Polnischer Insurrectionskrieg 1831

Polnischer Insurrectionskrieg 1831

Polnischer Insurrectionskrieg 1831. Der Krieg, welcher zur Unterwerfung Polens nach der Insurrection vom 29. Nov. 1830 von Rußland vom Febr. bis Sept. 1831 gegen die Insurgenten geführt wurde. Die polnische Armee war vor der Revolution ganz auf dem Fuß eines russischen Armeecorps organisirt gewesen u. hatte aus 1 Gardegrenadierregiment, 8 Infanterie-, 4 Jägerregimentern, 1 Sappeurbataillon, 1 Gardejägerregiment zu Pferd, 4 Chasseurregimentern, 4 Uhlanenregimentern, 2 Brigaden Gensdarmen, 6 Batterien Fußartillerie, 3 reitenden, 2 Garnisonsartillerie u. 1 Bataillon Raketiere bestanden. Jedes Infanterieregiment zählte 2 Batterien à 800 Mann, jedes Cavallerieregiment 4 Escadrons zu 150 Pferden, jede Batterie (mit Ausnahme der beiden reitenden, welche 3 Geschütze hatten), 12 Geschütze, zusammen 28,800 Mann Infanterie, 5400 Mann Cavallerie, 3000 Mann Artillerie, 1200 Mann Sappeurs u. Gensdarmen, im Ganzen also gegen 31,000 Mann mit 100 Geschützen. Gleich zu Anfang der Revolution waren die 1815 ausgedienten Leute wieder zu den Waffen gerufen u. dadurch das Heer um 26 neue Bataillone u. 18 Escadrons, mithin 20,500 Mann Infanterie u. 2700 Mann Cavallerie gewachsen, von denen 16 Bataillone gleich in die Linie rückten u. 10 Bataillone zur Verstärkung der Besatzung von Modlin u. Zamosc dienten. Nun war schon von Chlopicki angeordnet worden, daß von den Wojwodschaften 43,800 M. ausgehoben würden, das von der Stadt Warschau freiwillig gestellte Regiment betrug 2400 M., die freiwilligen podlachischen Jäger über 300 M.; diese neue Infanterie war sämmtlich mit Sensen bewaffnet u. bildete das 9. bis 24. Linienregiment. Von Cavallerie waren von je 50 Schornsteinen 1 berittener Mann, also 9300, ausgeschrieben u. in 11 Regimenter geordnet. Außerdem stellten Kalisch, Krakau, Warschau u. Graf Zamojski jedes ein Cavallerieregiment, u. mehre Freicorps zu Pferd waren zusammen gegen 800 M. stark; 1000 Artilleristen waren zu Reservecompagnien organisirt. Diese neuen Truppen betrugen gegen 58,000 M. Die Reiterei war mit Lanzen bewaffnet u. führte ihren Namen nach den Wojwodschaften, so die pieckische, augustowsche, masovische Reiterei; die aus der Wojwodschaft Krakau hießen Krakusen. Kurpen nannte man die freiwilligen Jäger, welche meist aus gelernten Jägern bestanden. Außerdem war noch jeder Mann vom 18. bis 45. Jahre zur Sicherheitswache u. zum Landsturm verpflichtet u. anzunehmen, daß 20,000 noch von denselben leicht kampffähig zu machen wären. Im Ganzen konnte also Polen den Russen gegen 130,000 M., darunter aber 52,000 M. alter Truppen, entgegenstellen. Aber nur der kleinere Theil von diesen war kampffähig, u. als die Feindseligkeiten ausbrachen, war nur die alte Armee, verstärkt durch die früher entlassenen Soldaten, durch das von der Stadt Warschau gestellte Regiment, durch das 20. Infanterieregiment u. einige Cavallerie (etwa 50 Escadrons u. 8000 Pferde) unter den Waffen, u. etwa 58,000 M., darunter 16,000 M. Cavallerie, 4000 Artillerie u. 136 Kanonen, den Russen entgegen zu stellen. Außer Infanteriegewehren fehlte es hauptsächlich an Kanonen u. Pulver, da diese in Polen einzuführen sogleich in Preußen u. Österreich verboten war u. man mehre Transporte mit Gewehren in Posen auffing, die Russen sich aber gehütet hatten, eine Kanonengießerei in Polen anzulegen. Fürst Radziwill theilte das Heer sogleich in Divisionen; die 1., befehligt vom General der Infanterie Krukowiecki, enthielt 13 Bat., 16 Escadr., 18 Kanonen; die 2. unter Zymirski, 12 Bat., 16 Escadr., 28 Kanonen; die 3. unter Oberst Skrzynecki, 12 Bat., 8 Kanonen; die 4. unter General Szembek, 11 Bat., 16 Kanonen. Die Generale Th. Lubienski, Tomicki u. Obrist Rutié befehligten 3 besondere Cavalleriedivisionen (jede zu 16 Escadr.), General Redel die Reserveartillerie von 6 Batterien u. einer Raketenbatterie, General Dwernicki organisirte ein Reservecorps aus 18 fünften u. sechsten Escadr. u. 3 vierten Bataillonen auf dem linken Weichselufer. Die Finanzen Polens befanden sich durch den Finanzminister, Fürst Lubecki, in besserem Stande, durch Anleihen u. Verkauf von Krondomänen gewonnen, lagen über 11 Mill. Thlr. der Regierung zur Disposition bereit; die Einkünfte des Jahres 1831 waren noch zu 21 Mill. Thaler zu schätzen u. bedeutende freiwillige Beiträge der Wojwodschaften u. von Privaten gingen ein.

Noch bedeutender waren die Anstalten der Russen zur Bezwingung Polens. Das 1. Corps unter Pahlen in den Ostseeprovinzen, das 6. Corps unter Rosen in Lithauen, die Grenadiercorps unter dem Fürsten Schachowskoi u. das große Reservecavalleriecorps in Südrußland unter Witt erhielten im Decbr. 1831 Befehl ungesäumt gegen Polen aufzubrechen, u. ein Reservecorps unter Großfürst Constantin sammelte sich. Zusammen betrugen dessen Streitkräfte in erster kampfbereiter Linie 106 Bat., 136 Escadr., 11 Kosackenregimenter, 396 Geschütze (gegen 85,099 M. Infanterie, 26,000 M. Cavallerie, 6600 M. Artillerie), im Ganzen etwa 117,000 M. Dieses Heer war also den Polen fast um das Doppelte überlegen. Als zweite Linie sollte sich ein Theil des 2. Corps unter Pahlen II. in der Gegend von Mohilew sammeln, das 3. unter Rüdiger rückte in Volhynien u. Podolien, so wie in der Ukraine ein, das 4. sammelte sich als Reservecorps in Weißrußland, u. diese 3 Armeecorps waren mit der Garde unter dem Großfürsten Michael bestimmt die Reserve der russischen Streitkräfte zu bilden. Feldmarschall Diebitsch sollte die Gesammtmacht befehligen. Er langte im Decbr. in Grodno an u. erließ von da aus den 29. Dec. einen Aufruf an sein Heer, welchem andere Proclamationen am 13. Januar, als er das Commando wirklich übernahm, an das polnische Heer u. Volk folgten. Allein Rußland konnte seinen polnischen Provinzen nicht trauen, Lithauen, Volhynien, Podolien u. die Ukraine, selbst Livland u. Kurland wurden schon im Decbr. in den Kriegszustand erklärt u. der Fürst Potemkin in Volhynien u. Podolien, General Chrapowicki in Lithauen zum Gouverneur ernannt. Zwar gab der lithauische Adel dem Kaiser die Versicherungen unwandelbarer Anhänglichkeit u. Treue, allein dennoch wurden Verhaftungen vorgenommen, andere Gutsbesitzer u. 250 wilnaer Studenten erhielten[287] die Weisung, sich in das Innere von Rußland zu begeben. Im westlichen Europa fanden die Polen bes. in Frankreich, Belgien u. in mehren Gegenden Deutschlands viel Sympathie, jedoch beschränkte sich die thätige Theilnahme meist auf den Hinzug einzelner Offiziere u. mehrer Ärzte u. auf Sendungen von Lazarethbedürfnissen. Das französische Cabinet erklärte dem österreichischen u. preußischen Hofe, daß es jede bewaffnete Einmischung in die polnischen Angelegenheiten als eine Kriegserklärung ansehen werde, u. beauftragte seinen Gesandten in Petersburg, den Herzog von Mortemart, zu Gunsten Polens wo möglich vermittelnd einzuschreiten. Das britische Cabinet verhielt sich passiv. In der Türkei u. Schweden, wohin polnische Emissäre gingen, um diese Mächte gegen Rußland aufzureizen, zeigte sich keine Geneigtheit zu einem Krieg mit Rußland. Preußen u. Österreich hatten zwar Sonderinteressen, um die Unterdrückung des Aufstandes zu wünschen, aber sie blieben neutral; doch stellte Preußen 3 Armeecorps unter Gneisenau, Österreich ebenfalls bedeutende Streitkräfte in ihren an Polen stoßenden Provinzen als Beobachtungscorps gegen Polen auf, beide mit der Nebenabsicht, etwaige Versuche ihrer polnischen Unterthanen, am Kriege gegen Rußland Theil zu nehmen, sogleich zu unterdrücken. Außerdem verhinderte Preußen nicht nur den Durchgang der Waffen u. Kriegsbedürfnisse u. hielt Summen für die polnische Bank bestimmt, aber unter der Adresse des Bankierhauses Fränkel gehend, an, sondern lieferte auch den Russen Artillerie u. Munition, während es alle auf preußisches, als neutrales Gebiet geflüchteten Polen entwaffnete u. die Waffen zurückschickte.

Kaum hatte man in Petersburg die Nachricht von der am 25. Jan. 1831 vom Reichstage ausgesprochenen Thronentsetzung des Hauses Romanow erhalten (s. u. Polen Gesch. S. 266), als sogleich an den Feldmarschall Diebitsch der Befehl erging, den Kampf zu beginnen. Am 5. u. 6. Febr. überschritt das russische Heer allenthalben in breiter Front von Kamen bis Lublin die Grenze. Die kleinen Corps des Generals Manderscheid (5000 Mann, 12 Kanonen), des Oberst Anrep (800 Pferde), des Generals Geismar (5000 Mann, 24 Kanonen) u. des Generals Kreutz (4500 Mann, 24 Kanonen) gingen als Avantgarde u. Eclaireurs voraus, ihnen folgten der General Graf Pahlen I. (20,300 Mann, 72 Kanonen), Rosen (27,500 Mann, 120 Geschütze) u. Witt (11,200 Mann, großentheils Cavallerie, 48 Kanonen); das Reservecorps des Großfürsten Constantin endlich (20,000 Mann, 36 Geschütze) folgte dem General Rosen. Im Ganzen zählte die russische Armee, welche damals die Grenze überschritt, 94,300 Mann mit 336 Kanonen. Fast allenthalben kamen ihnen die Ortsbehörden u. Einwohner mit Brod u. Salz entgegen u. legten die Farben u. Zeichen der Revolution ab, jedoch nur, um sie wieder anzunehmen, sobald sie sicher waren, daß die Russen sobald nicht zurückkehrten. Die Polen concentrirten sich vor Warschau. In der Nacht vom 10. Februar trat ein schnelles Thauwetter ein u. nöthigte Diebitsch, da es die Wege verdarb u. den Eisgang des Bugs, welcher die Stellung der russischen Armee im Centrum durchschnitt, fürchten ließ, seinen Plan zu ändern. Während dieses Vorrückens bestand General Chlopicki am 8. Februar einige Vorpostengefechte, um Magazine zu retten, u. da die Russen in ihnen mehrmals geworfen wurden, so gab dies den Polen Muth, u. dieser wurde noch vermehrt, als General Dwernicki am 14. Februar mit etwa 3800 Mann bei Stoczeck die russische Avantgarde, etwa 3200 Mann, unter Geismar auf dem Wege nach Seroczyn an einem Walde angriff u. mit einem Verlust von 400 Todten u. 230 Gefangenen warf, während die Polen nur gegen 100 Mann verloren. Rasch zog sich Geismar auf die Hauptarmee zurück, während Dwernicki den 16. Febr. bei Gora über die Weichsel zurück ging, dieselbe aber am 17. Febr. bei Gora schon wieder passirte u. am 19. Febr. bei Nowo Miasto die Avantgarde des russischen Generals Kreutz unter dem Prinzen Adam von Württemberg angriff u. ihm 3 Kanonen abnahm, sich aber am 20. Febr. nach Gora zurück zog. Mittlerweile war die russische Hauptarmee von Siedlce gegen Kaluszyn, das Rosensche Corps von Liw nach Stanislowow aufgebrochen. Auf erster Straße stand die polnische Division Zymierski bei Kaluszyn, auf letzter die Skrzynecki bei Dobre in einer sehr vortheilhaften Stellung. Gegen 7 Uhr Morgens wurden beide lebhaft angegriffen. Zymierski zog sich sogleich zurück, Skrzynecki mußte sich aber halten, da seine Stellung etwa 2 Stunden hinter der von Zymierski lag, u. dieser daher, wäre er gewichen, in Gefahr gekommen sein würde, in die linke Flanke genommen zu werden; er vertheidigte daher seine Stellung u. zog sich erst als das vierte polnische Infanterieregiment vier Angriffe mit dem Bajonnet zurückgeschlagen hatte, nach Osencizna hinter Stanislowow, Zymierski aber nach Minsk zurück Am 18. Febr. vereinigte sich Skrzynecki bei Okuniew mit der Division Szembek u. zogen sich, nachdem sie die Kanonade bei Okuniew bestanden hatte, nach Grochow zurück. Hier beschlossen die Polen eine Schlacht anzunehmen. Die Armee sollte daher eine starke Stellung zwischen dem von Milosna südlich der großen Straße von Warschau nach Brzesk, der Weichsel zuströmenden morastigen Bache u. der Straße von Pultusk nach Warschau bei Wawre, einem Dorfe 2 Stunden von Warschau, wo sich die Chausseen von Okuniew u. Kaluszyn vereinigen, beziehen. Die Division Szembek nahm ihre Stelle rechts der Chaussee, weiter links standen drei Regimenter Cavallerie, dann vor einem Erlenhölzchen die Division Skrzynecki; die übrige polnische Cavallerie war noch mehr links u. gegen Praga aufgestellt, um die Verbindung mit der Division Krukowiecki, welche von Radzimin in Anmarsch war, zu unterhalten; auch die Division Zymierski wurde von Milosna her noch erwartet. Beide trafen ein u. rückten die Krukowiecki links, Zymierski in die Mitte ein. Mit diesen waren die Polen gegen 60,000 Mann stark. Am 19. Morgens drang das Pahlensche Corps auf der Chaussee von Milosna her gegen Wawre vor, u. ein heftiges Arrieregardegefecht entspann sich mit Zymierski. Etwas später erschien Rosen von Okuniew her u. begann eine Kanonade gegen Skrzynecki Chlopicki ließ nun Zymierski durch Dzembek unterstützen u. bes. darauf wirken, daß es den Russen nicht gelinge, aus dem Walde zu debouchiren. Mehre Angriffe gelangen; aber als die Russen mit frischen Truppen unter Diebitsch, Toll u. Neidhardt heranzogen, mußten die Polen weichen u. Szembek u. Zymierski sich hinter Wawre ziehen. Am 20. Febr. wurde das Gefecht nur spärlich unterhalten, u. Nachmittags wurde russischer Seite auf einen 48stündigen Waffenstillstand angetragen, angeblich um die Todten zu begraben, in der That[288] aber, um noch mehr Streitkräfte heranzuziehen, u. von den Polen angenommen. Inzwischen naheten die Russen unter Fürst Schachowskoi von Ostrolenka, Pultusk u. Sierock her, überschritten den Narew auf dem Eise, besetzten Nieporent, schlugen hier 24. Febr. General Jankowski zurück u. drangen auf der Straße nach Warschau gegen Bialolenka vor, um sich von hier aus mit dem rechten russischen Flügel zu verbinden. Doch gegen Bialolenka war schleunig die polnische Division Krukowiecki als linker Flügel vorgerückt; Uminski, welcher am 21. Febr. im polnischen Lager angelangt war u. sogleich sich mit Lubienski in das Commando der Cavallerie getheilt hatte, unterhielt die Communication zwischen Krukowiecki u. der Hauptarmee. Bei Bialolenka kam es zu einem hitzigen Gefecht, wo die Polen das Dorf räumen mußten, indessen nahm Krukowiecki am 25. Februar Morgens Bialolenka wieder u. Schachowskoi machte nun, die Cavallerieangriffe Uminskis abweisend, einen Flankenmarsch gegen die Hauptarmee u. vereinigte sich am Nachmittag mit dieser. Diebitsch hatte, als ihn der Kanonendonner seines rechten Flügels von dem Anrücken Schachowskois überzeugte, den 25. Morgens 9 Uhr eine allgemeine Vorrückung der Hauptarmee gegen Grochow befohlen, wo die Polen noch ihre alte Stellung behaupteten. Den Schlüssel der Stellung, ein Erlenholz, ohne welches die Russen nicht auf der Chaussee vordringen konnten, hielt General Rohland mit einer Brigade von der Division Zymierski besetzt. Chlopicki befehligte den rechten Flügel bei Grochow u. sollte eigentlich die Schlacht leiten, den linken bei Bialolenka Krukowiecki; Fürst Michael Radziwill führte wenigstens dem Namen nach den Oberbefehl über das Ganze. Dieser Zweifel im Commando aber brachte vielen Nachtheil, da mehre Generale (Krukowiecki, Zymierski u. Lubienski) sich weigerten Chlopicki zu gehorchen. Das Rosensche Corps griff nun das Erlengehölz an, umging es zum Theil u. warf die Polen heraus. General Skrzynecki rückte zur Hülfe herbei, u. der Kampf concentrirte sich nun um dies Gehölz, die Russen nährten das Gefecht durch mehre Divisionen, aber erst als Schachowskoi anlangte u. den rechten Flügel des Feldmarschalls bildend von Kawenczyn aus die Polen in die Flanke nahm, verließen dieselben das Holz u. stellten sich weiter rückwärts nach Praga hin neu auf. Nun debouchirten sechs Regimenter, die Reservecavallerie unter Witt, durch das Gehölz u. marschirten, von der polnischen Artillerie beschossen, in drei Linien auf, gingen zum Angriff über u. warfen die erste u. zweite Linie der Polen. Eine Raketenbatterie hielt aber die russische Cavallerie auf. Dennoch befahl Radziwill gegen 6 Uhr Abends den Rückzug der polnischen Armee nach Praga, sie wurde von der russischen Artillerie lebhaft beschossen u. steckte die Vorstadt Praga in Brand. Jeder Theil hatte vom 20._– 25. Febr. bei 10,000 Mann verloren, Zymierski starb am folgenden Tage an seinen Wunden. Radziwill übergab nun den Befehl des Cavalleriecorps, welchen der verwundete Lubienski gehabt hatte, erst Skrzynecki, dann dem älteren Szembek; er selbst trat, als ihn der Kriegsrath am 25. Febr. lebhafte Vorwürfe über die Schlacht machte u. behauptete, daß er bei mehr Thätigkeit den Sieg leicht habe gewinnen können, vom Commando zurück, welches nun Skrzynecki übernahm, obgleich er versicherte, daß er den endlichen Sieg für unmöglich halte. Skrzynecki wurde vom Reichstage bestätigt u. wählte den Oberst Prondzynski zum Chef des Generalstabes, den Oberst Chrzanowski aber zum Generalquartiermeister; Krukowiecki wurde General der Infanterie u. Gouverneur von Warschau, Szembek aber bald mit Skrzynecki entzweit, nahm seinen Abschied. Skrzynecki's Proclamation belebte den gesunkenen Muth des Heeres u. der Stadt Warschau, wo Deputationen schon um Capitulation baten, u. des Reichstags, wo am 27. Februar nur 27 Mitglieder in der Sitzung waren. Eilig wurden die bei der Armee sich befindlichen Senatoren u. Landboten ermahnt zurückzukehren, die Zagenden einberufen u. das Städtchen Miechow bei Krakau als Versammlungsort des Reichstages, im Fall Warschau genommen würde, bestimmt.

