- Gallicanische Kirche
Gallicanische Kirche, Name der Katholischen Kirche in Frankreich, zur Bezeichnung ihrer früheren Gründung u. ihrer eigenthümlichen Rechte. I. Von der ältesten Zeit an bis zu Ludwig XIV. Die Gründung christlicher Gemeinden in Gallien ging jedenfalls von Kleinasien aus u. wurde durch die Handelsverbindungen der kleinasiatischen Städte mit der berühmten Handelsstadt Lugdunum (Lyon) veranlaßt. Bereits in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. gab es hier u. in Vienne blühende Christengemeinden, während anderwärts der heidnische, aus verschiedenen Elementen der Celtischen u. Römischen Mythologie zusammengesetzte Volksglaube dem Christenthum kräftig widerstand. Die Absendung von sieben römischen Missionären nach Gallien im 3. Jahrh. u. die Gründung von Gemeinden in sieben Städten, wo sie Bischöfe wurden (darunter Dionysius, der erste Bischof von Paris, u. Saturninus, Stifter der Gemeinde in Toulouse), ist geschichtlich nicht sicher begründet. Dagegen trat nach 177 Irenäus als Bischof an die Spitze der Gemeinde in Lyon, u. das Christenthum fand von hier aus den Weg nach Deutschland wie nach Spanien. In der Verfolgungszeit erhielten die Christen in Gallien bes. Schutz unter Constantius Chlorus, welcher ihnen Freiheit u. Ruhe gewährte, zugleich machte sich aber die praktisch-christliche Richtung, die Irenäus den Gnostikern gegenüber zu vertreten wußte, mehr u. mehr in den Gemeinden geltend. Auch an den theologischen Streitigkeiten des 5. u. 6. Jahrh. nahm die Kirche in Gallien lebhaften Antheil, u. die Synoden in Orange (Arausio) u. Valence erklärten sich für die von dem Bischof Cäsarius von Arles aufgestellten Lehrsätze, die sich für den strengen Augustinismus aussprachen, jedoch die Prädestinationslehre mit ihren Auswüchsen verwarfen. Dagegen wußte sich die Kirche in einer gewissen Selbständigkeit u. Unabhängigkeit zu erhalten; in ihrem Namen handelte schon 362 eine Synode in Paris, man hatte eine eigne Liturgie u. Metropolitanverfassung, die Synoden wurden im vollen Einverständniß der Könige, welche den Synodalbeschlüssen ihre Genehmigung zu ertheilen hatten, gehalten, u. es fand keine engere Verbindung mit dem römischen Bischof statt, indem man denselben nur zuweilen bei den Streitigkeiten der Bischöfe unter einander als Schiedsrichter in Anspruch nahm. Indeß fehlte es hierbei nicht an Differenzen zwischen dem Staat u. der Kirche, indem jener die Immunitäten, namentlich in Bezug auf die Gerichtsbarkeit u. die Kirchengüter, zu beschränken, u. diese ihre Privilegien zu wahren u. zu sichern suchte. Ganz anders aber wurde das Verhältniß der G. Kzu dem Römischen Stuhl zur Zeit der Karolinger, u. es trat dieselbe in eine bei Weitem größere Abhängigkeit, als früher. Hierzu wirkte unter andern der Umstand, daß man die Verbindung, in welche der Papst besonders durch Bonifacius mit der Deutschen Kirche gekommen war, auch auf die älteren fränkischen Kirchen überzutragen suchte, daß die Bischöfe in Soissons, Lyon, Tours u. anderwärts mit Rom um so lieber in Verkehr traten, je mehr sie sahen, wie dadurch das Ansehen der Kirche u. der Geistlichkeit unter dem Volke wuchs, u. daß Bonifacius selbst 742 nach Gallien als Legat gesendet wurde, um hier dieselbe Kirchenordnung wie in Deutschland zu begründen, was er auch auf den Synoden in Lestines (Synodus Liptinensis) u. Soissons zu Stande brachte. Hierdurch wurde nicht nur eine genaue Verbindung mit Rom bewirkt, bei welcher Pipin sehr bald dem Papst Zacharias Fragen über kirchliche Einrichtungenvorlegte, sondern Bonifacius setzte es auch durch, daß mehrere gallische Erzbischöfe die nämliche Unterwerfungsacte wie in Deutschland unterzeichneten u. die neuen Metropoliten ihr Pallium von Rom erbaten. Wie nun zu dieser Abhängigkeit die gegenseitigen Dienste, die sich die Päpste u. die Karolinger, bes. in der fränkischen Revolution unter Pipin u. bei der Übergabe des Exarchats, leisteten, nicht wenig beitrugen, so kam bes. durch die Pseudoisidorischen Decretalen die päpstliche Gewalt in Frankreich deshalb auf eine sehr hohe Stufe, weil sie hier unter schwachen Königen durch die Macht der Vasallen u. durch die Vermehrung der päpstlichen Orden vorzugsweise getragen wurde, u. es wurde umsichtigen Päpsten, wie Nikolaus I., Hadrian II. u. später Gregor VII. nicht schwer, für ihren Supremat daraus erhebliche Vortheile zu ziehen, obschon die Könige Collatoren