlich 'Brom-Bakschi genannt, am meisten hervorragt. Das Buddhathum verbreitete sich schnell, die Hierarchie befestigte sich immer mehr u. zahlreiche Klöster wurden im Laufe des 11. u. 12. Jahrh. gestiftet. Unter letzteren spielten in der Geschichte des tibetanischen Sectenwesens u. des kirchlichen Regiments eine wichtige Rolle Reseng, von Brom-Bakschi nordöstlich von Lhassa gegründet, Hauptschule der Kahdampa-Secte; die nicht sowohl Magie u. Geisterbannerei, sondern Disciplin in den Vordergrund stellte; ferner Satja in Tsang, dessen Äbte schon damals die vornehmsten Hierarchen Tibets waren u. dessen Mönche eine eigene Schule bildeten, obgleich sie im Ganzen der Richtung des Padma Sambhava folgten; endlich Bricun, nördlich von Lhassa, das ebenfalls Sitz einer Secte war u. dessen Äbte mit denen von Satja um den Principat gestritten haben sollen. Im 11. u. 12. Jahrh. war Tibet ein in Vielherrschaft gespaltenes Land voll Klöster u. Burgen, welche die Bevölkerung in Leibeigenschaft hielten. Unter den Sectenhäuptern u. Vorstehern der Metropolitanklöster, die im Allgemeinen noch eine Art aristokratische Hierarchie bildeten, wurde bald das Srreben nach Suprematie rege, die über kurz od. lang Einer auch mit fremder (d.i. chinesischer) Hülfe erreichen mußte u. vor der Mongolenherrschaft auch die Äbte von Satja wirklich auf diese Weise erreicht haben sollen. Schon Kund Ga' ss Ning po, der Sohn des Kontscho dschal po, des Stifters von Satja, um 1070 Abt des Klosters, soll der erste Groß-Lama von Tibet gewesen sein.

B) Der L. unter den Mongolen. Schon Dschingiskhan u. seine ersten Nachfolger scheinen dem Buddhismus bes. günstig gewesen zu sein. Wenn auch schon Prinz Godan, der Sohn Octais' die buddhistischen Gelübde ablegte, die beiden Buddhistenpriester Uatotschi u. Namo aus Kaschmir bei den Kaisern Gujuk u. Möngke in hohen Ehren standen, ja Namo selbst zum Chef der Buddhareligion im ganzen Reich erhoben worden sein soll; so erfolgte doch der entscheidende Schritt erst unter Chubilai, der sich[46] dem L. entschieden zuwandte u. zugleich den neunzehnjährigen Mati Dhvâdscha, Abt des Sajaklosters u. seitdem unter dem Namen Paspa bekannt, förmlich als Haupt der Lamaischen Geistlichkeit u. auch als tributären Herrscher von Tibet anerkannte, wenn auch die wirkliche Regierung des Landes dreien höchsten, vom Kaiser zu ernennenden weltlichen Beamten übergeben wurde. Auf diese Weise wurde Chubilai der Schöpfer der Lamaischen Hierarchie. Das Volk der Mongolen, das sich bald der von ihrem Kaiser bevorzugten Religion zuwandte, erhielt mit der buddhistischen Lehre u. Hierarchie seine Schrift u. Literatur. Dagegen nahm im ganzen Reiche Chubliais u. seiner Nachfolger die Priesterwirthschaft so überhand, daß ihr Druck eine der Hauptursachen zum Sturze der mongolischen Dynastie (der Yuan) in China geworden zu sein scheint. Während unter letzter die Äbte von Saja in ihrer Stellung als Könige der Lehre u. tributäre Fürsten der chinesischen Kaiser sich behaupteten, verfolgte die Mingdynastie eine andere Politik, indem sie die Macht jenes Einzelnen durch Ertheilung der Königswürde an mehrere andere tibetanische Patriarchen schwächte u. durch diese Schwächung der geistlichen Centralgewalt die Umgestaltung ermöglichte, welche der L. unter Kaiser Jonglo (1403–25) erfuhr. Begründer dieser Reform ist der Gelehrte u. Heilige Tsongkhapa (Sunkaba, Sonchava), dessen Namen in Tibet, in der Mongolei u. bei den Kalmyken fast eben so hoch gefeiert ist, als der des Religionsstifters, u. dessen Leben der Legende reichen Stoff geboten hat; er begann mit größtem Erfolg durch Rede u. Schrift reformatorisch zu wirken, begründete 1407 od. 1409 unweit der Hauptstadt das Kloster Galdan u. im folgenden Jahrzehnt noch die großen Klöster Brepung u. Sse-ra u. st. 1417 (od. 1429). Wie seine Verehrer glauben, ist er gen Himmel gefahren. Tsongkhapa war der Begründer der Gelugpa od. Tugendsecte, die sich auch nach ihrem Heimathskloster Galdanpa nennt u. als unterscheidendes Merkmal die gelbe Mütze (sha sser) im Gegensatz gegen die ältere rothe (schamar) annahm. Die wichtigste Disciplinarreform, die sich an die Annahme der gelben Mütze knüpfte, war das Gebot des Cölibats für die Religiosen; auch wurde durch Tsongkhapa die Ausübung der Magie beschränkt; seine Jünger sollten sich zu bestimmten Zeiten behufs geistlicher Exercitien zurückziehen; auch wurde von ihm die Einrichtung des Monlam, d.i. der großen gemeinschaftlichen Gebete, die während der ersten 15 Tage des Lamaischen Kirchenjahrs abgehalten werden, getroffen. Tsongkhapa u. seinen Nachfolgern gelang es, die Mitglieder aller Schulen u. Secten für seine Reformen zu gewinnen, so daß gegenwärtig die Zahl der Rothmützen im eigentlichen Tibet gegen die der Gelbmützen nur eine sehr geringe ist. Tsongkhapa gilt seitdem als eine Incarnation Amitâbhas u. besitzt in allen Tempeln der Gelbmützen Bilder. Seine Reform führte zu einer neuen Entwickelung der Hierarchie u. gründete ein neues doppeltes Papstthum mit ganz eigenthümlicher Nachfolge.

