Lübeck [1]

Lübeck [1]

Lübeck (lat. Lubeca), Staat des deutschen Bundes, an der Ostsee, Freie Stadt; der Hauptheil des Stadtgebietes liegt zwischen der Ostsee, Trave, Mecklenburg (Fürstenthum Ratzeburg), Lauenburg, Holstein u. Oldenburg (Fürstenthum Lübeck), außerdem mehrere Parcellen in Lauenburg u. Holstein; das Amt Bergedorf (s.d.) an der Elbe besitzt L. mit Hamburg gemeinschaftlich; 51/2QM., mit 2 Städten, 52 Dörfern, (worunter 4 Kirchdörfer), 17 Höfen u. 17 Gehöften; ganz ebenes Land; Flüsse: Trave (welche die Stadt mit der Ostsee verbindet), Wakenitz (Ausfluß des Ratzeburger Sees), Steckenitz (schiffbar) u. Delvenau (welche die oberhalb L. in die Trave fallende Steckenitz mit der Elbe verbindet, der Steckenitzkanal); Boden: fruchtbar (reichlich Ackerfrüchte). Einwohner: 54,200 (11,500 mit Hamburg [Bergedorf] gemeinschaftlich), fast sämmtlich Lutheraner, nur 400 Reformirte, 200 Katholiken, 500 Juden, von letzteren wohnt von großer Theil in dem Dorfe Moisling, wo sie vor dem Jahre 1848 ausschließlich wohnen mußten. L. führt in den Plenarversammlungen des Bundestags ein Separat-, in den engeren Versammlungen desselben mit Bremen, Frankfurt a. M. u. Hamburg das 17. Collectivvotum u. mit Hamburg u. Bremen bildet es den Hansebund, s. Hanse. Verfassung: republikanisch, u. beruht auf dem Staatsgrundgesetz vom 8. April 1848 u. dessen Revision vom 29. Dec. 1851. Hiernach besteht der Senat aus 14 Mitgliedern, von denen acht aus dem Gelehrtenstande, darunter sechs Rechtsgelehrte, u. von sechs Nichtgelehrten wenigstens fünf Kaufleute sein müssen. Jeder Bürger ist wählbar, welcher das 30. Lebensjahr überschritten hat u. dessen naher Verwandter od. Handlungsgenosse nichtbereits im Senate sitzt. Die Wahl geschieht binnen vier Wochen nach Erledigung durch eine gemischte Commission. Der Erwählte muß bei Verlust des Bürgerrechtes u. des 10. Theiles seines Vermögens der Wahl Folge leisten u. bekleidet seine Würde lebenslänglich. Alle genießen ein Honorar (Competenz des Senates); die Gelehrten dürfen kein anderweitiges Berufsgeschäft treiben. Die Vertheilung der Geschäfte geschieht alle zwei Jahre, der für diese Periode gewählte Präsident führt so lange den Titel Bürgermeister. Der Senat wählt die Secretäre u. den Archivar; er repräsentirt die Souveränetät des Staates; ihm u. der Stadt wird von Bürgern der Eid der Treue geleistet; er bewahrt die Siegel, die Schlüssel u. das Archiv der Stadt; ernennt Gesandte u. Handelsconsuln; empfängt fremde Gesandte u. ertheilt den Handelsconsuln das exequatur; ernennt u. beeidigt die Beamten des Staates, einige wenige ausgenommen; übt das Begnadigungsrecht in Criminalsachen u. das Dispensationsrecht in Ehesachen; ertheilt Majorennitätserklärungen u. Legitimationen unehelicher Kinder; übt das Recht der Gesetzgebung (jedoch unter Concurrenz der Bürgerschaft). In geistlichen Angelegenheiten ist er Summus episcopus. Die Bürgerschaft bildete früher 12 Collegien: die Junker- od. Zirkel-, die Kaufleute-, die Schonenfahrer-, die Nowgorodfahrer-, die Bergenfahrer-, die Rigafahrer-, die Stockholmfahrer-, die Gewandschneider-, die Krämer-Compagnie, die noch bestehende Brauerzunft, die noch bestehende Schiffergesellschaft, die noch bestehenden