u. Lehnsherren der Bischöfe blieben u. erst später unter den Capetingern dem Papste das Bestätigungsrecht derselben überließen. Allein der Stolz römischer Legaten, die Menge des nach Rom gehenden Geldes u. die päpstliche Anmaßung gegen die Könige öffnete diesen u. dem Clerus der Nation die Augen, u. dieser benutzte die Beschränkung der päpstlichen Gewalt, um Freiheiten für die G. K. zu gewinnen. In diesem Sinne wurde im März 1268 die Pragmatische Sanction Ludwigs IX. erlassen, welches den Prälaten u. Collatoren ihre alten Gerechtsame u. den Capiteln das Wahlrecht wiedergab, die Einrichtung der Abgabe an die Römische Curie von der Untersuchung ihrer Dringlichkeit u. der Zustimmung sowohl des Königs als des Nationalclerus abhängig machte u. ungesetzliche, fremde Einmischung in die Angelegenheiten der Nationalkirche nachdrücklich abwies. Gleichwohl fehlte es nicht an heftigen Streitigkeiten, bes. zwischen dem Papst Bonifacius VIII. u. König Philipp dem Schönen, welcher den päpstlichen Ausspruch in seinem Streite mit König Eduard I. von England nicht nur nicht vollzog, sondern sogar den päpstlichen Legaten verhaftete, gegen die weiteren Schritte des Papstes die drei Stände seines Reichs zusammenrief u. den Letzteren selbst 1303 gefangen nahm. So wurde die Pragmatische Sanction vielfach verletzt,[876] jedoch bei dem großen Schisma, namentlich auf den Concilien in Kostnitz u. Basel, zur Geltung gebracht. Dies geschah durch Annahme der Basler Reformationsdecrete auf der Reichsversammlung in Bourges 1438 u. durch Promulgation derselben in der Pragmatischen Sanction Karls VII., dem Grundgesetze der G-n K. Sie stellt das allgemeine Concil über den Papst, sprichtdem Papst alle Abgaben für die Bestätigung der Bischöfe u. Prälaten ab, erlaubt Appellationen an ihn nur in letzter Instanz u. bewilligt die Annaten nur bis zum Tode des damaligen Papstes (Eugen IV., st. 1447). Um den Papst für den Anfall Neapels an das. Haus Anjou zu gewinnen, hob Ludwig XI. diese Sanction schon 1461 wieder auf; dagegen suchten Karl VIII. u. Ludwig XII. durch das Edict von 1496 sie desto eifriger in Kraft zu erhalten; aber in den wichtigsten Punkten erlosch sie durch das Concordat, welches Franz I. 1516 in Bologna mit Leo X. abschloß, s. Concordat I. D). Nur die Reservationen u. Expectanzen blieben abgeschafft, die Appellationen nach Rom auf die letzte Instanz beschränkt u. die Annaten unerwähnt. Parlamente, Stände u. Stifter protestirten vergeblich gegen dies Concordat; es galt bis zur Revolution. Die G. K. wurde nun ganz vom Könige u. seinem Vernehmen mit dem Papste abhängig. Die monarchische Gewalt wurde jedoch ihr Schutz gegen den Papst, da nöthigenfalls der König die Erhebung der im Concordat nicht erwähnten Abgaben nach Rom u. die von seiner Genehmigung abhängende Publication päpstlicher Verordnungen im Reiche verbieten konnte. Von den Decreten des Tritendinischen Coneils nahm Frankreich die mit seiner kirchlichen Verfassung unverträglichen u. dem Papste allzu günstigen nicht an.
Mitten unter diesen Kämpfen gab es indeß auch in der G-n K. Männer, die einen bessern Geist unter den Geistlichen zu fördern suchten. Hierher gehört bes. der Bischof Chrodegang von Metz im 8. Jahrh, der das sogenannte canonische Leben der Geistlichkeit stiftete. Er brachte eine Verbindung der Geistlichen nach dem Muster der Benedictinerregel zu Stande, wonach sie in einem Hause lebten u. bestimmte Gebetsstunden (Horae canonicae) u. allgemeine Versammlungen hielten. Das Concilin Aachen erhob diese Regel für die Fränkische Kirche 816 zum Gesetz, u. sie wurde ein Gegengewicht gegen die Rohheit der Geistlichkeit, wie gegen ihre knechtische Abhängigkeit von den Bischöfen. Auch für die Predigt u. den Kirchengesang suchte er zu wirken. Doch gelang es erst durch zwei Sänger, Theodorus u. Benedictus, welche der Papst Hadrian nach Gallien sendete, u. durch die Sängerschulen in Metz u. Soissons, den fränkisch-gallischen Kirchengesang zu verdrängen u. den römisch-gregorianischen an dessen Stelle zu setzen. Übrigens regten sich auch unter dem Volke Stimmen gegen die hierarchischen Übergriffe, z.B. Peter de Bruys 1104 in Südfrankreich, der gegen Kindertaufe, Messe u. Cölibat predigte, sein Schüler Heinrich 1116, der die Verderbniß unter dem geistlichen Stande ans Licht brachte, bes. aber die Waldenser u. Albigenser (s. b.), die sich den Satzungen gegenüber auf die Heilige Schrift beriefen.
