Marokko

Marokko

Marokko (arabisch, Maghrib-el-Aksa, d. h. der äußerste Westen; der Name M. ist entstanden im 16. Jahrh. durch die Portugiesen u. Spanier aus dem arabischen Marrâkesch der Hauptstadt des Landes), 1) Sultanat im Nordwesten Afrika's; grenzt nördlich an das Mittelmeer, westlich an den Atlantischen Ocean, südlich an die Sahara, östlich an Algerien u. nimmt einen Flächenraum von etwa 13,500 QM. ein, von welchem Areal jedoch ein großer od. selbst der größere Theil Besitz einer tributären Bevölkerung ist, welche sich zu allen Zeiten in Unabhängigkeit erhalten haben. Die Küstenlänge beträgt zusammen 180 Mln., von denen 116 auf das Atlantische, 84 auf das Mittelmeer kommen. Im Ganzen ist das Land, mit Ausnahme der Küstengebiete, noch wenig erforscht. Im Innern fast durchaus gebirgig; indem der Atlas mit seinen Gliedern in nordöstlicher Richtung das ganze Land durchzieht u. hier seine höchsten, mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel hat, tritt im Norden die Gebirgsformation mit dem Riff bis unmittelbar an das Meer heran u. nur an der Westküste ist dem Hochlande ein bald mehr, bald minder breiter Küstensaum vorgelagert, welcher mit dem Lande im Süden des Atlas das einzige Tiefland M-s bildet. M. ist ungemein reich an Flüssen u. Bächen, welche im Allgemeinen den Charakter der Gebirgsströme tragen, indem sie bald ungemein wasserreich, bald fast völlig trocken sind; kein einziger Fluß ist schiffbar, da sie sämmtlich an den Mündungen versandet sind; in das Mittelmeer mündet der Mulvia, Garet, Nakor, Râsen, in das Atlantische Meer Sebu, Umm-er-Rebia, Tensift, Sus, Run u. Dra, Maghagha, Lukkos, Bu Regreg; sudwärts fließen der Ziz u. Gir u. münden im südöstlichen Theile des Landes in Salzseen. Außer diesen Salzseen hat M. nur einige Seen, wie den großen Ed Debaïa. Das Klima des Landes ist eins der schönsten auf Erden, selbst in den niederen Küstenstrichen an der Westküste gemäßigt u. nur im Süden des Atlas durch die Winde aus der Sahara bisweilen unerträglich heiß; es gibt nur zwei Jahreszeiten, eine trockene u. eine nasse, die letztere vom October bis März. Mit wenigen Ausnahmen ist der Boden sehr fruchtbar, u. einige Striche des Innern nördlich vom Atlas, der südlichste Theil des Reichs in der Sahara u. der hierher gehörende Theil der mit Algerien gemeinschaftlichen Wüste Augad sind nackte, pflanzenlose Wüsten, selbst der Atlas ist zum großen Theile mit großen Urwaldungen bedeckt, bestehend aus Pinien, Thuyen, Cedern, Alepposichten, Lärchen, Pistazien, Stein- u. Korkeichen, Wallnußbäumen, Buchsbaum, Weihrauchbäumen u. im Süden der Arganbaum, der ein vortreffliches Öl liefert. In den Niederungen sind dagegen Wälder eine Seltenheit. An Getreide u. Hülsenfrüchten gibt es Durrah, Mais, Reis, Bohnen, Erbsen, Sesam; Südfrüchte, Mandeln u. Datteln bilden eine Hauptquelle des Reichthums des Landes; Wein, Tabak, Hanf, Baumwolle, Hennah wächst wild u. cultivirt, ebenso im Süden Indigo, Orseille, Trüffeln etc. Es gibt vortreffliche Pferde, Schafe, Rindvieh, Ziegen, Maulthiere u. Esel (auch wild), Affen, Wildschweine, Antilopen u. Strauße, wilde Büffel, Hyänen, Löwen, Luchse; sehr viel Bienen, großen Reichthum an Fischen, sowohl in den Flüssen als an der Seeküste; häufig aber treten auch Heuschrecken als Landplage auf. Das Mineralreich bietet Eisen, Kupfer, Blei, Silber u. Gold, doch ist die Ausbeute nur gering; Schwefel wird ganz im Süden nahe an der Küste, Steinsalz im Innern, Seesalz an der ganzen Meeresküste, Salpeter bei der Hauptstadt, vortreffliche Walkerde an mehren Orten gewonnen. Die Bevölkerung schätzt man auf 81/2 Millionen; davon sind ein großer Theil Araber (über 4 Mill. u. zwar zum größeren Theile Mauren, zum kleinern Theile Beduinen); gegen 33/4 Mill. Berbern, wovon 21/4 Mill. Amazirghen u. Tuariks, 11/2 Mill. Schilluks (im Süden) sind, über 1/2 Mill. Juden u. vielleicht 150–200,000 Neger, meist Sklaven; die Zahl der Europäer ist sehr gering. Die Ureinwohner scheinen die Amazirghen u. Schilluks gewesen zu sein; diese haben sich auch ihre eigene Sprache zu erhalten gewußt, im Übrigen ist die herrschende Sprache die Arabische, wenn auch in vielerlei Dialekten; herrschende Religion ist die Muhammedanische, u. die Einw. sind höchst fanatisch; Hauptbeschäftigungen sind Ackerbau u. Viehzucht, nächst dem Handel u. dem Betrieb einiger Gewerbe, aber die letzten stehen ebenso wie der Ackerbau im Ganzen auf sehr niedriger Stufe, da der Despotismus der Regierung u. der Mangel persönlicher