Unterdessen nützte der Sieg von Grochow den Russen wenig, denn sie hatten zu viel verloren, um Warschau mit Sturm nehmen zu können, zudem drohte das Weichseleis bei eingetretenem Thauwetter jeden Augenblick zu brechen u. der Eisgang die Heere zu trennen. Das Hauptquartier, welches schon in Praga gewesen war, ging daher nach Milosna zurück, die Armee blieb in ihrer Stellung einige Tage stehen, u. nur der rechte Flügel entsendete eine Abtheilung, um Modlin zu beobachten Später recognoscirte Schachowskoi die Unterweichsel gegen Plock hin u. Witt die Oberweichsel gegen Pulawy, die Hauptcorps aber gingen, Pahlen gegen Milosna u. Minsk, Rosen gegen Stanislowow u. gegen den unteren Bug zurück u. bezogen dort Cantonirungen. Geismar blieb mit etwa 10,000 Mann u. 20 Kanonen vor Praga stehen, nahm aber den 9. März zurückgehend eine Stellung bei Grochow. Sogleich folgten ihm die Polen am 10. März, u. es kam zu einem Recognoscirungsgefecht. Jene Entsendung Witts nach der Oberweichsel hatte zugleich den Zweck, den Fortschritten des Generals Dwernicki Grenzen zu setzen. Dieser sollte von Ryzywot aus über die Weichsel gehen u. über Lublin nach Volhynien vordringen, um die dortigen zum Aufstand bereiten Unzufriedenen zu unterstützen. Er ließ daher in der Nacht zum 2. März 300 Freiwillige unter Oberst Lagowski über die Weichsel gehen u. Pulawy überfallen, wo sie gegen 250 Dragoner von der Avantgarde des Prinzen von Württemberg gefangen nahmen, dann Kazimierz überrumpelten u. wieder über die Weichsel zurückkehrten. Die Russen kamen wieder nach Pulawy. Doch Dwernicki kam schnell wieder, warf bei Kurow den General Kreutz u. noch mehrmals, rückte den 4. März Abends in Lublin ein u. besetzte den 6. Krasnotaw. Kreutz zog sich seitwärts von Lublin gegen Lenczna zurück. Als Diebitsch dieses Vordringen Dwernicki's in seiner linken Flanke erfuhr, unterstützte er Witt mit 13 Bataillonen u. stellte das Ganze unter den Oberbefehl Tolls, verlegte auch selbst sein Hauptquartier südlicher nach Sienica. Witts Avantgarde, unter General Murawiew, besetzte am 7. März Pulawy u. nöthigte dadurch den polnischen General Sierawski, welcher von Dwernicki mit etwa 3000 Mann zur Beobachtung zurückgelassen war, über die Weichsel zurückzugehen, überfiel am 11. März das schwach besetzte Lublin u. nöthigte so Dwernicki sich auf Zamosc zurückzuziehen, wo dieser am 14. März anlangte. Der russische General Sacken mit seinem Detachement u. das Rosensche Corps versuchten unterdessen auf dem rechten russischen Flügel jenseit des Bug Diversionen, um den Anmarsch des Gardecorps[289] zu decken, doch kam es außer einem kleinen Gefecht an der Wkra zu keiner Action. In der Mitte hielt General Skrzynecki den General Geismar in fortwährender Thätigkeit. Ende März begann das ganze russische Heer mit dem Corps von Pahlen u. Schachowskoi eine Flankenbewegung links u. nahm sein Hauptquartier den 31. in Ryki, um den Übergang über die obere Weichsel zu versuchen. Rosen ersetzte, sein Hauptquartier in Dembe Wielkie nehmend, die abmarschirenden Corps; Toll übergab dem General Witt das Commando gegen Dwernicki u. kehrte in das Hauptquartier zurück.

Die polnische Armee hatte neue Formation erhalten u. bestand aus der ersten Division unter Rybinski, der zweiten Division unter Gielgud, der dritten Reservedivision unter Malachowski, der vierten Division unter Milberg, dem ersten Cavalleriecorps unter Uminski, dem zweiten Cavalleriecorps unter Skarzynski, dem dritten Cavalleriecorps unter Thom. Lubienski, dem Reservecorps unter Pac, sechs neuen Infanterieregimentern, größtentheils mit Sensen bewaffnet, u. mehren noch in der Formation begriffenen Escadronen unter Jankowski, sämmtlich auf dem linken Weichselufer, dem Partisancorps von Sierawski an der Oberweichsel, dem von Dwernicki an dem Bug; zusammen 65 Bataillone, 120 Escadronen, welche mit 4500 Mann Artillerie 65–70,000 Mannbetragen mochten. Die Festungsbesatzungen von Modlin u. Zamosc betrugen 10 Bataillone u. mit Artillerie, Cavallerie u. Sappeurs 10,000 Mann. Mit drei Divisionen u. zwei Cavalleriecorps (etwa 30,000 Mann) beschloß Skrzynecki nun während der Abwesenheit Diebitsch's an der Oberweichsel dessen Centrum an der Unterweichsel zu durchbrechen, ließ aber die Division Milberg bei Kozienice am linken Weichselufer stehen, um den Übergangsversuch der Russen zu beobachten. In der Stille gingen die zum Angriff bestimmten Truppen den 12. März Mittags über die Weichsel, vereinigten sich mit Gielgud u. theilten sich dann in zwei Colonnen. General Kicki ging, von Gielgud u. Malachowski gefolgt, mit dem Vortrab auf der Straße von Grochow vorwärts, während die Division Rybinski u. die Cavalleriebrigade Kaminski die rechte Flanke des Gegners über Zombki zu gewinnen suchte, der Rest des Corps folgte dem General Kicki. Die Nacht verbarg die Bewegung der Polen, u. als Kicki vor der starken Stellung der Russen bei Wawre ankam, hielt er sich so lange ruhig, bis er am 31. März Morgens um 3 Uhr die ersten Schüsse von Rybinski hörte. Nun griff er an u. sprengte, da Rybinskis Cavallerie unbemerkt die Chaussee hinter den Russen schon erreicht hatte, das Corps des Generals Geismar, etwa 5–6000 Mann stark, dessen Rest sich auf Rosen bei Dembe Wielkie zurückzog. Dort griff Skrzynecki die starke Stellung Rosens mit 20,000 Mann hinter einem morastigen Bach durch Regimenter der Division Malachowski an u. nahm gegen Abend das halbe Dorf Dembe. Sogleich wurde nun ein Cavallerieangriff unternommen, mehre Quarres gesprengt u. mehre Kanonen erobert. Die Nacht endete das Gefecht. Doch wurde Rosen am Morgen des 1. April scharf verfolgt. Skrzynecki gab den Verlust der Russen in diesem Gefecht auf 2000 Todte u. Verwundete, 1600 Gefangene, 450 M. als den seinigen an. Am 3. April begann Skrzynecki den Rückzug, indem er für seine rechte Flanke von Diebitsch, für seine linke von dem anrückenden Gardecorps fürchtete. Nur die Cavalleriedivision Skarzynski sendete er gegen Garwolin, um dort den Nachtrab der Hauptarmee zu drängen. Dieser bei Dembe errungene Vortheil wirkte wesentlich auf den Operationsplan ein. Nicht nur mußte Diebitsch den Übergang an der Oberweichsel aufgeben u. sich unbekümmert um eine Stellung, welche Skrzynecki hinter der Zwider nahm, gegen Lukow wenden, sondern Skrzynecki wendete sich auch sogleich gegen die russische Hauptarmee u. fand Rosen, durch eine eben angelangte Division des zweiten Infanteriecorps des General Pahlen II. verstärkt, vor Siedlce u. dem morastigen Bach Muchawiec, unweit des Dorfes Iganie aufgestellt; der polnische General Prondzynski griff am 10. April an, nahm das Dorf Iganie durch einen Anlauf, hielt die überlegenen Colonnen der Russen auf u. verwickelte sie mit in die Verwirrung. Sobald Skrzynecki das Feuer bei Iganie vernahm, ließ er bei Blonie das Artilleriefeuer eröffnen u. brachte hierdurch die Russen zum Rückzug. Da aber Diebitsch in der Nacht zum 11. April seine Hauptmacht von Lukow nach Siedlce heranzog, mußte Skrzynecki seinen Rückzug wieder über Kaluszyn antreten. Die Russen folgten vorsichtig. Unterdessen war das Gardecorps unter Großfürst Michael durch Lithauen näher gerückt u. nahte über Kauen u. Augustowo dem rechten Flügel der Russen, wo nur kleine Gefechte zwischen dem russischen General Sacken u. dem polnischen General Uminski vorgefallen waren. Die Garden blieben aber seit dem 6. April bei Lomza stehen u. der Feldmarschall unterhielt die Communication durch eine Grenadierdivision, zwei Cavallerieregimenter u. zwei Batterien unter General Ougrnmow über Wengrow; deshalb mußte sich Uminski von da über den Liwiec zurückziehen. Den 19. April erneuerte sich das Gefecht, indem die Russen über Liwiec gingen u. Andrychiewicz angriffen.