vier großen u. dazu gehörigen Ämter (der Handwerker). Hierbei waren die Landbewohner gar nicht vertreten. Jetzt besteht die Bürgerschaft aus 120 Mitgliedern, welche die Gesammtheit aller Staatsangehörigen vertreten. Die Wahlen werden alle zwei Jahre im Sommer durch 11 Wahlbezirke vorgenommen u. verpflichten auf sechs Jahre. Das Präsidium der Bürgerschaft haben ein Wortführer u. dessen zwei Stellvertreter, auf zwei Jahre gewählt. Die Mitgenehmigung der Bürgerschaft ist erforderlich zu Änderungen in der Staatsverfassung, Veräußerung von Hoheitsrechten, Erlassung oder Aufhebung von Gesetzen u. Verordnungen in Handelssachen, Bestimmung der directen u. indirecten Steuern u. Abgaben, Expropriationen, Bestimmungen über Stärke der bewaffneten Macht, Abschließung von Staatsverträgen. Versammlungen der Bürgerschaft sind wenigstens sechs im Jahre, außerdem so oft der Senat od. 1/4 der Vertreter es begehrt. Die Senatscommissarien sind gegenwärtig u. an der Berathung Theil zu nehmen berechtigt. Der Bürgerausschuß: 30 Mitglieder der Bürgerschaft, auf zwei Jahre gewählt, übt deren Befugnisse in gewissen Fällen von geringer Bedeutung aus u. begutachtet die Anträge des Senates bei der Bürgerschaft. Er versammelt sich alle 14 Tage. Die öffentlichen Deputationen für Administration werden größtentheils aus Senatoren u. bürgerlichen Deputirten (letztere vom Bürgerausschuß dem Senate zur Wahl vorgeschlagen) gebildet. Die hauptsächlichsten sind: das Finanzdepartement, die Rechnungsrevisionsdeputation, die Zoll- u. Accisedeputation, das Steuer- u. Stempeldepartement, die Baudeputation, das Postdepartement, die Bewaffnungsdeputation (für die Bürgerwehr), das Militärdepartement (für das Bundescontingent), die Schuldeputation (für das Catharineum), das Schulcollegium (für die übrigen Schulen), die Centralarmendeputation, die Brandbehörde, das Departement der Brandassecuranzkasse, die Kirchhofs- u. Begräbnißdeputation u. die Verwaltung der Wasserkünste. Im Handelswesen ist durch die Vereinigung der früheren kaufmännischen Compagnien die Kaufmannschaft 1853 gebildet worden. Die Leitung der Gemeinsamen Angelegenheiten ist der [556] Handelskammer übertragen, welche aus einem Präses (auf drei Jahre), 18 Mitgliedern (auf sechs Jahre) u. einem Secretär besteht u. sich alle 14 Tageversammelt. Dieselbe verwaltet die Börse, stellt Mäkler, Schiffsclarirer, Procureure u. Prahmschreiber an, schlägt zu andern Stellen, auch zur Besetzung der Consulate, dem Senate vor u. ertheilt demselben Gutachten über alle den Handel u. die Schifffahrt betreffenden Angelegenheiten. Im Kirchenwesen übt der Senat die Oberaufsicht. Durch Gesetz vom 26. April 1852 ist die Civilehe eingeführt, doch ist für Angehörige der anerkannten christlichen Religionsgemeinschaften u. der jüdischen Gemeinde die Trauung durch den Geistlichen zur Rechtsgültigkeit der Ehe erforderlich. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche, welcher der größte Theil der Bewohner L-s angehört, ist die Grundlage der Verfassung die von Bugenhagen 1531 entworfene Kirchenordnung. Das geistliche Ministerium, zu welchem jedoch nur die Stadtgeistlichen gehören, übt unter dem Vorsitze eines Seniors die Aufsicht über den Gottesdienst.