II. Von Ludwig XIV. bis zur Restauration 1814. Die wissenschaftlichen Bestrebungen unter Ludwig XIV. u. Richelieu, namentlich die historischen Forschungen der Benedictiner, des St. Maurus u. der Mauriner, der Väter des Oratoriums etc., die Arbeiten auf dem Gebiet des kirchlichen Alterthums, so wie die allgemeine Theilnahme an den Kämpfen mit der Hierarchie regten das Interesse an den Untersuchungen über die Freiheiten der G-n K. immer mehr an. So bedurfte es nur des Anlasses, welchen das von Ludwig XIV. 1673 auf alle Bisthümer u. Erzbisthümer ausgedehnte Regale (das herkömmliche Recht des Königs, die Einkünfte derselben zu der Zeit ihrer Erledigung zu genießen) den Bischöfen von Pamiers u. Alet zur Appellation nach Rom gab, u. der heftigen Opposition des Papstes gegen jene Ausdehnung, um dein Papst zu zeigen, daß die G. K. in Sachen. worin das Concordat ihm nicht ausdrücklich die Entscheidung zusprach, den Reichsgesetzen u. königlichen Anordnungen zu gehorchen vorzöge. Eine Versammlung der Geistlichkeit erkannte 1681 jenes Recht des Königs ohne Einschränkung an. So kam 19. März 1682 die von Ludwig XIV. durch Bossuet erwirkte Declaration des französischen Clerus (Declarationes cleri gallicani, Artikel der G-n K.) zu Stande, welche die Freiheiten dieser Kirche in 4 Artikeln ausspricht: a) Könige u. Fürsten sind in weltlichen Dingen keiner geistlichen Macht unterworfen, u. diese kann Unterthanen nie vom Gehorsam gegen jene lossprechen; b) der Papst ist einem allgemeinen Concil unterworfen; c) die allgemein angenommenen Canones u. die in Frankreich geltenden Regeln, Satzungen u. Gebräuche des Reichs u. der Kirche reguliren den Gebrauch der päpstlichen Macht; d) auch in Glaubenssachen ist das Urtheil des Papstes nicht unabänderlich (irreformabile), wenn die Kirche nicht beistimmt. Diese Artikel wurden von den Reichsbehörden feierlich angenommen (u. müssen nach einem bis jetzt nicht gusgehobenen königlichen Edicte auf allen Universitäten u. Priesterseminarien gelehrt werden). Zwar wurden sie zur Beruhigung des Papstes, welcher sie in Rom vom Henker verbrennen ließ, in Schreiben an denselben von 10 Bischöfen u. dem Könige für unkräftig erklärt, aber dieser Widerruf nie unter die Reichs- u. Kirchengesetze aufgenommen, daher jene Artikel selbst als Staats- u. Kirchengesetze gültig blieben. Dagegen leß sich aber die Staatsgewalt zur Unterd. ückung aller reformatorischen Versuche gebrauchen; wie im 13. Jahrh. dies die Dominicaner u. Franciscaner betrieben hatten, so betrieben es jetzt die Jesuiten u. Kapuziner. Zwar gelang es nicht mit dem Jansenismus (s.d.), weil dieser an den gallicanischen Parlamenten eine Stütze fand, aber desto erfolgreicher war das Gelingen gegen die Protestanten, gegen welche sie 1685 die Aufhebung des Edicts von Nantes, welches durch sein Erscheinen 1598 u. durch seine Neuerungen 1614, 1615, 1643 den Hugenotten Religionsfreiheit gestattet hatte, erwirkten, wodurch diese für unfähig erklärt wurden, eine Corporation in Frankreich zu bilden.
Während im 17. Jahrhundert hervorragende Gelehrte, z.B. Petavius, Petrus de Merce, Mabillon, Richard Simon, Fénelon, Bossuet u. A. in der G-n K. die Wissenschaft förderten, sank im 18. Jahrh. die Gelehrsamkeit u. Energie des Clerus, u. das Ansehen der Kirche immer mehr herab u. wurde von den Vertretern des Atheismus u. Materialismus untergraben, so daß das bereits erschütterte Gebäude in der Revolution 1789 rasch zusammen stürzte. Die jährlichen Einkünfte der gesammten [877] Welt- u. Klostergeistlichkeit wurden vor der Revolution auf 300 Mill. Francs, darunter 130 Mill. vom Grundeigenthum der Kirche (7/20 des gesammten), berechnet. Davon gab sie an den König, außer dem unter Franz I. eingeführten geringen Zehnten, Dons graduits von 18 Mill. auf 5 zu 5 Jahre als unverzinsliches Darlehn. Alle diese u. die zur Tilgung ihrer Schulden nöthigen Abgaben der Geistlichkeit betrugen jährlich 11 Mill. Francs, wovon der König, außer den Steuern der ausländischen Geistlichkeit, 31/2 Mill. erhielt. Die Nationalversammlung, in welcher der schlecht besoldete niedere Clerus sich sogleich an den dritten Stand, der hohe Clerus aber an den hohen Adel anschloß, schaffte 1789 den Zehnten für die Geistlichen ab, erklärte alle Kirchengüter für Nationalgüter, setzte 1790 dieselben unter weltliche Administration, beschloß ihren Verkauf u. die Besoldung der Geistlichen aus den Staatskassen mit einem Minimum von 1200 Livres außer Haus u. Garten, hob alle Abgaben nach Rom u. alle geistlichen Orden, mit Ausschluß der klösterlichen Hospitäler u. Unterrichtsanstalten, auf, verpflichtete 1791 die Priester zum Eide (Geschworne Geistliche, Clercs od. Prêtres sermentés) auf die neue Constitution u. belegte, da viele Priester diesen Eid verweigerten (Clercs insermentés