Die Entscheidung des Krieges hing von der größeren od. geringeren Verbreitung des Aufstandes in Lithauen, Volhynien u. Podolien ab, welcher Ende März gleichzeitig an beiden Punkten ausgebrochen war. Sogleich nach dem Ausbruch der Revolution in Warschau eilten einige hundert junge lithauische u. vothynische Edelleute sich unter die polnischen Fahnen zu reihen, u. schon im Februar bewaffneten in der Ukraine die Grafen Rzemumoiski u. Tyszkiewicz ihre Bauern, überfielen russische Abtheilungen u. Kassen, besetzten Uman u. verbreiteten dort die Insurrection. Anfang u. Mitte März blieb es in Lithauen auch trotz drei Verschwörungen, welche immer zeitig entdeckt wurden, u. trotz der immer bedenklicher werdenden Berichte des Kriegsgouverneurs General Chrapowicki in Wilna ruhig, da der Durchzug der Garden alle in Furcht erhielt; kaum waren diese aber in Polen eingezogen, als Samogitier zur Ausführung ihres Vorhabens schritten. Zwölf Edelleute vereinigten sich schon am 17. März zu einer Conföderation. Am 26. März naheten von drei Seiten her Insurgentenhaufen, im Ganzen etwa 6000 Mann, der schwach besetzten Kreisstadt Rossienie, nahmen die Kassen, Waffenvorräthe u. Magazine, steckten die weiße Cocarde auf, bestellten Kalinowski zum Anführer der Truppen u. setzten eine Regierung ein. In den nächsten Tagen verbreitete sich der Aufstand nach Georgenburg, Garsden, Krottingen, Schawle u. Telschen; Kauen blieb[290] in den Händen der Russen, obschon die Insurgenten die Vorstadt Slobodia besetzten. Überall läutete der bewaffnete Hause Sturm u. die Priester predigten nicht nur den Aufstand gegen die Russen, sondern führten auch nebst den Edelleuten die Haufen an, welche die Russen u. die mit den Russen einverstandenen Lithauer ermordeten u. deren Wohnungen plünderten u. verbrannten. Anfangs April war Samogitien, ja selbst das Land näher an Wilna, Minsk u. Dzisna in vollem Aufstand. Auch in der Blatowlezer Wildniß sammelten sich die Unzufriedenen, machten von da aus gegen die, wider sie ausgesandten Kosacken Ausfälle u. hoben später selbst Transporte auf. Aus Wilna stießen aber bedeutende Trupps, bes. Akademiker, zu den Insurgenten. Anfangs zeigten sich nur wenige Chefs des Aufstandes, später stellten sich der Graf Plater u. der Graf Ronicker an die Spitze der provisorischen Regierung in Rossienie, u. Jagolewitsch, General Kalinowski, die Obristen Taulkiewic u. Staniewicz, Fürst Giedroiz, Fürst Oginski, Graf Zalanski u. bes. Oberst Puszet organisirten bewaffnete Haufen, ja selbst die junge Gräfin Plater stellte sich zu Dusiaty im Kreise Wilkomierz in Mannstracht u. von ihrer Zofe als Adjutant begleitet an die Spitze eines Insurgentenhaufens u. zog gegen Dünaburg. Am 2. April kam es in Polangen zu einem Gefecht; in welchem die Insurgenten zurückgeworfen wurden; am 6. April gelang es aber den Insurgenten doch die Russen über die Grenze zu treiben. Der russische Oberst Bartolomejew wurde am 28. März mit etwa 1400 Mann u. 4 Kanonen von Kauen nach Serodnik gesendet, um den Aufruhr zu dämpfen; er setzte bei Plemberg über die Dubissa, zersprengte am 30. März die ihm aus Rossienie entgegen gezogenen 800 Mann Insurgenten unter Staniewicz bei Cyragola u. besetzte am 31. März Rossienie. Von hier aus streifte er gegen die Insurgenten, mußte sich aber, in der Nacht auf den 13. April bei Schmalminken über die preußische Grenze zurückziehen. Unterdessen waren alle in der nächsten Gegend stationirte russischen Depots u. andere Truppen, zusammen 1700 Mann, in Polangen unter General Rennekampf versammelt worden u. machten von da, sowie andere Colonnen von Kauen u. Wilna aus, Streifzüge nach Lithauen. Immer waren diese Expeditionen der Russen siegreich, was den Lithauern die Luft am Aufstand ziemlich benahm. In Samogitien war Staniewicz u. in Lithauen Przezdziecki zum Naczelnick erhoben, u. Beide bemühten sich dem Aufstand Consistenz zu geben, aber bei der Abgeneigtheit des Adels gegen den Kriegsdienst u. bei dem Mangel an Subordination u. ordentlichen Waffen war alles vergebens. Indessen ergriff man russischer Seite die kräftigsten Maßregeln, um die Insurrection zu unterdrücken. Schon am 3. April war ein strenger kaiserlicher Befehl gegen die Insurrection erschienen, alle Edelleute, welche mit den Waffen in der Hand ergriffen würden, sollten vor ein Kriegsgericht gestellt u. dessen Spruch augenblicklich vollzogen, das Vermögen der Insurgenten zum Besten des Invalidenfonds confiscirt, die männlichen Kinder der Insurgenten als Militärcantonisten eingestellt, die Bauern, welche an dem Aufstand Theil nähmen, unter sibirische Regimenter gesteckt werden u. nur die, welche die Waffen sogleich niederlegten, Pardon erhalten. Zugleich wurde das benachbarte Livland u. Kurland in Kriegszustand erklärt, der Gouvernerneur desselben, Graf Pahlen, erhielt den Oberbefehl gegen die Insurgenten, alle nur irgend entbehrlichen Truppen wurden zu seiner Disposition gestellt u. nach Lithauen geschickt. So bildete sich hier bald ein Corps von 8–10,000 Mann. Am 15. Mai vereinigte sich Pahlen in Krottingen mit Rennekampf; Rossienie wurde besetzt, u. die dortige provisorische Regierung der Insurgenten flüchtete sich nach Telschen, dann nach Georgenburg u. von da nach der Wojwodschaft Augustowo auf polnisches Gebiet, wo sie sich zerstreute, u. der Aufruhr schien Mitte Mai ganz unterdrückt zu sein.

Fast gleichzeitig war unterdessen der Aufstand in Volhynien u. in der Ukraine entbrannt. Schon längere Zeit war er dort vorbereitet worden. Wenig Anklang fand die Insurrection in Volhynien, indem diese Provinz näher an Polen lag u. man dort wußte, welche Gedanken Chlopicki u. seine Nachfolger über die Insurgirung der russisch-polnischen Provinzen hegten, u. weil die Aufmerksamkeit der russischen Regierung bes. gegen diese Provinz gerichtet war u. zahlreiche Corps Russen (Anfangs Witt u. Kreutz, dann Rüdiger) in dieser Provinz standen. Erst als Dwernicki nahte, begannen sich Unruhen zu zeigen. Dieser, welcher durch den Marsch des Feldmarschalls Diebitsch gegen Siedlce Luft bekommen hatte, war am 3. April von Zamosc mit 3 Bataillonen, 21 Escadronen u. 12 Kanonen aufgebrochen, hatte sich am 6. April plötzlich nach dem Bug gewendet u. war am 10. April bei Krzylow über denselben gegangen. Seine Aufnahme in Volhynien war nicht sonderlich; Niemand machte Anstalt sich zu erheben, ja selbst die wenigen Edelleute, welche es gethan hatten, gaben es wieder auf u. der Versuch, am 14. April eine Conföderation in Druzkopot zu stiften, mißglückte. General Rüdiger stand mit 9000 Mann bei dem Kirchdorfe Hryniki jenseit des Styr, bezog aber den 15. April eine Stellung bei Leutschna, welche die Straßen nach Dubno u. Krzeminiec deckte. Am 16. April erschien Dwernicki auf seinem Marsche nach Podolieu am Styr u. überschritt diesen Fluß am 18. bei Boromel, doch wurde die Cavallerie sogleich von den Russen geworfen. Am 19. April wieder auf das linke Styrufer zurückgegangen, machte er bei Nowoslóki einen glücklichen Cavallerieangriff, ging am 20. April bei Berestezko wieder über den Styr, um noch Podolien zu erreichen, u. kam den 21. April nach Radziwillow, fand aber Rüdiger bei Krzeminiec in einer starken Stellung. Diesem sendete General Roth (welcher unterdessen mit 18,000 M. aus Bessarabien kommend, den 18. April Kaminiec besetzte u. den Aufstand in Podolien gestillt hatte), sogleich seine Cavallerie unter General Krassowski zur Hülfe. Den 27. April griff Rüdiger u. Roth bei dem Lulinschen Kruge, auf der Höhe von Ciulce Wielkie, Dwernicki an; Rüdiger umging den rechten Flügel der Polen mit Verletzung des österreichischen Gebietes, u. hierdurch waren die Polen genöthigt, sich über die österreichische Grenze bei Chlebanowka unweit Zbarasz zu retten, sie legten hier, noch 4000 Mann stark, den 1. Mai die Waffen ab u. wurden später nach Steyermark abgeführt, Waffen, Pferde u. Kanonen aber den Russen ausgeliefert. Eine kleine Abtheilung Polen, welche Dwernicki aus Polen gefolgt war u. sich mit den vothynischen Insurgenten unter Stecki vereinigt hatte, wurde in Wladimiriez von Kreutz angegriffen, die Stadt genommen u.[291] verbrannt, u. sämmtliche Insurgenten kamen in den Flammen um, od. wurden gefangen od. zersprengt. In Südpodolien hatten sich in den Kreisen Olgopol, Balka u. Braclaw der Adel u. die Geistlichkeit bereits den 25. April bewaffnet u. in Olgopol eine provisorische Regierung unter Graf I. Sobanski u. W. Rzewuski eingesetzt. Indessen fand die Insurrection fast allenthalben nur bei dem Adel, den Pachtern, Verwaltern, Advocaten u. niederen Beamten Anklang, die Bauern blieben, obschon man ihnen Befreiung von Leibeigenschaft versprochen hatte, neutral. Fast ganz unthätig blieb die Ukraine. Hier berief Graf Vincenz Tyszkiewicz, welcher zum Führer erwählt war, am 3 April eine Versammlung des Adels nach Kaminiec-Podolski, welche beschloß den Aufstand unverzüglich zu beginnen, aber nur Adel u. Bürger zu demselben zu nehmen, da man befürchtete, die Bauern, größtentheils Rothreußen u. Griechischer Confession, möchten die Waffen gegen die Gutsbesitzer wenden. Am 19. April wurde in einer neuen Versammlung zu Glipomice beschlossen, den Aufstand durch eine Überraschung der Kreisstädte zu beginnen, quer von der galizischen Grenze bis an den Dniestr den Anfang zur Insurrection zu machen u. diese Linie als Basis zu benutzen. General Roth aber zog gegen Tyszkiewicz u. zerstreute am 14. Mai die aus 5000 Mann Reitern bestehenden u. 5 Kanonen führenden Insurgenten bei Daschow unweit Gaißin. Aber noch nicht ganz war der Aufstand beendigt, noch immer zogen einzelne zersprengte Haufen an der Michalowka u. dem Bug umher, überfielen einzelne russische Abtheilungen, ja am 7. Mai brach der Aufstand in Westpodolien, von Tyszkiewicz erregt, wieder aus. Nagorniczewski vereinigte sich mit dem Aufstande von Mohilew u. nahm am 24. Mai Bar, wo er die Conföderation von 1768 erneute u. in die Stadtbücher eine Protestation gegen die Vereinigung Podolieus, Volhyniens u. der Ukraine mit Rußland einschreiben ließ. Alsdann verließ er Bar wieder, da beträchtliche russische Streitkräfte sich zeigten, u. flüchtete endlich, da er statt Hülfe waffenlose Flüchtlinge fand, am 26. Mai bei Satanow mit 700 Mann u. 1200 Pferden auf österreichisches Gebiet. Glücklicher endigte der Aufstand des Capitäns Rozycki, welcher in dem Zytomirer Kreise in Volhynien gleichfalls den 7. Mai begonnen hatte; 200 Mann sammelten sich dort u. suchten sich mit den anderen vothynischen Insurgenten in der Gegend von Janow zu verbinden. Doch da diese zerstreut waren u. er nicht mehr nach Galizien kommen konnte, mußte er sich durch die Corps von Rüdiger u. Kreutz durchschleichen, kam glücklich über den Styr u. Bug u. erreichte Zamosc. Später kamen auch einzelne Häupter der vothynischen, podolischen u. ukrainischen Insurrection, u. A. Tyszkiewicz u. viele Soldaten aus Galizien, welches sie heimlich verlassen hatten, in Warschau an. Mobile Colonnen der Russen suchten nun die in den volhynischen u. podolischen Wäldern zersprengten Reste der Polen auf u. stellten die Ruhe wieder her. Alle, welche an dem Aufstande Theil genommen hatten, wurden nach Sibirien geschickt od. unter das russische Militär gesteckt. Das Unternehmen Dwernickiswar vielleicht mißlungen, weil Sierawaski ihn nicht unterstützt hatte. Erst am 13. April brach dieser mit seinem aus 9–10,000 Mann u. 6 Kanonen bestehenden Corps auf, ging bei Jozefow u. Kamien über die Weichsel, hatte die russischen leichten Truppen zurückgeworfen, Magazine erobert u. war, statt sich nach Zamosc zu wenden, am 14. u. 15. April auf der Straße nach Lublin bis nach Sterzekowice vorgedrungen. Von da vertrieb Kreutz, durch General Murawjew von Rosens Corps verstärkt, am 16. April seinen Vortrab u. schlug ihn den 17. April bei Wronow. Sierawski zog sich nun nach Kazimierz, aber durch General Dellinghausen umgangen u. schon vorher hart mitgenommen, wurde sein Corps zersprengt, 2000 Mann gefangen, 4000 getödtet, verwundet od. in die Weichsel gejagt, nur Sierawski u. ein Theil entkam. In Folge dieses Treffens wurde Sierawski vom Reichstag seines Commandos entsetzt.

Nach dem Gefecht bei Iganie zog sich die polnische Hauptarmee, in welcher ebenso, wie in der russischen Armee die Cholera ausgebrochen war, hinter den Kostrzyn, die Vorposten wurden erst den 24. April von den Russen zurückgedrängt. Arrieregardengefechte fielen den 25. April bei Kuslew u. den 27. April bei Minsk vor. Die russische Hauptarmee bezog hierauf eine Stellung hinter dem Kostrzyn, um die Insurrectionen in Lithauen u. Volhynien zu unterdrücken, Reserven heranzuziehen u. einen entscheidenden Schlag zu führen. Die Polen folgten den Russen sogleich u. die Avantgarde scharmuzirte mit der russischen Arrieregarde, folgte aber nicht weit über Kaluszyn hinaus. Die Russen nahmen aber eine Stellung hinter dem Liwiec, verschanzten dieselbe u. bes. Siedlce stark, sendeten das Rosensche Corps nach Lithauen zurück, um die Verbindung mit Moskau u. Petersburg nicht zu verlieren, u. blieben nun mehre Wochen in dieser Position. Skrzynecki verlegte sein Hauptquartier nach Jeudrzejów u. die Armee nahm ihre alte Stellung hinter dem Kostrzyn wieder ein. Für die Polen waren die lithauischen Unruhen von der größten Bedeutung. Nur wenn diese russische Provinz zu einer organisirten Revolution kam, war ein glücklicher Ausgang des Aufstandes möglich. Zur Unterstützung desselben wollte Skrzynecki ein kleines Corps mit Instructionsoffizieren u. Unteroffizieren, den General Jankowski an der Spitze, schicken u. beabsichtigte, um ihn durch die Russen durchzubringen u. zugleich die rechte Flanke Diebitsch's zu bedrohen, eine Unternehmung gegen die Garden jenseit des Bug. Ehe er dieses Unternehmen aber begann, wollte er Dwernicki Hülfe senden. Die Infanteriebrigade Ramorino u. die Cavalleriebrigade Ambr. Skarzynski (etwa 5000 Mann) unter Chrzanowski waren hierzu bestimmt, sammelten sich bei Siennica u. brachen am 4. Mai auf. An dem Tage ihres. Abmarsches kam die Nachricht von Dwernickis Übertreten auf österreichisches Gebiet an. Diese Nachricht beschleunigte den Entschluß Skrzyneckis etwas Entscheidendes gegen Lithauen auszuführen. Zuvor organisirte er die Armee neu: 5 Divisionen (Rybinski, Gielgud, Malachowski, Milberg u. Kaminski u. 2 Cavalleriecorps, Uminski u. Lubienski) bildeten dieselbe. Außerdem bestanden Partisancorps von Chrzanowski bei Zamosc (wohin dieser dirigirt worden u. wo er 12. Mai angekommen war), Dzieronski an der Oberweichsel, Sierawski bei Pultusk, ohne die Garnison von Warschau; das Reservecorps des General Pac war aufgelöst; zusammen zählte die Armee 24 Infanterieregimenter (68,000 Mann), 22 Cavallerieregimenter (13,000 M.), 145 Kanonen (5420 M.), [292] Freicorps (5000 M.); im Ganzen also 92–93,000 Mann. Von diesen nahm Skrzynecki die Divisionen Rybinski, Gielgud, Malachowski, Kamienski, das Cavalleriecorps von Lubienski u. 100 Kanonen (46,000 Mann) mit. Uminski blieb mit seinem Cavalleriecorps u. der Infanteriedivision Milberg u. 20 Kanonen (16,000 M.) Diebitsch gegenüber. Am 12. Mai brach Skrzynecki von Siennica auf, überschritt bei Zegrz den 14. Mai die Narew u. theilte sich bei Sierock dort in drei Abtheilungen. Der rechte Flügel unter Lubienski, etwa 12,500 M., ging längs des Bug gegen Nur vor; Dembinski mit 4000 Mann die Narew an ihrem rechten Ufer entlang gegen Ostrolenka, Skrzynecki mit 30,000 M. zwischen dem Bug u. der Narew über Dlugiesiodlo auf die Garden u. Lomza los. Diebitsch unternahm am 13. mit dem ersten Corps (Pahlen I.) eine große Recognoscirung, warf die polnischen Vorposten über Kaluszyn zurück u. begann ein Gefecht bei Jendrzejow, wo aber der Widerstand Uminskis ihn glauben ließ daß er noch die ganze polnische Armee vor sich habe. Er brach daher das Gefecht ab u. zog sich in seine bisherige Stellung zurück. Unterdessen setzte Skrzynecki den Marsch ungehindert fort; die Spitzen der Colonnen trafen den 15. Mai Abends auf die russischen Vorposten u. am 17. Mai auf die russische Arrieregarde unter General Bystram hinter dem Orzye u. auf das Gardecorps bei Sniadowo; Skrzynecki aber für seine Flanken besorgt, zauderte den 18. mit dem Angriff u. entsendete nur die Division Gielgud links nach Ostrolenka, um diese Stadt vom Feinde zu reinigen, welches er aber schon von Dembinski besetzt fand. Am 19. Mai setzte Skrzynecki den Marsch nach Sniadowo fort u. Dembinski u. Gielgud rückten nach Lomza, wo sie die Brücken in Flammen fanden, aber einen Theil des Gepäcks der Garde nahmen. Am 20. Mai hatten die polnischen Vorposten den Wald von Kolomeya erreicht, suchten ihn aber vergebens zu nehmen, doch zog sich das Gardecorps nach Tykoczyn zurück. Am 21. Mai folgte Skrzynecki u. betrat nach einem Arrieregardengefecht über die Narew gehend das eigentliche russische Gebiet. Zu Tykoczyn erhielt aber Skrzynecki von Lubienski aus Nur (das dieser den 17. Mai besetzt hatte) Nachricht vom Anrücken Diebitsch's.