Mit Einführung der jetzigen Staatsverfassung wurde zugleich eine Trennung der Justiz von der Administration beschlossen. Eine völlige Umgestaltung des gesammten Gerichtswesens, mit Ausnahme. der höchsten Instanz, steht demnach zu erwarten, wenn schon in letzter Zeit das vom Senat für die beiden unteren Instanzen festgehaltene Princip der Trennung der Justiz von der Administration mehrfach bekämpft u. der auf völlige Selbständigkeit des Ober- u. Untergerichts abzielende Gesetzentwurf des Senats in der Sitzung der Bürgerschaft vom 23. Jan.1860 mit überwiegender Stimmenmehrheit abgelehnt worden ist, indem die Bürgerschaft dem am 10. Nov. 1850 vom Bürgerausschuß aufgestellten Wunsche beitrat, daß das Obergericht als ständige Senatsdeputation, u. zwar eventuell nach Verstärkung des Senats, aus fünf Rechtsgelehrten u. zwei kaufmännischen Mitgliedern hergestellt werden möge. Der dermalige provisorische Zustand ist folgender: Das Oberappellationsgericht der vier Freien Städte Deutschlands, gegründet den 13. Nov. 1820 u. aus einem Präsidenten, sechs Räthen u. einem Secretär bestehend, bildet für alle überhaupt appellabeln Civilsachen, welche über 1000 Mark Capital od. 50 Mark jährlicher Einkünfte betragen, ingleichen für Criminalsachen, in welchen das Obergericht in erster Instanz entschieden hat, die letzte Instanz. Das Obergericht, zur Zeit bestehend aus vier Rechtsgelehrten u. einem kaufmännischen Senatsmitgliede, nebst einem Secretär, bildet die zweite Instanz für alle Civilsachen über 100 Mark Capital od. 5 Mark jährlicher Einkünfte. Für Sachen von 50 bis 100 Mark ist eine kurze Beschwerdeführung an das Obergericht, unter Submittirung auf die Voracten, zulässig. In Criminalsachen bildet dasselbe die zweite u. letzte Instanz, wenn eine Geldbuße bis 100 Mark od. Gefängnißstrafe bis sechs Monate in Frage steht, in schwereren Criminalfällen die erste Instanz. Nach Beschluß vom 28. Juni 1851 werden die Acten zur Abgabe des Erkenntnisses an eine Juristenfacultät, u. zwar auf Staatskosten, versendet. Dem Obergericht liegt auch die Wahrnehmung der freiwilligen Gerichtsbarkeit ob. Die Gerichte erster Instanz, das Niedergericht, gebildet durch sechs rechtsgelehrte Procuratoren u. den Actuar, unter dem Vorsitz zweier Richter, competent für Civilsachen in der Stadt über 100 Mark, sowie für Pfandzinsen-, Pfand- u. Subhastations-, Räumungs, Miethe-, Fracht-, Wechsel- u. Ehesachen;.das Stadtgericht für Civilsachen in der Stadt unter 100 Mark u. für Injuriensachen; das Landgericht für Civilsachen im Landgebiet, mit Ausnahme des Städtchens Travemünde; das Gericht Travemünde für alle dortigen Civilsachen; das Stadt- u. Landgericht für Criminalsachen, für alle Criminalsachen im gesammten Freistaate, sofern die Strafe nicht über 100 Mark od. sechsmonatliche Hast, unter Vorsitz des Untersuchungsrichters; das Wettegericht, unter dem Vorsitz zweier Senatsmitglieder, für Corporationsstreitigkeiten, u. das ebenfalls durch zwei Senatsmitglieder, unter dem Beisitze des Chefs des Lübecker Bundescontingents u. zweier anderer Offiziere gebildete Militärgericht. Das durch das Gesetz vom 6. Dec. 1848 angeordnete besondere Verfahren für Preßvergehen u. politische Verbrechen (mit Staatsanwaltschaft u. Geschwornen) ist am 26. Mai 1856 wieder aufgehoben. Die nichtrichterlichen Functionen sind seit 1851 dem Stadtamte (für Stadt u. Vorstädte) u. dem Landamte (für die Landbezirke) überwiesen. Das Hypothekenwesen ist getrennt für die Stadt, für die Landbezirke u. für das Amt Travemünde. Die gesammte Polizeiverwaltung von Stadt u. Landbezirken (ausgenommen Travemünde) steht unter dem Polizeiamte, dessen Chef ein rechtsgelehrter Senator ist. Das Feuerlöschwesen ist Communalsache u. der Aufsicht des Departements der Brandkasse (s. oben) untergeben. Ebenfalls diesem letzteren Departement als Communalsache untergeordnet ist die öffentliche Beleuchtung der Stadt mittelst Gas (seit 1854). Gesetze: das Lübische Recht nach seiner 1586 publicirten Revision bildet in der Stadt u. innerhalb ihrer Landwehr (für die Ortschaften außerhalb derselben gilt das Römische Recht) die erste u. vorzüglichste Entscheidungsquelle privatrechtlicher Streitigkeiten. Die Unvollkommenheiten u. Mängel werden theils durch eine Menge besonderer Verordnungen ergänzt, über welche seit 1813 eine authentische Sammlung angelegt ist.

