- Geist [1]
Geist, 1) (lat. Spiritus), sinnlich nicht als Körper wahrnehmbares, aber gleichwohl durch Kraft u. Wirkung als selbständig sich andeutendes Wesen; 2) das in u. durch weinige Gährung in einer Flüssigkeit (als Alkohol, Weingeist) entwickelte Product; 3) abgezogener G. (aromatischer Weingeist, Spiritus abstractus, Sp. aromaticus), das Destillat von aromatischen Substanzen, mit Weingeist od. Wasser u. Weingeist; einfacher aromatischer G. (Spir. arom. simplex), wenn nur eine aromatische Substanz (z. B. Spir. melissae spl.), zusammengesetzter aromatischer G. (Spir. arom. compositus), wenn mehrere aromatische Substanzen zusammen destillirt werden (z. B. Spir. melissae comp.); 4) destillirte, scharf riechende od. schmeckende Substanz; die alten Chemiker unterschieden Flüchtige G-er, in denen Ammonium od. ätherisches Öl der Hauptbestandtheil war, u. Feste G-er, bes. auch als Saure G-er, die starken Säuren, daher auch Vitriol-, Salpeter-, Salzgeist; 5) das durch Zusammendrängen erhaltene Kräftigste, auch aus literarischen Producten, wie G. einer Schrift, G. der Gesetze etc.; 6) das Leben von Menschen u. Thieren, hypothetisch hiernach Lebensgeister; 7) in besonderer Beziehung Bewußtsein od. Seelenkräfte, als Denkart od. Scharfsinn; 8) ein selbständiges, völlig körperloses, aber mit Bewußtsein u. Willen begabtes Wesen; 9) G. im biblischen Sinne, die höhere von Gott eingehauchte Lebenskraft bei der Schöpfung des Menschen, im Gegensatz zu dem aus Staub geschaffenen Leib, so daß sich beide im Menschen als Grundbestandtheile vereinigen. Außer dieser Anschauung von zwei Grundbestandtheilen (Dichotomie) kommt auch in der Bibel eine dreifache Anschauung an dem Menschen, als Leib, Seele u. Geist (Trichotomie) vor, indem hiermit die Bezeichnung zur Welt, zum eigenen Selbst u. zu Gott bezeichnet wird. Auch wird für das natürliche Leben durch die Geburt u. für das geistliche Leben durch die Wiedergeburt ebenfalls das Wort G. in der Bibel gebraucht u. steht in der letzteren Beziehung im Gegensatz zu dem Fleisch; 10) (Theol.), s. Heiliger Geist; 11) ein außerhalb der Körperwelt existirendes, denkendes, wollendes, fühlendes, dabei körperloses, aber mit besonderen Kräften ausgestattetes Wesen; ihre Gesammtheit bezeichnet man als Geisterwelt, od. rücksichtlich des Ortes ihrer Existenz als Geisterreich; im Gegensatz zu Gespenst (eigentlich Eingebungen [althochdeutsch kispanst], dann bes. Eingebungen des Teufels), welches zwar ein bloßes Phantasiegebilde ist, aber gleichwohl von dem Individuum für einen wirklichen Gegenstand gehalten wird. Indem man die Geister als die von Menschen getrennten Seelen annimmt, so versteht man auch unter Gespenstern, die noch nicht an den Ort ihrer Bestimmung nach dem Erdenleben aufgenommenen, also ruhelos umherwandernden u. die Menschen schreckenden Geister, im Gegensatz zu denen, welche zur Ruhe gekommen sind u. mit der Erde nicht mehr in Verbindung stehen. Nach dem Aufenthaltsort der G. unterscheidet man überirdische (himmlische) u. unterirdische (höllische); nach ihren Eigenschaften u. Wirkungen, gute u. böse; vgl. Engel u. Dämonen. Ihr Erscheinen gilt gewöhnlich als an die Mitternachtsstunde (daher Geisterstunde) gebunden. Die Theorie von der ganzen Geisterwelt heißt Geisterlehre (Pneumatologie) u. die Macht u. Geschicklichkeit mit Geistern in Verbindung zu treten u. dieselben für seine Zwecke zu benutzen ist die Geisterkunst. Sie besteht zunächst darin, daß Einer die Geister in, den Sinnen wahrnehmbarer Weise sich darzustellen (Geisterseher, Geisterseherei) u. dieselben Andern erscheinen zu lassen (Geistererscheinungen) vermag; dies bewirkt, jene Kunst durch das Geistercitiren u. durch Geisterbeschwörungen, wobei sie Geheimmittel u. Formeln anwendet, u. die erschienenen Geister benutzt sie dann, um geheime Dinge zu erfahren, Verborgenes zu erforschen, Schätze zu heben u. dergl.; bes. aber will die Geisterkunft auch Geister bannen, d.h. sich der an einem Orte spukenden Geister bemächtigen, dieselben zur Ruhe bringen u. so den, von ihnen beunruhigten Ort von ihrem Spuk befreien können.
