Christus

Christus

Christus (d. i. Gesalbter), der griechische, mit dem hebräischen Messias gleichbedeutende Bei- u. Ehrenname Jesu, des Stifters der christlichen Religion. I. Die Geschichte seines Lebens u. Wirkens nach den historischen Büchern des N. T.: A) Abstammung u. Geburt. Er gehörte zu einer jüdischen Familie, die ihr Geschlecht bis auf David (daher Davids Sohn) zurückführte u. aus Bethlehem stammte, aber damals so arm war, daß sie nicht einmal ein Erbgut besaß; sie wohnte in Nazareth (daher der Nazarener). Seine Mutter, Maria, war die Verlobte eines Zimmermannes Joseph; daß sie durch die Wirkung des Heiligen Geistes Mutter des Weltheilandes werden würde, war ihr durch Engel vorhergesagt (Mariä Verkündigung). Vor ihrer Niederkunft ging Joseph mit ihr nach Bethlehem, um dort, als Davidscher Abkömmling sich der allgemeinen Volkszählung zu stellen, welche Augustus durch das ganze Römische Reich befohlen halte. Und während ihrer Anwesenheit in Bethlehem wurde ihr ein Sohn geboren, den sie, in einem Chan herbergend, in eine Krippe legte. Das Jahr der Geburt ist ungewiß (s. u. Jahresrechnung), gewöhnlich wird 750 nach Erbauung Roms, also etwa 3 Jahre vor unserer Zeitrechnung angenommen. Noch ungewisser ist der Tag; früher wurde der 6. Jan., seit dem 4. Jahrh. wird der 25. Dec. angenommen u. zur Erinnerung daran das Weihnachtsfest (s.d.) gefeiert. Die Geburt des Kindes, zugleich mit seiner einstigen Messiasbestimmung, wurde (nach Lukas), den bei Bethlehem weidenden Hirten in der Nacht durch Engelserscheinungen verkündigt, weshalb diese auch in das Haus gingen u. den neugeborenen Messias begrüßten. Nach 8 Tagen wurde das Kind nach Volkes Sitte beschnitten u. ihm der Name Jesus (eigentlich Josua, einer der herrlichen Nationalnamen, welcher Heiland, Retter bedeutet) gegeben. Nach 33 Tagen wurde er zu Jerusalem in den Tempel gebracht (Darstellung Christi, Mariä Reinigung), wo der greise Simeon ihn auf seine Arme nahm u. sich glücklich prieß, daß er den Heiland vor seinem Tode noch gesehen hatte. B) Jugendzeit. Bald nach Jesu Geburt, während seine Eltern noch in Bethlehem waren, kamen (nach Matthäus) Magier (Weise), od. nach der kirchlichen Sage Könige (s. Drei Könige) aus dem Morgenlande, die aus einem damals erscheinenden Sterne auf ein wichtiges, dort geschehenes Ereigniß geschlossen hatten; sie fielen vor dem Kinde nieder (Anbetung der heiligen drei Könige) u. beschenkten es mit Gold, Weihrauch u. Myrrhen (s. Epiphaniasfest). Durch diese Männer, die in Jerusalem sich nach dem neugeborenen König erkundigt hatten, war der König Herodes aufmerksam auf das Kind geworden u. heuchlerisch bat er sie ihm von dem Königskind Kunde zu geben, wenn sie dasselbe gefunden hätten. Aber die Eltern Jesu, durch einen Traum gewarnt, gingen mit dem Kinde nach Ägypten (Fluchtnach Ägypten, wo sie sich, nach der Sage, in Hermopolis od. bei einem Priester Aphrodisios aufgehalten haben sollen). Inzwischen ließ Herodes, zu welchem die Magier nicht wieder gekommen waren, da er des Kindes nicht habhaft werden konnte, alle Knaben in Bethlehem, die zwei Jahre u. darunter zählten, tödten (Bethlehemitischer Kindermord). Nachdem Herodes gestorben war, kehrten Jesu Eltern mit ihm nach Nazareth zurück. (Nach einigen Kritikern der Biblischen Geschichte wohnten Jesu Eltern erst von jetzt an in Nazareth, früher in Bethlehem). Von seiner ferneren Jugendgeschichte wird nichts erzählt, als daß er, nach Lukas summarischer Erzählung, wuchs, stark im Geist u. voll Weisheit wurde. Als er 12 Jahre alt war, gingen seine Eltern nach Jerusalem zum Paschafest u. nahmen ihn mit sich. Nach dem Feste kehrten sie heim, u. Jesus blieb, ohne Wissen seiner Eltern, in Jerusalem; da sie ihn im ersten Nachtquartier nicht unter den Gefährten fanden, kehrten sie nach Jerusalem zurück, u. dort trafen sie ihn in der, mit dem Tempel verbundenen Synagoge sitzend, mitten unter den Lehrern, deren Vorlesung aus den heiligen Büchern er zuhörte u. an welche er Fragen that, die, se wie seine Antworten, die Bewunderung der Anwesenden erregten (Jesus im Tempel). Er ging darauf mit nach Nazareth u. war seinen Eltern unterthan. Wo er die übrigen 18 Jahre bis zu seinem Auftreten als Volkslehrer war u. was er getrieben, ist bei dem Schweigen der kanonischen Evangelisten darüber nicht bekannt. Um jene Lücke in seiner Geschichte auszufüllen, sind verschiedene Vermuthungen aufgestellt worden; nach Ein. soll er mit griechischen Juden u. gelehrten Priestern Umgang gehabt u. dabei griechische