An der Spitze der Lamaischen Kirche, zunächst der Gelbmützen, stehen seitdem zwei oberste Bischöfe, von denen der eine zu Lhassa, der andere zu Tashilunpo unweit Digarische in Hinter-Tibet (Tsang), residirt. An Rang, geistlicher Hoheit u. Heiligkeit stehen beide einander gleich; beide weihen, ordiniren u. segnen sich gegenseitig. Der erstere derselben ist der sogen. Dalai-Lama, letzterer der Bogdo-Lama (s. unten III. A) a) aa). Beide Kirchenfürsten sterben nicht, sondern sie wechseln nur die körperliche Hülle u. werden stets für dieselbe Stellung wiedergeboren, d. h. die höchsten geistlichen Würden werden mit Kindern besetzt, die für Wiedergeburten der früheren Inhaber dieser Würden u. damit zugleich für incarnirte Heilige gelten. Diese hierarchische Praxis der stetigen, ununterbrochenen Incarnation ist das System der chubilghanischen Erbfolge, wie man es mit einem mongolischen Worte benannt hat (mongol. Chubilgan, tibet. Tulpa, heißt Incarnation, magische Verwandlung). Der Ursprung des zweifachen Papstthums selbst ist nicht klar; entweder sind beide Patriarchate gleich alt u. haben unmittelbar nach dem Tode Tsonkhapas begonnen, od. die Einsetzung des Bogdo-Lama (Pan-tschhen) ist jünger, als die des Dalai-Lama, u. fällt erst nach Erbauung seiner Klosterresidenz. Der erste Dalai-Lama war Gedun dubpa wahrscheinlich der Neffe Tsongkhapa's, von 1419–1473 od. 1476, unter dem die Gelbmützen außerordentlich erstarkten u. viele Klöster gestiftet wurden, bes. 1445 od. 1447 Taschilunpo, bis jetzt die Centralstätte der Lamaischen Kirche in Hintertibet u. Residenz des zweiten Großlama. Um 1470 sollen beide tibetmische Großlamen vom chinesischen Kaiser Tsching-hoa (1465–87) Diplom u. Siegel erhalten haben u. im Rang über die früher unter Jong-lo patentirten Fürsten gestellt worden sein. Sein Nachfolger war Ge-dun Dschamtso 1474 (1476) bis 1540 (1542), der die Organisation des Kloster- u. Kirchenwesens ordnete u. die Verwaltung der geistlichen von den weltlichen Angelegenheiten trennte, indem er für erstere, die sich ebenfalls durch Incarnation fortpflanzenden Chutukten (s. unten III. A) a) bb) u. für die weltlichen Dinge, namentlich die Finanzen, das Amt des Dheba od. Tiva einsetzte. Der dritte Dalai-Lama, Sod nam Dschamtso, dessen Menschwerdung 1543 erfolgte, gab dem Papstthum zu Lhassa die festeste Stütze, indem er die Mongolen, bei welchen inzwischen der alte Schamanismus (s.d.) wieder die Oberhand gewonnen hatte, von Neuem seinem geistlichen Scepter unterwarf. Als eigentlicher Bekehrer der Mongolen wird noch jetzt der Lama Arik od. Aschik verehrt, der als Gefangener des Altan Chaghan um 1566 nach der Mougotel kam; die eigentliche Wiedereinführung des L. erfolgte 1577, als der Dalai Lama selbst nach der Mongolei kam, sich mit Altan persönlich vereinbarte u. in dessen Hauptstadt Kukukhoto den Mandschusri Chutuktu als Patriarchen für die Mongolen zurückließ. Der Kirchenfürst, der sich übrigens factisch vom chinesischen Hofe losgesagt hatte, wußte wohl, daß er an dem Chaghan der Mongolen eine mächtige Stütze gewonnen hatte; er reiste daher nach dem Tode Altan's (1583) abermals nach der Mongolei, um dessen Sohn zu weihen, u. ließ sich nach seinem eigenen Tode (um 1588) in der Mongolei von Dara Chatun, der Gemahlin eines Enkels Altan's, wiedergebären. Unter diesem Dalai-Lama, der vierten Wiedergeburt, der schon um 1616 die Erde wieder verließ, erhielten die Mongolen 1604 in dem Chutuktu Ssampa Dschamtso einen eigenen Vicarius des Dalai-Lama, der Anfangs mit den Chalchasmougolen umherzog, später aber seine Residenz in dem Tempelkloster Kuren an der Heerstraße von Kiächta[47] nach Peking aufschlug, nächst den beiden tibetanischen Großlamen unter allen Großwürdenträgern des L. der erste an Rang ist u. von den Mongolen gewöhnlich Maidari Chutuktu, auch