od. refractaires), diese mit Entsetzung, Hast u. Todesstrafe. Unter der Schreckensregierung 1793–95 wurde die Katholische Kirche von allen ihren Gegnern, von Protestanten, Jansenisten u. Theisten, hart angefeindet, bis endlich die Naturalisten das Christenthum u. zuletzt die Religion abschafften, indem sie nur den Dienst der Vernunft, von einer feilen Dirne repräsentirt, gestatteten, s. Frankreich (Gesch.) VIII. A). Dies war aber der Wendepunkt; schon am 7. Mai 1794 führte ein Decret des Nationalconvents den Glauben an Gott wieder ein, u. in der am 22. Aug. vom Papst Pius VII. erlassenen Bulle Auctorem fidei wurde die Wiedereinführung des mittelalterlichen Kirchenglaubens mit Anwendung aller Mittel geboten. Die Mehrzahl wendete sich dem Kirchensystem wieder zu; eine kleine Anzahl edler Männer, welche religiöse Verhältnisse mit den neuen Ideen des socialen Lebens in Einklang bringen wollten, gründete 1796 den von der öffentlichen Meinung mit Spott behandelten Verein der Theophilanthropen. Die beeidigten Bischöfe hielten 1797 in Paris eine Nationalsynode zur Aussöhnung mit dem Papste u. den ausgewanderten Bischöfen, doch vergebens. Der Priestereid trennte die Kirche der Republik von der exilirten. Indessen hatte sich Bonaparte der Staatsgewalt bemächtigt, Nach einer abermals fruchtlosen Synode (29 Juni 1801) schloß er am 10. September 1801 ein Concordat (s. Concordat I. E) mit dem Papste, welches die alte Verfassung der Kirche wieder herstellte, u. schon am 4. Octbr. wurden die öffentlichen Versammlungen der Theophilanthropen auf Befehl des Consuls geschlossen. Damit verband Bonaparte den 8. April 1802 Organische Artikel, welche die alten gallicanischen Grundsätze systematisirt zum Staatsgesetz erhoben. Sie machten die Publication u. Vollziehung päpstlicher Verordnungen aller Art, die Kraft der Concilienschlüsse, die Functionen der Legaten u. die Abhaltung von Synoden im Reiche von der Genehmigung der Regierung abhängig u. schafften die alten Privilegien u. Exemtionen, wie die Zahlungen für geistliche Amtsverrichtungen, ab, stellten die Kirchenpolizei u. selbst die Geistlichen als Staatsbürger unter den Staatsrath, gaben den Erzbischöfen Disciplinarjurisdiction über die Bischöfe, unterwarfen diese der Prüfung von Examinatoren, welche die Regierung ernannte, u. die Einrichtung ihrer Seminarien dem Urtheil des Regenten, befahlen, die vier Artikel (s. ob.) in denselben zu lehren, schlossen Ausländer vom Clerus aus, verboten die Tranung vor der Civilschließung der Ehen, welche der Civilgerichtsbarkeit unterworfen blieben, sprachen dem Clerus die Führung der Civilstandsregister (über die Geburten, Ehen, Todesfälle) ab u. setzten die Besoldungen der Erzbischöfe auf 15,000, der Bischöfe auf 10,000, der Pfarrer auf 1500 u. 1000 Francs, außer den Accidenzien fest. Frankreich erhielt nur 10 Erzbisthümer u. 50 Bisthümer u. für jeden Friedensgerichtsbezirk 1 Pfarrer nebst Hülfspriestern. Obschon ein Theil der Geistlichkeit u. des Volkes mit diesem Concordat, dessen Einführung am zweiten Osterfeiertag 1802 gefeiert wurde, zufrieden war, so zeigte sich doch der höhere Clerus demselben abgeneigt u. protestirte 1803 gegen mehrere Punkte der Organischen Artikel, namentlich gegen die Einmischung der Regierung in geistliche Angelegenheiten, die Ehesachen, das Lehren der vier Artikel u. das Verbot der Mönchsorden, freilich erfolglos. Auch der Papst Pius VII., der 1804 den Kaiser gesalbt hatte, klagte über Verletzung des Canonischen Rechts durch den Code Napoléon u. schlug sich auf die Seite der kaiserlichen Gegner, worauf die Besetzung des Kirchenstaats 1808 u. die Gefangennehmung des Papstes 1809 erfolgte. In Folge dieser Gewaltthätigkeiten bildete sich eine streng papistische Secte in Frankreich, die Kleine Kirche, auch Reine Katholiken genannt, die heimlichen Cultus hielt u. mit den Jesuiten conspirirte, jedoch ohne große Bedeutung zu gewinnen. Indeß weigerte sich der gefangene Papst, die von Napoleon ernannten Bischöfe canonisch einzusetzen u. andere Acte der päpstlichen Autorität für Frankreich zu vollziehen u. dies nöthigte den Kaiser zu Berathungen mit der Geistlichkeit, welche zwar 1809–11 durch Ausschüsse u. auf dem, im August 1811 in Paris gehaltenen Nationalconcil für die Bevollmächtigung der Erzbischöfe, die Bischöfe, falls der Papst es verweigerte, selbst einzusetzen, im alten Gallicanischen Kirchenrecht Gründe fand, aber doch die Zustimmung des Papstes für nöthig erklärte. Pius gab sie durch ein Breve von Savona den 20. Sept. 1811, ja er schloß, durch die Umstände gedrungen, den 25. Jan. 1813 ein Concordatin Fontainebleau (s. Concordat I. E) mit Napoleon ab, das sie ohne Vorbehalt u. andere noch unangenehmere Stipulationenbestätigten, erklärte es aber, sobald er 1814 wieder in Rom war, für ungültig.