Sicherheit jeden Fortschritt hemmen. Gleichwohl gibt es einige Industriezweige, welche sich aus älterer Zeit her in bemerkenswerther Höhe erhalten haben; so die Fabrikation der berühmten rothen Fezze (zu Fez), Leibgürtel von Seide u. golddurchwirkt, rothe, gelbe u. grüne Leder aus Ziegenfellen (Maroquin u. Safian), sowie überhaupt durchgängig vorzügliche Gerbereien, allerlei Gegenstände aus Ziegenhaaren, Teppiche, wollene Burnus, Töpferwaaren, Seife, Erzarbeiten u.a. Der Ackerbau bringt vorzüglich Weizen, Durrah (mit mehr als 200sältigem Ertrage u. 2–3 Ernten im Jahr), Mais, Reis, Bohnen, Erbsen u. andere Hülsenfrüchte, wird jedoch nur eben für das eigene Consum des Landes betrieben; die Viehzucht beschäftigt sich hauptsächlich mit Rindvieh, Eseln, Maulthieren, Pferden, Ziegen, Schafen u. Kameelen, u. die Bienenzucht liefert ungeheure Mengen von Wachs u. Honig. Der Handel ist nicht unbeträchtlich, sowohl zu Lande mit dem Sudan, als zur See mit Europa u. der Levante, u. hat bes. in neuerer Zeit sehr gewonnen, seitdem die Regierung viele Ausfuhrverbote modificirt u. theilweise ganz aufgehoben hat. Im Sudan, wohin alljährlich sechs Karavanen gehen, werden Salz, Tabak, Waffen u.a. Erzeugnisse gegen Elfenbein, Weihrauch, Goldstaub, Straußfedern, Gummicopal, Baumwolle, Cardamom, Assa fötida, Indigo u. Sklaven vertauscht; der Handel zur See wird hauptsächlich durch die Häfen zu Tanger, Salé mit Rabbat u. Mogador vermittelt u. außer den Sudanwaaren werden auch Landeserzeugnisse in Menge ausgeführt, die Einfuhr besteht bes. in weißen baumwollenen Stoffen, Leinwand, Tuch, Seidenwaaren, Colonialwaaren, Arzneimittel, Specereien, eisernen u. kupfernen Geräthschaften, Porzellan- u. Glaswaaren u. hauptsächlich auch in geprägtem Gelde. Die geistige Entwickelung der Bevölkerung ist eine sehr niedere; in den Schulen wird nur mechanisch Lesen u. Schreiben, sowie das Unentbehrlichste aus dem Koran gelehrt. Die Regierungsform ist unumschränkt despotisch; an der Spitze des Staates steht der Sultan (Kaiser)[910] , welcher vorzugsweiseden Titel Emir-al-Mume-nin, d. h. Beherrscher der Rechtgläubigen, führt u. zugleich geistliches Oberhaupt ist. Die Regierung ist in der männlichen Nachkommenschaft des Sultan erblich, ohne Erstgeburtsrecht, so daß fast bei jedem Regentenwechsel Thronstreitigkeiten u. Bürgerkriege entstehen. Wo der Sultan residirt, da verwaltet er die Rechtspflege selbst u. ertheilt zu dem Zwecke häufig öffentliche Audienzen; einziges Gesetzbuch ist der Koran; die Strafen werden willkürlich verhängt u. sind meist sehr hart. Die Staatseinkünfte bestehen in directen u. indirecten Steuern, der Judensteuer, Zehnten, Zöllen, Geschenken etc. u. werden auf 8–10 Millionen Gulden veranschlagt; die Ausgaben sind viel geringer, u. der Überschuß kommt in die kaiserliche Schatzkammer zu Mequinez. Die bewaffnete Macht besteht im Frieden aus 36,000 Mann, wovon 10,000 Mann die kaiserliche Leibwache od. die Bukhari bilden; in Kriegszeiten werden alle waffenfähigen Männer unter die Waffen gerufen; die Festungen, deren man 24 zählt, sind in schlechtem Zustande, die bedeutendsten sind Mogador, Assi, Mazagan, Azamor, Nabal u. Salé; die Flotte ist seit dem Aufgeben des Seeraubes mehr u. mehr verfallen u. besteht nur aus einigen kleinen Fahrzeugen; die Flagge ist die türkische, aber ohne Halbmond. Behufs der Verwaltung ist das Land nördlich vom Atlas in 28 Provinzen von sehr verschiedenem Umfange getheilt, jeder stehtein Gouverneur (Kaide) vor; im Süden des Atlas liegen außerdem die Provinzen Tafilelt, Daraa, Guzzula, El Gharib u. Adrar; die Territorialabtheilung bei den freien Berbervölkern beruht nur auf der räumlichen Verbreitung der einzelnen Stämme, u. jeder Stamm steht unter einem selbstgewählten Scheich. Die sonst wohl übliche Eintheilung in die ursprünglich selbständigen Reiche, Fez, Marokko, Sus etc. ist im Lande selbst völlig unbekannt. Hauptstädte des Reiches sind Marokko u. Fez (Fâs). An der Küste besitzen die Spanier seit mehrern Jahrhunderten vier feste Plätze, die sogenannten Presidios, Ceuta, Peñon di Velez, Alhuzemas u. Melila, welche den Spaniern als Verbannungsorte dienen. Münzen, Maße u. Gewichte. M. u. Fez rechnen gewöhnlich nach Mitskals (Metikals) zu 10 Ukkien (Unzen) à 24 F'lus (im Singular Fels) im Werth von 13,96125 Mitskals = 1 seine Mark od. 1 Mitskal = 1 Thlr. 2 Sgr. 17/8 Pf.; geprägte Münzen a) in Gold: Dublonen zu 10 spanischen Piaster; Bu-t'ki od. Butaca zu 2 spanischen Piastern; der Metbu'o