Über den Glauben an die Existenz der Geister gehen die Meinungen sehr auseinander. Einige halten die Realität der Geister ohne Weiteres für wahr, theils weil sie selbst Geistererscheinungen gehabt od. solche von, ihnen glaubwürdigen Zeugen erfahren haben; od. aus historischen Gründen, weil bei vielen, ja den gebildetsten Völkern der Glaube an Geister sich vorgefunden; od. aus dem Vernunftgrunde, daß sich die. Unmöglichkeit der Geister nicht beweisen lasse; od. sie perhorresciren die Vernunft u. alle Philosophie hierin; Andere (abgerechnet diejenigen, welche mit der Läugnung der Individualität des Geistes auch allen Glauben an Geister läugnen)[82] sind dagegen der Meinung, daß es mit dem Glauben an sichtbare Geister doch mißlich aussehe, da der menschliche Geist, sich selbst ein Räthsel, sich seinem Wesen nach selbst nicht kenne, geschweige das Wesen anderer als körperlich od. unter die Sinne fallender Wesen außer sich; daß sich rein geistige Wesen, die doch noch sinnliche Kräfte hätten u. solche Wirkungen hervorbrächten, schwer denken ließen, noch viel weniger aber eine Wirkung der Menschen auf Geister. Dem Berufen auf eigene od. fremde Erfahrungen in Geistererscheinungen antworten diese, daß Geistererscheinungen in der Regel nur von gewissen Leuten, namentlich von feigen, furchtsamen, abergläubischen, mit sehr lebhafter Phantasie begabten, an Nervenreiz u. Nervenüberspannung leidenden, im Zustand des Somnambulismus befangenen; zu gewissen Zeiten, bes. wo philosophische u. Naturkenntniß noch nicht so tief gegangen u. so weit, bes. unter dem Volke verbreitet gewesen; ja an gewissen Orten, die durch klimatische u. Sanitätsverhältnisse, durch ihre Lage, das Naturell, die allgemeine Stimmung u. religiöse Ansicht ihrer Bewohner vor anderen ausgezeichnet sind (z. B. Schottland, Württemberg), gesehen worden wären, so daß man leicht an eine Selbsttäuschung der Geisterseher u. derer, welche eine Geistererscheinung gehabt, od. an eine absichtliche Täuschung Anderer in irgend einer Absicht denken könne. Da der Geisterglaube nicht blos bei Leuten, welche auf einer niederen Bildungsstufe stehen od. welche durch ihre Individualität u. durch ihren Lebensgang dazu disponirt sind u. in einer gewissen Geisterfurcht leben, sondern auch bei denjenigen getroffen wird, welche zwar gegen die Geistererscheinungen u. Geisterwirkungen sich aussprechen, gleichwohl aber in vorkommenden Fällen dem Glauben daran nicht abgeneigt sind, so. hat allerdings die Frage nach seinem Ursprung ein besonderes Interesse. Die nächste Quelle, woher der Geisterglaube entsteht, geschöpft u. genährt wird, liegt in dem Menschen, indem Kindern in ihren frühesten Jahren, wo sie noch nicht mißtrauisch gegen etwaigen Betrug u. nicht gegen Leichtgläubigkeit bewaffnet sind, entweder um sie zu schrecken od. sie zu unterhalten, Geschichten u. Mährchen erzählt werden, die sich auf diesen Glauben gründen; der Glaube wächst dann mit dem Menschen groß; dazu kommt noch eine Liebe des Menschen zum Wunderbaren u. die Hoffnung u. Ahnung, nach diesem Leben fortzudauern in einem außerirdischen Zustande, mit einem anderen Organe, als dem der Verwesung anheimfallenden