Gegen Chutuktu (d.i. großer Chutuktu) genannt wird. Der berühmteste unter allen geistlichen Souveränen von Lhassa ist aber der fünfte Dalai-Lama, Navang Lobsang. Während der langen Zeit der Vormundschaft, welche durch den frühen Tod seines Vorgängers über Tibet gekommen war, hatte sich der südliche u. südwestliche Theil des Landes, wo die Rothmützen noch die Oberhand hatten, unter einem eigenen König Tsan-po unabhängig gemacht u. bedrohte die geistliche Herrschaft der Gelbmützen. Der Dalai-Lama wußte jedoch den Beistand der Kalmyken, die bereits eifrige Anhänger des L. waren, zu gewinnen, welche ein starkes Heer unter Guschi (Gujusche) nach Tibet sandten, den Tsanpo schlugen, in seiner Residenz Digartschi belagerten u. tödteten (1643). Nach dem Siege übergab Guschi dem Dalai-Lama die weltliche Souveränetät über Tibet; auch soll derselbe sogleich von allen Kalmyken als politisches u. kirchliches Oberhaupt des Landes anerkannt worden sein. Zum Zeichen, daß die Gewalt der alten Könige von Tibet auf ihn übergegangen sei, erbaute Navang Lobsang auf dem Berge Potala, wo einst die Königsburg gestanden hatte, das Tempelkloster, in welchem der Dalai-Lama noch heute residirt. Der frühere Dheba od. Tiva erhielt jetzt die Leitung aller weltlichen Dinge u. den Titel eines Tisri, d.i. Regenten. Über die späteren Dalai-Lamas, s. Tibet (Gesch.). Die geistliche Autorität der Tibetanischen Päpste reicht weit über die Marken ihrer weltlichen Herrschaft hinaus. Außer dem eigentlichen Tibet gehören dazu: Butan, Sikkim, Theile von Nepal u. Kunawar; ferner Ladak. In China gibt es Lamaklöster nur in Peking u. den Nachbarprovinzen Tibets; dagegen sind Sifan od. Tangut, die Mongolei, die Provinz Thian-schan pe lu, die Buräten u. Kalmyken in Rußland dem L. zugethan.

III. Lehre u. Cultus des L.: A) Die Priesterschaft: a) die Geistlichkeit: aa) die Großlamen. Die Spitze des hierarchischen Systems bilden die beiden souveränen Großlamen (s. oben II. B.), die sich stets verjüngen, unsterblich u. unfehlbar, ja nach der Meinung der Gläubigen geradezu allwissend u. allmächtig sind, u. von denen der eine auf Pôtala bei Lhassa (s.d.), der andere auf Taschilunpo residirt. Beide sind nicht blos Oberhäupter der Geistlichkeit u. Kirche, sondern zugleich weltliche Herrscher Tibets; bei gleicher geistlicher Autorität beherrscht jedoch der Dalai-Lama ein viel größeres Gebiet u. besitzt dadurch eine viel größere politische Macht als der Bogdo-Lama. Als Jünger u. Nachfolger Tsongkhapa's waren sie ursprünglich nur Oberpriester der von diesem gestifteten Secte der Gelbmützen, neben denen die Häupter der rothmützigen Secten jedenfalls bis auf Guschi's Zeit denselben Rang in Anspruch nahmen. Schon seit längerer Zeit sind jedoch die Bischöfe der Rothmützen im südlichsten Tsang in Butan u. Ladakh in eine gewisse Abhängigkeit zu den Lamen in Lhassa gebracht. Der Großlama, der zu Potala bei Lhassa residirt, heißt Dalai-Lama (v. mongol. dalai, Meer, u. tibet. b Lama, Priester); das tibetanische Wort für Dalai ist Dschamtso (r Gja m Thso), womit dann noch die höchsten Prädicate geistlicher Gewalt u. Majestät, nämlich Rin po tschhe (d.i. Edelstein, Kleinod) u. r Dsche b Tsun (hochwürdig) verbunden werden, so daß der vollständige Titel des Dalai-Lama im Tibetanischen r Dsche b Tsun r Gja m Thso Rin po tschhe (das hochwürdige Weltmeer-Kleinod) lautet, wozu dann wohl noch r Gjal po (spr. Dschalpo), d.i. König, hinzugefügt wird. Der zweite Großlama, der zu Taschilunpo residirt, wird in Europa gewöhnlich Tescho-Lama, Bogdo-Lama, Bogdo-Gegen genannt, heißt aber mit seinem officiellen Titel: Pan tschhen Rin po tschhe od. r Dsche b Tsun Pan tschhen Rin po tschhe (d.i. hochwürdiger, großer Lehrer-Juwel). Der Bogdo-Lama gilt in letzter Instanz meist für die Verkörperung des Dhyâni-Buddha der