Schriftsteller studirt haben; nach And. im 14. Lebensjahre mit dem Täufer Johannes nach Ägypten gegangen, dort 16 Jahre geblieben u. von dortigen Philosophen unterrichtet worden sein; nach And. (u. dies ist die älteste Meinung) soll er in der Schule der Essäer gebildet worden sein, nach And. auch, als nachheriger Feind der Pharisäer, zur Secte der Sadducäer gehört haben. Da sich aber in Jesu Denken u. Lehrweise weder jene Metaphysik, Dialektik u. jener Idealismus der griechischen Philosophen, noch jener astrologische u. mystische Wahn der ägyptischen Weisen, noch Etwas von dem moralischen Rigorismus der essäischen Secte, noch auch eine Billigung des Sadducäismus od. eine Neigung zu ihrer Lehre findet, so hat keine jener Ansichten allgemeine Anerkennung gefunden. Wo die vier kanonischen Evangelien schweigen, haben die apokryphischen Evangelien die Jugendgeschichte Jesu zu ergänzen gesucht (s. Apokryphen b) aa). Vor seinem Auftreten als Lehrer machte Johannes der Täufer das Volk auf ihn aufmerksam u. forderte sie auf zur Buße, wenn sie an dem, von dem Messias zu gründenden Gottesreiche Theil nehmen wollten. C) Öffentliches Leben. Die Erzählungen der Evangelisten über Jesu öffentliches Leben u. Wirken, die nicht in chronologischer Ordnung von denselben aufgezeichnet worden sind, haben die neueren Erzähler des Lebens Jesu durch Combination zu ordnen versucht, etwa wie folgt: Vor seinem Auftreten als Volkslehrer kam Jesus zu Johannes an den Jordan bei Bethabara, um sich von demselben [112] tausen zu lassen u. sich so zu seinem Berufe zu weihen; als der Getaufte aus dem Flusse aufstieg, erscholl über ihm vom Himmel die Stimme: Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe! (s. Epiphaniasfest). Nach dieser äußeren Weihe ging Jesus in die Wüste (Quarantania), um sich dort 40 Tage, nach der Sitte der Propheten, im stillen Umgange mit Gott vorzubereiten. Da geschah die Versuchung in der Wüste. Da er nämlich 40 Tage gefastet hatte u. ihn hungerte, trat der Versucher zu ihm u. forderte ihn auf, aus Steinen Brod zu machen; dann stellte er ihn auf den Giebel des Tempels u. sagte ihm, daß er hinabspringen sollte, weil, wenn er Gottes Sohn wäre, Gott durch seine Engel ihn schützen würde; darauf führte er ihn auf einen hohen Berg u. versprach ihm die Herrschaft über alles Sichtbare, wenn er ihn anbetete; aber Jesus widerstand allen diesen Versuchungen. Ob in dieser Erzählung eine Thatsache berichtet wird, od. ob es eine Vision war, od. ob sie ein innerer Vorgang od. ein Mythus ist, darüber sind die Ansichten verschieden. Von Denen, welche darin eine Thatsache erkennen, haben in dem Versucher Einige eine Erscheinung des persönlichen Teufels, Andere einen Abgesandten des Hohen Rathes der Juden an Jesum gesucht, um ihn über seine Absichten zu prüfen. Darauf gesellten sich seine ersten Jünger (später Apostel genannt) zu ihm, es waren Johannes u. Andreas, diese nahmen noch Simon (nachher Petrus genannt) mit sich, worauf Jesus in Kurzem den Philippus u. Nathanael (der entweder nachher die Jüngerschaft wieder aufgab od. dieselbe Person mit Bartholomäus ist) zu sich nahm, zu denen später die übrigen kamen (s. u. Apostel). Doch blieben sie von da noch nicht für immer bei ihm, sondern kehrten wieder zu ihrem Berufe zurück. Fortan wurde Lehren vor dem Volke von dem Himmelreiche, Heilen verschiedener geistiger u. leiblicher Krankheiten sein Hauptgeschäft, auch Todte erweckte er. Wenige Tage nach seiner öffentlichen Erklärung als Lehrer, die in Galiläa geschah, nahm er mit Mutter u. Schülern an einer Hochzeit zu Kana bei einem Verwandten Theil, wo er die Hochzeitsleute durch eine unerwartete Gabe überraschte, indem er dort aus Wasser Wein machte. Sein erster Gang zum Paschafeste als Messias erwarb ihm manches Herz in der Hauptstadt; dort war es, wo Nikodemos (s.d.) des Nachts zu einer Unterredung ihn aufsuchte u. eine hohe Achtung vor ihm mit sich wegnahm. Zwar verließ Jesus nach dem Feste die Stadt, kehrte aber nicht nach Galiläa zurück, sondern lehrte u. wirkte jetzt in Judäa, immer anerkannt u. empfohlen von dem Täufer Johannes. Dadurch zog er die Aufmerksamkeit des Hohen Rathes auf sich, u. um dessen Nachstellungen zu entgehen, kehrte er nach Galiläa zurück. Er nahm seinen Weg durch Samaria, wo er in dem Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen bei Sichem sich dieser als Messias bekannte u. von derselben anerkannt wurde. Nach Galiläa zurückgekehrt, nahm er bes. zu Kapernaum seinen Wohnsitz, lehrte hier in der Synagoge u. führte