Dieser hatte sich am 19. Mai durch eine neue große Recognoscirung jenseit Kaluszyn überzeugt, daß ihm nicht mehr die polnische Hauptmacht, sondern nur Uminski gegenüberstehe; schnell zog er die Corps von Schachowskoi, Pahlen I. u. die Reserven an sich, brach den 22. Mai gegen Granna auf u. überschritt dort den Bug, nur das Corps von Pahlen II. gegen Uminski zurücklassend. Witt ging gleichzeitig mit Diebitsch in der Nacht vom 21. auf den 22. bei Nur über den Bug, um Lubienski den Rückzug abzuschneiden. Wirklich gelang dies zum Theil, aber Lubienski schlug sich glücklich nach Czyzewo durch. Eilig hatte. Skrzynecki nach erhaltener Nachricht von Diebitsch's Ausrücken den Rückzug nach Menzenin angetreten, u. schon nahte in seiner rechten Flanke die russische Hauptarmee über Mariowirzy u. vereinigte sich am 25. Mai mit dem Gardecorps bei Pyski. Am 25. Mai setzte das Gros der polnischen Armee bei Ostrolenka über die Narew. Am 26. Mai früh um 9 Uhr griff Diebitsch die Arrieregarde des General Lubienski vor Ostrolenka an, drängte sie zurück u. nahm die in Brand gesteckte Stadt. Indessen vertheidigten die Polen das Debouché des Defilés von Ostrolenka, u. hier nahm Skrzynecki, um den Zug durch ein glückliches Gefecht zu endigen u. Gielgud Zeit zu geben von Lomza herbeizukommen, eine Schlacht an. Der einzige Übergang war die Brücke. Von da führt die Chaussee ein paar 100 Schritt gerade aus u. wendet sich dann im rechten Winkel links. Den Russen konnte das Vordringen auf dem ersten Theil der Chaussee durch einige Geschütze sehr schwierig gemacht werden, u. wenn sie vorgedrungen waren, konnten sie leicht wieder zurückgeworfen werden. Dagegen konnten die Russen den Chausseedamm als Brustwehr brauchen. Skrzynecki stellte nun die Truppen dicht vor die Brücke in vier Linien auf. Schon um 11 Uhr Morgens hatten die Russen den Übergang über die Brücke erzwungen u. drängten sich in dichten Colonnen gegen die polnische Stellung vor. Bald waren die drei Kanonen, welche die Chaussee gerade bestrichen, von russischen Tirailleurs genommen, die polnische Artillerie richtete aber fortwährend große Verwüstungen an, u. wenn endlich die Russen zum offenen Terrain gelangt waren, so wurden sie von Bayonnetangriffen od. Cavalleriechargen wieder zurückgeworfen. Aber eine russische Grenadierdivision von Schachowskoi's Corps hatte sich sogleich des schmalen Raumes zwischen der Chaussee u. der Narew bemächtigt u. that von da aus den Polen viel Schaden. Noch am Abend drängte aber ein allgemeiner Tirailleurangriff, unterstützt von 12 Geschützen unter Oberst Bem, welche die Russen mit Kartätschen beschossen, die Russen zurück, u. diese zogen sich gegen Abend über die Narew. Aber auch die Polen waren fast aufgelöst, dennoch wollte sich Skrzynecki noch halten, bis Gielgud von Lomza heran war. Aber ein Kriegsrath beschloß den Rückzug über Rozan nach Pultusk, welcher auch, von Lubienski mit seiner Cavallerie u. der Division Kaminski gedeckt, ausgeführt wurde, wobei aber viele Verwundete, Nachzügler, Gepäck etc. der Polen in die Hände der Russen fielen. Von den Polen waren die Generale Klicki u. Kaminski u. über 1800 M. getödtet, 2100 M., unter ihnen 4 Generale, verwundet u. mehre 100 gefangen; die Russen gaben ihren Verlust auf 4000 M. u. 3 verwundete Generale an. Der wahre Verlust der Polen läßt sich aber auf 6–8000 M., der der Russen auf 8–10,000 M. annehmen. Die Division Gielgud kam durch diesen Rückzug in die größte Gefahr, u. auf Dembinskis Vorschlag beschloß der Kriegsrath, daß sich Gielgud nach Lithauen wenden u. dies zu insurgiren suchen sollte. Der polnische Generalissimus übergab nun das Commando an Lubienski u. eilte nach Warschau, wo er den 28. Mai anlangte. Das Heer ging am 27. Mai nach Pultusk u. setzte den 29. Mai bei Zegrz über den Bug, brannte am 30. Mai die dortigen Brücken ab u. ging nach Praga. Die Russen folgten den 29. Mai bis an den Bug. Diebitsch blieb bis 6. Juni in Ostrolenka, worauf er nach Pultusk ging. Während Skrzyneckis Zuge gegen Tykoczyn hatte Uminski seine Instructionen, die Russen nach dem Abmarsch Diebitsch's zu drängen, nicht gehörig befolgt. Er hatte zwar am 23. Siedlce besetzt, war jedoch schon nach wenigen Tagen wieder in seine vorige Stellung zurückgekehrt u. wurde deshalb am 23. Mai von seinem Commando suspendirt u. durch General Milberg, später durch General Jankowski ersetzt. Auch mit dem Chef seines Generalstabes, General Prondzynski, hatte sich Skrzynecki wegen[293] der Operationen entzweit, er nahm daher an seine Stelle den General Th. Lubienski als Stabschef. Mehre Wochen fand nun Waffenruhe statt; die Polen ergänzten sich aus ihren Reserven, die Russen warteten auf glückliche Ereignisse in Podolien u. Lithauen u. bereiteten den Übergang über die Unterweichsel vor.

Währenddem hatte die Cholera in dem russischen Heere nachgelassen; doch starb noch zuletzt Feldmarschall Diebitsch am 10. Juni in Kleczewo bei Pultusk u. am 29. Juni der Großfürst Constantin in Witepsk, wo er seit der Schlacht bei Grochow lebte. An Diebitsch's Stelle übernahm der bisherige Chef des Generalstabes, General Toll, interimistisch das Commando, später erhielt Feldmarschall Paskewitsch Eriwanski dasselbe. Unterdessen war General Kreutz nach Lithauen aufgebrochen u. Rüdiger hatte ihn von Volhynien aus im Lublinischen ersetzt. Erst Mitte Juni begannen die durch den Tod Diebitsch's gelähmten Operationen wieder. General Skrzynecki brach nämlich am 14. Juni mit der bei Warschau versammelten Hauptarmee aus der Umgebung von Praga auf u. eilte gegen Siedlce vor, um dort den nach Lithauen ziehenden General Kreutz zu ereilen u. zu schlagen. Gleichzeitig sollten andere Corps gegen den Wieprz vorgehen, dort den unterdessen vom General Chrzanowski im Rücken angegriffenen General Rüdiger in der Front, General Ramorino vom jenseitigen Weichselufer her in der linken Flanke angreifen. Beide Unternehmen mißlangen ihrem Wesen nach, denn General Skrzynecki ging nach erhaltener, durch einige falsche Demonstrationen Tolls gegen Plock u. Zegrz bewirkter Meldung, daß sich die russische Hauptarmee gegen Zegrz u. Warschau bewege, den 19. eiligst nach Warschau zurück, u. auf dem linken Flügel der Russen bei Budzize am 19. Juni zog sich Rüdiger, welcher fast von Jankowski umzingelt war, durch einen raschen Angriff auf den General Turno aus der Schlinge. Jankowski trat hierauf, obgleich er am 20. Juni durch Ramorino u. Rybinski bis auf 24,000 M. verstärkt worden u. offenbar im Vortheil war, den Rückzug über Polycza nach Warschau an, welches er am 23. Juni erreichte. Dort erwartete ihn der laute Tadel Skrzyueckis, welchem später Suspension u. Verhaft folgte. Ramorino u. Chrzanowski waren aber an der Oberweichsel geblieben u. hatten sich hinter dieselbe zurückgezogen. Mehre Wochen verstrichen nun, ohne daß von beiden feindlichen Heeren eine Bewegung von Bedeutung vorgenommen wurde. Eine Überrumpelung von Nasielsk am 26. Juni von Modlin aus u. die Ankunft des Feldmarschalls Paskewitsch Eriwanski, welcher am 25. Juni in Pultusk eintraf u. den Oberbefehl übernahm, war das einzige Bemerkenswerthe.