III. Von der Restauration 1814 bis auf die neueste Zeit. Nach der Restauration kamen die ausgewanderten Bischöfe wieder in ihre Sitze zurück, u. die Bourbons suchten in jeder Weise den päpstlichen Wünschen zu entsprechen. Das am 11. Juni 1817 zu Rom abgeschlossene Concordal desselben mit Ludwig XVIII. stellte das von 1516 wieder her, hob das von 1801 auf u. verhieß der Kirche Dotation in Grundeigenthum u. Renten, blieb aber wegen des Widerspruchs der Kammern ohne Gesetzkraft (s. Concordat I. E). Nur die Zahl der Bisthümer für das auf seine alten Grenzen beschränkte [878] Frankreich kam von 9 Erzbischöfen u. 40 Bischöfen nach langen Unterhandlungen durch eine päpstliche Bulle vom 10. Oct. 1822 auf 14 Erzbischöfe u. 66 Bischöfe (s.u. Frankreich [Geogr.]). Diese Bulle erhielt die königliche Genehmigung mit der gewöhnlichen Formel: ohne die Clauseln u. Reservationen zu bestätigen, welche mit der Charte, den Freiheiten des Reichs u. der G-n K. im Widerspruch stehen. Allein der Clerus neigte sich immer mehr den hierarchischen Tendenzen zu, u. wie die Unfehlbarkeit der Kirche von Männern wie Lamennais, de Maistre u. A. mit großer Lebhaftigkeit vertheidigt wurde, so arbeiteten die Congregationen (s.d.) als geheime Verbindungen von Geistlichen u. Weltleuten, an dem Umsturz der in der Revolution gewonnenen Volksrechte u. der gallicanischen Grundsätze u. für Wiederaufrichtung der früheren päpstlichen Vorrechte, u. Missionäre durchzogen das Land, um das Volk gegen die liberalen Errungenschaften zu fanatisiren. Die Folge davon war, daß sich manche dem Deismus u. Naturalismus, andere der Freimaurerei u. andere einer gänzlichen Regeneration zuneigten. Zu Letzteren gehörten St. Simon u. Charles Fourier. Ihre Hoffnungen waren um so weniger Chimären, da die restaurirten Bourbons mit der Congregation u. den Jesuiten gemeinschaftliche Sache machten, u. der größte Theil der Nation der Dynastie nicht geneigt war u. dadurch auch der Hierarchie abhold wurde. Die Zahl der Theilnehmer an den, gegen jene Reaction wirkenden u. strebenden geheimen Gesellschaften wuchs immer mehr. In dem offenen Kampfe zwischen St. Simon u. Lamennais, der sich seit 1826 entspann, sprach sich schon ein Theil des französischen Episkopats, an dem Bekenntniß der G-n K. haltend, gegen Lamennais aus; 1827 wurde der Jesuitismus vom Grafen Montlosier angeklagt, u. 1828 mußten die Jesuiten u. die von ihnen geleiteten Seminarien Preis gegeben werden; s.u. Congregation 4). 1829 trat St. Simon mit seiner Idee, eine Universalreligion zu stiften, deutlicher hervor, wogegen die Regetionspartei die Wirksamkeit der Journale u. der Kammern zu hemmen suchte. Neben St. Simon traten 1829 noch andere antikirchliche Richtungen auf, z.B. die Aufforderung des Generalvicars Ögger, eines Swedenborgianers, einen einfachen nationalen, erhabenen Cultus zu gründen; die Gesellschaft Uni deo, welche alle französischen Gottgläubige zu einer kirchlichen Vereinigung versammeln wollte, welche die religiösen Menschenrechte sichern u. die allgemeinen Regionselemente anerkennen sollten; auch die Templer (s.d.) suchten sich Allgemeinheit zu verschaffen mit ihren, dem deutschen Rationalismus ähnlichen Glaubensansichten. Mittlerweile suchte die Regierung, soweit es den Kammern gegenüber möglich war, die Interessen des Clerus u. der Kirche zu fördern, u. das Sacrilegiumsgesetz 1825, das jede Verletzung der Staatskirche mit den härtesten Kirchenstrafen bedrohete, war ein bedeutender Sieg der Kirche.