gegenwärtigen Weltperiode, der Amitâbha (tibet. Odpagmed), aber auch der Bodhisattvas Mandschusri (tibet. Dschampal) u. Vadschrapani (tibet. Tschagnadordsche), näher endlich für die übernatürliche Wiedergeburt des Tsong-khapa; der Dalai-Lama wird dagegen immer für die Incarnation des Bodhisattva Avalokitesvara (od. wie dieser mit seinen anderen Namen in den tibetanischen, chinesischen u. mongolischen Übersetzungen heißt: Padmapâni, Aryapâla, Lokaçri, Tschanreisig, Kua-nin, Chong-schim, Niduber-Usektschi etc.) gehalten. Als Vorbilder des doppelten Lamaischen Papstthums werden Dscho bo Atischa u. Brom Bakschi betrachtet, s. oben II. B). bb) Die zweite Klasse der Lamaischen Hierarchie sind die sogen. Chutuktu (tibet. Paspa, d.i. ehrwürdig), die sich etwa mit den katholischen Cardinälen u. Erzbischöfen vergleichen lassen u. ebenfalls für wiedergeborene Heilige gelten. Es gibt deren aber sieben od. zehn; n. And. viel mehr. Als Stellvertreter des Dalai-Lama in den einzelnen Provinzen haben sie zugleich auch die ganze Civilverwaltung derselben in den Händen. Am bekanntesten unter ihnen ist der Patriarch, der bei den Mongolen zu Urga am Tulafluß residirt; gewissermaßen Vertreter des L. bei dem chinesischen Kaiser sind die Chutukten, die in den großen Klöstern Pekings residiren. Es gibt auch weibliche Chutukten. Auf die Chutukten, die mit den Großlamen das Prädicat Rin po tschhe (Kleinod) gemeinsam haben, folgen als dritter Rang cc) die Chubilghane (auch Hobilghan, Chaberon, Schabotoung, Chosro etc.) od. einfachen Wiedergeborenen, deren Anzahl sehr groß ist; zahlreiche Klöster in Tibet u. der Mongolei haben sich incarnirter Abte zu erfreuen. Früher lag die Auffindung u. Wahl der Incarnationen aller drei Rangstufen, d.i. die Besetzung der höchsten geistlichen Stellen, überwiegend in der Hand der Hierarchie, namentlich wußten die geistlichen Herren zu Lhassa ihre Bastarde u. Nepoten mit den höchsten Ämtern u. besten Pfründen im ganzen Gebiete der Lamaischen Kirche zu versorgen; gegenwärtig übt jedoch die chinesische Regierung den entschiedensten Einfluß auf die Ernennung der Wiedergeborenen.

b)Das Mönchthum. Dasselbe hat im L. vier Alters- u. Rangstufen. Dieselben sind von unten auf gerechnet: aa) der geistliche Lehrling od. Schüler, der Bandi, Bandaod. Bante, im Tibetanischen meist Genjen, d.i. der sich der Tugend Nähernde, Laienbruder, bei den Mongolen Schabi, bei den Kalmyken Mandschi; bb) der Getsul, der angehende, noch nicht vollständig geweihte Mönch, der geistliche Gehülfe, Unterpriester, Diakon; cc) Gelong, d.i. der Tugendbettler der wirkliche.[48] fertige Mönch, der Priester, welcher alle Weihen erhalten hat; dd) der Khanpo, Lehrer, Meister, Abt. Nur die größeren Klöster haben einen Khanpo zum Prior, dessen Aufsichtsrecht sich oft noch über mehrere kleinere Klöster u. Tempel erstreckt u. dessen Stellung sich im Allgemeinen mit der eines katholischen Bischofs vergleichen läßt. Dem Khanpo wurde früher allein u. vorzugsweise auch noch jetzt das Prädicat Lama (Meister) beigelegt, wenn er auch häufig zum Unterschied von den übrigen Klosterbewohnern Lama tschhen po (mongol. Jeke Lama, chinesisch Tala-ma, d.i. Großlama betitelt wird. c) Zu diesen vier in dem Wesen u. der Organisation des Mönchthums begründeten Rangstufen treten nun noch die theologischen u. akademischen Grade u. Würden, von denen die höheren auch einen wirklich hierarchischen Rangunterschied begründen. Diese sind aa) der Kabtschu, etwa Magister, derjenige Geistliche, der die zehn wichtigsten Lehrbücher der Lamaischen Religion richtig verstanden u. davon in öffentlicher Prüfung Zeugniß. abgelegt hat. bb) Der Rabdschampad. i. der Überströmende, Unendliche), etwa unserem Doctor der Theologie entsprechend; der höchste akademische Grad, der nur in den Klöstern, mit denen