Das Bundescontingent. Im Jahre 1849 löste L. den seit dem Jahre 1834 mit Bremen bestandenen Bataillons- u. Schwadronsverband auf, stellte statt der bisherigen zwei Compagnien Infanterie u. 1/2 Schwadron Cavallerie provisorisch sein Contingent in einem Bataillon Infanterie zu vier Compagnien auf u. ließ die Cavallerie eingehen. Diese provisorische Formation wurde am 31. März 1859 von der Bundesversammlung als eine definitive anerkannt u. L. zugleich von der Stellung der Cavalleriequote entbunden, aber die Vertretung der Artillerie (zwei Geschütze) durch Oldenburg auferlegt. Das Haupt- u. Reservecontingent (611 Mann) bildet ein leichtes (Füsilier-) Bataillon von vier Compagnien; wird die Reserve nicht gleichzeitig mit dem Hauptcontingente aufgeboten, so wird sie aus den Compagnien herausgezogen u. aus ihr u. dem Ersatzcontingent (68 Mann) eine Compagnie formirt. An Nichtstreitbaren stellt L. 69 Mann. Das Contingent gehört zur dritten Brigade der zweiten Division des X. Bundesarmeecorps. Ein unterm 28. Febr. 1855 zwischen Oldenburg, Lübeck, Bremen u. Hamburg abgeschlossener Staatsvertrag regelt die Beziehungen des Contingents zu der Brigade. Seit dem Jahre 1852 ist die sechsjährige [557] Dienst- u. zweijährige Präsenzzeit eingeführt. Die Ergänzung erfolgt durch Aushebung. der im 20. Lebensjahre stehenden waffenfähigen Bevölkerung. Stellvertretung ist gestattet u. befindet sich diese fast ausschließlich in den Händen der Militärbehörde. Die Militärbehörde wird aus zwei Senatoren, den Militärcommissarien des Senates, gebildet. Das Militärdepartement besteht aus diesen beiden Senatoren u. sechs bürgerlichen Deputirten. Uniform u. Bekleidung: grüner Waffenrock mit rothem Kragen u. gelben Knöpfen, Helm mit messingenem Adler mit dem Wappen, Mantel u. Beinkleid grau, Lederzeug schwarz, Spitzkugelgewehre u. Faschinenmesser; die Offiziere tragen Schleppsäbel, silberne Epauletten mit goldenem Halbmond, Stabsoffiziere mit silbernen Contillen. Bei der Mannschaft Gradabzeichen durch goldene Treffen am Kragen. Kriegsdenkmünze für die Jahre 1813 u. 1814; Dienstehrenzeichen für treue Dienste für Offiziere nach 20jährigem Dienste ein silbernes Kreuz, nach 25jährigem Dienst ein goldenes Kreuz; für Unteroffiziere nach 15jährigem Dienst eine silberne Schnalle, nach 20jährigem Dienst eine goldene Schnalle, nach 25jährigem Dienst ein silbernes Kreuz. Kriegsdenkmünze u. Dienstehrenzeichen werden an einem weiß- u. rothem Bande getragen. Feldzeichen u. Cocarde weiß u. roth. Das Militärgericht, s. oben. Finanzen: Einkünfte u. Ausgaben nach Budget von 1859: 1,095,600 Mark; Schulden 11 Millionen Mark, wovon jährlich eine bedeutende Summe getilgt wird. Wappen: ein wagrecht getheiltes weißes u. rothes Schild; mit der Reichsunmittelbarkeit erhielt L. vom Kaiser die Erlaubniß, den Reichsadler auf seinen Münzen zu führen; späterhin wurde dieser Adler Träger des Schildes; jetzt wird die Krone des Adlers weggelassen. Flagge: weiß u. roth, horizontal getheilt. Hafen von L. ist Travemünde. Münzen: In L. wird gerechnet nach Mark zu 16 