Allein die Julirevolution 1830 machte dieser Richtung ein Ende, die Jesuiten u. Trappisten mußten fliehen, der erzbischöfliche Palast u. mehrere Kirchen wurden gestürmt u. neben der Verkürzung der Einkünfte des höhern Clerus verlor die Katholische Kirche das Recht der Staatsreligion. Diese Zeit benutzte aber auch der kirchliche Liberalismus. Wie Lamennais früher die Verbindung des absoluten Königthums mit einer päpstlichen Theokratie vertheidigte, so empfahl er nun in einer glühenden, aufregenden Sprache (Paroles d'un croyant, Paris 1833) die Verbindung der Demokratie mit dem Evangelium u. verkündete in prophetischen Bildern den Fall des Königthums u. die Gleichheit der Kinder Gottes, weshalb er angeklagt wurde, Haß u. Verachtung gegen die Regierung des Königs aufgeregt zu haben. Wichtiger wurde das Auftreten des Abbé Chatel, der im Jan. 1831 eine Französisch-katholische Kirche (Eglise catholique frànçaise) stiftete, welche, unter einem Patriarchen stehend, durch Einführung der reinen Lehre des Evangeliums u. durch Verknüpfung der socialen Bande u. durch ihren Gegensatz gegen die Römische Kirche u. gegen die Unfehlbarkeit des Papstes Anhänger in allen Kreisen zu sammeln suchte, so daß die Behörde nicht gegen ihn einzuschreiten wagte. Durch den Eintritt Chatels, dem sich inzwischen Auzou, Priester zu Clichy bei Paris, u. Blachère, Professor der Philosophie in Meaux, angeschlossen hatten, in den Templerorden u. durch die Anerkennung der Glaubenssätze der Urkirche mehrte sich der Anhang, selbst römisch-katholische Priester schlossen sich an Der Papst verdammte den Reformator Chatel in einem Breve vom 27. Jul 1831. Dies schadete ihm weniger, als der Umstand, daß sich Auzou u. der für die Französische Kirche sehr eifrige Priester Laverdet von ihm getrennt hatten. Blachère war schon früher zur Römischen Kirche übergetreten. Auzou beschränkte sich jetzt blos auf eine Reform der päpstlichen Hierarchie; zwar wurde zu Ende 1832 eine Annäherung versucht, aber auf einer Synode des französisch-katholischen Clerus 5. Decbr. 1832 wurde Chatel zum Bischof-Primas gewählt u. nun trennten sich Chatel u. Anzon noch mehr. Jede Partei hatte ihre Zeitschrift, in der sie sich gegenseitig anfeindeten. Neue Parteien, die aus Chatels Kirche hervorgingen, waren die des 1835 ausgestoßenen Yves Lejeune, der jedoch bald wegen Gaunereien gefangen gesetzt wurde; die des Priesters Pillot, der 1836 in Pecq eine Eglise unitaire et réformatrice eröffnete, aber da er die von dem Präfecten versiegelte Kirche erbrochen hatte, zur Gefängnißstrafe verurtheilt u. seine Gemeinde aufgelöst wurde; auch die vom Abbé Merigot u. Abbé Plumet 1833 gestiftete Eglise constitutionelle de France mißglückte. Allmählig erkaltete die Theilnahme an Chatel, der in seinen Ansichten sehr schwankend u. außerdem nicht ohne Eitelkeit war, u. im Nov. 1842 nahm die ganze Sache durch polizeiliche Schließung wegen anstößiger Vorträge u. mit der Anstellung Chatels bei dem königlichen Postamt ein rasches Ende. Die Kirche Auzons hielt fest an den ursprünglichen Principien der neuen Kirche, sie bekämpfte die Autorität des Papstes u. jedes Kirchenoberhauptes, sie behielt die Glaubenssymbole der alten Kirche, verwarf aber auch den Cölibat der Priester, das göttliche Recht, Fasten, Excommunication, Censuren, Verweigerung der Absolution u. des Begräbnisses, Ohrenbeichte u. Ewigkeit der Höllenstrafe (vgl. Auzou, Profession de foi, 1833. u. Réponse de l'église française aux att aques del'église rom., 1833). Ihr Sitz war in Clichy; Auzou verfaßte auch für sie einen Katechismus u. eine Agende (1835). Doch auch diese Gemeinde, die von der Kirche, wie vom Staat manche Verfolgung zu erleiden hatte, konnte es zu keiner Bedeutung bringen. Nach Befestigung[879] des Königs Ludwig Philipp suchte derselbe mit dem Clerus in ein gutes Einvernehmen zu kommen u. wurde darin bes. von seiner Gemahlin Marie Amalie bestärkt, während seine Schwester, Madame Adelaide, diesen Tendenzen abgeneigt war. Einzelne Erscheinungen, z.B. daß dem verstorbenen Gregoire vom Erzbischof von Quelen 1831 ein christliches Begräbniß versagt wurde, daß 1838 der Graf Montlosier, ein Gegner der Jesuiten, auf Befehl des Bischofs von Clermont die Tröstungen der Religion nicht erhielt, die Verweigerung eines Trauergottesdienstes bei dem Tode des Herzogs von Orleans wegen seiner protestantischen Gemahlin: diese u. ähnliche Thatsachen zeigten die feste, sichere Stellung, welche die Kirche im Laufe der Jahre eingenommen hatte. Zwar gelang es nicht, die öffentliche Stimme gegen die Jesuiten, gegen welche sich besonders die Professoren Michelet u. Quinet u. in den Kammern Cousin u. Thiers 1845, außerdem die Presse, namentlich bei dem Proceß des Jesuitenkassirers Affnaer erhoben, zu beschwichtigen, allein die Regierung behandelte doch diese Angelegenheit mit großer Milde, indem sie nur die wichtigsten Jesuitenstellen auf kurze Zeit schloß u. nur die Nichtfranzosen vom Pater Roothaan abberufen ließ. Die Erhöhung der geistlichen Vesolsoldungen u. die Verwilligung großer Summen zu Kirchenbauten förderte das freundliche Einvernehmen des Königs mit der Geistlichkeit u. dem Papste, der indeß auch durch die Ertheilung der Cardinalswürde an zwei Erzbischöfe von 1847 den königlichen Wünschen entgegenkam.