in der Nähe mehrere Wunderthaten aus, z.B. heilte er den fieberkranken Sohn des Königischen (eines königlichen Dieners) durch ein bloses Wort aus der Ferne. In Nazareth fand er bei Einigen zwar Anerkennung, aber bei Vielen auch Verfolgung, so daß er nur sein Leben mit Noth vor ihnen rettete. Dort heilte er den vom Teufel Besessenen (Dämonischkranken) durch Handauflegen, die fieberkranke Schwiegermutter des Petrus u. andere Kranke; bewirkte den reichen Fischzug Petri, beschwichtigte den Sturm auf dem See Genezareth, über welchen er schiffte, um auch den jenseitigen Städten das Evangelium zu predigen. Dort aber, wo er eines Dämonischen Wuth auf eine Schweineheerde wandte, verbaten sich die Gadarener seine Gegenwart, u. er kehrte nach Kapernaum zurück. Hier machte er einen Lahmen gesund, nahm Matthäus als Schüler mit sich, heilte die Blutflüssige, welche den Saum seines Kleides berührte, erweckte des Jairus Tochter wieder, heilte 2 Blinde u. 1 Stummen u. mehrere Aussätzige. Weil der Hülfesuchenden immer mehr wurden, so gab er seinen 12 Jüngern, die nun für immer in seiner Begleitung blieben, die Wundergabe der Krankenheilung u. schickte sie aus, um auch das Evangelium zu predigen. Bei einer anderen Reise durch Galiläa scheint er die Bergredigt (s.d.) vor einer zahlreichen Versammlung gehalten zu haben, in der er die Bedingungen det Theilnahme am Gottesreiche entwickelt, auch unter Anderem gegen das lange Beten der Pharisäer eine Anweisung zum christlichen Gebet giebt (Vaterunser, s.d.). Darauf machte er den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum gesund u. er weckte den Jüngling zu Nain. Unter solchen Thaten u. stetem Predigen des Evangeliums war das zweite Paschafest herangekommen. Jesus ging zur Feier disses Festes nach Jerusalem u. erregte durch die Heilung eines 38 jährigen Kranken beim Teiche Bethesda an einem Sabbathtage den Tadel der durch das vergrößerte Aufsehen u. Ansehen Jesu unter dem Volke immer eifersüchtiger werdenden u. mit den Herodianern enger gegen Jesum sich verbündenden Pharisäer so, daß dieselben ihn dem Volke als einen Sabbathschänder u. also als einen Feind der väterlichen Religion verdächtigten u. seine Wunderthaten als durch Bündniß mit dem Teufel bewirkt darstellten. Daher seine unrückhaltige Enthüllung u. Darstellung des heuchlerischen Pharisäerthums in engeren Kreisen u. vor dem Volke. Doch verließ er nach dem Feste der Wochen Jerusalem wieder, wo er sein Leben nicht sicher wußte. Auf dem Wege sammelte sich eine große Menge heimkehrender Festgenossen um ihn, welche er mit 5 Gerstenbroden u. 2 Fischen speiste (Speisung der 5000). Darauf ging er auf den Berg u. betete, u. in der Frühe des Morgens kam er herab zu den Seinen an das Meer (nach Anderen wandelte er auf dem Meere zu ihnen) u. fuhr nach Genezareth. Zum Laubhüttenfest ging er im Stillen nach Jerusalem, nachdem er seine Jünger vorausgeschickt hatte; aber doch trat er auch damals im Tempel auf. Fortwährende wunderbare Krankenheilungen, z.B. die des Blindgeborenen am Sabbath, u. die vermehrte Anzahl der Gläubigen an ihn als Messias, hatte die Pharisäer immer mehr gegen ihn verstimmt; sie wollten ihn vor ein Synagogengericht führen lassen, u. nur sein persönlicher Eindruck auf die Diener befreite ihn. Ja die Eiferer gingen so weit, daß sie im Tempel Steine nach ihm warfen u. daß sie seine Anhänger von der Synagoge ausschlossen. Jesus verließ daher Judäa u. ging nach dem Uferlande von Sidon u. Tyros, wo er die Tochter des Kananäischen Weibes u. einen [113] Taubstummen heilte u. wieder eine Menschenmenge mit 7 Broden speiste (Speisung der 4000). Die Erfahrungen zu Jerusalem ließen Jesu sein nahes Schicksal klar erkennen. Das 3. Paschafest kam heran. Bevor er nach Jerusalem ging, geschah die Verklärung (Transfiguratio) auf dem Hermon (nach der Volkssage auf dem Tabor). Mit Petrus, Jakobus u. Johannes war er dahin gegangen, u. indem er selbst den Gipfel erstieg, ließ er jene in den niederen Theilen. Die Jünger entschliefen, da es Nacht war, u. in der Morgendämmerung erwachend, sahen sie Jesum verklärt, sein Angesicht leuchtend, seine Kleider lichtweiß u. neben ihm 2 Männer, welche sie für Moses u. Elias hielten; vom Himmel aber vernahmen sie eine Stimme: Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören! Ch. verbot den Jüngern beim Herabsteigen vom Berge, von diesem Ereignisse vor seiner Auferstehung zu reden. Vom Berge herabgekommen, heilte Ch. einen Mond- (Fall-) süchtigen. Er hatte beschlossen, zum Paschafest nach Jerusalem