Der Idee getreu, immer die russische Flanke, Lithauen u. Volhynien, zu beschäftigen u. sich im Centrum mehr auf die Defensive zu beschränken, hatte Skrzynecki noch zwei mißlungene Versuche des Obersten Lewinski im April u. des Generals Jankowski im Mai, Abtheilungen nach Lithauen zu bringen u. dort den Aufstand zu erregen, den General Chlapowski vermocht, mit 500 M. Cavallerie, 100 M. Jägern zu Fuß, 2 Geschützen u. 100 Instructoren nach Lithauen vorzudringen. Er hatte dies bereits bei dem Zug nach Tykoczyn aus bewirkt, am 19. Mai die Armee bei Rienzopol verlassen, den 19. Mai die lithauische Grenze bei Mien erreicht u. war bei Bransk u. Bielsk angekommen; fand aber die Brücke auf der Straße nach Bialystok bereits abgebrochen u. wendete sich nun rechts nach der Blatowlezer Haide, einem sehr großen Walde, in welchem das Dorf Bialowicz das einzige ist u. wo die Forstwärter u. andere Insurgenten unter Niemcewicz u. Rono von 600 M. russischer Infanterie, 100 M. Cavallerie u. 2 Kanonen unter General Linden bei Narewka beobachtet wurden u. zum Theil schon überfallen u. zersprengt worden waren. Chlapowski griff Linden am 23. Mai an u. schlug ihn, vereinigte sich am 24. Juni mit 200 Waldhütern unter Rono u. Krassowski bei Massiewo, zog sich dann links u. ging den 25. u. 26. Juni bei Rossy über den Niemen, vermied ein Gefecht mit der von Grodno gegen ihn anrückenden Besatzung von Lida, lockte die Besatzung (400 M.) durch List aus der Stadt u. nahm sie gefangen; wendete sich nun nach Gabrielow, wo er am 6. Juni ankam u. wo ihm Fürst Gab. Oginski 1000 Insurgenten u. 160 Wilnaer Studenten zuführte. Unterdessen war General Gielgud mit seiner 8000 M. u. 22 Kanonen starken Division u. durch mehre an sich gezogene Detachements, bes. durch das Dembinskische Corps u. das Partisancorps Zaliwski, auf 12,500 M. verstärkt, über Stawiczki am 29. Mai nach Raygrod vorgerückt. Hier hielt der russische General Sacken Stand, wurde aber mit einigen 100 M. Verlust geworfen. Dembinski u. Gielgud folgten über Augustowo u. Mariampol nach dem Niemen. Vor Kauen am 4. Juni angelangt, fand Dembinski die Brücken abgebrochen, Kauen aber schwach besetzt u. Sacken jenseit der Wilia stehend, von wo er bald längs dieses Flusses nach Wilna abzog. Dembinski konnte aus Mangel am Brückenzeug nicht folgen. Er blieb also bis zum 8. Juni beobachtend stehen, worauf er aufbrach u. sich den 9. Juni mit Gielgud bei Gielgudischken vereinigte. Am 10. Juni zog Gielgud nach Szeykiszi u. den 11. nach Kleidani. Er fand die Insurgenten in Samogitien überall im freien Felde geschlagen u. in die Wälder geflohen, jetzt kamen sie aus ihrem Versteck u. stießen zu ihm. In Kleidani kam auch Chlapowski, welcher sich mit Dembinski in Verbindung gesetzt hatte, zu Gielgud. Indessen sahen Gielgud u. Chlapowski, daß die Zeit zu einer Insurgirung Lithauens versäumt war, außer Studenten von Wilna u. einigen Compromittirten fanden sich wenig Insurgenten ein; die russische Strenge u. später die Amnestie hatte gute Wirkung gehabt; selbst die Errichtung einer lithauischen Centralregierung, an deren Spitze der Castellan Tyskiewicz als Präsident, Oginski als Vicepräsident u. mehre Polen standen, vermochten die Insurrection nicht zu fördern. Im Hauptquartier Gielguds herrschten verschiedene Ansichten: Dembinski wollte seiner Instruction folgen, nach Samogitien vordringen u. den dortigen Insurgenten Hülfe bringen; Chlapowski dagegen wollte Wilna nehmen u. setzte seine Meinung durch, da man dort einen zweiten Herd der Revolution, große Vorräthe von Waffen, Munition u. Kriegsbedarf zu finden gedachte. Gielgud ging daher mit 16,000 M. (worunter gegen 7000 Insurgenten) u. 29 Kanonen gegen Wilna, um dies noch vor der Ankunft der Reserven zu nehmen. In Wilna stand Fürst Chilkow mit 3000 M.; General Sacken mit etwa 3000 M. u. General Malinowski mit 2–3000 M. von Rossienie kommend u. andere Abtheilungen aus anderen Gegenden nahend, hatten sich mit ihm vereinigt, in[294] Allem waren also die russischen Streitkräfte dort für den Augenblick nur etwa 9000 M. stark; General Tolstoy eilte mit dem Rest der Reservearmee, 2 Divisionen, aus Weißrußland herbei u. war nur einige Märsche entfernt; hinter Gielgud rückte die russisch-lithauische Gardebrigade 3 Cavallerieregimenter unter Kuruta u. Knorring, über Grodno an. Chlapowski, auf 2200 M. u. 8 Kanonen verstärkt, erhielt bei Czabischkin am 14 Juni den Befehl gegen Ponary, wo die russische Macht aufgestellt war, eine Demonstration zu machen, während Dembinski nördlich gegen Wilna operiren sollte u. in der That mit 2400 M. u. 4 Kanonen von Kieidani am 12. Juni aufbrechend, bei Kauszagola, 11/2 Meilen von Wilna, anlangte. Aber Gielgud war wieder in seinem Plane, Wilna anzugreifen, irre geworden u. zögerte; fünf Tage stand Chlapowski vor der Stellung von Ponary, stets in Gefahr angegriffen u. erdrückt zu werden. Doch warfen sich die Feinde nicht auf ihn, sondern griffen 17. Juni Dembinski vorwärts Kalwaria an, aber Dembinski rettete sein Corps durch einen raschen Rückzug nach Powidoki, 8 Stunden von Wilna. Nun endlich rückte Gielgud gegen die Stellung von Ponary, welche durch 18,000 M. Russen unter Kuruta gehalten wurde u. griff dieselbe am 18. Juni an, wurde aber mit großem Verlust zurückgeschlagen u. von dem darauf angekommenen 4. Infanteriecorps unter Tolstoy lebhaft verfolgt, er gelangte jedoch glücklich über die Wilia nach Kleidani. Dembinski, welcher wieder gegen Wilna vorgegangen war, zog sich den 20. Juni nach Meyzagola u. Szyrminti u. den 22. nach Wilkomierz zurück. Diese Unfälle wirkten auf die polnischen Insurgenten sehr ungünstig; mit jedem Tage wuchs die Unordnung u. artete in eine gänzliche Dissolution des Heeres aus; dabei begann die Munition zu mangeln. Der Chef des Generalstabes, Valentin d'Hauteville, entriß sich dieser verzweiflungsvollen Lage durch Selbstmord; an seine Stelle trat Chlapowski u. wurde nun der eigentliche Führer. Vorher hatte Chlapowski mit Szymanowski am 13. Juni das nicht befestigte Schawle angegriffen, um die dortige russische Besatzung aufzuheben, war aber zurückgeworfen worden. Chlapowski wurde von Sacken am 28. Juni nach Kauen verfolgt, u. eben dahin rückten von Granna aus die Russen unter Kreutz, welchem Dellinghausen als Avantgarde vorausging. Kauen wurde von den Russen genommen u. 600 M., worunter der polnische Oberst Kiernicki, bei der Brücke von Sloboda gefangen u. 600 M., worunter die Gräfin Plater, auseinander gesprengt; die Plater floh über die preußische Grenze. Von da zog Chlapowski nach Kieidani, wo er sich mit Gielgud verband, zu dem auch Szymanowski stieß. Dembinski, welcher es für unmöglich hielt sich mit Gielgud, wie dieser angeordnet hatte, bei Schawlany zu vereinigen, rückte nun über Schadow nach Schawle, wohin sich Gielgud, ohne von Dembinski etwas zu wissen, dirigirte. Schawle war aber verbarricadirt u. von der Garnison von Dünaburg unter Oberst Krjukew besetzt. Diesen griff Dembinski am 7. Juli Abends u. Szymanowski vom Gielgudschen Corps u. Gielgud am 8. Juli an, beide Angriffe wurden aber abgeschlagen u. die Polen zum Rückzug nach Kurszani genöthigt. Auf diesem Marsch gegen Schawle war das polnische Gepäck, gegen 1000 Wagen, nach einem hitzigen Gefecht bei Korzyna genommen worden. Am 9. Juli wurde nun polnischer Seite hinter der Windawa in Kurszani ein Kriegsrath gehalten u. dann beschlossen, daß man sich in 3 Corps, von denen jedes für sich operire, theilen solle, auch daß jeder Offizier sich von dem Ganzen trennen u. seinen Rückzug bes. bewerkstelligen könne. Vorgeschrieben war keinem eine Richtung, doch wollte Chlapowski, dem sich Gielgud, welcher ohne Commando blieb, angeschlossen hatte, längs der preußischen Grenze gegen Johannisburg operiren u. dort durchzukommen suchen, Rohland gegen Polangen ziehen u. nur Dembinski den Unnvegim weiten Bogen über Poniewierz versuchen. Indessen kehrte Rohland, als er in Wornie erfuhr, daß General Schürman von Pluniany her anrücke, den 11. Juli um u. folgte dem General Chlapowski nach, wurde aber von der russischen Cavallerie unter Dellinghausen, bes. bei Powenkyn, lebhaft gedrängt. Der Rückzug Chlapowskis u. Rohlands ging am 12. Juli gerade der preußischen Grenze in der Richtung auf Memel zu, u. Chlapowski bivouacquirle bereits am Abend zum Theil auf preußischem Gebiet bei Schweigsten u. Langallen. Am 13. Juli Morgens versuchte Rohland über Schweigsten zu entkommen u. defilirte an dem Chlapowskischen Corps längs der Grenze vorbei. Ihm schloß sich ein Theil des Chlapowskischen Corps, bes. Artillerie, an. Während dieses Abmarsches sprengte ein polnischer Offizier, der Lieutenant Skalski vom 7. Infanterieregiment, an Gielgud heran u. schoß ihn vom Pferde. Dies beschleunigte den Übertritt der noch auf polnischem Gebiet Befindlichen vom Chlapowskischen Corps auf das preußische Gebiet; die Soldaten wurden entwaffnet u. in die Quarantäne gebracht. Am 15. begab sich auch das Rohlandsche Corps, von Sacken u. Kreutz gedrängt, bei Coadjuthen über die preußische Grenze u. streckte dort die Waffen. Das Chlapowskische Corps war noch 2000 M. Infanterie, 500 M. Cav. u. 6 Kanonen, das Rohlandsche Corps 2500 M. Infanterie, 500 M Cavallerie u. 19 Kan. stark. Die Polen wurden nach überstandener Quarantäne in die Gegend von Marienwerder gebracht, Waffen u. Kanonen aber den Russen ausgeliefert. In Dembinskis Corps herrschte noch die beste Disciplin, wenn auch nicht mehr der beste Muth. Dasselbe zählte 3830 Mann, wobei 1300 M. Cavallerie u. 6 Kanonen; 150 M. Infanterie waren seit Wilna, um sie schnell auf einen Punkt zu bringen, beritten gemacht u. dienten als Tirailleurs, Munition war nur für 480 Kanonenschüsse u. Geld in der Kriegskasse fehlte. Das Corps ging am 9. Juli dicht vor dem rechten Flügel der Russen gegen Grudzie vorbei, um von diesen nicht bemerkt zu werden, mehre Stunden durch Wälder u. über sumpfige Wiesen weg u. kam den 11. Juli über Ligumy nach Johanniszkieli; hier zeigte sich hinter ihm die Spitze des 8000 M. u. 12 Kanonen starken Corps des russischen Generals Savoiny, welcher in Schawle u. Poniewierz, wohin eben Dembinski wollte, gestanden hatte, von dort aber, in der Meinung, jener beabsichtige Dünaburg zu überfallen od. die Insurrection nach Kurland zu tragen, aufgebrochen war, um sich bei Schawle zu concentriren u. Dembinskis Unternehmen zu vereiteln. Dembinski ging den 12. Juli nach Puszelaty u. gelangte über Poniewierz, Rogow u. Kurkle den 16. nach Owanta, wo Savoiny mit 6 Bataillonen, zwei Cavallerieregimentern u. 12 Kanonen wieder erschien u. ihn lebhaft drängend bis in die Nacht hinein verfolgte. Die Russen immer auf den Fersen, marschirte Dembinski nun[295] über Podbrodzie, wo er 150 M. Infanterie u. 30 M. Cavallerie gefangen nahm, Zalow, Restaniczki, Daniszew, Smorgonie, Olzany nach Zbolska, wohin er 22. Juli kam u. er den 23. Juli Morgens auf einem Floß über den Niemen setzte. Am 24. Juli früh ging er nach Dziekiöi, entließ unterwegs die noch in seiner Gewalt befindlichen Russen u. erreichte am 25. Juli Dereczyn, den 26. Izabelie u. den 27. die Blatowlezer Wildniß. Hier hätte ihm beinahe ein Aufstand in seinem Corps Verderben gebracht, indem ein Capitän die Nachricht verbreitete, daß er sein Corps an die Russen verkaufen wolle, indessen unterdrückte seine Geistesgegenwart den Aufstand, zudem kam Oberst Rozycki mit 12,000 M. von Warschau hierher, woraus das Dembinskische Corps erkannte, daß der Weg nach Warschau offen sei. Von hier marschirte nun Dembinsk mit Rozycki durch das Pahlensche u. Rosensche Corps hindurch über Orla, Boki, Ciechanowice, wo er den Marczec, über Mysliborg, wo er den Bug überschritt, über Ugosc u. Radzimin u. zog den 3. August zu Praga u. den 4. August in Warschau ein. So erreichte Dembinski nach einem der schönsten Rückzüge der neueren Geschichte, die Infanterie über die Hälfte beritten, noch über 3000 M. stark, die Weichsel wieder. Auch der Capitän Zaliwski, welcher nach der Schlacht von Wilna von Gielgud getrennt worden war u. sich mit 1500 M. nach Polen zurückzog, war um den 8. Juli in der Gegend von Ziechanowicze zersprengt worden u. kam, da viele von seinen Leuten desertirten, mit nur Wenigen nach Warschau.

Schon unter Diebitsch u. Toll waren die wirksamsten Anstalten, um die Unterweichsel zu überschreiten, gemacht u. nach der Ankunft Paskewitschs in Pultusk am 25. Juni ebenso fortgesetzt worden. Am 4. Juli brach die Hauptarmee aus der Gegend von Pultusk auf u. rückte über die Wkra gegen Plock vor, welches am 7. Juli von der Avantgarde besetzt wurde. Das Heer bestand aus dem Grenadiercorps unter Schachowskoi, dem Corps von Pahlen I., der Reserve, dem Gardecorps unter Großfürst Michael u. der Reservecavallerie unter Witt, u. war etwa 62,000 M. Infanterie, 15,000 Pferde u. 300 Kanonen stark. Der Marsch geschah in 4 Colonnen; die linke (Witt) zog über Sochoczyn u. Plonsk, die Hauptcolonne (Paskewitsch u. Schachowskoi) über Slonsk, Luberadz, Maluzyn nach Rzowin u. Ragotnorsk, die dritte (die Garden) von Radow über Makow u. Ciechanow gegen Razionz, die vierte (Pahlen) von Przasnysz über Mlawa, Szerensk, Biezun nach Lipno, an welchem letzteren Orte die Armee am 17. Juli concentrirt wurde. Von hier wurde das erste Corps unter Pahlen nach dem Städtchen Nieszawa, zwei Meilen von der preußischen Grenze, entsendet, um dort den Übergang zu bewerkstelligen. Inzwischen sendete Skrzynecki die Division Milberg u. die Cavalleriebrigade Turno über Modlin auf das rechte Ufer, welche am 6. Juli ein Kosackenregiment aus Plonsk verjagte u. am 10. Juli durch Streifcorps Nasielsk, Pultusk u. Makow besetzte u. dort mehre Magazine wegnahm. Etwas Ernstliches that er dort nicht, doch um Paskewitsch unmittelbar zur Umkehr zu veranlassen, wollte er die vor Praga ihm gegenüberstehenden Truppen mit Übermacht überfallen. Die Hauptcolonne unter Chrzanowski rückte daher auf der Chaussee gegen Minsk vor u. vertrieb von da die Vorposten der russischen Division Golowin (etwa 8000 M. mit 14 Kanonen). Als nun Golowin, in der Meinung, es blos mit Rybinski zu thun zu haben, am 14. Juli die polnische Stellung bei Minsk in drei Colonnen angriff, wurde er mit Verlust zurückgeschlagen u. bis Kaluszyn gedrängt. Nach einigen Bewegungen gegen die russischen Flanken zog sich aber Skrzynecki am 20. u. 21. Juli nach der Stellung bei Minsk u. Siennica zurück. Paskewitsch hatte sich aber durch diese Demonstration nicht irre machen lassen. Er brach den 10. nach Wroclawek auf, wo er die Schiffe zur Brücke fand, u. zog weiter abwärts gegen Thorn. General Gerstenzweig u. Fürst Gagarin, welche, um die Verbindung mit Lithauen zu unterhalten, meist mit Garden bis jetzt bei Ostrolenka gestanden hatten, so wie Kreutz, welcher mit dem sonst von Pahlen II. geführten Corps nach Lithauen marschirt war u. von da in Eilmärschen sich nahte, sollte sich mit ihm vereinigen, Rüdiger aber die Oberweichsel überschreiten u. die Weichsel abwärts über Radom auf Warschau rücken u. endlich Golowin u. Rosen, langsam gegen Praga vorrückend, Warschaus Einschließung vollenden. Der Weichselübergang geschah bei dem Dorfe Ossiek, 11/2 Stunde unterhalb Nieszawa. Mit Benutzung von zwei Weichselinseln wurde daselbst die Schiffbrücke geschlagen u. am 17. Juli passirte das Corps des Generals Pahlen I. den Fluß. Die Hauptarmee nahm währen dieses Übergangs eine ziemlich feste Stellung erst bei Lipno, dann zwischen Kikol u. Wola, um in derselben einen etwaigen Angriff Skrzyneckis von Plock her zu begegnen, u. ließ am 17. u. 18. Juli ihren Troß über die Weichsel gehen, folgte am 19. Juli selbst nach u. warf einen starken doppelten Brückenkopf auf. Nach dem Übergange wurde das erste Corps unter Pahlen I. nach Lowinecz vorgeschoben, das Hauptquartier kam nach Racioncek, die Hauptarmee campirte aber zwischen Nieszawa u. der preußischen Grenze. Auf dem linken Weichselufer angekommen, erließ Paskewitsch sofort eine Proclamation, welche den Bauern gebot, die Waffen niederzulegen u. nach Hause zu gehen, den Widerspenstigen aber androhte, von ihren Familien getrennt u. nach dem innern Rußland geführt zu werden. Dieser Aufruf hatte Erfolg. Zugleich war der russische General Dombrowski zum Chef der provisorischen Regierung ernannt worden u. setzte nun Alles in den Stand vor der Revolution.