lamaische Hochschulen verbunden sind, nach abgehaltener Disputation über den ganzen Umfang der Glaubens- u. Kirchenlehre ertheilt wird, zum öffentlichen Lehren des Gesetzes ermächtigt u. zu den höheren Kirchenämtern befähigt. Noch um eine Stufe überragt wird der Rabdschampa cc) durch den Tschoidsche (mongol. Nomtschi, Schriftgelehrter), d.i. Gesetzesfürst, u. dieser wiederum dd) durch den Pandita, welche beide Titel jedoch nicht mehr akademische Grade, sondern von den Großlamas nur an ausgezeichnete Doctoren verliehen werden. Zwischen beiden mitteninne soll der Titel Lotsâva, d.i. Übersetzer, liegen. So viel steht fest, daß die Khanpo, die Tscholdsche u. die Rabdschampa die drei Hauptklassen des höheren, nicht wiedergeborenen Clerus bilden; die Khanpos nehmen in deren Reihenfolge die höhere Stelle ein u. werden gewöhnlich aus den beiden anderen Klassen gewählt. Die ganze Stufenleiter der lamaischen Klerisei ist demnach von unten auf: die Schüler, die Getsul, die Gelong, die Rabdschampa, die Tscholdsche, die Khanpos, die Chubilghane, die Chutuklus, der Bogdo-Lama od. Pan tschhen u. der Dalai-Lama. Die drei ersteren Klassen bilden die niedere, die sechs anderen die höhere Geistlichkeit. Gleich dem älteren Buddhismus hat auch der L. kein Weltpriesterthum, sondern die Geistlichen aller Grade sind wesentlich Asceten, Enthaltsame u. Ehelose (tibet. Gedschong, d.i. Tugend Übende). Die überwiegende Mehrzahl sind eigentliche Mönche, die in Klöstern zusammenwohnen. Der allgemeinste Name für das Kloster ist Gonpa, Einsamkeit, Einsiedelei, mongol. Kilt Den Mittelpunkt derselben bildet der Tempel (Lha-khang), oft von großem Umfang u. ungemeiner Pracht; an demselben schließen sich zahlreiche Nebengebäude, die den Versammlungs- u. Beichtsaal der Geistlichkeit, die Wohnungen des Vorstehers u. der Mönche, die Bibliothek, Wirthschafts- u. Vorrathshäuser enthalten, u. endlich mehr od. weniger buddhistische Thürme od. Pyramiden, Tschhod-Ten, d.i. Opferbehälter, u. Dung-ten, d.i. Reliquien od. Knochenbewahrer (mongolisch Ssuvurghan). An der Spitze eines Klosters steht entweder ein wiedergeborener Großlama (Chubilghan) od. ein eingesetzter Abt (m Khan po); der. selbe hat für die einzelnen Zweige der geistlichen u. weltlichen Verwaltung mehrere Beamte unter sich, nämlich den Lopon (mongol. Bakschi), den Lehrer od. Professor, der das Gesetz erklärt u. die Studien der Brüder leitet; den Tschagdsod (mongol. Demzi), den Schatzmeister; Njerpa, gewöhnlich Nerba, den Ökonomen; Gebkoi od. Ghepkü, die Aufseher, deren gewöhnlich zwei sind, zur Aufrechterhaltung der Ordnung; die Umfad (Unsud, Gunsud, Onze etc.), die Vorsänger etc. In größeren Lamaserien kommen hierzu noch Rechtsverständige, Secretäre, Steuereinsammler, Ärzte, Maler etc., sowie amtlich angestellte Magier od. Beschwörer. Letzter, der sogen. Tschoitschong, d.i. Beschützer des Gesetzes, gehört nicht der Gelben, sondern der Rothen Religion an u. darf sich daher verheirathen. Diese Beschwörer sind die öffentlichen u. Privatorakel für alle Angelegenheiten. Eigentliche Einsiedler, die außerhalb der Klöster in Wüsten, Wäldern u. Höhlen leben, Galpo, d.i. Abgeschiedene, Dagssrung; d.i. sich selbst hütende, Ritropa, d.i. Bergbewohner, im Mongolischen Dajantschi genannt, gibt es in Tibet verhältnißmäßig nur wenige. Andere Lamen ziehen, zum Theil um Gelübden zu genügen, bettelnd u. vagabundirend im Lande umher. Der L. hat auch seine Nonnen u. Nonnenklöster u. seine weibliche Hierarchie, an deren Spitze incarnirte Äbtissinnen (weibliche Chutukten) stehen; die Novize heißt Gethsulma; die, welche alle Gelübde abgelegt hat, Gelongma; allgemeine Benennungen für die weiblichen Religiosen sind Gonpama (d.i. Klosterfrau), Tschhoima (Religionsweib), Tsunma (die Ehrwürdige), Ani (Tante) etc.; bei den Mongolen Tschibaganza.