od. Goldducaten zu 11/2 Piaster; der Nusf zu 1/2 Piaster; b) in Silber: der Rial, runde u. viereckige, = 1 spanischer Piaster; die Ukkia od. Unze (Rial emtà sidi Emhhammed, Piaster Sidi Mohammeds) gilt 4 Musunen, 131/2 Ukkien = 1 spanischer Piaster; c) in Kupfer: Kirat: die kleinste Kupfermünze, 4 Kirat = 1 Fels, 4 F'lus = 1 Vierer, 24 Vierer = 1 Musuna, 96 Musunen = 1 Ukkia; 1 Pfund Kupfer gibt gesetzlich 150 Ukkien, 14,400 F'lus u. 57,600 Kirat. Maße: Längenmaß der Dhra'à (Codo, Arm, Elle) à 8 Tomnien ist 571 Millimeter lang; 100 Dhra'à = 57,1 Meter; jedes fremde Längenmaß wird Cāla genannt; Fruchtmaß: der Mudd (Almuda) in halbe u. Viertel getheilt, wiegt 121 Kilogr., 4 Mudd = 1 Sahh od. 58 Liter, sonst sind auch Cahiz, Fanega u.a. spanische Maße gebräuchlich; Ölmaß: Cula od. Coula hat 22 Pfd. des großen Centners od. circa 15 Liter; Gewicht: der gewöhnliche Cantaro (Centner) hat 100 Artal (Rotal, Rotoli od. Pfund) = 50,8 Kilogramme; ein anderer Centner in Mogador wiegt 53,98 Kilogramme, ein Zollcentner für Wolle, Öl, Kupfer etc. hält 45, ao Kilogramme, der Chintar-el arub soll nur 75, ein großer Centner aber 125 Pfund wiegen. 2) Der mittlere Theil des Reiches, südlich vom Atlas, nördlich von Fez, westlich vom Atlantischen Ocean begrenzt; 3210 QM., mit 31/2 Million Ew., durchströmt von den Flüssen Tensif u. Umm-er-Rebia mit ihren Zuflüssen, ist in 10 Provinzen eingetheilt u. enthält die Hauptstadt des Reiches; 3) Hauptstadt des Reichs (bei den Einwohnern Marrakesch), in der Provinz Erhammena, auf einer 1406 Fuß hohen Ebene, 3 Stunden im Umfang, mit vielen Gärten u. Feldern innerhalb der 30 Fuß hohen, mit Thürmen versehenen Mauern, hat 19 Moscheen, darunter Kutubia mit einem 210 Fuß hohen Thurme, ein spanisches Mönchskloster, großen Bazar, Maroquinfabriken, Getreidemagazine, kaiserlichen Palast von Marmor, Gerichtspalast; lebhafter Handel u. 30,000 (nach Anderen 109,000) Ew., darunter 5000 Juden, die einen besonderen Stadttheil bewohnen. Im 12. Jahrh., wo die arabische Cultur in höchster Blüthe stand, soll M, 700,000 Ew. gezählt haben.

Die Stadt M. ward 1052 an der Stelle des alten Martok von Yusuf Abu Tessin, dem zweiten Herrscher der Dynastie der Almoraviden gegründet u. wurde die Hauptstadt von Mogreb, dem westlichen Theil der Berberei. Zu dem Reiche gehörte noch Sale, Tanger, Ceuta u.a. Plätze in Afrika; dazu eroberte Yusuf 1091 in Spanien Cordova, Sevilla u. Almeria u. ließ sich in seiner Herrschaft über die Araber in Spanien vom Khalifen in Bagdad bestätigen. Ihm folgte 1106–1140 sein Sohn Abul Hassan Ali, welcher Mohadi, das Haupt der Almohaden, der 1129 M. belagerte, zurückwarf. Unter seinem Sohn Tessin el Masmudi (1140–45) begannen schon die Streitigkeiten mit den Almohaden, u. unter seinem Bruder Ishak wurde 1146 M. von Abdul Mumen nach neunmonatlicher Belagerung eingenommen, Ishak enthauptet u. die Dynastie der Almoraviden gestürzt. Nun herrschten die Almohaden in M.; Abdul Mumen hatte schon vor der Eroberung M-s Tlemesan, Fez, Mekues u. Ceuta erobert; er trieb die zurückkehrenden Almoraviden zurück, nahm 1151 Bugia u. stürzte dort die Dynastie der Beni-Hamad, eroberte 1159 Mahadia u. andere Plätze von den Franken u. vertrieb dieselben gänzlich aus Afrika; er st. 1163. Sein Enkel Abu Yacub (1163–1184) erhielt 1171 Murcia, Valencia, Jaen u.a. Theile Spaniens u. lebte meist in Spanien; eine Empörung des Statthalters von Kassa rief ihn nach Afrika; darauf belagerte er Santara in Portugal u. st. dort 1184. Sein Sohn Almansur Abu Yusuf (1184–99) vertrieb den Almoraviden Ali von Majorca aus Bugia, Cabes u. Capsa, entriß den Spaniern das 1199 eroberte Algarbien u. nahm Toledo; 1196 machte er mit ihnen Frieden, um seine Macht gegen die aus der Wüste anrückenden Marabuts wenden zu können. Erst seinem Sohn Abdallah Muhammed gelang es, die von Ali u. den Marabuts erregten Unruhen zu unterdrücken; dieser st. 1214, u. nach ihm regierten noch 9 Könige aus der Dynastie der Almohaden bis 1269 (1273), wo Abud Abbas nach dreijähriger Regierung von Abu Yusuf Yacub, dem Sohn Abdul Hakims aus der[911] Dynastie der Meriniten vertrieben wurde. Schon dessen Bruder Abu Yahia Abubekr (st. 1258) hatte M. u. Fez besessen, nachdem Abdul Hakim, der Stifter dieser Dynastie, 1213 ganz Mogreb erobert hatte. Unter den Meriniten hörte M. auf Hauptstadt zu sein. Nach Abu Yusuf Yacub regierten noch 16 Könige aus dieser Dynastie, welche 1361 unter Abu Muhammed Abdul Hakim Abu Ali Omar von den Oatazen (Olassiten) gestürzt wurde.