zu gehen u. vor keiner, selbst der Todesgefahr, nicht zu weichen. Daher vermehrte er die Zahl seiner Lehrboten um noch Siebenzig Jünger (s.d.). Zunächst ging er zur Tempelweihe nach Jerusalem; hier, seine Einheit mit Gott nach alttestamentlichem Begriffe ungescheuet aussprechend, wurde er als Gotteslästerer bezeichnet u. wieder thätlich angegriffen. Nach seinem Weggange von Jerusalem kehrte er nicht nach Galiläa zurück, sondern hielt sich in Peräa auf. Von hier wurde er in das befreundete Haus der Martha u. Maria in Bethanien gerufen, deren Bruder Lazarus gestorben war; 4 Tage hatte dieser bereits todt in dem Felsengrabe gelegen, Jesus erweckte ihn wieder (Erweckung des Lazarus). Das große Aufsehen dieser That unter dem Volke reizte die des Hohen Rathes u. ließ sie ihren Mordplan auf Jesum beschleunigen. Er zog hinauf nach Jerusalem; auf dem Wege dahin heilte er in Jericho den blinden Bartimäus u. kehrte bei dem Zöllner Zachäus ein. Bei Bethphage vorbeiziehend, kamen sie am Ölberge an; dort ließ sich Jesus einen Esel bringen u. zog so reitend in Jerusalem ein (Einzug in Jerusalem); ein Triumphzug wurde es, indem die Jünger das Thier mit ihren Kleidern belegten, Andere ihre Kleider auf den Weg breiteten, Andere Palmenzweige auf den Weg streuten, die Menge der mit einziehenden Festgenossen aber ihm ein Hosianna! zurief. Die von dem Hohen Rathe bestellten Auflaurer fanden darin einen Volksaufstand u. ermahnten Jesum, den Frohlockenden zu wehren. Des Abends kehrte Jesus nach Bethanien zurück. In die Zeit dieses Einzuges bis zum Feste fällt die Vertreibung der Käufer u. Verkäufer aus den Vorhallen des Tempels, die Verfluchung des Feigenbaumes (eine Prophezeihung an einem fruchtlosen Feigenbaume, daß er eingehen werde), die Salbung zum Tode (wo Martha in Bethanien bei einer Abendmahlzeit seine Füße mit Nardenwasser salbte u. mit ihren Haaren trocknete). Damals sprach er die Rechtmäßigkeit der Steuerzahlung an die Römer aus, sagte Jerusalems Geschick voraus, sprach aber auch für seine Bevollmächtigung, als Messias aufzutreten, eben so muthig wie unumwunden von dem arglistigen Treiben u. Streben der Pharisäer gegen die Wahrheit. Am 5. Wochentage (am Gründonnerstage) gegen Abend ging Jesus nach Jerusalem, wo er das Paschamahl mit seinen Jüngern genießen wollte, an einem Orte, den er schon im Laufe des Tages durch zwei der Seinen ausgemacht hatte. Über dem Essen stand er auf u. wusch seinen Jüngeen die Füße (Fußwaschung); sie sollten darin von ihm Demuth u. Liebe gegen einander lernen. Darnach verkündigte er ihnen, daß er in dieser Nacht noch von Einem aus ihrer Mitte verrathen werden würde; durch einen Bissen, den er in die Schüssel tauchte u. dem Iskarioten Judas gab, bezeichnete er denselben als den Thäter. Da ging derselbe hinaus, Jesus aber brach noch das Brod u. segnete den Kelch zum gemeinschaftlichen Genuß (Einsetzung des Abendmahls), forderte die zurückbleibenden Elf zur Treue im Glauben an ihn u. zur Fortsetzung seines Werkes auf, verhieß ihnen dazu den Beistand des göttlichen Geistes u. nahm dann Abschied von ihnen. D) Leidensgeschichte u. Erhöhung. Darauf ging er hinaus nach dem Hofe Gethsemane, wo er, tief betrübt über die nahenden Leiden, zu Gott um Abwendung dieser Leiden, wenn ohne diese die Erlösung vollendet werden könnte, betete. Darauf kam Judas Iskariotes an der Spitze einer bewehr ten Schaar; nach Verabredung grüßte er Jesum mit dem Rabbigruß u. gab ihm einen Kuß (Verrath des Judas), worauf jene ihn griffen. Petrus wollte Jesum mit dem Schwerte befreien u. hieb einem der Häscher (Malchus) das Ohr ab doch ergab sich Jesus den Dienern des Gerichtes freiwillig. Die Jünger flohen alle, Jesus aber wurde vor die Hohenpriester Hannas (Ananas) u. Kaiphas geführt u. dort, wo sich die Schriftgelehrten u. Ältesten versammelt hatten, über seine Reden vor dem Volke verhört. Daß er hier nichtläugnete, Christus, der Sohn Gottes, zu sein, wurde ihm als Gotteslästerung ausgelegt, er als des Todes schuldig bezeichnet u. von den Knechten gemißhandelt u. verhöhnt. Hier geschah es auch, daß Petrus ihn, nach seiner eigenen Voraussagung, vor des Hohenpriesters Gesinde verläugnete (Petri Verläugnung). Während Jesus am Morgen (Charfreitag) vor den Landpfleger Pilatus, welcher das Todesurtheil bestätigen mußte, geführt wurde, ging Judas, der jetzt seine That bereuete, zu den Hohenpriestern, brachte ihnen den Preis des Verrathes, die 30 Silberlinge, dar u. erhenkte sich darnach. Vor Pilatus wurde Jesus beschuldigt, sich für einen