Die Gesammtheit aller lamaischen. Religiosen vom Dalai-Lama herab bis zum Schüler, constituiren den Verein der Priesterschaft, den Clerus od. die Kirche, Gedun (im Mongolischen Chabarak). Die Disciplinarvorschriften für die Geistlichkeit füllen im Kandschur 13 Bände; die eigentliche Mönchsregel zählt 253 Gebote u. Verbote. Der Gelong erhält eine dreifache Weihe als Novize im 7. od. 9. Jahre, als Getsul nach zurückgelegtem 15. Jahr, u. als Gelong nach vollendetem. 20. Lebensjahre. Der Gelong trägt den vollständigen Priesterornat; vorschriftmäßig gehören dazu: der Thangoi (mongol. Majak), das Unterkleid od. der Schurz, gleich den Unterröcken der Weiber, um die Hüften befestigt; Mangak od. Erengö, der Koller od. Panzer, der zur Bedeckung des Oberleibes dient, auf der Brust offen bleibt u. Schlitze zum Durchstecken der Arme hat; der Namtschar, der Mantel, das Oberkleid, die eigentliche Mönchskutte, die bis auf die Füße reicht u. um die Mitte des Leibes durch einen Gurt zusammengehalten wird; der Sam (mongol. Orkimdschi), die Priesterbinde, das unterscheidende Zeichen der geistlichen Würde, ein langes, schmales Stück Zeug, welches schärpenartig von der linken Schulter über Brust u. Rücken nach der rechten Hüfte herab geschlungen wird; der Tscholgoi (d.i. Kleid des Gesetzes, mongol. Jeke Majak), der Überwurf, ein weites, faltiges Pallium, das von der linken Schulter bis auf die Knöchel herabfällt u. nur behufs religiöser Feierlichkeit angelegt wird. Die nämlichen Gewänder trägt auch die höhere Geistlichkeit bis hinauf zum Dalai Lama; die Farbe derselben ist bei den Rothmützen überwiegend die rothe, gewöhnlich[49] die karmoisinrothe od. violette; bei den Gelbmützen, die gelb u. roth vereinigen, ist die Priesterbinde stets roth, die Unterkleider, die Kutten, das Pallium meist schwefelgelb od. gelbbraun, jedoch ohne einzelne Stücke in Roth auszuschließen. Haar u. Bart wird auch von den Lamen geschoren, doch bleibt gewöhnlich bei den Mongolen u. Kalmyken ein Knebelbart stehen. Die Mütze hat als Kennzeichen der kirchlichen Parteien (s. oben), wie der hierarchischen Rangstufen, verschiedene Formen. Das vorschriftmäßige Barfußgehen wird in Tibet u. der Mongolei durch Boden u. Klima verhindert. Wenn sich die Kirchenfürsten öffentlich zeigen, tragen sie den möglichsten Pomp zur Schau; ihre Kleider bestehen am häufigsten aus seinem, gesticktem Wollgewebe (Phrug) od. aus Seide, od. aus dem schwersten, golddurchwirkten Brokat. Das Almosengefäß, das wesentlichste Kennzeichen des religiösen Bettlers, tragen die Lamen im Gürtel od. Ärmel; es ist eine Schale (tibet. Lung Sed, mongol. Baddir od. Zogozo), aus der sie allein essen dürfen; außerdem tragen sie ein Fläschchen mit Wasser bei sich. Die Ausstattung des Gelong wird noch vervollständigt durch das Gebetsscepter, Dordsche (Edelstein) genannt, ein in der Form unseren Mörserkeulen ähnliches, aber verziertes Instrument, mit dem von den Lamen bei Verrichtung der Ceremonien, dem Hersagen der Gebete etc. gesticulirt wird; das Gebetglöcklein (tibet. Dril bu, mongol. Choncho), das ebenfalls bei den gottesdienstlichen Verrichtungen fleißig in Bewegung gesetzt wird. Obgleich alle Lamen das Gelübde ablegen, blos von Almosen zu leben, haben sie doch im Allgemeinen nicht mehr nöthig, betteln zu gehen, da die Klöster aus Ländereien u. Zinsleistungen die reichsten Einkünfte besitzen. Außergewöhnliche Einkünfte sind Opfer, Geschenke u. die Honorare für die geistlichen Dienstleistungen (s. unten C) b). Der Lama ist nicht nur Fürbitter bei Gott, sondern auch Arzt, Astrolog, Wahrsager u. Exorcist; daneben treiben sie auch reale Künste u. Handthierungen, malen Heiligenbilder, gießen solche in Erz, drucken u. schreiben Bücher ab, fabriciren Reliquien, Amulette, geweihte Pillen u. andere Devotionalien; treiben auch wohl Viehzucht, Garten- u. Ackerbau u. Handwerke mancherlei Art. Die Lamen sind zugleich die ausschließlichen Inhaber u. Überlieferer der Wissenschaft od. doch der Gelehrsamkeit, andererseits Darbringer der Gebete u. Opfer, Vollzieher od. Leiter des Cultus. Die Lamaische Wissenschaft ist ursprünglich u. wesentlich religiös, kirchlich, priesterlich; selbst die Profanliteratur ist theologisch inficirt (s. Tibetanische Sprache u. Literatur). Die Tibetanische Sprache ist durch alle lamaischen Länder die ausschließlich gottesdienstliche u. kirchlichtheologische; alle Volkssprachen sind beim Cultus ausgeschlossen. In jedem Kloster ist ein Lehrer des Gesetzes; in den größeren aber bestehen förmliche Schulen od. Universitäten, auf denen die heiligen Bücher erklärt u. Theologie nebst Zubehör gelehrt wird. Die berühmtesten sind die zu Lhassa, u. unter diesen ist wiederum die in Labrang die erste. Zwölf Klöster haben das Recht, die Würde eines Doctors (Rabdschampa) zu ertheilen. In den beiden Klöstern Ramotschhe u. Moru zu Lhassa bestehen eigene Schulen für Magie nach orthodoxem Ritus, welche ihre Zöglinge zu Ngagrampas, d.i. Meistern der Beschwörungen, creiren.