Schillingen à 12 Pfennigen Lüb. Courant, der Thaler zu 2 Mark 8 Schilling, 35 Mark od. 14 Thaler auf die Kölnische Mark sein Silber, 1 Mark also = 12 Sgr. preußisch Courant. Durch das Münzgesetz vom 15. Dec. 1856 ist das Münzwesen regulirt, der alte Lübische Münzfuß (34 Thalerfuß) abgeschafft u. an dessen Stelle der 35 Mark- od. 14 Thalerfuß getreten. Als Courantmünze sollen nur Stücke von 2 Mark 8 Schillinge (Thalerstücke) geprägt werden. Als Theilungsmünzen sollen Vier- u. Achtschillingstücke u. als Scheidemünze Schillinge, Sechslinge u. Dreilinge gemünzt werden. Bis auf Weiteres gelten die von andern deutschen Staaten nach dem 14. Thalerfuß resp. 30 Thalerfuß ausgemünzten einfachen u. doppelten Thalerstücke als Lübeckisches Courant, so wie als Theilungsmünze die bisherigen Acht- u. Vierschillingstücke des 34 Markfußes, als Scheidemünze die bisherigen 2-, 1-, 1/2- u. 1/4 Schillingstücke u. zwar zu ihrem vollen Nennwerthe. Maße: Längemaße: der Fuß zu 12 Zoll à 12 Linien = 0,287618 Meter od. 1271/2 pariser Linien, 100 lüb. Fuß = 91,641 preußische Fuß; die Elle ist 2 Fuß; der Fuß beim Messen der Schiffe ist 1291 pariser Linien lang; die Ruthe hat 16 lüb. Fuß; die lüb. Meile ist die geographische; Feldmaß: die Last à 24 Tonnen à 4 Scheffel hat 96 Scheffel Aussaat, die betreffende Fläche ist daher nach Güte des Bodens verschieden; Getreidemaß: die Last hat 8 Drömt zu 3 Tonnen à 4 Scheffel à 4 Faß in zweierlei Maß: Roggen- u. Weizenmaß (für Roggen, Weizen, Gerste u. Erbsen) der Scheffel = 34,649 Liter, 100 lüb. Scheffel = 63,1239 preuß. Scheffel; Hafermaß (nach welchem alle Früchte auf dem Markte verkauft werden, u. zwar, so weit thunlich mit gestrichenem Maß) = 39,514 Liter, 100 Scheffel = 71,8941 preußische Scheffel; Flüssigkeitsmaße: Weinmaße: das Fuder hat 6 Ohm od. 4 Oxhoft, 1 Oxhoft 11/2 Ohm od. 6 Anker od. 30 Viertel à 8 Quartier; das Viertel hat 2 Stübchen à 2 Kannen à 2 Quartier; das Quartier od. die Bouteille hat 2 Plank zu 2 Ort; das Stübchen = 3,6375 Liter, 100 Stübchen = 317,678 preußisch Quart; Branntweinmaß: im Großhandel hält das Faß 30 Viertel; Biermaß hat das Faß 40 Stübchen od. 80 Kannen od. 160 Quart. Das metrische Gewicht soll im Jahre 1861 eingeführt werden, 1 Pfund = 500 Grammen, 1 Centner = 100 Pfund. Die Unterabtheilungen sollen nach dem Decimalsystem gebildet werden. Das jetzige Handelsgewicht ist: der Centner hat 8 Liespfund od. 112 Pfd., s.u. Centner: Lübeck; doch ist das im Handel u. Verkehr gebräuchliche Stadtgewicht schwerer, jenes 484,7078.Gramm od. 10084,8 holl. As, das Stadtpfund 486,474 Gramm od. 10121,5 holländische As. Das Schiffspfund hat 21/2 Centner od. 20 Liespfund à 14 Pfund, zur Fuhre 20 Liespfund à 16 Pfund. 100 lüb. Handelspfund Stadtgewicht=104,013 preußische Pfund; die Schiffslast ist 4120 Pfund, die Commerzlast (Last der lüb. Schiffe) ist 6000 Pfund. Gold-, Silber- u. Münzgewicht ist seit 1856 die sogenannte Münzmark, d. h. die Mark seinen Silbers von 233,855 Grammen mit der gewöhnlichen Eintheilung; Medicinal- u. Apothekergewicht das alte Nürnberger.