Den Oatazen folgte im Anfang des 16. Jahrh. die Saaditen. Diese führten ihr Geschlecht zurück auf Mulei Mehemed, einen Fürsten der westlichen Araber aus dem Geschlecht des Propheten Muhammed, der mit seinem Stamm von den Plünderungen der jährlich von Fez, M. u. Tlemsan nach Mekka ziehenden Karawanen lebte, bis er nach Tafilelt u. die angrenzenden Wüsten vertrieben wurde. Von seinen Nachkommen gelangten Mehemed u. Ahmed, Sohn Muhammed Husseins, zu großem Ansehen am Hofe in Fez. Von dem, 1516 befestigten sezischen Statthaltersitz Tarudant aus machten sie 1519 dem König von M. das Anerbieten, die Portugiesen aus den Besitzungen in seinem Lande zu vertreiben. Von ihm an seinen Hof geladen, erdrosselten sie ihn bei der Audienz, u. Ahmed nahm hierauf sogleich den Namen eines Königs von Tarudant u. M. an u. wurde vom König von Fez gegen das Versprechen eines jährlichen Tributs anerkannt. Indeß brauchte er alsbald den Titel Scherif u. verweigerte als solcher den Tribut. Dadurch, daß er 1536 den Portugiesen Sta. Cruz abnahm, brachte er das Übergewicht in jener Gegend immer mehr auf seine Seite. Mit seinem Bruder Mehemed, welcher sich den Königstitel beilegte, führte er deshalb 1540 u. 1545 Kriege, wurde aber besiegt. Nun zog Mehemed gegen Fez; eroberte 1552 Fez, gewann nach u. nach auch die Nebengebiete von Fez u. M., nahm seinem Bruder Ahmed Tafilelt ab u. eroberte Tlemsan u. Velez. 1557 wurde Mehemed ermordet, u. ihm folgte sein Sohn Abdallah. Sein Reich umfaßte die beiden Mauretanien, den größten Theil von Numidien u. noch 14 andere Provinzen; er verschönerte M. durch Prachtgebäude, bes. durch das Theologische Collegium von 260 Zimmern, u. st. 1572. Sein Sohn Mulei Mehemed wurde von seinem Oheim Mulei Moloch vom Throne gestürzt; um den Neffen in sein Reich zurückzuführen, nahm sich dessen der König Sebastian von Portugal an u. zog mit 1000 Schiffen u. 15,000 Mannnach M., landete bei Algila, wurde aber in der Schlacht bei Alcacar-Quivir 4. Aug. 1578 gänzlich geschlagen; Sebastian verschwand in der Schlacht, Mulei Mehemed ertrank u. Mulei Moloch starb. Nun kam das Reich an Ahmed, Abdallahs dritten Bruder, unter welchem es seine größte Ausdehnung (angeblich bis Guinea) erhielt. Nach seinem Tode 1603 entbrannten innere Kämpfe wegen der Nachfolge, bis endlich Ahmeds ältester Sohn, Mulei Sidan, König von Fez, wieder Herr von ganz M. wurde. Unter ihm kamen die von Philipp III. 1610 aus Spanien vertriebenen Mauren nach M. u. bemächtigten sich, durch ihre, gegen die christlichen Schiffe gerichteten Seeräubereien immer reicher u. kühner gemacht, der Stadt u. des Castells Rabat, wo sie eine republikanische Verfassung einführten u. sich von den Niederländern u. Franzosen unterstützt gegen den König, trotz seiner englischen Hülfe, hielten. Auf Mulei Sidan folgte 1634 sein Sohn Abdul Moloch, welcher 1635 von seinem Günstling Kidri Kirum (Krom) el Hadschi ermordet wurde; Gleiches geschah nach zwei Monaten Abdul Meleks Bruder Luellud; diesem folgte sein Oheim Mulei Scheik u. diesem 1654 Mulei Labesch, welcher 1667 auch von Kirum ermordet wurde.

Mit Mulei Labesch erlosch die Dynastie der Saaditen, u. Kirum schwang sich nun selbst auf den Thron. Gegen ihn erhob sich aber Mulei Arschid aus Janbo u. stürzte ihn 1669, u. mit diesem beginnt die Dynastie der Aliden od. Hoseini u. seitdem führt M. den Titel eines Sultanats od. Kaiserthums. Sein Bruder Mulei Ismael (1672–1727) eroberte Tanger u. El-Araisch von den Spaniern, war aber ein Wütherich, welcher 5000 Menschen eigenhändig hinrichtete u. die ausgesuchtesten Martern gegen seine Opfer ersann; nicht Günstlinge, nicht seine Frauen (deren er nach u. nach 8000 hatte), nicht seine eignen Kinder waren vor seiner Grausamkeit sicher; er st. 1727, 825 Söhne u. 342 Töchter hinterlassend. Seine Söhne Achmed Déby u. Mulei Abdallah bekriegten sich um das Reich; Letzter siegte 1730 u. regierte fast eben so grausam wie sein Vater bis 1757; er wurde in dieser Zeit siebenmal abgesetzt u. zurückgerufen. Ihm folgte sein Sohn Mulei Sidi Muhammed, der gegen Frankreich, Spanien u. Portugal Krieg führte, milder gegen seine Unterthanen war u. europäische Cultur in M. einzuführen begann; nach seinem Tode 1789 entstanden sogleich neue Kriege über die Thronfolge unter seinen Söhnen. Mulei Soliman folgte 1794 seinem ältern Bruder Jezid u. behauptete sich gegen seine übrigen Brüder, welche Statthalter in den einzelnen Provinzen waren. Bei dem Einfall der Franzosen in Ägypten stellte er ein Contingent gegen dieselben; schickte aber später (1807) einen Gesandten an den kaiserlichen Hof nach Paris, lebte auch mit den Bourbons fortwährend in gutem Vernehmen u. st. 1822.