B) Theologie. Der ältere Buddhismus hat keinen Götterdienst, sondern nur einen Cultus der Heiligen; auch im L. überwiegt der letztere, doch ist er durch den Cultus zahlreicher, namentlich sivaitischer Götter, ja selbst durch schamanischen Geisterdienst vermehrt u. verstärkt worden. Der Inbegriff aller Heiligkeit, die Gottheit (doch nicht als singuläres, bewußtes Subject), ist nach der Scholastik des L. in jener buddhistischen Dreiheit enthalten, welche bei den Tibetanern Kontschogsum, bei den Mongolen Gurban Erdeni heißt. Sie besteht aus den drei kostbarsten Kleinodien (Kontsehog), Sangdsche Kontschog, des Buddha Kleinod; Tschoi Kontsehog, das Glaubens- od. Lehrekleinod; u. Gedun-Kontsehog, Tugendverein- od. Priesterschastskleinod; im Mongolischen: Burchan Erdeni, Nom Erdeni, Chubarak- od. Lama-Erdeni). Obgleich dem Tschoi u. Gedun nur im scholastischen Verstande Persönlichkeit zukommt, so werden doch beide, gleich dem Buddha, nicht blos im Gebet u. Eid angerufen u. mit du angeredet, sondern auch im Bilde dargestellt, wobei bald dieses, bald jenes Glied der Heiligendreiheit die Mitte einnimmt. Da die dritte Person derselben die collectivische Einheit unzähliger Persönlichkeiten ist, so gebührt auch allen diesen letzteren, nach dem Maße ihres Verdienstes u. ihrer Heiligkeit, Verehrung. wenigstens von Seiten des Laien. Doch wird aus dieser großen Menge gnostischer u. historischer Heiligen nur eine gewisse Anzahl namentlich verehrt u. angebetet, dahin gehören vor Allem unmittelbar hinter dem Religionsstifter die Bedhisattvas Avalokitesvara, Stellvertreter des Buddha, Lenker u. Regierer von dessen Kirche u. Schutzheiliger Tibets; Mandschusri, die personificirte Weisheit, u. Maitreya, der nächste Buddha der Zukunft. Unter den historischen Persönlichkeiten nimmt der Reformator Tsong kha pa die erste Stelle ein; Bilder u. Reliquien von Nagârdschuua, von Atischa u. 'Brom Bakschi werden aller Orten verehrt. Die wiedergeborenen Hierarchen, der Dalai- u. Bogdo-Lama, die Chutukten etc., nehmen einen guten Theil der Verehrung für sich in Anspruch. Tief unter den Buddhas u. Bodhisattvas stehen in der Theorie die Götter (Lha), welche in den lamaischen Cultus übergegangen sind u. von den Mongolen selbst mit zu den Burchanen (Buddhas) gezählt werden. Unter den Göttern, welche aus dem indischen Volksglauben übergingen, treten zunächst hervor die vier großen Geisterkönige (Dschal tschhen Shi), deren Bildsäulen an den Eingängen der Tempel aufgestellt werden; ferner Indra (tibet. Dschadschin, mongol. Chormusda), der alte indische Himmelskönig, u. im Gegensatz zu demselben Yama (tib. Schindsche, mongol. Erlikchan), der Herr der Todten, der Fürst der Unterwelt, welcher die Verstorbenen unerbittlich richtet u. durch die Höllenstrafen das Gesetz Sakyamunis aufrecht erhält (deshalb auch tib. Tschoidschal; mong. Nomun-chan, d.i. Gesetz-König, genannt). Um Letzteren gruppirt sich in der Vorstellung das sivaitische Pandämonium, was in der Lamaischen Lehre die Stelle des Teufels vertritt u. von der Priesterschaft ebenso zum Schrecken für die Gewissen der Laien gebraucht wird, als der Teufel mit seinen Gesellen im Mittelalter. Die acht furchtbaren Gottheiten (Pal Dordsche die acht erhabenen Diamanten; mong. Naiman Dokschot, die acht Schrecklichen) sind der Mehrzahl nach nur verschiedenen Manifestationen des [50] Sivas. Dahin gehören Yamântaka (Schin Dschei Sched, der Ringer od. Henker des Yama), Siva der Rächer in seiner scheußlichsten Gestalt, der Mahâkâla (tib. Nag po tschen po, mong. Jeke Charra) u. And. Zu den schrecklichen Gottheiten, wenn auch nicht zu jenen acht, zählt auch Vadschrapûni (tib. Lagna Dodsche, mong. Ortschirbani), der Träger des Blitzes, det Herrscher im Donnergewölk. Unter den weiblichen Gottheiten erblickt man in den Tempeln am häufigsten die Bilder der beiden Dolma od. Dara Eke.