Die Stadt L. liegt auf einem Hügel zwischen der Trave u. Wakenitz, hat 5 Thore, 4 Quartiere; die ehemaligen Wälle sind seit 1805 mit Anpflanzungen versehen u. zu Spaziergängen gemacht. L. hat geräumige Straßen mit zum Theil alterthümlichen Häusern, stattliche Plätze, z.B. Marktplatz, Kaufberg. Es ist Sitz des Senats u. Appellationsgerichts für die Freien Städte. Hauptkirchen sind die Marienkirche (mit zwei 430 Fuß hohen Thürmen, 1854 neu gebaut, vielen Kunstschätzen, astronomischer Uhr, Todtentanz) u. die Domkirche (1173 von Heinrich dem Löwen erbaut, mit 2 Thürmen, vielen Alterthümern, Begräbnissen der lüb. Bischöfe); 3 Nebenkirchen (zu Sta. Anna 1843 abgebrannt), 1 Kirche in der Vorstadt, reformirte Kirche, katholische Kapelle; Rathhaus im Gothischen Styl, Börse, Rathsweinkeller, Casinogebäude mit neuem Theater, Wasserkünste, Friedeuhagensches Zimmer mit auggezeichneten Schnitzwerken. Wohlthätigkeitsanstalten: Johannisstift mit 36 Conventualinnen, Hospital zumheiligen Geist, für 150 Alte, St. Annen Armen- u. Werkhaus, für Arbeitslose, Alte, Arme, Kranke; Kinderpflegeanstalt, Waisenhaus für 150 Kinder, Irrenhaus, 6 Armenhöfe für Wittwen u. Jungfrauen, 9 Armengänge, 10 Armenhäuser, 6 Armenschulen, 2 Kleinkinderschulen, wohlfeile Speiseanstalt, Kinderhospital, Rettungshaus für verwahrloste Kinder, Unterstützungskasse für alte Seefahrer, Frauenverein, bes. für verschämte Arme. Öffentliche Anstalten: Bibliothek, Naturaliensammlung der gemeinnützigen Gesellschaft, Verein für Lübische Geschichte, für Lübische Statistik, Kunst verein; Gesellschaft zur Beförderung gemeinnützige [558] Thätigkeit, von welcher viele Institute begründet sind u. erhalten werden; Rettungsanstalt für im Wasser Verunglückte, Spar- u. Anleihekasse (über 2 Mill. Mark belegte Gelder), Leihhaus, Feuerlöschanstalten mit militärisch organisirtem Personal, Verein für entlassene Sträflinge, für Förderung des Gartenbaues, Bibelgesellschaft, Missionsverein, Zucht- u. Spinnhaus. Unterrichtsanstalten: das Catharineum (Gymnasium u. Bürgerschule), Schullehrerseminar, 3 Handelsinstitute, Gewerbschule, Navigationsschule, Taubstummen- u. Blindenanstalt, Turnanstalt, 2 Schwimmschulen, 2 Reitschulen. Fabriken: in Amidam, Puder, Kupfer, Messing, Leder, Öl, Seife, Papier, Tabak, Cigarren, musikalischen Instrumenten, goldenen u. silbernen Treffen, Claviersaiten, Fischbein, Spielkarten, Wachslichtern, Watte, metallenen Knöpfen, Maschinen- u. mechanischen Instrumenten u.a.; Bierbrauereien, Essig- u. Branntweinbrennereien, Glockengießerei, Glashütte, Eisengießerei, Dampfmühle, Spritfabrik, Kalk- u. Cementfabrik, bedeutender Schiffsbau. Der Handel mit Wein, Getreide, Leder, Hanf, Talg, Öl, Theer, Bauholz, Pottasche, Tabak, Rappsaat, Fellen, Eisen, Manufactur- u. Colonialwaaren wird durch 6 Assecuranzgesellschaften, die Börse, 2 Banken, die Privatbank u. die Commerzbank, von denen die erstere auch Noten ausgibt, die niedrigen Zölle, so wie durch die