Sein Nachfolger war der Kaiser Mulei Abderrahman, ältester Sohn seines Bruders Mulei Hescham. Beim Antritt seiner Herrschaft war der Zustand des Landes kein günstiger; die fruchtbare Provinz Riff stand schon längere Zeit auf dem Punkte, die Herrschaft des Kaisers abzuschütteln; Sus u. Waderun im Süden waren bereits fast unabhängig; in Fez überragte die religiöse Bedeutung der Marabuts bei weitem die politische Macht des weltlichen Herrschers. Überhaupt herrschte religiöser Fanatismus u. gegen die Fremden Haß; Handel u. Wohlstand des Landes standen auf sehr niedriger Stufe. Hinsichtlich seines Verhältnisses zu den civilisirten Staaten hatte der Kaiser möglichst allen Anstoß zu vermeiden gewußt, insgeheim jedoch hatte er Abdel Kader in Algier mehrfach gegen die Franzosen unterstützt u. auch bereits 1830 versucht, sich eines Theiles der Provinz Oran zu bemächtigen.1844 kam der Kaiser in einen schweren Conflict mit den europäischen Seemächten: der spanische Consularagent Darmon war, weil er einen Marrokkaner auf der Jagd verwundet hatte, trotz der Intervention des sardinischen Consularagenten, auf Befehl des Gouverneurs von Massagran ent. hauptet worden. Auf eine Satisfactionsforderung der zu Tanger residirenden auswärtigen Consuln vom 11. Febr. 1844 antwortete der Kaiser mit der Zusammenziehung eines Beobachtungsheeres von 5–6000 Mann bei Ceuta. Europäischer Seits stand Sardinien von der Verfolgung seiner Forderung ab, Spanien dagegen sandte eine Dampffregatte mit einer Gesandtschaft nach Tanger ah, die nun die[912] förmlichste Genugthuung fordern sollte, ließ es aber, aus Rücksicht auf England u. Frankreich, nicht bis zum Äußersten kommen u. nahm endlich die Vermittlung Englands an. Inzwischen waren auch die Franzosen, mit denen wieder Grenzstreitigkeiten entstanden waren, näher an das marokkanische Gebiet gerückt, um die Grenzen von Algier gegen Abdel Kader zu schützen. M. sandte den Prinzen El Mimun in die Grenzprovinz Uschda, um sich dort mit Abdel Kader zu vereinigen u. den Franzosen sich entgegenzustellen, welche in einem befestigten Lager nahe bei Uschda standen. Die Marokkaner, etwa 15,000 Mann stark bei Uschda versammelt, stellten die Forderung der Gebietserweiterung bis zur Tafna. Bei einer am 15. Juni am Mullah zwischen dem Kaid von Uschda u. dem französischen General Bedeau abgehaltenen Unterredung brach die marokkanische Reiterei gegen die französischen Reihen los, worauf sich ein Gefecht entspann, welches, da sich die Franzosen durch die Truppen Bugeauds verstärkt hatten, mit einer Niederlage der Marokkaner endete, die sich nach Uschda zurückzogen. Bugeaud verfolgte seinen Sieg bis nach Uschda, besetzte diese Stadt am 19. Juni u. drang dann bis an den Isly vor. Inzwischen erhielt Prinz Joinville den Befehl, mit einer Kriegsflotte vor Tauger unter Segel zu gehen. Da die Unterhandlungen Anfangs August zu keinem Ziele geführt hatte, begann am 6. Aug. die Beschießung von Tanger, brachte nach fünfstündigem Bombardement sämmtliche Batterien des Platzes zum Schweigen u. setzte die drei Küstenbatterien u. alle Werke der Festung außer Vertheidigung. Darauf richtete er seinen Lauf gegen Mogador, welches er am 15. August zu bombardiren begann; die vor dem Hafen liegende Insel wurde bis zum Abend genommen; am 16. wurden 500 Mann gelandet, welche Alles in der Festung vernichteten, was zu einem weiteren Angriff Härte dienen können; die Stadt selbst wurde von den Kabylen in Brand gesteckt. Inzwischen ging Bugeaud am 14. August über den Isly u. schlug an diesem Flusse den weit überlegenen Feind, dessen Lager mit sämmtlicher Artillerie, allen Vorräthen, den Zelten des Prinzen, welcher die Marokkaner commandirte, erobert ward. Da die Marokkaner nach der Schlacht am Isly die Verfolgungen gegen die Christen fortsetzten u. am 24. August die Insel vor Mogador wieder zu erobern suchten, eröffneten die französischen Schiffe wieder ein Feuer gegen die Stadt. Auf Veranlassung Englands, gegen dessen Interesse die Besetzung M-s durch Frankreich war, bot endlich der Kaiser von M. den Frieden an, welcher unter Vermittlung des englischen Gesandten Bulwer am 10. September in Tanger unter folgenden Bedingungen geschlossen wurde: der Kaiser von M. zieht seine Truppen von der Grenze zurück u. hält daselbst, künftig nicht mehr als 2000 Mann. Abdel Kader wird außer dem Gesetz erklärt u. an Frankreich ausgeliefert, wenn er in die Hände der marokkanischen Regierung fällt, wogegen Frankreich versprach, Mogador u. Uschda zu räumen. Die Ratification wurde so lange vorbehalten, von die Grenze genau bestimmt sein wurde, wozu Commissäre ernannt wurden. Gleichzeitig war auch durch Englands Vermittlung Friede mit Spanien, mit welchem Lande der Krieg inzwischen wieder ausgebrochen war, der sich aber auf die Blockade der Hafen beschränkt hatte, geschlossen worden, welcher am 4. September in Madrid ratificirt wurde; der Sultan hatte alle von Spannien gestellten Bedingungen angenommen, die Bestrafung des Gouverneurs von Massagran, eine Entschädigung für die Familie des Hingerichteten Darmon u. endlich die Einräumung eines bisher streitigen Gebietes in der Nähe von Ceuta. Kurz darauf endlich wurde der Sultan durch englische u. französische Vermittlung auch dahin gebracht, auf den Tribut, welchen Schweden u. Dänemark früher an den Sultan entrichteten u. welche jetzt die Bedrängniß desselben benutzt u. Kriegsschiffe an die marokkanische Küste gesendet hatten, gänzlich zu verzichten, worauf die Consuln beider Staaten am 14. Febr. 1845 nach Tanger zurückkehrten; unterzeichnet wurde die Übereinkunft am 5. April. Nach langen Streitigkeiten wegen der Regulirung der marokkanisch-französischen Grenze in Algier wurde dieser Handel m französischem Sinne beendigt u. der Friede am 10. Sept. 1844 ratificirt.