Skrynecki hatte, als er sah, daß es mit dem Weichselübergänge der Russen Ernst wurde, alle disponiblen Truppen auf dem linken Weichselufer versammelt u. Plock gegenüber eine Stellung genommen. Nach dem Abzug der russischen Armee von Plock waren die Polen sogleich über die Weichsel gegangen, hatten diese Stadt u. Milberg u. Turno besetzt, waren bis in die Gegend von Bielsk gerückt u. hatten ihre Posten bis an die Wra vorgeschoben. Als aber Skrzynecki den Weichselübergang der Russen erfuhr, zog er sogleich die Truppen von Plock zurück u. nahm hinter der Bzura zwischen Sochaczew u. Bolimow u. rückwärts bei Blonie eine Stellung. Nur Milberg u. Turno blieben am rechten Weichselufer. Gegen die polnische Hauptarmee setzte sich Paskewitsch den 27. Juli in Bewegung u. ging über Kowal u. Gostynin nach Gombin. Am 1. August theilte sich das Heer in zwei Colonnen, die links unter Pahlen rückte gerade aus über Rybno gegen Sochaczew, die zweite unter Paskewitsch rechts über Osmalin u. Kiernozia nach Lowicz. Hier concentrirte sich am 2. August die Hauptarmee[296] der Russen, den 3. August erfolgte eine Recognoscirung der Polen auf dem linken Bzuraufer gegen den linken Flügel unter Pahlen, den 5. August eine stärkere von Ramorino auf dem rechten Bzuraufer gegen die Vorposten bei Nieborow, welche bis Arkadia vorwärts Lowicz zurückgedrängt wurden. Paskewitsch ließ nun die Armee aufs rechte Bzuraufer, Pahlen aber bis hinter Lowicz rücken, u. die Polen räumten den 6. August Nieborow u. zogen sich über den Rawkabach. In dieser Stellung blieben die Russen stehen, indem sie die Ankunft der Generale Rüdiger u. Kreutz erwarten wollten. Rüdiger hatte sich Ende Juli von der Gegend von Lublin nach der Weichsel gezogen u. ging am 6. August bei Jozefow mit 8–9000 M., 3500–4000 Pferden u. 43 Geschützen über die Weichsel u. drang unter fortwährenden Scharmützeln mit dem General Rozycki, welcher sich auf Krakau zurückzog, bis an den Pilica vor. Am 14. Aug. Abends gab das polnische Hauptheer unvermuthet seine Stellung hinter dem Rawkabach bei Bolimow auf u. zog sich in zwei Colonnen auf der Chaussee nach Blonie über Szymanow u. Kaski gegen Warschau zurück. Sogleich folgte am 15. August Morgens die russische Avantgarde unter Witt u. diesem die Armee in zwei Colonnen. Bei diesem Vorrücken wurde der polnische Oberst Gallois bei einer Recognoscirung bei Bronicza am 18. Aug. mit 1350 M. gefangen. Den 18. Aug. rückte die Armee nach Nardarzyn, die Avantgarde nach Roscyn. Am 19. u. 20. wurden starke Recognoscirungen gegen die polnische Hauptarmee vorgenommen, auch bei Karczew eine Pontonbrücke über die Weichsel zur Verbindung des rechten u. linken Ufers geschlagen. Diese waren bes. nöthig, um Rosen gegen einen Überfall zu sichern. Dieser war Mitte Augusts bis Dembe Wielkie vorgegangen u. beabsichtigte den 20. Aug. Praga zu stürmen. Das Unternehmen mißlang aber, u. Rosen ging nun den 21._– 23. gegen Siedlce zurück.

Während dieses im Felde geschah, war in Warschau am 20. April statt des bis jetzt bestandenen kleineren, der größere Reichstag berufen worden, dieser bewilligte 1 Mill. polnische Gulden (166,000 Thlr.) zur Deckung der dringendsten Kriegsschäden u. debattirte dann über Feststellung der Verhältnisse der Bewohner der alten polnischen Provinzen zu dem jetzigen Königreich Polen, entzweite sich hierüber aber mit der Regierung, u. statt Malachowski u. Biernacki traten Horodiewski u. Dembowski als Minister des Auswärtigen u. der Finanzen ins Ministerium. Seitdem war die Theilung der Regierung u. des Reichstags in die aristokratische u. demokratische Partei entschieden. Die aristokratische Partei, aus dem höhern Adel bestehend, wollte Versöhnung mit Rußland unter ehrenvollen Bedingungen, Aufrechthaltung ihrer alten Rechte u. Privilegien, Besetzung der höchsten Stellen mit Männern aus ihrer Partei; zu ihr gehörten Chlopicki, Radziwill, Skrzynecki, Czartoryiski u. die meisten Regierungs- u. Reichstagsmitglieder; die demokratische Partei, zu welcher der patriotische Club mit Lelewel, Pulawski u. Anderen an der Spitze u. die meisten jungen Leute vom niederm Adel, fast alle junge Offiziere u. Beamte, viele Bürger Warschau's gehörten, war für die entschiedensten Maßregeln, verlangte Gleichheit der Rechte u. sah in jedem Mißgriff, in jedem verunglückten Plane Verrath. Am 5. Mai erschien ein Reichstagsschluß, nach welchem jeder Theil des ehemaligen Polen, welcher sich dem Aufstand anschließe, in die Verhältnisse zurückkehren sollte, welche vor der Theilung bestanden hätten. Der Generalissimus erklärte nun Diebitsch brieflich, daß die Polen jede Maßregel gegen die Lithauer als gegen sich selbst geschehen ansehen u. an den 16,000 in ihren Händen befindlichen Gefangenen rächen würden. Schon seit geraumer Zeit hatte die Hauptstadt u. zum Theil auch die Armee in die Talente Skrzyneckis Mißtrauen gesetzt; seine Strenge als Feldherr u. Soldat, sein aristokratischer Stolz, welcher nur Offiziere aus den edelsten polnischen Geschlechtern zu Adjutanten u. dgl. machte, seine vierwöchentliche Unthätigkeit nach der Schlacht von Grochow, hatte schon längst die Unzufriedenheit des größeren Theils der Polen gegen ihn erregt, u. nur seine späteren glücklichen Gefechte bei Dembe, Kaluszyn etc. hatte ihm den Beifall der Menge wieder gewonnen. Als aber nach der verlornen Schlacht von Ostrolenka Krukowiecki, der bisherige Militärgouverneur von Warschau, wegen eines Zwistes in Dienstsachen mit Skrzynecki, entlassen worden war u. sich zur Bewegungspartei schlug, hob diese, geführt von Pulawski, Krempowiecki, Kozlowski u. Anderen, das Haupt empor, u. ihre Organe, die Journale Nowa Polska u. Gazeta Polska, forderten die Entsetzung des Generalissimus. Schon dachte die jetzt weniger aristokratische Regierung daran Skrzynecki einen Nachfolger zu suchen u. fragte im Stillen bei Chlopicki an, ob er wohl wieder den Oberbefehl übernehmen werde, als eine Dankadresse des Reichstags am 31. Mai die Ausführung dieser Maßregel hinderte. Hierdurch u. auf eine Äußerung Skrzyneckis in geheimer Sitzung wegen der Wahl eines Dictators, zu welcher bes. der Fürst Czartoryiski in Vorschlag kam, wurde die Spaltung des Reichstags in zwei Parteien, die Reformer (Aristokraten) u. Antireformer (Demokraten), auch ins Volk übergetragen u. die Parteien Aristokraten u. Clubisten benannt, welche sich gegenseitig heftig angriffen. Als auf Antrag der Reformpartei den 8. Juni die Frage an den Reichstag gestellt wurde, ob eine allgemeine Reform nöthig sei, jedoch am 11. Juni verworfen wurde, erhob die siegreiche Partei der Antireformer sogleich ihr Haupt, die Nowa Polska u. die Gazeta Polslta überschütteten Czartoryiski u. Skrzynecki mit Vorwürfen, wogegen ein neues Journal für die entschiedenste Aristokratie u. die Reform sprach. Bald pflanzte sich dieser Geist auch auf die bei Warschau im Lager stehende Armee fort. Hier hatte Skrzynecki viele Feinde. u. die Zahl der Antireformer wurde sehr groß; die Schanzarbeiten vor Warschau gaben Gelegenheiten zu Volksversammlungen, worin gegen die Regierung polemisirt ward, u. die Regierung war zu schwach, diesen bösen Geist zu dämpfen. Ende Juli erhob sich die Volksstimme von Neuem gegen Skrzynecki, u. selbst der nach seiner Rückkehr hochgefeierte u. zum Gouverneur von Warschau ernannte Dembinski verlor, als er Gegner desselben auswies u. verhaften ließ, seine Popularität. Hauptsächlich machte man Skrzynecki seine fortwährende Weigerung, Paskewitsch eine Schlacht zu liefern, zum Vorwurf, u. der Unwille gegen ihn stieg zu solcher Höhe, daß man am 9. August eine Volksbewegung in Warschau fürchtete, weshalb der Reichstag u. die Regierung nachgab u. eine Commission, den Fürsten Czartoryiski an der Spitze, in das Lager absendete, um die Klagen gegen den Generalissimus zu untersuchen. Diese Deputation[297] kam den 10. Aug. im Lager bei Bolimow an, konnte aber auf keine Weise Skrzynecki bewegen eine Schlacht zu liefern, weil eine solche, jetzt geliefert, verloren werden müsse u. zum Fall Warschaus führen werde, u. bot die Niederlegung des Armeecommandos an. Als mit dieser Ansicht Skrzynecki's auch ein versammelter Kriegsrath sich einverstanden erklärt hatte, gab die Commission die Idee einer Schlacht auf, entsetzte aber Skrzynecki des Commandos, mit welchem nun Dembinski betraut wurde. Dieser kam am 11. Aug. an, sprach sich aber unzufrieden mit der Entsetzung Skrzyneckis aus u. erklärte selbst nur auf 60 Stunden den Oberbefehl übernehmen u., wenn dann kein neuer Oberbefehlshaber erscheine, denselben niederlegen zu wollen. Am 13. Aug. wurde daher Prondzynski zum Oberbefehlshaber ernannt, schlug aber die gefährliche Ehre auch aus; Dembinski mußte daher den Oberbefehl behalten u. den 14. Aug. den Befehl zu dem von dem Kriegsrath beschlossenen Rückzug nach Warschau geben.

Die Nachricht von dem Rückzuge gegen Warschau brachte in der Stadt eine ungeheuere Wirkung auf die Volksstimmung hervor. Dazu brach noch eine Verschwörung aus, welche aus dem Club hervorgegangen war; es sollte nämlich eine Regierung aus 15 der geachtetsten Männer Polens niedergesetzt u. an die Spitze ein Triumvirat, bestehend aus Lelewel als Repräsentanten des Reichstags, Pulawski als dem der Nation u. Zaliwski als dem der Armee, gestellt werden. Am 15. Aug. sammelten sich Nachmittags einzelne Volksgruppen auf den Plätzen Warschaus, u. in der Patriotischen Gesellschaft beschloß man, daß Skrzynecki von der Armee entfernt u. dieser Beschluß in Masse bei der Regierung vorgetragen werde. Unterwegs schloß sich eine große Menge Volks an die schon zahlreiche Gesellschaft an u. erreichte so das Regierungsgebäude, wo der Sturm zwar durch das gehaltene Wesen Czartoryiskis beschwichtigt wurde, aber die Deputation, schließlich durch das Regierungsmitglied Barzikowski beleidigt, erbittert davon ging. Die Clubisten vertheilten sich sogleich in die Stadt u. bearbeiteten das Volk; ein Haufen, bes. aus Offizieren der Reserve, jungen mit Dembinski nach Warschau gekommenen Lithauern u. Nationalgardisten in Uniform bestehend, sammelte sich vor dem Schlosse u. versuchte den Einlaß in das Hauptthor zu erzwingen, allein die Nationalgarde gab Feuer u. vertrieb so den Haufen. Während dem war Generalmarsch geschlagen worden u. 3000 M. Nationalgarde u. ein Bataillon Linie rückten vor das Schloß, wollten aber nichts Ernstliches gegen das Volkthun. Dasselbe drang durch eine Seitenthür ein u. riß die Generale Jankowski, Hurtig u. Bukowski u. And. theils aus ihrem Kerker, theils aus ihren Verstecken u. ermordete sie. Nun zogen einzelne Haufen nach den Gefängnissen in den Wolaer Barriéren, holten aus ihnen den Polizeispion Schley, Makrot, Szymanowski u. A. heraus u. hängten sie auf, andere suchten Verdächtige in ihren Wohnungen u. mordeten sie. Etwa 35 Leute verloren in dieser Nacht das Leben; der Fürst Czartoryiski u. Joh. Lubienski entgingen gleichem Schicksal nur durch die Flucht. Noch in der Nacht hatte das Volk den General Krukowiecki zum Gouverneur ausgerufen u. die drei nicht geflohenen Mitgliederder Regierung bestätigten dies. Aber auch Krukowiecki vermochte nicht die Ordnung wieder herzustellen; dies geschah erst, als ein Infanterie- u. Cavallerieregiment aus dem nahen Lager einrückte. Am Morgen des 16. Aug. ging Barzykowski, von der Regierung bevollmächtigt, in das Lager ab, um Prondzynski abermals zur Übernahme des Oberbefehls zu veranlassen, u. nachdem sich dieser der Mitwirkung Krukowiecki's versichert hatte, nahm er die Stelle an.

Die Nachricht von den Vorfällen in Warschau erregte beim Heere allgemeinen Unwillen. Dembinski erließ eine Proclamation an das Heer, worin er die Vorgänge am 15. Aug. als verbrecherisch darstellte, u. erschien am 17. Morgens mit seinem Generalstabe, Prondzynski, Czartoryiski u. zwei Escadrons im Regierungspalast zu Warschau, um dort zu erklären, daß Prondzynski den Oberbefehl niedergelegt habe u. er selbst denselben nebst höchster Regierungsgewalt als Dictator ergreifen u. die Schuldigen vom 15. August streng richten werde. Er fand die drei Regierungsmitglieder im Begriff, ihr Amt niederzulegen, weil Lelewel plötzlich mit der Forderung aufgetreten war, Pulawski, welcher allgemein für den Anstifter des 15. Aug. galt, in die Regierung aufzunehmen, u. bewog dieselben zur Zustimmung seines Plans, schüchterte Lelewel u. Krukowiecki ein u. brachte Beide dazu, die Verhaftung Pulawskis u. noch 10–12 anderer berüchtigter Mitglieder der Patriotischen Gesellschaft zu bewilligen, welche sofort vor ein Kriegsgericht gestellt u. binnen fünf Stunden verurtheilt u. gerichtet werden sollten. Als aber Pulawski gefangen herbei gebracht wurde, entfernten sich Krukowiecki u. Lelewel; aber auch Dembinski wurde schwankend u. verließ eilig Warschau. Das geräumte Feld nahm nun sogleich Krukowiecki wieder ein, umgab den Reichstag mit Truppen u. ließ die Regierung dergestalt abändern, daß statt der bisherigen fünf Mitglieder nur ein Präsident mit verantwortlichen Ministern u. er als dieser Präsident gewählt wurde. Er suchte nun alle Parteien zu gewinnen u. die sechs Minister aus allen Parteien, zu wählen. Nur der alte Kriegsminister Morawski wurde beibehalten, der Patriot Glisczinski wurde Minister des Innern, Garbinski des Cultus, der Aristokrat Wielopolski Minister des Äußern, Chrzanowski ernannte er zum Gouverneur von Warschau u. Dembinski bestätigte er im Heerbefehl. Alsbald ließ Chrzanowski nun die Patriotische Gesellschaft schließen u. mehre der Schuldigsten der vergangenen Mordnacht verhaften u. stellte sie vor ein Kriegsgericht, doch dieses wagte nicht, die eigentlich Schuldigen zu richten, sondern ließ nur vier Leute aus dem niedrigsten Pöbel am 24. August erschießen; die übrigen wurden freigelassen. Schon am 20. August entzweite sich Krukowiecki mit Dembinski über Skrzynecki, welcher trotz mehrfacher Aufforderung, das Lager zu verlassen, fortwährend dort blieb, u. entsetzte ihn seines Commandos, welches er dem alten General Malachowski übertrug. Am 22. Aug. gab es einen neuen Zwist mit dem Commandanten der Nationalgarde, Ösirowski, in dessen Folge dieser seine Stelle niederlegte u. durch Peter Lubienski im Commando der eigentlichen Nationalgarde, durch Zaliwski in dem der Sicherheitsgarde ersetzt wurde, welchen Letztern Krukowiecki mit acht Compagnien Nationalgarde die Weichsel aufwärts zur Beobachtung der Russen sendete.