König der Juden erklärt zu haben, u. als er das, freilich nicht in irdischem Sinne genommen, bejahet hatte, wurde von der Menge sein Tod gefordert. Des Pilatus Versuche, ihn zu retten, waren vergebens, der Pöbel wollte sogar lieber den gemeinen Verbrecher Barrabas, den ihnen Pilatus neben Jesu zur Loslassung vorschlug, begnadigt haben u. verlangten, Jesum zu kreuzigen. Pilatus bestätigte endlich das Todesurtheil, u. alsbald nahmen ihn die Soldaten in Empfang, legten ihm einen alten Purpurmantel an, setzten ihm eine Dornenkrone auf, gaben ihm ein Rohr in die Hand u. verhöhnten ihn. Das Kreuz selbst auf die Richtstätte (Golgatha) zu tragen, vermochte er nicht, daher zwangen sie einen Mann, Simon von Kyrene, dasselbe für ihn zu tragen. (Hierher gehört die Sage von dem Ewigen Juden, s.d.) Auf Golgatha angekommen, wurde er inmitten zweier Missethäter (Schächer) gekreuzigt, ihm Essig mit Myrrhen zu trinken gegeben, seine Kleider durchs Loos unter[114] die Soldaten vertheilt u. oben an dem Kreuze die Inschrift: Jesus Nazarenus rex Judaeorum (gewöhnlich abbrevirt als J. N. R. J. angegeben) in 3 Sprachen, hebräisch, griechisch u. lateinisch, als Anzeiger seines Verbrechens, angeheftet. Von den beiden Schächern lästerte ihn der eine, der andere wurde noch sein Gläubiger, u. dafür verhieß ihm Jesus, daß er noch des Tages mit ihm im Paradiese sein werde. Auch die vorübergehenden Juden spotteten sein. Um die 9. Stunde (d. i. Nachmittags um 3 Uhr) starb er, nachdem er noch die Sorge für seine Mutter seinem Jünger Johannes anempfohlen, mit den Worten: In deine Hände befehle ich meinen Geist! (nach Johannes: Es ist vollbracht!) Seinen Tod begleitete eine Verfinsterung der Sonne, eine Erschütterung der Erde u. das Zerreißen des Vorhanges im Tempel. Jesu wurden nicht, wie es Sitte war, die Beine gebrochen, sondern da die Kriegsknechte sahen, daß er schon gestorben war, begnügten sie sich, mit der Lanze seine Seite zu öffnen, woraus Blut u. Wasser floß. Am Abend kam Josephus von Arimathia, ein Freund Jesu, u. erbat von Pilatus den Leichnam Jesu zum Bestatten; dieser erlaubte es, u. Josephus ließ den Verschiednen vom Kreuze nehmen (Kreuzabnahme), ihn in Leinwand wickeln u. begrub ihn in ein neues Grabgewölbe (wahrscheinlich in der Nähe von Golgatha). Am anderen Tage stellten die Hohenpriester u. Pharisäer, weil sie eine Entführung des Leichnames durch seine Anhänger fürchteten, eine von Pilatus erbetene Soldatenwache vor das Grab. Am 3. Tage nach der Kreuzigung, dem Tage nach dem Sabbath (Ostertag), kamen Maria Magdalena, Johanna, Maria Jakobi u. andere Jesu befreundete Weiber, um den Leichnam zu salben, aber sie fanden das Grab leer, u. 2 Männer mit glänzenden Kleidern sagten es ihnen, daß Jesus auferstanden sei (Auferstehung Jesu) Diese meldeten es den Jüngern, u. Petrus fand das Grab auch leer. Nachdem sich Jesus den zweien Jüngern auf dem Wege nach Emmaus geoffenbaret hatte, in dem Kreise der Eilfe erschienen u. von vielen anderen Jüngern gesehen worden war, u. sie sich Alle von seiner wirklichen persönlichen Auferstehung überzeugt hatten, namentlich Thomas, der es vorher bezweifelt hatte, nahm er die 11 Jünger 40 Tage nach seiner Auferstehung mit sich nach Bethanien, empfahl ihnen nochmals die Predigt des Evangeliums unter allen Völkern, segnete sie u. schied von ihnen; er fuhr vom Ölberge zusehens vor den Jüngern auf gen Himmel (Himmelfahrt). Darauf gingen die Jünger nach Jerusalem zurück; s. weiter unter Christenthum (Gesch.). Von der Persönlichkeit Jesu, sofern sie seine Gestalt u. Gesichtsbildung betrifft, ist in den Evangelien keine Andeutung gegeben, u. wenn Einige (nach Jesaias 53,2. 3) ihm eine unahnsehnliche, häßliche Gestalt beilegen, so geschieht dies eben so willkürlich, als wenn ihn Andere als das Ideal der Schönheit darstellen, s. Christusbilder. Literatur: Außer den 4 Evangelien u. dem Evangelium infantiae Christi, das Leben Jesu von Heß, Zürich 1774, 3 Bde., 8. A. 1823; von Herder, nach den synoptischen Evangelien, Riga 1796, nach dem 4. Evangelium, ebd. 1797; Greiling, Halle 1815; Paulus, Heidelb. 1828, 2 Bde.; Hase, Lpz. 1829, 3. A. 1840; Neander, Hamb. 1817, 4. A. 1845; Hirscher, 2. A., Tüb. 1840; Strauß, ebd 1835, 2 Bde., 4. A. 1840, 2 Bde.; v. Ammon, Lpz. 1842–1847, 3 Bde.; I. P. Lange, Heidelb. 1844; R. Hofmann, Das Leben Jesu, nach den Apokryphen, Lpz. 1852; Reinhard, über den Plan Jesu, 5. A., Wittenb. 1830; Poetische Beschreibung: in der Messiade von Klopstock u. D. Pape, Ch. episches Gemälde, Hameln 1840.