Als Abdel Kader nun 1845 die algierischen Stämme nach M. übersiedeln u. durch sie daselbst von Neuem zu dem heiligen Kriege auffordern wollte, die Franzosen aber erklärten, daß sie den Emir auch auf marokkanischem Gebiete verfolgen würden, sah sich der Kaiser genöthigt, die bereits gegen Abdel Kader aufgebotenen Truppen noch zu verstärken. Aber die Stämme an der französischen Grenze blieben Anhänger des Emirs u. in beständiger Unruhe, u. der Kaiser war völlig außer Stande, dieselben im Gehorsam zu. erhalten. Abdel Kader lehrte sich 1846 sogar feindlich gegen M. selbst, indem er auf, die Stadt Uschda einen Angriff versuchte; dieser wurde zwar von dem Kaid zurückgeschlagen, aber als Prinz Mulei Soliman der Stadt zu Hülse eilen wollte, weigerten sich seine Truppen gegen Abdel Kader zu marschiren. Überhaupt wurde der Einfluß des Emirs in M. so besorgnißerregend für den Kaiser, daß dieser nun auch Frankreichs Unterstützung, gegen jenen anrief. Im Jahre 1847 machten alle Grenzprovinzen vom Riff bis an die Wüste auf Geheiß Abdel Kaders gegen den Kaiser Aufruhr; das gegen sie ausgesendete kaiserliche Heer unter Kaid El Hamar ward am 14. u. 15 Juni wiederholt geschlagen, dann das marokkanische Lager überfallen u. verbrannt, der Kaid aber enthauptet. Nachdem der Kaiser ein neues Truppencorps gegen den Emir ausgeboten hatte, traf im September auch Frankreich ernstliche Anstalten zu einer nachdrücklichen Intervention in M. Die mächtigen Stämme der Beni-Amer u. der Haschem wurden von Sidi-Mohammed bei Fez überfallen u. ihre waffenfähige Mannschaft niedergemacht, Abdel Kaders Deira im Riff angegriffen u. er selbst bis nach Ain Zohra zurückgedrängt, so daß er die Provinz, Riff, in welcher er sich 2 Jahre gehalten hatte, räumen mußte. Der Kaiser selbst unterwarf inzwischen alle aufrührerischen Grenzstämme, u. gegen Ende des Jahres 1847 war Abdel Kader von den, französischen Truppen u. dem Heere des Kaisers so eng eingeschlossen, daß er sich den Franzosen ergab, s. Algier (Gesch.) IV. Erst mit diesem Ereigniß war M. auf einige Zeit die Ruhe nach Außen, wenigstens wiedergegeben.

Eine neue Differenz mit Frankreichs erhob sich im Jahre 1849 wieder, zunächst wegen mehrer dem französischen Geschäftsträger Roche zugefügten u. Beleidigungen u. dann wegen Gefangennehmung u. Mißhandlung eines französischen Couriers. Im [913] October war die Spannung bereits so bedeutend geworden, daß der französische Geschäftsträger alle Verhandlungen mit der marokkanischen Regierung abbrach u. der Consul das Land verließ, worauf, als nach einigen fruchtlosen Verhandlungen Frankreich Ernst zeigte, M. nachgab u. Genugthuung gewährte, so daß gegen Ende des Jahres die Streitigkeiten völlig beigelegt waren. Zu Anfang des Jahres 1850 war in Folge einer ungewöhnlichen Dürre eine Hungersnoth eingetreten, welche von einem gänzlichen Stocken des Handels begleitet war. Später gab ein den monopolisirten Handel mit Häuten betreffendes Decret des Kaisers Veranlassung zu einem weitverbreiteten Aufstand im Innern. Auch machte ein Neffe des Kaisers einen Aufstand, um die Herrschaft an sich zu reißen. Als der Kaiser bei diesen mißlichen Umständen keine Steuern aus dem Lande beitreiben konnte, entschädigte er sich durch die Confiscation der Güter der Reichen, wie er es denn mit den Gütern des verstorbenen Gouverneurs von Tanger u. mit denen des, ohne allen Grund verhafteten Pascha von Tetuan, damals Gesandten in Paris, machte. Kaum waren diese Unruhe unterdrückt, als neue Mißhelligkeiten mit Frankreich ausbrachen. Es hatte sich seit längerer Zeit Stoff dazu angesammelt, bes. in Folge der seit 1844 getroffenen Einrichtung, daß die diplomatischen Agenten europäischer Mächtenicht in Fez, der Residenz des Sultans, sondern nur in Tanger wohnen dürfen u. nur mittelbar durch den Pascha von Tanger mit dem Sultan u. seiner Regierung verkehren können. Die Engländer haben auch hierdas meiste Hadelsinteresse u. sind daher die natürlichen Verbündeten der Regierung von M., in soweit es daraus ankommt, den Einfluß der übrigen Europäer zu beschränken. Ein französischer Gesandtschaftsbote war verhaftet u. trotz des Einspruchs von Seiten der französischen Gesandtschaft im Gefängnisse ermordet worden; dazu kamenandere Fälle von Mißhandlung, Beraubung u. Ermordung von Christen, welche Frankreich zu beschützen hatte. Die Regierung von M. kieß einen dabei betheiligten Juden bestrafen, erklärte aber für unzulässig, daß ein Maure wegen eines Christen in Strafe genommen werde. Zu Anfang April 1851 war noch eine französische Brigg im Hafen von Sale (Slah) unter den Augen der Behörden ausgeplündert worden, ohne daß sich der Kaiser zu irgend einer Genugthuung verstehen wollte. Die französische Regierung sandte, um ihn nachgiebiger zu machen, ein Linienschiff u. zwei