Die Februarrevolution von 1848 berührte die Kirche bei weitem weniger, als die Julirevolution 1830; die Constitution vom 4. November 1848 u. von 1852 gibt Jedem das Religionsbekenntniß frei u. verspricht für die Ausübung den Staatsschutz, die Geistlichen der verschiedenen Culte haben das Recht, eine Besoldung vom Staate zu empfangen, der Unterricht ist frei, diese Freiheit wird aber nach den durch die Gesetze bestimmten Bedingungen, hinsichtlich der Fähigkeit u. Sittlichkeit, unter der Aufsicht des Staates ausgeübt. Übrigens war damals der politische Einfluß des Clerus zu Gunsten der Legitimisten nur gering, u. die Socialisten leisteten der Geistlichkeit bei den Wahlen heftigen Widerstand. Der niedere Clerus hielt es, wie 1789, im Geheimen mit der radicalen Richtung, weshalb 1849 ein Privatconcil in Paris veranstaltet u. in Rundschreiben vom politischen Treiben u. vom Socialismus abgemahnt wurde. Unter dem Minister Falloux schritt man sehr energisch ein gegen Schullehrer u. Professoren, welche die Verbreitung des Socialismus gefördert hatten, u. es erfolgten mehrere Entlassungen. Allmählig trat indeß der Clerus mit seiner Thätigkeit offener hervor; die Thätigkeit der Jesuiten in Pfarreien, Schulen, Seminarien u. Collegien dehnte sich aus u. fand bes. in der Furcht der Mittelklassen vor dem Socialismus einen Stützpunkt, so daß die Tribunale die Verbannungsgesetze gegen dieselbe nicht geltend zu machen wagten, u. selbst die seit 1789 aus dem Lande verschwundenen Dominikaner gewannen wieder Eingang. Dagegen wurde jede freiere kirchliche Richtung bekämpft u. nichtchristliche Lehrer durch Interdicte genöthigt, ihre Stellen aufzugeben. Unter dem Kaiser Louis Napoleon, der 1854 vom Papst den Titel Geheiligte kaiserliche Majestät erhielt, wird der katholische Clerus in Ehren gehalten, obschon ihm manche Schranken gezogen sind. Die Liturgien u. manche Gewohnheiten der G-n K. sind in den letzten Jahren verlassen u. an deren Stelle die Römischen Liturgien eingeführt worden. Der Mariencultus wird sehr gepflegt u. die Seminare u. Erziehungshäuser der Jesuiten haben eine große Anzahl von Zöglingen aus hochgestellten Familien. Unter den Zeitschriften vertritt der Univers die ultramontane, der Ami de la religion aber die liberalkirchlichen Interessen. Gegen akatholische Religionsparteien sicherte zwar die Charte von 1814 u. 1830 u. das Staatsgrundgesetz von 1818 u. 1852 Toleranz zu, allein diese Duldung, die zuweilen nur auf die christlichen Hauptkirchen u. nicht auf einzelne Religionssecten bezogen ward, wurde in der Wirklichkeit nicht immer ausgeübt. Am Entschiedensten trat seit 1849 der Clerus gegen den Socialismus u. Communismus auf, der auf der Kanzel u. in Flugschriften, bes. auch durch eine antisocialistische Propaganda bekämpft wurde.
Das gesammte Erziehungs- u. Unterrichtswesen steht zwar seit 1808 unter der Universität, u. nur wer Mitglied der Universität u. bei derselben graduirt ist, kann öffentlichen Unterricht ertheilen. Die Seminarien des Clerus sind davon ausgeschlossen u. stehen unter den Bischöfen. Das Elementarschulwesen ist durch das Gesetz von 1833 organisirt, Aufsichtsbehörden sind das Local- u. Arrondissementscomité, der Rector der Akademie u. der Cultusminister; die Lehrer, welche von den Comités ernannt werden, bedürfen keines akademischen Grades, sondern nur eines Fähigkeitsbrevets, der Einfluß der Geistlichen ist nur gering, dic Besoldung für einniedere Elementarschule beträgt 230 Francs u. für eine höhere 400 Francs nebst freier Wohnung als Minimum, die Schnipflichtigkeit ist nicht zum Gesetz erhoben. Allein der Clerus, dem weniger die nationale, als die kirchliche Bildung des Volkes am Herzen lag, nahm in Verbindung mit den religiösen Vereinen den Unterricht der Jugend in Anspruch u. gerieth dadurch, bes. seit 1842 durch das Verlangen nach unbeschränkter Unterrichtsfreiheit, mit der Universität in einen heftigen Kampf. Nachdem in mehreren Schriften die Universität heftig angegriffen worden war, bes. durch den Jesuiten Desgarets (Le monopole universitaire, 1843) u. den Abbé Combalot (Mémoire adressé aux évêques de France 1844), u. nachdem selbst Gebetsvereine gestiftet worden waren, um von Gott eine Befreiung vom Universitätsmonopol zu erlangen: brachte die Regierung zur Ausführung des Art. 69 der Charte von 1830, einen Entwurf über den Secundärunterricht vor die Pairskammer, um diese Angelegenheit, wie den Primärunterricht durch das Gesetz von 1833, zu ordnen. Die Bischöfe erklärten sich auch diesmal gegen das Project u. suchten bei dem Könige um gänzliche Unterrichtsfreiheit nach, jedoch vergeblich. Durch die