II. Christi Natur, Verdienst u. Würde als zweite Person der Trinität, nach der Kirchenlehre (Christologie). A) Christi Person u. Natur. Zu dem Namen Christus od. Messias (s. ob.) kommen hier noch bes. die auch schon in den Evangelien vorkommenden, aber hier bes. gedeuteten Namen Menschensohn (aus Daniel 7, 13. 14), nicht allein nach seiner Geburt von einem Weibe, sondern auch, daß er als Messias gleichsam der vorzüglichste der Menschen war u. gänzliche Sündlosigkeit (s. unt.) besaß; u. Gottessohn, entweder im Allgemeinen, weil er vom Himmel gekommen (vgl. Logos), od. weil er durch die göttliche Kraft des Heiligen Geistes von Maria empfangen worden, die deshalb auch Theotokos (Gottgebärerin, s. u. Maria) genannt wird; auch im Gegensatz dazu, daß alle Menschen Gottes Kinder sind, der eingeborene Sohn Gottes; u. wegen dieser Vereinigung der beiden Naturen, der menschlichen (weil er von Ewigkeit her gezeugt ist) u. göttlichen (weil er im Augenblick der Conception im Leibe der Maria die vollständig menschliche, aus Leib u. vernünftiger Seele bestehende Natur angenommen hat), in der Kirche Gottmensch (Θεάνϑρωπος). Selbst der Name Gott wird ihm in einigen Stellen des N. T. beigelegt. Über die Gottessohnschaft u. den Namen Gott für Ch. wurde im 8. Jahrh. der Adoptatianische Streit (s. Adoptianer) geführt. Über die Art u. das Wesen der Vereinigung des Göttlichen mit dem Menschlichen in Ch., Inhumanatio (Ἐναϑρὡπησις. Einmenschung) od. Incarnatio (Ἐνσάρκωσις, Einfleischung), Incorpotatio (Ἐνσωμάτωσις, Einkörperung), ist in der Kirche viel Streit gewesen. Gegen Nestorius (s.d.), welcher Maria nicht Gott-, sondern Christusgebärerin (Christotokos) genannt wissen wollte, bestimmte 431 das Concil zu Ephesus, die beiden Naturen wären ungetrennt u. ungetheilt verbunden; gegen Eutyches (s.d.), welcher die menschliche Natur von der göttlichen in Ch. ganz aufgehoben u. zu Einer geworden (Monophysiten) dachte, bestimmte 451 das Concil zu Chalcedon, sie wären unvermischt u. unverwandelt verbunden; u. gegen die Meinung, daß Ch. nur Einen Willen gehabt (Monotheleten, s.d.), setzte 680 das Concil zu Constantinopel fest, Ch. habe zwar zwei nach den verschiedenen Naturen verschiedene Willen, wolle aber doch nach beiden dasselbe. Erst zur Zeit der Reformation wurde der Streit, bes. bei Gelegenheit der Abendmahlsfrage, wieder angeregt, bes. durch die schweizerischen Reformatoren, u. dann unter verschiedenen protestantischen Schulen, von denen die eine (die Gießener Theologen) behauptete, Ch. habe sich während seines Erdenlebens der göttlichen Eigenschaften entäußert (Kenotiker); die andere (die Tübinger Theologen), er habe sie wohlgehabt, aber verborgen (Kryptiker) u. nicht gebraucht, u. die Symbolischen Bücher der Lutherischen Kirche bestimmten eine Vereinigung beider Naturen (Communicatio naturarum) od. Einheit beider Wesenheiten (Unio hypostatica), u. zwar eine solchartige Mittheilung[115] der einen Natur an die andere in Ch., nach welcher die eine die Eigenschaften hat, welche der anderen eigenthümlich zukommen, so weit dasselbe jedes Wesen zuläßt (Communicatio idiomatum). Sie wird in dreifacher Weise dargestellt: a) Genusidiomaticum (G. attributorum, Attributio). wo die Eigenschaften der einen Natur der ganzen Person mitgetheilt werden, u. zwar aa) Antidosis, wo der Person Jesu ein Attribut einer von beiden Naturen beigelegt wird z.B. der Herr weiß alle Dinge (göttlich), Ch. hat gelitten (menschlich); bb) Communio attributorum divinorum, wo die Eigenschaften der göttlichen Natur auf die menschliche übertragen werden, z.B. Gottes Sohn kam auf Erden; cc) Idiopoeesis, wo der göttlichen Natur etwas Menschliches beigelegt wird, z.B. der Logos hat einen menschlichen Körper angenommen; b) Genusapotelesmaticum (G. officii, Κοινοποιηις), wo zum Erlösungswerke gehörige, also dem ganzen Christus zukommende Verrichtungen nur Einer Natur beigelegt werden, z.B. Ch. hat uns vom Fluche des Mosaischen Gesetzes erlöst, der Sohn Gottes in sichtbar geworden, um die Werke des Satans zu zerstören, des Menschen Sohn hat sich als Lösegeld dahin gegeben; c) Genus auchematicum) G. majestatis, B Βελτίωσις), wo der menschlichen Natur Christi göttliche Eigenschaften beigelegt u. dadurch dieselbe zur Theilnahme an der Anbetung, Allgegenwart u. Herrschaft über die Kirche