C) Cultus. a) Heilige Orte. Die Bauart u. innere Einrichtung der lamaischen Tempel (Lha khang) ist durch dogmatische Anschauung u. heilige Observanz festgestellt; in Bezug auf Styl zeigen sie im Allgemeinen eine Mischung indischer u. chinesischer Architektur u. Ornamentik. Den Grundriß bildet immer ein genau nach den Himmelsgegenden orientirtes Rechteck. Das Innere zerfällt in drei Haupttheile: den Vorhof, die eigentliche Tempelhalle u. das Allerheiligste. In letzterem thront das Hauptidol, der Buddha, gewöhnlich unter einem Baldachin u. inmitten anderer Heiligenbilder, od. die ganze Dreieinigkeit; zu deren Füßen steht der Altar od. der Opfertisch. Die inneren Wände sind gewöhnlich in sehr lebhaften u. frischen Farben gemalt, od. mit Tapeten, Bildern u. Schnitzereien aller Art verziert. Außer den Tempeln sind als religiöse Stätten u. Bauwerke noch zu nennen: die Thsa-khung (mong. Thsathsa od. Ssumä Ssuburghan), die kleinen Bet- u. Opferhäuser od. Kapellen, in der Nähe der Tempel, an den Straßen in der Steppe angelegt; die erwähnten buddhistischen Thürme od. Pyramiden (Stupas, tibet. Tschets), deren gewöhnlich mehrere in der Nähe der Tempel stehen; die nur in Tibet u. dem Himalaya sich findenden Mani's (Edelsteine), an Straßen u. vielbetretenen Plätzen, in steinernen Mauern od. Säulen bestehend, auf denen die heilige Gebetsformel eingegraben ist; die Gebeträder od. Gebetcylinder (Mani Tschhoi Khor, köstliches Religionsrad), auch wohl blos Mani genannt, mit Gebetsformeln beschriebene od. vollgestopfte Tonnen od. Cylinder (oft von riesigem Umfange), deren einmalige Umdrehung ebensoviel gilt u. wirkt, als das Hersagen aller in ihr eingeschlossenen Gebete; Segensbäume (Dur po tschho), Masten u. Stangen, an denen Gebetsflaggen (Kha Tag, d.i. Glücksschärpen) mit der Inschrift Om mani padme hum, befestigt sind u. deshalb ebenfalls zur Kategorie der Manis gehören. Diese Flaggenstangen sind charakteristisch für die tibetanische Landschaft; sie finden sich in zahlloser Menge, da ihre Errichtung ein verdienstliches Werk ist. Heiligenbilder finden sich allerwärts an den Straßen aufgestellt od. in Felsen ausgemeißelt. b) Gottesdienst. Die Geistlichen versammeln sich auf den Ruf der Muscheltrompete täglich dreimal, bei Sonnenaufgang, Mittags u. bei Sonnenuntergang, zum gemeinschaftlichen Gebet u. Gottesdienst, an welchem die Laien nicht Theil haben. Doch sind Letztere zur Befolgung der vier (früher drei) Beicht- u. Fasttage im Monat verpflichtet (tib. Sodschong, mong. Mazak). An diesen Tagen sollen nur Mehlspeisen u. Thee genossen werden, die Tempel sind festlich geschmückt, die Altäre mit heiligen Figuren, Kerzen u. Opferschalen geschmückt. Die Gläubigen legen ihre Opfergaben (Getreide, Mehl, Thee, Milch, Butter etc., am gewöhnlichsten kleine Pyramiden aus Teig, Thee od. Reis) nieder; auch wird den Heiligen viel Weihrauch gespendet. Den Höhenpunkt des Gottesdienstes bildet das lamaische Sacrament, die Einsegnung u. Vertheilung des heiligen Wassers u. die Spendung des Getreideopfers. Es gibt 4 große Jahres feste: das Neujahrsfest (tibet. Log Ssar, mongol. Tsagan), fällt immer auf den Neumond im Februar, dauert fünfzehn Tage u. ist die Zeit der ausgelassensten Fröhlichkeit; am dritten Tage findet das große Jubiläum od. die Monlamfeier statt; den Schluß am fünfzehnten Tage bildet das Blumenfest od. die Ausstellung der Bilder; das Fest der Menschwerdung des Buddha Sakyamuni (Namss ssu Shagss pai duss m Tschhod, mongol. Urüss Üruss Ssara), bei welchem die Bilderprozessionen charakteristisch sind; die Wasserweihe zu Beginn des Herbstes; das Lampenfest, welches für die orthodoxen Gelbmützen das Todtenfest, od. vielmehr das Himmelfahrtsfest des Tsong-khapa ist. Außer diesen großen Festen feiert die Lamaische Kirche noch unzählige besondere u. lokale. In Verbindung mit den Festen stehen die großen kirchlichen Fasten. Von Früh bis Abends, bei allen Verrichtungen wird gebetet; außer den großen u. kleinen Gebetcylindern wird auch der Rosenkranz (tibet. Ting pa, mongol. Ärkinn) fleißig gehandhabt. Jeder Tibeter od. Mongole hat im Hause od. in der Gurte einen Altar, auf welchem er täglich opfert u. an dem er seine Andacht verrichtet. Viele haben auch einen förmlichen Gewissensrath od. Beichtvater. Bei allen wichtigen Familienereignissen wird die Hülfe des Priesters in Anspruch genommen, so bei der Namengebung, wobei die Kinder mit Wasser besprengt werden, bei der Firmelung des Kindes, sobald dieses sprechen gelernt hat, bei der Schließung der Ehe (jedoch kein kirchlicher Act) u. bei der Bestattung. Ein wichtiges u. sehr einträgliches Geschäft für die Lama's sind die Todten- od. Seelenmessen (Schid Tschoi), welche die strafenden Gottheiten, namentlich den Höllenrichter Yama, zur Milde stimmen sollen. Vgl. außer den Reisen von Pallas, Erman, Turner, Cunningham, Huc etc., sowie mehreren Schriften von I. I. Schmidt u. Schott (s. b.), Wassiljew, Über den Buddhismus (russisch), Petersb. 1857; Köppen, Die Religion des Buddha, Berl. 1857–59, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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