Bemühungen Montalemberts nahm zwar die Pairskammer den Gesetzentwurf an, in der Deputirtenkammer wurde er aber zurückgelegt. So ging diese Angelegenheit unentschieden auf das Jahr 1848 über. Der Clerus benutzte die in der Constitution von 1848 gewährte Unterrichtsfreiheit möglichst, ohne das dort verheißene Unterrichtsgesetz abzuwarten, u. seit dem Erscheinen des Gesetzes vom 15. März 1850 sind durch die kirchlichen Bestrebungen eine große Anzahl [880] Collegien, Pensionate, Schulen u. Erziehungshäuser entstanden u. mehr als 52 Diöcesen gegenwärtig damit versehen. Der Clerus, der seine Bildung bei weitem mehr in den Seminarien, als in den, bei der Geistlichkeit nicht beliebten u. auch sonst nicht sehr beachteten vier Facultäten in Paris, Lyon, Bordeaux u. Rouen, neuerlich auch in einer von dem Episkopate gestifteten höheren Lehr- u. Erziehungsanstalt (Ecole ecclésiastique des hautes études) in Paris erhält, hat zeither auf dem wissenschaftlichen Gebiete wenig geleistet, u. namentlich stehen die exegetischen u. biblischen Arbeiten der Franzosen den Leistungen der deutschen Gelehrten weit nach. Bei der in den niederen Schichten des Landvolkes herrschenden Neigung zum Wunderglauben fanden mystische Schriften ihr großes Publikum, u. ebenso war die asketische Literatur ziemlich reich ausgestattet. Nicht gering ist gegenwärtig die Zahl ausgezeichneter Kanzelredner. Die seit 1841 erscheinende Revue critique ist die einzige katholische Literaturzeitung in Frankreich. Viel bedeutender ist die praktische Thätigkeit auf dem kirchlichen Gebiete gewesen, u. namentlich hat bei dem Verfall der Sonntagsfeier, bei der Einförmigkeit des Gottesdienstes u. bei dem nachtheiligen Einfluß eines Theils der Literatur auf das religiöse Leben die Association andere Wege für religiöse Zwecke eingeschlagen. Es gibt Gesellschaften für Verbreitung populärer Schriften, für religiöse u. sittliche Zwecke, welche die Bedürftigen auch für das kirchliche Leben zu gewinnen suchen, od. welche den wilden Ehen entgegenarbeiten; eine großartige Stiftung zur Erhaltung des katholischen Glaubens in Europa für die in protestantischen Ländern befindlichen armen katholischen Gemeinden seit 1839, eine Missionsgesellschaft L'oeuvre de la propagation de la foi), die bes. in Nordamerika sehr einflußreich ist; Vereine für die Krippen (Les crêches), die für Kinder in dem zartesten Lebensalter sorgen etc. Von den religiösen Orden wirkten für ähnliche Zwecke die Jesuiten, die bes. das Unterrichtswesen im Auge hatten (s. oben); die Trappisten, denen man in Algier ein großes Land anwies, wo sie mehrere hundert arabische verwaiste Kinder aufnahmen u. unterrichteten; die Dominikaner, um deren Verbreitung Lacordaire sich bemühte u. and.; während die immer zahlreicher werdenden Frauenklöster ebenfalls Lehranstalten gründeten, od. Vereine für hülfsbedürftige u. gefallene Mädchen stifteten. Die größte Thätigkeit nach dieser Seite hin zeigten die geistlichen Congregationen; eng verbunden u. im Besitz eines großen Vermögens verschafften sie sich Einfluß auf die Gefängnisse, Gemeindeschulen u. selbst merkantile Unternehmungen. In manchen Orten hatten sie, namentlich die unter dem Namen das Haus des guten Hirten (La maison du Bon-Pasteur) bekannt gewordene, Klöster mit sehr ausgedehnten Grundstücken inne u. gaben hier vielen Menschen Beschäftigung, z.B. in Angers, Strasburg, Paris, Lyon. Die Brüderschaft der christlichen Schulen (Frères des écoles chrétiennes), die früher als Frères ignorantins verhöhnt worden war, erfreuen sich gegenwärtig der Gunst des Publikums in hohem Grade. Frankreich zerfällt in kirchlicher Hinsicht in 15 Erzbisthümer (Paris, Cambrai, Lyon, Rouen, Sens, Rheims, Tours, Bourges, Albi, Bordeaux, Auch, Toulouse, Aix, Besançon, Avignon) u. 69 Bisthümer, 3393 Pfarreien, 29,532 Succursalen, 7190 vom Staat bezahlte Vicariate. Die Erzbischöfe u. Bischöfe bilden den kirchlichen Vorstand; sie haben in ihrem Amte eine Unterstützung in den Generalvicarien, Secretariaten, Capiteln u. Officialen. Bei der untern Geistlichkeit unterscheidet man die Curés, Desservants u. Vicaires, bei den religiösen Genossenschaften die eigentlichen Orden, die Genossenschaft (Communautês) u. die Gesellschaften (Societés), die beiden ersteren heißen oft Congregationen, die letzteren sind am einflußreichsten, weil sie sich ohne strenge Formen dem Leben eng anschließen, z.B. die sehr ausgedehnte Gesellschaft St. Vincent de Paul u. viele and. Vgl. Pflanz, Das religiös-kirchliche Leben in Frankreich, 1836; Reuchlin, Das Christenthum in Frankreich, 1837.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.