In einem Kriegsrath bei der Armee am 10. Aug. ging die Meinung durch, daß Uminski zwei Corps, eins gegen Bresk, das andere nach der Niederweichsel[298] auf das rechte Ufer senden u. durch diese Diversionen Paskewitsch hindern sollte, seinen Angriff auf Warschau auszuführen. Gegen 24,000 M. sollten auf diese Weise entsendet werden, nur etwa 34,000 M., außer 60,000 M. National- u. 20,000 M. Sicherheitsgarde, zur Vertheidigung in Warschau zurückbleiben. Außerdem standen etwa 12,000 M. unter Rozycki bei Kielce den Russen in dem Rücken u. etwa 12,500 M. betrugen die Besatzungen von Modlin u. Zamosc. Unmittelbar nach dem Kriegsrath brach Lubienski mit der Cavalleriedivision Skarzynski, 2800 Mann u. einer reitenden Batterie nach Modlin auf u. vereinigte sich dort mit der 1200 Mann starken Cavallerie des vormaligen Dembinskischen Corps, um von da aus mit der Garnison dieses Platzes gegen die Brücke von Ossiek zu operiren u. diese zu zerstören. Er langte in der Nacht vom 29 auf den 30. August wirklich an der Brücke an; Rönne aber, welcher dort befehligte, ließ die eine Hälfte der Brücke sogleich abwerfen. General Ramorino war mit dem andern Corps, bei welchem sich der Fürst Czartoryiski, Lelewel etc. befanden u. welches zwei Divisionen Infanterie (Sierawski u. Bielinski), eine Cavalleriedivision (Miller), 16,000 Mann Infanterie, 4200 Pferde u. 40 Kanonen stark war, den 21. Aug. aufgebrochen u. ging langsam auf der Hauptstraße gegen Brzesk Litewski vor. Rosen war von Kaluszyn bis Krinka zurückgewichen. Den 28. u. 29. August gab es kleine Gefechte; am letztern Tage erwartete Rosen die Gegner bei Miedzyrzyc, wich aber einer Umgehung bei dem Dorfe Roganicza; der russische General Warpachowski wurde vom Ramorino'schen Corps umzingelt u. gefangen, nur ein Theil seiner Abtheilung schlug sich durch, u. Rosen mußte den 30. u. 31. Aug. auf einem Nebenwege Brzesk erreichen. Ramorino folgte u. bestand noch den 2. Sept. ein Gefecht au dem Bug bei Terespol: als am 3. Sept. der bestimmte Befehl von Krukowiecki eintraf, sich schleunig zurückzuziehen, um nicht von der russischen Hauptarmee, welche unterdessen Miene machte bei Gora über die Weichsel zu setzen u. ihn im Rücken zu fassen, abgeschnitten zu werden. Er wich daher nach Miedzyrzyc zurück, wo er am 5. September stehen blieb, ohne mehr als die zweimonatliche Verproviantirung Warschaus erreicht zu haben. Durch keine dieser Bewegungen hatte indessen Paskewitsch sich irren lassen, sondern seine Anstalten zum Angriff auf Warschau fortgesetzt. Kreutz, der mit seinem Corps u. dem von Sacken, Knorring. u. andern Abtheilungen von Lithauen heranzog, die Brücke von Ossiek gegen den 20. Aug. passirte u. 3000 Mann unter Knorring gegen Kalisch entsendete, war vom 26._– 28. Aug. mit 12,000 Mann bei der Hauptarmee eingetroffen, u. General Geismar stieß mit 4–5000 Mann Anfangs September ebenfalls zu ihr, so daß sie jetzt 80–85,000 M. zählte, u. Paskewitsch beschloß nun den Angriff auf Warschau, bevor die zurückgekehrte Macht Ramorino's die Zahl der Polen um fast 20,000 M. mehre. Vorher sandte er aber den General Danneberg mit leidlichen Anträgen zu den Polen. Polen sollte nämlich den Kaiser als Herrn anerkennen, Warschau deshalb den Russen übergeben werden, die Armee einen Bezirk angewiesen bekommen u. eine Deputation zu dem Kaiser Nikolaus geschickt werden, welche dessen Gnade für Alles, was seit dem 29. Nov. geschehen sei, anflehen u. um den Fortbestand Polens als besonderen Staat bitten sollte. Krukowiecki fand diese Vorschläge annehmbar, dagegen bestand die Mehrzahl des zur Berathung gezogenen Reichraths darauf, daß vor Allem Rußland die Vereinigung Lithauens u. Volhyniens mit Polen zugestehen sollte. Deshalb zerschlugen sich die Unterhandlungen. Immer enger war schon in den letzten Tagen des August die Einschließung geworden; den 5. Sept. rückte auch das russische Hauptquartier nach Wiochy, einem Dorfe zwischen der Krakauer u. Kalischer Chaussee, vor u. alle Vorbereitungen zum Sturm wurden getroffen.

Warschau liegt, ein längliches Viereck, längs des linken Weichselufers hin u. ist keine Festung, nur ein dünner u. niederer Erdwall mit 6 Fuß breitem Graben ohne Seitenvertheidigung, wegen der Accise errichtet, umgab sie. Das Weichselthal ist sumpfig u. gibt der nördlichen u. südlichen Seite natürliche Befestigung; die Ostseite wird von der Weichsel gedeckt, nur die breite Westseite war daher zu befestigen. Man hatte, um die Stadt gegen Beschießung zu sichern, die nächsten Dörfer dort stark befestigt, nämlich Krolikarnia mit Wierzbie auf der Chaussee längs der Weichsel südlich nach Lublin, Rakowiec, etwas links von der Chaussee nach Krakau, Wola, auf der nach Kalisch, Pariz, näher gegen die Unterweichsel, u. Burakow, am nördlichen Thalrand. Alle diese 2000–2300 Schritt von dem Douanenwall gelegene Dörfer waren während des Kriegs gegen das freie Feld zu mit einem Erdwall von starkem Profil umgeben, mit Reduits versehen u. im Rücken mit Pallisaden geschlossen. Am stärksten war Wola befestigt u. in ein völliges Fort mit Seitenvertheidigung u. Reduit verwandelt. Zwischen den Dörfern waren einzelne Fleschen u. Batterien zur Erhaltung der Verbindung angelegt. Etwa 600 Schritt vor Wola lag noch ein einzelnes fleschenähnliches Fort. 1500–1800 Schritt hinter dieser äußersten Verschanzungslinie, 600 Schritt vor dem Douanenwalle lag eine zweite Kette von Schanzen, welche nördlich bei Mokotow am Thalrande der Weichsel begann, längs des Saumes der Vorstadt Czyste hinlief u. über Powonski sich bei Burgkow an die äußerste Linie wieder anschloß. 73 Feldschanzen bildeten die erste u. zweite Verschanzung, welche zusammen die Erste Linie hießen, obgleich sie eigentlich zwei abgesonderte Vertheidigungssysteme bildeten; die zweite od. innere Vertheidigung bildete der Douanenwall, welcher durch mehre neuerrichtete Fleschen u. Batterien Seitenvertheidigung erhalten hatte. Das Innere der Stadt war stark verbarricadirt, u. man hatte das Königliche Schloß, den Sächsischen Palast, Kirchen, Klöster u. Gartenmauern zu Abschnitten benutzt. Auf dem rechten Weichselufer war bei Praga ein Brückenkopf in Form eines Kronenwerks mit drei vorliegenden Schanzen angelegt u. besondere Linien mit Schanzen hielten Praga selbst fest. Es hätte 80–100,000 Mann bedurft, alle diese Werke hinreichend zu besetzen; für das polnische anwesende Heer (gegenwärtig 30,700 Mann Infanterie, 2500 Mann Cavallerie) waren sie aber viel zu groß. Zwar wurde nun Ramorino sogleich herbeigerufen, allein dieser war drei Märsche von Warschau entfernt. Die polnische Armee war in zwei Corps getheilt. Der linke Flügel zwischen Mokotow u. Wola, aus den Divisionen Rybinski u. Milberg, der Brigade Czyzewski u. der Cavallerie des Generals Jagmin bestehend u. 20,000 Mann u. 30 Kanonen stark, stand unter Uminski; der rechte aus der Division Boguslawski, der Brigade[299] Dluski u. dem Corps Rutié (dem ehemaligen Dembinskischen) bestehend, 13,000 Mann u. 12 Kanonen. In Warschau standen 2500 Mann, in Praga gegen 1400. Die Dörfer der äußersten Linie waren schwach besetzt, zwischen ihnen u. der zweiten Linie gab es außer der Reserveartillerie unter Bem fast keine Reservetruppen. An Geschütz hatten die Polen 120 Stück, jedoch nur 108 waren auf dem linken Weichselufer, die andern in Praga verwendet. Einen Vertheidigungsplan hatte man nicht beredet.

In der Nacht vom 6. September nahmen die russischen Colonnen, zusammen 118 Bataillone, 120 Escadronen u. 400 Kanonen stark, die ihnen bestimmten Stellen ein, gegen 5 Uhr Morgens begannen sie gegen die Schanzen vorzurücken u. dieselben aus 120 Geschützen lebhaft zu beschießen. Die Polen waren auf diesen Angriff so wenig gerüstet, daß Uminski nur auf eigene Bewegung die Soldaten ins Gewehr hatte treten lassen. Nach einer Stunde rückten die Angriffscolonnen vor. Auch die Spitzen der falschen Angriffe auf dem rechten Flügel zeigten sich. Ohne großen Verlust war von Kreutz eine der beiden Schanzen zwischen Wolau. Rakowiec genommen; die anderen Schanzen fanden die Russen verlassen. Mehr Schwierigkeit machte jedoch Wola, welches Pahlen I. u. Kreutz angriffen; der erste Angriff wurde abgeschlagen; beim zweiten wurde aber die vorliegende Schanze bald genommen, die drei Bataillone Polen nach tapferstem Widerstand aus dem Dorfe u. der Kirche als Reduit vertrieben u. 2000 derselben gefangen genommen. Gleichzeitig war auch Rakowiec von Murawiew angegriffen u. erstürmt worden. Gegen 2 Uhr gingen, um Wola wieder zu nehmen, 40 Geschütze gegen dies Dorf vor, jedoch waren nur vier Bataillone u. zwei Escadronen der Artillerie zum Beistand gegeben u. der Angriff mißlang. Unterdessen waren starke polnische Massen auch gegen die andern Punkte der russischen Stellung, bes. gegen deren rechten Flügel, vorgedrungen, u. Paskewitsch über ihre wahre Absicht ungewiß. Daher hielten die Russen mit Vorrücken an u. blieben den Nachmittag u. die Nacht über links u. rechts von Wola u. Rakowiec stehen. In der Nacht sendete auch Krukowiecki, nachdem man sich in Warschau von der Unmöglichkeit, die Stadt zu halten, überzeugt hatte, den General Prondzynski mit einem Briefe an den Feldmarschall mit der Bitte um Vorschläge, welche dem Blutvergießen Einhalt thäten. Prondzynski überschritt seine Vollmacht u. versprach Paskewitsch im Namen Krukowieckis einen Brief, welcher Unterwerfung an den Kaiser ausspräche. Paskewitsch bestellte Krukowiecki Morgens um 8 Uhr zu einer Unterredung mit sich u. dem Großfürsten Michael; dieser aber sagte, daß er keinen Schritt ohne Einwilligung der Reichsstände thun könne, u. läugnete Prondzynskis Versprechen ab. Paskewitsch argwöhnte, daß die Polen am 7. September noch Ramorino erwarteten, um Warschau von der Übergabe zu retten, u. erklärte daher, wenn Krukowiecki nicht bis 1 Uhr die Capitulation von seiner Hand unterzeichnet einsende, werde erden Angriff erneuern lassen; jedoch solle die Capitulation jeden Augenblick die Feindseligkeiten unterbrechen. Krukowiecki hielt nun einen Ministerrath u. Prondzynski suchte den Reichstag von der Nothwendigkeit der Capitulation zu überzeugen. Allein die Kammern weigerten sich in die Capitulation zu willigen u. gingen gegen Mittag unentschlossen auseinander. Nun begannen die Russen den Angriff auf die Schanzen, welche in zweiter Linie das Dorf Czyste u. die Wolauer Vorstadt deckten; an den meisten Punkten wurden sie zwar zurückgeworfen, doch eroberten sie die Schanzen an der Kalischer Chaussee; Czyste u. die Wolauer Vorstadt geriethen hierbei in Brand. Gegen 4 Uhr sendete Krukowiecki wieder Prondzynski an Paskewitsch, um diesen um Schonung zu bitten, doch er fand den Feldmarschall verwundet u. das Commando in den Händen des Generals Toll u. kehrte mit dem General Berg als Unterhändler nach der Stadt zurück. Innerer Zwiespalt herrschte hier; erst erhielt Krukowiecki von den Kammern die schriftliche Bevollmächtigung, die Capitulation nach eigner Einsicht zu schließen, dann änderten dieselben wieder ihre Ansicht, worauf Krukowiecki als Dictator abdankte u. sich sogleich zur Armee begab, welche bereits größtentheils die Schanzen verlassen hatte u. auf dem Marsch zum rechten Ufer nach Praga war. Der russische Unterhändler fand ihn daher nicht mehr vor u. erklärte, daß er mit Niemand anders als mit Krukowiecki zu unterhandeln Auftrag habe, drohte aber, daß, wenn den 8. Sept. um 4 Uhr Morgens die Capitulation nicht unterzeichnet sei, der Sturm auf die innere Stadt beginnen werde. Man mußte also Krukowiecki wieder aus Praga herbeirufen; er betrachtete sich aber als außer Wirksamkeit u. seine Unterschrift nur als die eines Privatmannes. Endlich kam am 8. Sept. gegen Morgen eine Militärconvention zwischen dem General Berg russischer- u. dem Generalissimus Malachowski u. dem neuen Vicepräsidenten der Regierung, Oberst Zielinski, polnischer Seite zu Stande, der zu Folge den 8. Sept. die Stadt Warschau von den polnischen Truppen geräumt werden u. das polnische Heer nach Plock ziehen, Warschau aber, die Brücke u. Praga, das Batteriegeschütz u. alle Munitionsmagazine den Russen übergeben werden sollten. Wer der Armee folgen wollte, sollte 48 Stunden Zeit dazu haben. Sogleich wurden die einzelnen Detachements zurückgerufen u. nach Praga u. Modlin dirigirt. In Modlin legte General Malachowski am 9. Septbr. den Oberbefehl nieder, welcher dem General Rybinski von einem Kriegsrath übertragen wurde; Malachowski folgte der Armee. Mit der Armee verließen auch Mitglieder des Reichstags, die Zeitungsschreiber, Clubsmitglieder etc. Warschau. Am 8. Sept. gegen Mittag rückten die russischen Garden mit dem Großfürst Michael in Warschau ein. Die strengste Mannszucht wurde in Warschau gehandhabt, General Witt zum Gouverneur, General Korff zum Commandanten ernannt, der Staatsrath Engel mit der Organisation der Regierung beauftragt, die politischen Vereine verboten, die Nationalgarde aufgelöst u. die Ablieferung der Waffen befohlen. Krukowiecki, Prondzynski, Chrzanowski, Rautenstrauch, Krasinski, Rutié, Weißenburg, Bieganski, Bontemps u. andere polnische Generale blieben in Warschau zurück. Den folgenden Tag eilten Truppen durch Warschau u. über die Weichselbrücke bei Praga, welche den Russen durch die Capitulation zu schnell eingeräumt worden war, um der polnischen Armee beobachtend zu folgen u. jede Vereinigung Ramorinos mit ihr unmöglich zu machen. So endete die Schlacht von Warschau, welche die Polen 4–5000 Mann, worunter General Sowinski todt, die Russen 10,000 Mann, worunter zwei Generale todt, gekostet hatte.