Trave u. mehrere hier einmündende Chausseen begünstigt; auch die Schifffahrt ist bedeutend u. erstreckt sich bes. auf die Ostseeländer, doch auch auf Frankreich, die Niederlande, England, das Mittelmeer etc.; sie wird durch die schiffbare Trave, welche durch den Steckenitzkanal (Divenow) mit der Elbe in Verbindung steht, begünstigt (jährlich 1000–1200 Schiffe, welche ankommen); der eigenen Seeschiffe sind gegen 70 (zusammen etwa 4560 Last haltend). Auch besteht hier Dampfschifffahrt nach allen bedeutenden Ostseehäfen Dänemarks, Schwedens u. Rußlands; ferner führt von L. eine Eisenbahn nach Büchen zum Anschluß an die Berlm-Hamburger Bahn. Vergnügungen: das Stadttheater, wo jedoch nur während des Winters Vorstellungen gegeben werden, Subscriptionsbälle u. Concerte im Casinogebäude, die Vereine Harmonie, Union, Concordia u.a. Vergnügungsorte: Tivoli mit Sommertheater; außerhalb der Stadt: die Lachswehr, Israelsdorf, die Fischerbuden u.a.; Freimaurerlogen: Zum Füllhorn u. Zur Weltkugel; 29,000 Einwohner. Das Stadtgebiet wird in das Gebiet innerhalb u. außerhalb der Landwehr (dieselbe begrenzt das frühere Weichbild der Stadt) getheilt; ersteres, auch theilweise Travemünde, ist dem städtischen Zunftzwange unterworfen. Für die Bewaffnung ist es in fünf Bezirke getheilt.

Genannt wird die Stadt zuerst unter König Gottschalk (1043–66) dessen Wohnsitz sie war. Doch lag sie damals weiter abwärts an der Trave, wo die Schwartau mündet. Nachdem dieser Ort 1138 von den Wenden völlig zerstört worden war, gründete Graf Adolf II. von Holstein 1143 ein neues L. auf dem früheren Werder Bucu, zwischen Trave u. Wakenitz, welches bald den Handel der andern niederdeutschen Städte, namentlich Bardewicks, Abbruch that. Durch Verhältnisse gedrängt, trat der Graf von Holstein L. an Herzog Heinrich den Löwen ab (1158). Dieser baute die kurz vorher abgebrannte Stadt fester auf, gab ihr Soester Recht, bewirkte die Verlegung des oldenburgischen Bisthums 1163 hieher, gründete ihren Dom 1173 u. sicherte ihren Handel mit dem Norden, namentlich mit Wisby. Nach Heinrichs Achtserklärung wurde 1181 der Kaiser ihr Herr, welcher 1188 ihre Privilegien mehrte u. ihre Verhältnisse zu den Nachbarstaaten genauer bestimmte. Mannigfach bedrängt u. schutzlos, ergab sie sich 1200 den Dänen unter Herzog Waldemar, welcher sich in L. 1203 als König u. Herr der Nordalbingischen Lande huldigen ließ. Nach seinem Falle 1223 kam L. einer weiteren Ursurpation dadurch zuvor, daß es sich dem Kaiser Friedrich II. unterwarf, welcher es 1227 zu einer freien Reichsstadt erhob. Als solche behauptete es sich in dem Kampfe gegen die Dänen bei Bornhövd, 22. Juli 1227. Durch die Ausbreitung seines Handelsverkehrs trat L. mit den meisten niederdeutschen Städten in engere Verbindung u. wurde allgemach das Haupt der Hause, deren allgemeine Angelegenheiten es größtentheils leitete. Seine Flotten beherrschten die Ostsee u. sein Einfluß entschied in den nordischen Kriegen.