Körper; Geister scheinen dann Boten aus dem Jenseits od. noch nicht dort eingegangene Wesen zu sein. Nächstdem sind als Quellen der Entstehung u. Nahrung des Geisterglaubens von außen her zu nennen, Dichter, die in dem Wunderbaren die reichste Quelle für Erfindung u. Ausschmückung ihrer Productionen finden; die Religion, sofern deren Darstellung das Geheimnißvolle mit besonderer Vorliebe pflegt; ja sogar die Philosophie zeigt in ihrer Geschichte Perioden (s. unten), wo man diesen Glauben zu nähren od., wo sie ihn noch nicht fand, hervorzurufen suchte. Besonders gibt es aber im Gange der Geschichte Ereignisse u. Zeitperioden, welche dieser Richtung vorzugsweise günstig sind.
Der Glaube an Geistererscheinungen ist sehr alt, schon bei den Israeliten findet er sich; Geisterbeschwörer wurden, wie Wahrsager u. Zeichendeuter, schon im Mosaischen Gesetze mit dem Tode bestraft; Manasse duldete sie, aber Saul schärfte das Gesetz gegen sie ein. Und doch erzählt die Bibel das erste Beispiel einer Geistercitation, die auf Sauls eigenen Wunsch angestellt wurde (s. Samuel 1, 28), von der berühmten Hexe zu Endor (s.d.). Samuels Geist, gerufen, um Sauls Schicksal zu verkündigen, stieg dort aus der Erde auf u. sagte dem König seinen baldigen Tod voraus; zugleich nannte er sein Rufen eine Störung seiner Ruhe. Die Religionen, welche die menschliche Seele nach dem Tode nach langer Wanderung erst an den Ort ihrer Bestimmung kommen ließen, wie die ägyptische u. indische, waren reich an Geistern, bes. die letztere, die allein deren auf 333 Millionen von allen Graden, Eigenschaften, Beschäftigungen etc. hatte, s.u. Indische Mythologie u. Ägyptische Mythologie. Auch in der ältesten griechischen Zeit findet sich schon den Glauben an Geister. Diese waren, nach homerischer Mythologie, die Psyche (der Hauch od. Athem), welche den Menschen im Tode verließ u. als luftiges Eidolon (Scheinbild, Ebenbild), als ein Schatten od. Schemen in die Unterwelt von Hermes hinabgeführt wurde, wenn der Leichnam begraben od. wenigstens mit Erde überdeckt war. Von dort konnten die Eidola durch Zaubermittel wieder hervorgerufen werden, diese Kunst hieß Psychopompie. Odysseus, von Kirke belehrt, that es; er fuhr an den Eingang des Todtenreichs, machte dort eine Grube, goß Honig, Milch, Wein u. Wasser hinein u. streute Mehl darauf, betete u. brachte den Schatten Gelübde, dann ließ er das Blut über der Grube geschlachteter Schafe in dieselbe laufen u. alsbald kamen die Schatten, tranken von dem Blute u. nun wurden sie erkennbar an den Merkmalen des Alters, des Geschlechtes, des Standes, ja aller ihrer Eigenthümlichkeiten in dem Erdenleben. Odysseus redete mit vielen, fragte den Geist der Tiresias wegen seiner Rückkehr; seine Mutter wollte er umarmen, doch wie ein Traumbild od. wie ein Schatten entwich sie ihm. Übrigens war es altgriechischer Glaube, daß die Geister der Todten den Lebendigen nur im Traume erschienen u. mit ihnen sprachen. Eine Geistererscheinung nannten die Griechen Phasma, ein Schreckbild, Gespenst Deima. Später kommen viele Schreckgeister u. Gespenster vor, so bei Äschylos der die Jo schreckende Geist des Argos, das Gespenst bei Pausanias, das die Korinther u. Orchomenier schreckende Gespenst; auch solche Gespenster, mit denen man Kinder schreckte, z.B. Mormo, Lamia (s.b.) kommen vor. Die Gespenster sendete Hekate bei nächtlicher Weile, ja sie selbst tobte mit ihnen, bes. mit den Empusen (s.d.), um die Gräber, theils um die Menschen zu schrecken, theils um ihnen Unglück zu verkünden. Die erste Spur unter den Griechen von guten Geistern, die mit der Erde in Verbindung stehen, findet