Fregatten, welche am 25. Nov. 1851 vor Sale anlangten u. am 26. Nov. Sale großentheils in Trümmer schossen, worauf der französische Gesandte am Bord eines Linienschiffes nach Tanger reiste u. dort von dem Pascha Befriedigung der französischen Forderungen erlangte. Der Sultan bestätigte die Zugeständnisse seines Paschas u. räumte schließlich dem französischen Gesandten zu Tanger das Recht, ein, unmittelbar mit dem marokkanischen Hofe zu Fez zu verkehren. Im Ganzen wurde aber dadurch in den Verhältnissen zu den Europäern nichts gebessert. An Verträgen aller Art mit den europäischen Mächten fehlte es keineswegs, aber sie wurden nicht gehalten, u. Engländer u. Spanier hatten fortwährend Veranlassung, eine Entscheidung durch die Waffen zu wünschen, wenn die dadurch zu erzielenden Vortheile im richtigen Verhältnisse zu den damit verbundenen Opfern standen. Auch wußte man, daß die Regierung, selbst wenn sie besseren Willen gehabt hätte, oftmals nicht die Macht hatte, Abhülfe zu gewähren. Die Bevölkerung besteht aus mehr od. weniger unabhängigen Stämmen, u. die Regierungstruppen sind fortwährend in Bewegung, um Steuern u. Abgaben einzutreiben. Der Handel mit dem Auslande wird durch Monopole u. Zölle erschwert u. verhindert, derjenige im Innern siecht aus Mangel an öffentlicher Sicherheit. Der Werth der Ausfuhr betrug z.B. 1850 nur 8,384,000 Franken, der der Einfuhr 9,114,000 Franken, wobei England allein mit fast 3/4 betheiligt war. Die Nachbarschaft Frankreichs vermittelst des Algiergebietes hat an der Grenze etwas geordnetere Zustände zur Folge gehabt. Am 24. Juni 1852 schlugen u. zerstreuten die Franzosen unter Anführung des Generals Montauban den Stamm der Beni-Suassen, welche von M aus oft die französische Provinz Oran beunruhigt hatten. Im Aug. 1853 wurde auch eine Zolllinie zwischen M. u. Algier errichtet, welche, von Truppen bewacht, zugleich die Grenzstämme in Achtung erhält u. den Verkehr, welcher bis dahin nur zur See erlaubt war, zu Lande erleichtert. Die europäische Diplomatie bemühte sich, die Regierung zu Maßregeln zur Beförderung des Handels zu vermögen, allein der einzige Erfolg bestand in einer geringen Herabsetzung der Zollsätze auf Öl, Wolle u. Häute in Mogador, wo noch der meiste Handel mit Europäern getrieben wurde. Auch versprach der Kaiser bes. auf Englands Antrag, Sorge für das gute Benehmen der Riffbewohner.

Das Riff, d. h. Küstengürtel, ist eine zum Marokkanischen Reiche gehörige Küstenstrecke am Mittelmeere, etwa 57 Meilen lang u. 8 Meilen breit, der Küste von Andalusien gegenüber u. von Spanien nur durch einen schmalen Meeresarm getrennt. Die Bewohner dieses gebirgigen, im Innern noch nicht erforschten Landessind mit den Berbern od. Kabylen im Algiergebiet, den Tuaregs in der großen Wüste u. den Schellöchen im übrigen M. stammverwandt u. gehören zu den Amazirghen, welche die Oberherrschaft des Sultans von M. immer nur scheinbar anerkannt haben. Innerhalb dieses Riffs hat Spanien seit Jahrhunderten die sogenannten Presidios, d. h. einige kleine Festungen theils auf Inseln, theil auf dem Festlande behauptet, nämlich Ceuta, Peñon di Velez de Gomera, Alhucemas u. Melila, welche fortwährend von den seeräuberischen Riffbewohnern eng eingeschlossen wurden. Im Aug. 1856 wolltedie Bemannung der preußischen Corvette Danzig unter Befehl des Prinzen Adalbert an der Riffküste ans Land steigen, wurde aber aus einem Hinterhalte mit Flintenschüssen empfangen u. mußte, nachdem von 65 Mann 7 geblieben u. 18 verwundet worden waren, der Übermacht der Seeräuber weichen. Durch diesen Erfolg ermuthigt, griffen die Riffbewohner am 9. September 1856 die spanische Feste Melila an, wurden jedoch zurückgeschlagen. Um dieselbe Zeit hatte die Regierung von M. an die französische 35,000 franz. Francs Entschädigung für ein französisches Schiff ausgezahlt, welches die Riffbewohner im Jahre 1855 beraubt hatten. Die fortwährenden Schwankungen in der Zoll- u. Handelsgesetzgebung veranlaßten die Engländer auf den Abschluß eines neuen Vertrages zu Gunsten des englischen Handels zu drängen, welcher am 9. December 1856 abgeschlossen wurde u. am 10. April 1857 in Kraft trat. Danach sind Handel u. Verkehr zwischen beiden Ländern gegenseitig erlaubt u.[914] 10 Procent des Werthes der eingeführten Waaren als höchster Zollsatz festgestellt. In Mogador u. Mazagan war der Handel fast ganz in englischen Händen; der französische hatte sich daneben etwas gehoben, der mit Spanien, Belgien, Holland, Österreich u. Deutschland war ohne Bedeutung. Im Jahre 1857 ließ der alte Kaiser bekannt machen, daß er zum Nachfolger seinen ältesten Sohn Sidy Mohammed, Statthalter von Tafilelt, bestimmt habe. Im folgenden Jahre kostete ihn die Unterdrückung einer bedeutenden Empörung große Opfer. Im August 1859 starb Sultan Abderahman.