erhoben wird, z.B. in ihm ist die Fülle der Gottheit, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt, der Vater richtet Niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohn gegeben. Dazu werden in den Symbolischen Büchern Christo noch folgende, bes. aus der Communicatio idiomatum deducirte Eigenschaften beigelegt: a) nach seiner göttlichen Natur: Praeexistentia, das Dasein von Ewigkeit; Omnipotentia, Allmacht; Omniscientia, Allwissenheit; Immutabilitas, Unveränderlichkeit; b) nach seiner menschlichen Natur: Integritas, daß er vollständige menschliche Natur hatte; Impeccabilitas (Anamartesie), daß er versuchbar der Sünde, aber von aller Sündenthat selbst frei war (Ullmann, Die Sündlosigkeit Christi, Hamb., 6. A. 1853); Anypostasia, daß seine menschliche Natur nie für sich war, sondern immer in genauer Verbindung mit der göttlichen; Enypostasia, daß seine menschliche Natur in der göttlichen besteht; Immortalitas, Freiheit von der Nothwendigkeit des Sterbens: Pulcritudo, Schönheit, s. ob. B) Seine Würde u. sein Verdienst: a) Sein dreifaches Amt. Der Zweck des Kommens Jesu auf die Erde war, die Menschen selig zu machen (Seligmacher), sie von der Sündenschuld zu befreien (Erlöser) u. sie mit Gott zu versöhnen (Versöhner, Mittler); zu dessen Erfüllung schreibt ihm die Kirche zu: aa) ein Prophetisches Amt, sofern er das Evangelium von der Gnade Gottes predigte u. sich als den von Gott dazu Gesandten durch Wunderthaten u. Prophezeihungen bewährte; bb) ein Hohepriesterliches Amt, sofern er sich selbst als Opfer für die Menschheit darbrachte u. als Hoherpriester durch diese Darbringung die Menschen wegen ihrer Sünden mit Gott versöhnte; die Dogmatik unterscheidet dabei folgende 3 einzelne Acte: α) seinen erlösenden Tod (Oblatio sacrificii); β) seine hohepriesterliche Fürbitte (Deprecatio, Intercessio); γ) den Segen, welchen er den Christen ertheilt (Benedictio); cc) ein Königliches Amt, sofern er nach seiner Rückkehr in den Himmel, zur Rechten Gottes sitzend, an der Herrschaft Gottes Theil nimmt; die alte Kirchenlehre theilt es in ein α) Regnum naturae, Antheil an der Weltregierung; β) Regnum gratiae, Herrschaft über die Kirche; γ) Regnum gloriae, Herrschaft über die verstorbenen Frommen. Seit Ernesti haben sich mehrere Theologen gegen die Aufstellung dieser Ämter Christi erklärt od. nur 2, das Lehrer- u. Versöhneramt, angenommen. b) Sein zweifacher Stand. Wenn die göttliche Natur schon von seiner Empfängniß an mit der menschlichen für immer vereinigt war, dennoch aber während seines Lebens nur bisweilen bei Verrichtung der Wunder bekundete, so wird Christo in Bezug auf seine menschliche Natur ein doppelter Stand zugeschrieben: aa) ein Stand der Erniedrigung (Status humilis od. Status exinanitionis), wo er nach Verlassung seiner göttlichen Herrlichkeit als Mensch in das Erdenlebentrat, während dessen die menschliche Natur wohl im Besitz (Ktesis) der mit ihr vereinigten göttlichen Majestät war, aber in der Regel keinen Gebrauch (Chresis) machte (vgl. oben A) den Streit der Kenotiker u. Kryptiker). Dazu gehört: daß er Fleisch wurde, Knechtsgestalt annahm u., Gottes Befehlen gehorsam, leidend u. sterbend das Erlösungswerk vollendete; nach Anderen war der Stand der Erniedrigung fünffach: seine Geburt, niedriges Leben, Leiden, Tod, Begräbniß; bb) ein Stand der Erhöhung (Belohnung Ch., Status sublimis od. Status exalatationis), wo er nach Erfüllung seines Berufs auf Erden zu seiner vorigen Herrlichkeit zurückkehrte u. auch seine menschliche Natur in den vollen Besitz u. Offenbarung der göttlichen Majestät eintrat, u. zwar: α) Auferstehung von den Todten, s. ob.; β) Himmelfahrt, s. ob.; γ) Sitzen zur rechten Hand Gottes u. δ) die Rückkehr zum Weltgericht über die Lebendigen u. Todten. Die Höllenfahrt (Descensus ad inferos, nach 1. Petr. 3,19 s.), daß nämlich, während sein Körper nach der Kreuzigung im Grabe lag, seine Seele u. die ganze (die göttliche u. menschliche) Person in die Hölle hinabgestiegen sei, um (nach den älteren Kirchenlehrern) den Patriarchen die Sündenvergebung zu bringen u. sie ins Paradies zu führen; od. nach Anderen, um die gefallenen Engel u. die Verdammten zu belehren u. zur Seligkeit zurückzuführen: wird auch von Einigen zum Stande der Erhöhung, von Andern zum Stande der Erniedrigung gerechnet.