sich bei Hesiodos, sie heißen Dämones bei ihm u. sind die Seelen der frommen Menschen, welche im goldenen Zeitalter gelebt haben u. nun, in Nebel gehüllt, als Beschützer der Menschen u. Beobachter von deren Thaten auf der Erde umherschweben. Sokrates (in Platons Phädon) fügt von den Seelen rein sinnlicher Menschen hinzu, daß dieselben, bei dem Scheiden von ihren Leibern zu viel des irdischen Stoffes an sich trügen u. aus Furcht vor dem unsichtbaren Hades immer wieder an den Ort ihrer Lebensthätigkeit gezogen würden, dort schwärmten[83] sie um die Gräber u. erschienen Menschen als schattenähnliche Gespenster. Er nahm dieses Umgehen als Strafe der nicht anerkannten Geistigkeit ihres Wesens u. Veredelung u. Vollendung des zur Unsterblichkeit geschaffenen Geistes. Ob der bekannte Genius des Sokrates (s.d.) hierher gehört, ist unbestimmt, da man nicht recht weiß, ob jener Genius als ein außer ihm existirender Geist od. als die in ihm redende Stimme des Gewissens zu denken ist. Auch die etruskische u. altlateinische Mythologie kennt das Fortleben der abgeschiedenen Seelen (Manes, Lemures) in der Unterwelt u. ihr Heraufbeschwören aus derselben, daß sie dann Schutzgeister auf Erden würden, so schützende Haus- (Penates) u. Wegegeister (Lares); andere wurden zur Strafe ungöttlichen Lebens zu kraftlosen Schemen u. nichtigen Schreckbildern (Larvae), die zur Plage für Gute u. Böse auf der Erde umherirrten. Diese Ansicht ging mit den Namen auch in die altrömische Mythologie über; die späteren Philosophen der Römer dachten wie die Griechen; Spectrum, was man gewöhnlich als altlateinisches Wort für Geist ausgibt, brauchte zuerst der Epikureer Catius (st. 44 v. Chr.) u. er verstand darunter den Geist eines Lebenden, der sich dem Entfernten, welcher an ihn dachte, darstellte u. von ihm gesehen, wenigstens gefühlt werden könnte. An Gespenster Monstra) u. Spukgeschichten glaubten auch die späteren Römer noch, u. bes. gingen ihnen als ruhelose Geister die Seelen der Ermordeten in dem Hause um, wo sie unbestattet lagen; eine solche Geschichte liegt der Komödie des Plautus Mostellaria zu Grunde, u. eine Gespenstergeschichte ganz im Ton der Blüthenzeit dieser Gattung von Erzählungen, erzählt Plinius in den Briefen (VII, 27) von einem Hause in Athen u. dieselbe auch Lucian (im Philopseudes 35), nur daß er die Scene nach Korinth verlegt. Auch Geschichten von weissagenden Gestalten, deren Verkündigungen meist traurig waren, kennt die römische Geschichte, so der Geist, welcher in Brutus Lager bei nächtlicher Weile diesem erschien u. zurief: bei Philippi wirst du mich wiedersehen! u. jener, welcher dem Drusus erschien, als er in Deutschland siegreich kämpfend über die Elbe gehen wollte, u. ihm das baldige Ende seines Lebens verkündigte. Auch erzählt Plinius an der angeführten Stelle, daß eine weibliche Gestalt dem Curtius Rufus in Afrika am Meere erschienen sei, seine ganze Zukunft vorausgesagt habe u. dann alsbald vor ihm verschwunden sei. Nach germanischem Glauben wurden die Seelen, wenn sie vom Leibe gelöst waren, nach dem Aufenthaltsorte gebracht, der ihnen nach ihrem Stande bestimmt war (s. Nordische Mythologie u. Deutsche Mythologie); die nicht od. unvollkommen zur Ruhe gekommen waren, schwebten zwischen Himmel u. Erde als Gespenster, welche des Nachts umgingen u. die Menschen schreckten, auch als Jr. wische u. Wüthendes Heer erschienen, s.b. Außerdem kennt die deutsche Mythologie auch spukende Geister u. Kobolde. Das Christenthum hat über die Geisterwelt keine besonderen Aufschlüsse gegeben. Daß unter den Juden der Glaube an Geister geherrscht habe, sieht man daraus, daß