Sidy Mohammed wurde in allen Theilen des Reiches als Nachfolger ausgerufen u. behauptete sich anch, jedoch nicht ohne blutige Kämpfe, gegen seine zahlreichen Nebenbuhler. Die Riffbewohner benutzten die Zeit der Unruhen zu Anfang Septembers zu einem Raubzuge ins Algiergebiet hinein, wo sie aber von den Franzosen, u. zu einem Angriff auf die spanischen Besitzungen in Nordafrika, wo sie von Ceuta aus zurückgeworfen wurden. Während die französische Regierung sich mit der Züchtigung der angreifenden Stämme begnügte u. im November zwei Festungsthürme am Tetuanflusse, von wo aus auf Franzosen gefeuert worden war, zusammenschoß, aber dessen ungeachtet die freundschaftlichen Beziehungen zur Regierung von M. nicht unterbrach; verlangte dagegen Spanien von der marokkanischen Regierung Genugthuung u. Entschädigung für eine Reihe von Unbilden, namentlich die Abtretung eines Gebietes zur Sicherstellung seiner afrikanischen Besitzungen, u. erklärte am 22. Oct. nach fruchtlosen Verhandlungen den Krieg (Rundschreiben der spanischen Regierung vom 29. Oct. 1859), nachdem die Bedenken, welche in England wegen der Sicherheit Gibraltars auftauchten, mit der Zusicherung beschwichtigt worden waren, daß Spanien die bestehenden Rechte u. Interessen aller Völker achten u. keinen Punkt auf der afrikanischen Küste dauernd besetzen werde, dessen Besitz den Spaniern eine gefährliche Überlegenheit für die freie Beschiffung des Mittelmeeres geben würde. General O'Donell erhielt den Oberbefehl über die spanische Heeresmacht, welche zu Anfang Decembers den Krieg begann, anfänglich von den Mauren heftig angegriffen, bald aber siegreich ins Innere vordringend. Das ganze Heer der Spanier bestand aus 35–40,000 Mann zu Fuß, 2000 Pferden u. 150 Geschützen. Auf Seite der Marokkaner eilten die Kabylen u. Mauren der Ebene, ungefähr 60,000 Reiter, herbei u. fochten mit dem größten religiösen Fanatismus. Nach einer fast ununterbrochenen Reihe kleiner, höchst blutiger Gefechte wurde die Stadt Tetuan in Folge einer am 4. Febr. 1860 gewonnenen Schlacht von den Spaniern besetzt, u. nach einer letzten am 23. März westlich von Tetuan geschlagenen Schlacht, baten die Marokkaner um einen Waffenstillstand, welcher schnell zum Frieden führte, da Sidy Mohammed wegen der Unruhe im Innern denselben dringend wünschte. Als Friedensbedingungen wurden festgesetzt: M. überläßt an Spanien das ganze Gebiet vom Meere bis zur Schlucht von Unghera, sowie das, welches zu Santa Cruz am Ocean nöthig sein wird; es bezahlt an Spanien eine Entschädigung von 20 Mill. Piastern (ungefähr 100 Mill. franz. Franken) u. die Stadt Tetuan bleibt bis zur vollständigen Bezahlung dieser Summe in den Händen der Spanier. Ein Handelsvertrag stellt die Spanier der begünstigsten Nation gleich; die Regierung von M. erlaubt den Aufenthalt eines spanischen Repräsentanten u. die Errichtung eines Missionshauses in Fez. Der Werth des abgetretenen Gebietes wurde auf 300 Mill. Realen geschätzt. Auf dieser Grundlage wurde der Friede am 26. April endgiltig abgefaßt u. von den beiderseitigen Bevollmächtigten unterzeichnet. Die Spanier hatten 18,000 Mann verloren, davon 12,000 durch die Cholera.

Vgl. S. Ockley, Account of South. West-Barbary, the territories of the king of Fez and Marocco, Lond, 1713 (deutsch Hamb. 1717); W. Braithwaite, History of the revolutions in the empire of Marocco upon the death of the last emperour Muley Ismael, Lond. 1729 (deutsch Hamb. 1730); Boulet, Histoire de l'empire de Cherifs en Afrique etc., Par. 1733; G. Hoest, Efterretninger om Marokos og Fes, Kopenh. 1779 (deutsch von Süßmilch, ebd. 1781); Höst, Nachrichten von M. u. Fes, im Lande selbst gesammelt, 1760–1768, aus dem Dänischen, Kopenh. 1781; Grey Jackson, An account of the empire of Marocco, 3. Ausg., Lond. 1814; L. Chenier, Recherches historiques sur les Maures et histoire de l'empire de Maroc, Par. 1787, 3 Bde. (deutsch im Auszuge, Leipz. 1788); F. v. Dombay, Geschichte der Sherifen od. der Könige des jetzt regierenden Hauses von M., Wien 1801; Beauclerk, Journey to Marocco, Lond. 1828: I. Gråberg von Hemsö, Das Sultanat Mogh' rib ul Aksa od. Kaiserreich M., deutsch von A. Reumont, Stuttg. 1893; Calderon, Quadro geografico estadistico, historico, politico del imperio de Marrueccos, Madrid 1844; Augustin, M. in seinen geographischen, historischen, religiösen, politischen, militärischen u. gesellschaftlichen Zuständen, Pesth 1845; Renou, Description géographique de l'empire de Maroc, Par. 1848; Xav. Durrieu, The present state of M. (von 1843), Lond. 1854; Kiepert, Karte vom nördlichen Theile des Sultanats M., 1860; James Richardson, Travels in M., Lond. 1859, Berl. 1860, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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