[300] Nach dem Fall von Warschau war das polnische Heer in drei große Abtheilungen getheilt. Die eine, das Hauptheer unter Rybinski, war etwa 27,000 Mann stark auf dem Marsche gegen Modlin, wo es den 9. Sept. ankam, u. wurde durch das Lubienskische Corps auf 30,000 Mann verstärkt. Ramorino, 18,000 Mann stark, gegen Rosen; Rozycki stand, 12,000 Mann stark, im Sandomirschen u. Krakauschen zwischen Kielce u. der Weichsel. Ramorino war, die letzte Zeit ohne bestimmte Nachricht geblieben, eben auf dem Marsche gegen Warschau; als er den 8. Sept. bei Boime, 10 Stunden von Warschau, die Katastrophe erfuhr, blieb er bis zum 12. Sept. bei Lukow stehen, überschritt dann am 13. Sept. den Wieprz bei Lisobicki u. wandte sich nach Kazimierz, wurde aber 14. Sept. bei Wanwolniza von dem Rosenschen Vortrab ereilt u. mußte sich auf der Straße nach Jozefow zurückziehen. Bei Opole erwartete er am 15. Morgens die Russen, indem er den General Zawadzki mit einer starken Abtheilung über Kazimierz nach Podgoryn, wo eine Brücke der Russen stand, detachirte. Da aber die Russen vor seinen Augen die Brücke abbrachen, so war Ramorino außer Stande über die Weichsel zu gehen, u. Zawadzki konnte auch nicht mehr zu ihm stoßen, da sich Russen zwischen beide geschoben hatten. Die Muthlosigkeit wurde nun allgemein; Waffen, Munition u. Gepäck wurden auf dem Rückzuge durch die Wälder nach Wrzelowiec weggeworfen u. ein großer Theil des Corps zerstreute sich nach seiner Heimath. Ramorino trat in der Nacht zum 17. Sept. bei Chwalowice auf die österreichische Grenze u. streckte dort am 18. Sept. die Waffen. Sein Corps betrug noch über 9000 Mann u. 40 Kanonen; Fürst Czartoryiski, welcher sich bei demselben befand, entkam über die Weichsel auf einem Kahn General Rozycki, welcher am linken Weichselufer bei Kielce u. in den Wäldern zwischen Mir u. Szydlowice dem General Rüdiger gegenüber stand, war am 6. Sept. über Wierzdiza, Mirzez, Krzyzanowice u. Ciepelow unter kleinen Gefechten der Weichsel zugezogen, erreichte dieselbe den 9. Sept. u. trat am 10. Sept. den Rückzug der Weichsel entlang nach Lipsko an, doch wurde er auf dem ganzen Marsch von dem Rüdigerschen Corps lebhaft gedrängt, erreichte den 11. Sept. Kunow u. setzte den 12. Sept. seinen Rückzug nach Grabowice fort, wo er mit Rüdiger einen Waffenstillstand abschloß. Als Ramorino der Weichsel nahte u. Miene machte, solche zu überschreiten, kündigte Rüdiger den 20. den Waffenstillstand auf. Allein Rozycki war inzwischen nach Janikow u. Zawichost abmarschirt, um sich hier mit Ramorino zu vereinigen u. den Krieg in den Wäldern u. Bergen zwischen der Weichsel u. Krakau fortzusetzen. Indessen konnte er, da alle Übergangsmaterialien fehlten, mit Ramorino jenseit der Weichsel nicht in Verbindung treten. Dadurch war aber nicht nur Rüdigers Hauptcolonne, sondern auch der Prinz Adam von Württemberg u. Krassowski mit der Avantgarde von Rosens Corps, welcher die Weichsel bei Zawichost überschritten hatte, auf Rozycki gezogen worden, u. derselbe eilte nun, seine vorige Stellung bei Kielce wieder zu gewinnen. Am 22. Sept. ereilte ihn Krassowski bei Tongowa u. attakirte ihn mit Cavallerie u. sprengte ein Quarré. Nun theilte sich Rózyckis Corps; er selbst mit 5000 Mann rückte auf Chwielonik u. Pinczow, General Kaminski aber südlicher auf Szydlowo u. Stobniza. Letzter wurde aber von Krassowskis Cavallerie verfolgt, zersprengt u. den 24. Sept. an die Barriere des Krakauer Freistaates geworfen. Eheu dort langte am 25. Sept. Rozyckis Colonne an, nachdem sie von Rüdigers Vortrab u. dem Prinzen Adam fast ganz aufgerieben worden war. Auch hier beschuldigten die Flüchtlinge ihre Offiziere des Verrathes u. begingen unter diesem Vorwande allerhand Excesse; ein Theil derselben zog sich längs der Krakauer Grenze auf österreichisches Gebiet, andere blieben in Krakau u. unterwarfen sich der russischen Regierung. Der Oberst Pietrowski aber, welcher schon im August von Rozycki nach Kalisch entsendet u. von da den 13. Sept. vom General Knorring vertrieben worden war, hatte sich über Wielun, Czenstochau nach Olsztyn gezogen, dort aber hatte sein Corps den 28. Sept., als die Nachricht von Rozyckis Unfall eintraf, sich zerstreut. Am 27. Sept. rückten Russen unter dem Vorgeben in Krakau ein, daß die Polen das Krakauer Gebiet verletzt hätten u. die Behörden daselbst sich nicht schützen könnten.

Nur die Hauptarmee unter Rybinski in der Umgegend von Modlin war nun noch übrig, dieselbe war aber durch Desertionen sehr geschwächt u. konnte sich vor den Russen, welche ihr gefolgt waren, nicht mit Ramorino verbinden. Beim Heercommando herrschte die Partei der alten Offiziere noch immer vor; diese haßte den immer excentrischer gewordenen Reichstag u. verwies denselben nach Zakrozyn. Dort im Kapuzinerkloster wurde der Reichstag am 11. Sept. wieder eröffnet, allein seine Kraft war gebrochen u. seine Wirksamkeit beschränkte sich fast nur auf Declamationen. Als die Hoffnung zu friedlicher Ausgleichung immer mehr schwand, zog die Armee u. der Reichstag am 20. Sept. nach Plock. Dort ging die Avantgarde über die Weichsel u. den 24. Sept. drei Meilen weit gegen Gombyn vor. Nochmals ließ Paskewitsch Amnestie anbieten, wenn man sich unterwürfe, Modlin räume u. in der Wojwodschaft Plock bliebe, u. ein Kriegsrath, den 24. Sept. in Slupno gehalten, nahm diese Bedingungen (unter dem Widerspruch der Generale Malachowski, Uminski, Bem, Paz u. Wenglerski) an. Da aber die Truppen darüber in die größte Aufregung geriethen, so beschloß der Rest des Reichstages nochmals die Fortsetzung des Kampfes u. die Vereinigung mit Rozycki. Aber bereits am 25. Sept. verließ der Reichstag Plock, um unter der Bedeckung mehrer polnischer Cavallerieregimenter sich über Rypin auf preußisches Gebiet zu begeben, wo sie am 27. Sept. anlangten. Die Russen aber umgarnten in diesem u. den folgenden Tagen die polnische Armee immer mehr, u. immer drückender wurden die Bedingungen, unter denen sich die Polen ergeben sollten, denn Paskewitsch verlangte jetzt unbedingte Unterwerfung der Armee u. Leistung eines Eides, in welchem die Worte Vaterland u. Constitution nicht vorkämen. Ein neuer Kriegsrath wurde den 28. Sept. gehalten u. diese Bedingungen verworfen. Rybinski beschloß daher noch einmal einen Versuch zu machen sich durchzuschlagen, u. ging den 29. Sept. bei Wroczlawek über die Weichsel, um sich mit Rozycki zu verbinden. Allein er fand das Corps des russischen Generals Pahlen I., welches den Bewegungen der polnischen Armee längs des linken Weichselufers gefolgt war, vor u. ging den 30. Sept. über die Weichsel nach Lipno zurück. Am 2. Oct. wurde ein Kriegsrath in Skompe gehalten u. beschlossen, die Armee auf preußisches [301] Gebiet zu führen; dies geschah auch am 5. Oct. bei Strasburg, die Polen streckten die Waffen, welche den Russen ausgeliefert wurden. Die polnische Armee war noch 24,000 Mann, mit 95 Geschützen, stark. Viele Generale, unter andern Boguslawski, Andrychiewicz, Sierakowski, Müller, Jagmin, Dziekonski, Lubienski u.a., viele Offiziere u. 2000 Mann waren bereits früher in Plock, Modlin etc. zurückgeblieben. Modlin mit 6200 M. ergab sich den 9. Oct. u. Zamosc mit 4200 M. den 23. Oct. den Russen. Noch vom polnischen Gebiet aus erließ Rybinski im Namen des polnischen Heeres eine Proclamation an alle Völkern. Fürsten Europas, in welcher er seinen Schritt mit der Nothwendigkeit rechtfertigte u. denselben die Sache der Polen empfahl.

Der Kaiser Nikolas ließ ein strenges Gericht über das wieder eroberte Polen ergehen. Anfangs zwar waren die Maßregeln, welche Paskewitsch in Warschau traf, mild, aber die Befehle von Petersburg brachten strengere Maßregeln. Ein Ukas vom 2. Oct. verbot allen mit über die Grenze gegangenen Offizieren der Hauptarmee, so wie denen von Ramorinos Corps, die Rückkehr nach Polen; ein Ukas vom 13. Oct. dehnte dies auch auf die von Kaminskis, Rozyckis u. Rybinskis Corps aus. Fast alle Generale, welche an der Revolution Theil genommen hatten, unter diesen selbst Fürst Radziwill, Krukowiecki u. Prondzynski, erhielten die Weisung, sich bis auf Weiteres in das Innere von Rußland nach Jaroslaw u. Perm zu begeben, die Güter derer, welche im Auslande waren, wurden in Beschlag genommen, alle früheren Behörden wieder eingesetzt u. mit Nationalrussen od. solchen Polen, welche sich während des Aufstandes für Rußland günstig bewiesen hatten, besetzt u. alles seit dem 29. Nov. von der polnischen Regierung Angeordnete als null u. nichtig betrachtet. Zwar wurde den 20. Oct. (1. Nov.) ein Amnestieukas erlassen, allein ausgenommen waren nicht nur die Anstifter des Aufstandes, diejenigen, welche russische u. polnische Generale am 29. Nov. erschlagen hatten, u. die Mörder vom 15. Aug. in Warschau, sondern auch alle Mitglieder der Regierung in Warschau, welche sich bis zum 13. Sept. nicht unterworfen, die Mitglieder der Regierung in Zakrozyn, so wie die Reichstagsmitglieder, welche die Entsetzung des Kaisers vorgeschlagen od. unterstützt hatten. Alle diese sollten, wenn sie ergriffen würden, vor ein Specialgericht gestellt u. nach der Strenge des Gesetzes gerichtet werden. Die Reichstagsmitglieder, welche nicht für die Thronentsetzung gesprochen, wohl aber dafür gestimmt hatten, blieben von jeder Anstellung ausgeschlossen. Noch schlimmer ging es den Lithauern, Volhyniern u. Podoliern, welche als Nationalrussen betrachtet wurden. Alle, welche freiwillig an dem Aufstande Theil genommen hatten, wurden mit Güterconfiscation bestraft, u. wenn sie ergriffen wurden, als gemeine Soldaten in die sibirischen Regimenter geschickt. So verstrich der Winter; die Garden kehrten im Nov. erst nach Wilna, dann nach Petersburg zurück, andere Truppen bezogen ihre alten Garnisonen in Weißrußland, Volhynien u. Lithauen wieder; immer blieb aber ein Heer von 60–80,000 Mann in Polen, um die Ruhe dort zu erhalten. Noch war aber der größere Theil der früheren polnischen Armee auf fremdem Gebiete u. ihr Schicksal unentschieden. Nach überstandener Quarantaine hatte man in Österreich wie in Preußen die Offiziere von den Truppen getrennt u. diese in den Weichselniederungen u. im Inneren von Ostpreußen, in Österreich aber in Galizien cantoniren lassen, während die Offiziere einestheils in den kleineren preußischen Städten, anderntheils in Österreich, Mähren, Steyermark im Quartier lagen. Die Anzahl der Polen, welche nach Österreich wie nach Preußen übergetreten waren, betrug gegen 40,000 Mann, darunter wenigstens 4000 Offiziere. Hiervon waren etwa 20,000 in Preußen, 18,000 in Österreich. Die ersten 10,000 Mann kehrten ohne Schwierigkeit zurück. Es waren dies Leute, welche der Krieg halb gezwungen zu Soldaten gemacht hatte. Mehr Schwierigkeiten machte die Heimkehr des zweiten Transports von etwa 6000 in Preußen u. 3000 in Österreich, endlich entschlossen sich aber auch diese zu gehen. Währenddem hatten die Offiziere, welche nicht zurückkehren durften, Erlaubniß erhalten nach Frankreich abzureisen. Aber obgleich der Rest der Soldaten ganz verlassen stand, weigerten sich doch gegen 5000-in Preußen u. gegen 3000 in Österreich noch immer hartnäckig nach Polen zurückzukehren. Mehre Excesse fielen hierbei vor, der schlimmste in Fischau bei Marienburg, wo der preußische Offizier sich genöthigt sah auf die gegen ihn eindringenden polnischen Soldaten Feuer geben zu lassen, wobei mehre getödtet wurden. Über 400 wurden von Königsberg u. Danzig nach Frankreich eingeschifft, noch Andere besannen sich später od. fanden Unterkommen u. Arbeit in Preußen u. Österreich. Einzelne Offiziere, welche sich an den Kaiser wandten u. welche nicht zu schwer compromittirt waren, erhielten Erlaubniß zur Rückkehr, der größere Theil blieb in England od. Frankreich von öffentlichen u. Privatunterstützungen lebend, andere gingen nach Portugal, Spanien, in die Fremdenlegion in Algier, Ägypten, Nordamerika, Brasilien etc. Vgl H. von Hundt-Radowski, Polen u. seine Revolution im Jahr 1830, Stuttg. 1831, 2 Bde.; R. O. Spazier, Geschichte des Aufstandes des polnischen Volkes, Altenb. 1830 f., 2. Ausg. 1834, 3 Bde.; F. von Smitt, Geschichte des polnischen Aufstandes u. Krieges 1830–31, Berl. 1833, 2 Bde.; R. Soltyk, La Pologne, précis historique, politique et militaire de sa révolution, Par. 1833, 2 Bde. (deutsch Stuttg. 1833, 2 Bde.); Brzozowski, La guerre de Pologne en 1831, Lpz. 1833.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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