die Jünger Christum bei seiner Wanderung auf dem Meere u. (bei Lukas) bei seinem Erscheinen nach der Auferstehung für einen Geist hielten Sehr verbreitet war damals auch der Glaube an böse Geister, von denen man glaubte, daß sie Menschen besäßen (Besessene) u. Grund der Krankheiten derselben wären (s. Dämonen u. Dämonische). Diese waren zu beschwören u. aus dem Kranken zu treiben. Dieser Glaube war überhaupt ein orientalischer, u. von den Magiern der Perser weiß man, daß ihr Hauptgeschäft darin bestand, durch Formeln, Räucherungen, Besprengungen u. dgl. böse Geister aus den Menschen zu vertreiben. Die Magier hatten sich schon früh nach Griechenland, Ägypten u. Vorderasien verbreitet. Hier hatte sich unterdessen die Alexandrinische Philosophie, Theosophie u. der Neuplatonismus ausgebildet, der in seiner Verirrung eine Geisterlehre zur Grundlage seines Lehrgebäudes machte u. sich rühmte, alle Arten von Geistern nach ihren verschiedenen Stufen, Ordnungen, Kräften, Wirkungskreisen u. Eigenschaften zu kennen u. mit denselben in Verbindung zu treten, so daß sie die guten sich geneigt machen, die bösen beherrschen u. mit Hülfe bald dieser, bald jener wunderbare Wirkungen hervorbringen könnten. Plotinus hat bes. ein System über die Geister geschrieben. Zwar verlor sich der Lehrbegriff dieser Philosophen über die Geisterwelt in der späteren Zeit wieder, aber die Begriffe u. die Sache blieb, zumal da die Völker aus dein Orient u. dem Norden, deren Religion u. Volksglauben reich an Geisterwesen waren, nach dem Sturz des Römischen Reiches Europa überzogen u. der vorherrschende Glaube von der Kirche, von Mönchen u. Verfassern von Ritterbüchern in der Zeit der Finsterniß reichlichst genährt wurde. Bes. hielt die Kirche, obgleich die Geisterlehre nie Kirchenlehre wurde, doch sehr auf die bösen Geister u. ihren Gebieter, den Teufel, der auch, als in dem Menschen von Geburt an wohnend, schon seit dem 4. Jahrh. durch besondere Feierlichkeit (Exorcismus, s.d.) von bes. dazu angestellten Kirchendienern (Exorcisten) ausgetrieben wurde. Durch diesen überall vorhandenen Glauben waren die Adepten der Nothwendigkeit überhoben, das Dasein der Geister, mit deren Hülfe sie ihre Kunst treiben wollten, zu beweisen, u. die Gaukler u. Volksbetrüger aller Art, die mit den Geistern Schätze heben, prophezeihen, Verborgenes finden, allerhand Wünsche befriedigen etc. wollten, fanden Gläubige u. Geneigte, sich betrügen zu lassen. Selbst als im 15. u. 16. Jahrh. die Wiederherstellung der Wissenschaften Licht über den Geist der Menschen verbreitete, erhielt sich dennoch jene Afterphilosophie, für deren Gewährsmänner sie bedeutende Namen, wie Hermes Trismegistus, Zoroaster, Orpheus, Pythagoras, Plato u. Andere angab, in wissenschaftliche Form gefaßt; bedeutende Männer der damaligen Zeit, Philosophen, Ärzte u. Naturforscher, wurden die Vertreter u. Vertheidiger des Volksglaubens an Geistererscheinungen, Elementargeister, Kobolde etc. u. zugleich die Beherrscher der Geister durch Beschwörung, wobei Fausts Höllenzwang eine große Rolle spielte. Im 16. Jahrh. war der Geisterglaube ganz allgemein. In Folge der Reformation sank der Glaube an Geister, u. obgleich die Jesuiten für diesen Glauben einstanden, siegte die Philosophie doch, u. in Deutschland, wo vormals die gemüthlichste Heimath des Teufels u. seiner Sippschaft gewesen war, wo es nicht leicht ein Kloster, eine Burg, eine Mühle od. sonst ein merkwürdiges Haus gab[84] worin nicht ein Mönch, ein graues Männchen, ein Alter od. ein Ungethüm als Geist od. Gespenst umgegangen wäre od. durch Stöhnen, Rauschen, Pochen u. andere Unarten gespukt