Nach dem Tode des Kaisers Karl IV. wurde es auch der kaiserlichen Voigtei ledig. Durch kühne Kriegführung, wenngleich unter bedeutenden Anstrengungen, behauptete L. sein Ansehen nach Außen; im Innern erhielt, trotz mancher Bewegung der Gemeine, namentlich von 1408–1416, ein aristokratischer Rath mit kräftiger Hand die Ruhe aufrecht. Mit der Hanse sank L. Eine abermalige Reaction gegen den meist katholisch u. kaiserlich gesinnten Rath unter Nicol. Bröms (1529–1534) führte den kühnen Jürgen Wullenweller zu dem Versuch, L-s altes Ansehen in den Nordischen Reichen noch einmal zu begründen u. zu sichern. Aber er unterlag, wurde hingerichtet, die Reformation zwar 1530 eingeführt, aber auch der Rath in seine alten Rechte eingesetzt. 1534 wurde L. von den Holsteinern belagert. Noch einmal kämpfte L. selbständig gegen Schweden 1563–70; seitdem verfuhr es nur vertheidigungsweise, während sein Handel u. sein Wohlstand abnahm. Auch in den Dreißigjährigen Krieg wurde es zu seinem großen Schaden ver wickelt, u. der Friede des Kaisers mit Dänemark 1629 hier geschlossen. Neue innere Unruhen führten den Receß von 1669 herbei, welcher die Grundlage der Verfassung bis 1848 bildete. Als 1806 die deutsche Reichsverfassung aufgehoben wurde, bestand L. Anfangs noch als freie Hansestadt fort; aber das Unglück Preußens führte 20,000 Mann Preußen unter Blücher in L-s Mauern, welche in der Schlacht von L. von den Franzosen (40,000 M.) unter Bernadotte, Soult u. Muratam 6. Nov. 1806 überwältigt u. zur Capitulation von Ratkau 7. Nov. gezwungen wurden, übrigens eine französische Occupation u. großes Elend über die Bewohner brachten.1810 wurde L. dem Departement der Elbmündungen des Französischen Kaiserreichs einverleibt. Im Frühjahre 1813 eine kurze Zeit durch die Russen befreit, sandte L. seine jungen Männer zu der Hanseatischen Legion, wurde jedoch abermals von den Franzosen occupirt u. sehr bedrückt, bis am 5. Dec. der Kronprinz von Schweden ihm die Selbständigkeit u. Freiheit zurückgab. Die frühere Verfassung wurde wieder hergestellt. Auch der Wohlstand hob sich seitdem wieder, wenn gleich der Handel größtentheils auf die Nordischen Reiche, England u. Frankreich beschränkt ist. Auch ist die Ruhe im Innern, außer durch einen, durch Militärverhältnisse veranlaßten Volkstumult im August 1843 u. durch[559] Excesse im October 1848, nicht wieder gestört worden. Obschon L. nichts weniger als unberührt von den Stürmen der letzten Bewegungsjahre geblieben war ging es doch unbeschädigt aus denselben hervor. Die im Jahre 1848 errichtete freiwillige Bürgerwehr wurde durch Verordnung vom 9. Juli 1852 aufgelöst. Am 1. Juli trat L. dem Deutsch-österreichischen Postvereine bei. Im Jahre 1853, in welchem überdieß L. in ziemlich bedeutender Weise von der Cholera heimgesucht ward, wurden laut dem in Dänemark abgeschlossenen Vertrag die Lübischen Enclaven in Holstein vom 1. Juli ab auf zehn Jahre dem Dänischen Zoll- u. Brennsteuersystem einverleibt. Am 17. Jan.1855 genehmigte die Bürgerschaft ein neues Jagdgesetz, eben so gab dieselbe am 12. März ihre Zustimmung zu der am 28. Febr. abgeschlossenen Hanseatisch-oldenburgischen Militärconvention, wodurch die drei Hansestädte wieder in das frühere Brigadeverbandverhältniß mit Oldenburg unter dessen Obercommando traten. Vgl. I. I. v. Melle, Gründliche Nachrichten von der Stadt L., 3. Aufl. 1787; Becker, Geschichte der Stadt L., 1782–1805, 3 Thle.; Villers, Constitutions de trois villes libres anséatiques, Lpz. 1814; Zietz, Ansichten der freien Hansestadt L. u. ihrer Umgebung, Frankf. 1822; Behrens, Topographie u. Statistik von L. u. Bergedorf, Lüb. 1829–39, 2 Thle., 1. Abthl. 2. Aufl. 1856; Wurm, Verfassungsskizzen der freien u. Hansestädte L., Bremen u. Hamburg, Hamb. 1841; Neue Lübische Blätter, 1835 ff.; Behrens, Topographisch-statistische Tabellen von L., 1843; Urkundenbuch der Stadt L., ebd. 1843 ff.; Decke, Die freie Stadt Lübeck, 2. Aufl., Lübeck 1854; G. Waitz, L. unter Jürgen Wullenweber, Berl. 1855 f., 3 Bde.; Klug, Geschichte L-s während der Vereinigung mit dem französischen Kaiserreiche (1811–13), Lüb. 1857.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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