III. Andere neuere Ansichten von Christi Perso u. Würde. Während in der alten Kirche mehr die Ansichten gewechselt wurden über das Verhältniß der göttlichen u. menschlichen Natur in Christo u. das Verhältniß Christi, des Sohnes Gottes, zu Gott, dem Vater (s. Christenthum), trat die neuere Zeit theils in frivoler Weise gegen die Person, die Würde u. den Charakter Jesu, theils in einer scharfen Kritik gegen die Wahrheit der Geschichte Jesu in den biblischen Evangelien überhaupt auf. Zu den Versuchen der ersten Art gehörten u. m. a. namentlich die berüchtigten Bücher de tribus impostoribus, die Wolfenbüttler Fragmente (von H. S. Reimarus)[116] u. die Schrift: Die natürliche Geschichte des großen Propheten von Nazareth (von Venturini); diesen schlossen sich in neuester Zeit 2 Schriften an: Historische Enthüllungen über die Todesart Jesu (5. A. 1849) u. Historische Enthüllungen über die wirklichen Ereignisse der Geburt u. Jugend Jesu (2. A. 1849), die sich alsden Inhalt einer alten, in einem Kloster zu Alexandrien aufgefundenen Handschrift aus der frühesten Zeit u. als von einem Zeitgenossen Jesu aus dem Orden der Essäer herrührend, ankündigten, Jesum als einen Angehörigen des Essäerordens u. überhaupt unter Anführung vieler Einzelheiten ein ganz anderes Bild von dem Leben u. dem Tode Jesu, als das in der Heiligen Schrift enthaltene ist, darstellten, bis endlich durch mehrere Gegenschriften die Unechtheit jener Handschrift bewiesen wurde u. das Ganze sich als ein Product des Vulgärrationalismus ergab. Unter den scharfen Kritiken der evangelischen Geschichte machte bes. Aufsehen die Bearbeitung des Lebens Jesu von Dav. Strauß, worin dieser geradezu den Kern des Lebens Jesu als eine von der frommen Phantasie der ersten Christengemeinden hervorgerufene Dichtung bezeichnete, u. sein noch viel weiter gehender Nachfolger Bruno Bauer, der in den Evangelien nur beabsichtigte Erfindung erkannte; u. während Neander, Krabbe, Theile, Ullmann, Tholuck, Harleß, Franke, Ammon u. Kuhn den Strauß'schen Standpunkt u. seine Ergebnissebekämpften, näherten sich der Strauß'schen Auffassungsweise George, Weiße, Gfrörer, der Israelit Salvador u. A. Für die christliche Lehre gab diese Erscheinung Veranlassung, die Gegensätze des historischen u. des speculativen Ch. etwas genauer zu bestimmen. Man gestand nicht blos jenem, sondern auch diesem, dem speculativen Ch., volle Berechtigung zu, indem ja bereits in dem Neuen Testament theils der Apostel Paulus auf dem Grunde der rabbinischen Theologie, theils der Evangelist Johannes auf dem der platonisch-alexandrinischen Speculation Vorstellungen von Christi Person entwickelten, die nicht der Erfahrung, sondern dem speculativen Glauben angehörten u. später mehrmals, z.B. in den Arianischen Streitigkeiten, das speculative Christusbild in den Vordergrund trat. Es wurde aber auch zugegeben, daß, da die Christliche Kirche nur auf den historischen Ch. erbaut sei u. nur durch den Glauben an ihn bestehe, eine genaue Prüfung dessen sich nothwendig mache, was zum historischen Ch. gehöre, was allerdings wissenschaftlich seine Schwierigkeit hat, weil in den Evangelien das historische u. speculative Element vermischt neben einander liegt u. sich nicht immer leicht sondern läßt, u. weil selbst in Berichten über den historischen Ch. die Berichterstatter von einander abweichen; od. auch, weil darin Manches nicht zu dem geschichtlichen Ch. der Vergangenheit, sondern zu dem der Zukunft, d.h. dem prophetischen Ch., gehört, z.B. der Artikel von der Wiederkunft Christi, von dem Weltgericht etc. Für alle diese Fälle waren die gelehrtesten Theologen thätig, wie Credner (Das Neue Testament nach seinem Zweck, Ursprung u. Inhalt, 1841–1843), nach welchem der Beweis, Jesus ist der Ch., von Matthäus für die Juden, von Markus für die Heiden, von Johannes für die philosophische Richtung jener Zeit geführt worden sei); Dorner (Entwickelungsgeschichte der Christologie, 1845); Thomasius (Beiträge zur kirchlichen Christologie, der vom orthodoxen Standpunkte die Dorner'schen Einwendungen gegen das lutherische Dogma beleuchtete); Schnekkenburger (Über die Christologie) u. Liebner (Dogmatik, 1849). Ein kurzer Streit (Christolatrischer Streit) über die Statthaftigkeit der Anbetung Christi wurde bes. in Magdeburg durch W. F. Sintenis veranlaßt, s. u. Sintenis.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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