hätte, ging allmälig der Geisterglaube unter; Thomasius u. Balthasar Becker haben dafür viel gethan, u. das 18. Jahrh. säuberte noch mehr dieses Gebiet des Aberglaubens. Doch war der Geisterglaube noch nicht so ausgerottet, daß er nicht ferner Verehrer u. Vertreter gefunden hätte; nicht allein im 18. Jahrh. blieb er bei Leuten der niederen Klasse, welche das Licht der Aufklärung nicht erreicht hatte, sondern auch Gelehrte, die einer besonderen religiösen Richtung, der mystischen u. theosophischen, folgten, waren seine Schildhalter, so bes. Swedenborg (s.d.), der von sich rühmte, daß ihm Gott durch besondere Begünstigung die unsichtbare Welt aufgeschlossen habe, u. daß er unter Anderen auch die Verstorbenen in der Gestalt ihres Erdenlebens im Reiche der Geister auffinden, sich mit ihnen besprechen u. Geheimes von ihnen erfahren könne. Er machte mit seinen Proben großes Aufsehen; Kant schrieb gegen ihn u. rief Viele von dem Glauben an die vermeinte Kunst zurück. Daneben aber zogen Männer, wie Gaßner, Mesmer u.a., doch wieder die Aufmerksamkeit der Leute auf sich. Nachdem Schiller in dem Geisterseher die Geister- u. Gespenstergeschichten in die deutsche Literatur eingeführt u. manche Nachahmer gefunden hatte, auch ein gewisser Wötzel (s.d.) in Leipzig von seiner verstorbenen Frau eine mehrmalige persönliche Erscheinung gehabt haben wollte u. diese Erscheinung mit allen Nebenumständen beschrieben hatte, gab Jung-Stilling sogar eine Theorie der Geisterkunde (s. unten) heraus, worin er nicht nur die Wirklichkeit der Geistererscheinungen behauptete, sondern dieselben auch in theosophisch-mystischem Sinne erklärte. In neuester Zeit trat der Geisterglaube wieder hervor, u. bes. durch die Beobachtungen der Zustände des Magnetischen Schlafes u. des Somnambulismus. Vorzüglich war es die Seherin von Prevorst (s.d.), deren Erscheinungen, welche der Arzt u. Dichter Just. Kerner mittheilte u. der Philosoph Eschenmayer metaphysisch rechtfertigen wollte, Aufsehen gemacht. Indessen sah die Seherin von Prevorst dieselben nur selbst, in ihrer einfach-schlichten Weise, u. keineswegs erschienen sie anderen Personen. Daher haben jene Geistererscheinungen auch nur Glauben bei Geistesverwandten u. bei denen gefunden, welche mit ihnen gleicher religiöser Richtung folgen. Vorurtheilsfreien u. Nüchternen ist weder durch jene Geistererscheinungen, welche die Veröffentlichung eine großen Menge ähnlicher Visionen nach sich zogen der Schleier von dem Jenseits gehoben, noch durch die Theorie, welche man aus derselben gezogen, u. in welcher der Nervengeist (s.d.) u. die Unnatur u. Übernatur, d.i. die Welt der bösen Geister u. die Welt der göttlichen Gnade, u. Natur, d.i. die Welt der gewöhnlichen Erfahrung, in welcher der Mensch lebt, u. wo er im magnetischen Zustand Blicke in jene beiden anderen Naturen thun kann, eine große Rolle spielen, die Natur der Geister, so wie ihr Verhältniß zur Erde u. den Lebenden erklärt u. die Möglichkeit des Schauens derselben von Menschen nachgewiesen worden.
Der Glaube an Geister ist aber bis in die neueste Zeit nicht besiegt worden, u. es hat sich namentlich durch einen auf dem Kirchentag zu Hamburg 1858 gehaltenen Vortrag über den Aberglauben herausgestellt, daß der Geisterglaube fast überall u. zwar unter den verschiedensten Formen auftritt. Auch tauchen zuweilen Erscheinungen auf, welche unerwartet diese Frage wieder in den Vordergrund stellen. So namentlich das mit dem Tischrücken (s.d. eng verbundene Geisterklopfen). Dasselbe besteh darin, daß ein von Menschenhänden berührter Tisch auf gewisse ihm vorgelegte Fragen antwortet, u. geschieht entweder in der Weise, daß nach gethaner Frage ein Schlag mit einem erhobenen Beine Ja, das Unterbleiben desselben Nein bedeutet; od. so, daß der Tisch in vollständigen Worten spricht, indem jeder Buchstabe durch eine seiner Stellenzahl im Alphabet entsprechende Zahl von Schlägen angezeigt wird. Der Tisch wird vorzugsweise durch ein sogenanntes Medium (d.i. eine besonders sensitive Person) bewegt. Das Geisterklopfen kam zuerst im J. 1848 in Hydeswille im Staate New York vor, wo es durch Miß Fox die erste Anregung erhielt; von dort aus fand es namentlich in der Stadt New York Eingang, verbreitete sich von da schnell über einen großen Theil der Vereinigten Staaten u. zählte bes. in Philadelphia, Baltimore u. Boston zahlreiche Anhänger, unter denen sich selbst Mitglieder der höhern u. wissenschaftlich gebildeten Stände (Ärzte, Juristen, Geistliche) befanden; bereits 1853 gab es in der Union neun dem Geister klopfen gewidmete Zeitungen u. Journale. 1853 fand das Geisterklopfen in England Eingang u. zwar zuerst in London, wo Miß Hayden, eine Amerikanerin, als Medium u. Prophetin auftrat u. seht bald zahlreiche Proselyten namentlich unter den höchsten Ständen, machte. Auch hier wie in Amerika wurden zur Verbreitung der neuen Lehre förmliche Sitzungen gehalten, bei denen sich Gaukelei, Betrug, Selbsttäuschung, Leichtgläubigkeit, der Wunsch gegen die eigene bessere Überzeugung betrogen zu sein, krankhafte Aufgeregtheit u. Fanatismus in buntem Gemisch zusammenfanden. Ende 1853 ward das Geisterklopfen über Bremen nach Deutschland verpflanzt u. fand auch hier, trotzdem daß gleich anfangs wissenschaftliche Autoritäten ersten Ranges, naturwissenschaftliche Journale, fast sämmtliche größere politische Zeitungen etc. ziemlich einstimmig u. energisch dagegen auftraten u. es mit wissenschaftlichen Gründen sowohl, als mit den Waffen der Satyre bekämpften, sehr bald eine weite Verbreitung, weniger aber in den höhern Ständen, als in den ohne eigentliche wissenschaftliche Bildung auferzogenen Volksklassen. Die bedeutendsten Anhänger zählte das Geisterklopfen in einigen Gegenden Baierns u. wurde deshalb auch dort, um dem Unfug zu steuern, von den Kanzeln herab förmlich verboten. Man hat das Geisterklopfen wie das zu demselben zu Grunde liegende Tischrücken auf verschiedene Weise zu erklären gesucht. Beruhe dasselbe worauf es wolle, soviel ist gewiß, daß, mögen nun die erfolgenden Schläge des Tisches auf die eine od. die andere Weise hervorgebracht werden, nur der Aberglaube eine Verkündigung der Wahrheit aus einer anderen Welt darin erblicken kann. In der neuesten Zeit ist es fast gänzlich verschwunden.
Vgl. Herrich, Sylloge scriptorum de spiritibus puris et animabus humanis, Lpz. 1790; Hollmann, Institutiones pneumaticae, Gött. 1740; Coueuz, Essai d'un système nouveau conc. la nature les ètres spirituels, Neuch.[85] 1742, 2 Bde.; Engelken, Vernunftgr. von der Wirklichkeit u. dem Wesen der Geister, Lpz. 1744; Abel, Über die Verbindung der Menschen mit höheren Geistern, Stuttg. 1791; Jung-Stilling, Theorie der Geisterkunde, Nürnb. 1808, n.A. 1834; Apologie derselben, ebd. 1809; dagegen schrieben Kant, Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, Riga 1768; Wieland, Über den Hang der Menschen an Magie u. Geistererscheinungen zu glauben, u. Euthanasia, im 32. Bande seiner Werke; Walter Scott, Briefe über Dämonologie u. Hexerei, deutsch von Bärmann, Zwickau 1833, 2 Thle. Eschenmayer, Mysterien des inneren Lebens, Tüb. 1830; Conflict zwischen Himmel u. Hölle an dem Dämon eines besessenen Mädchens beobachtet, ebd. 1837.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.