Griechische Mythologie

Griechische Mythologie

Griechische Mythologie. I. Die griechische Mythologie wurde an Reichthum, Mannichfaltigkeit u. Schönheit des Inhalts von keiner Mythologie eines anderen Volkes, selbst nicht von der der alten Inder erreicht. Alle Arten u. Formen des Naturlebens, die nirgends wie in Griechenland bei dessen natürlichem Bau so dicht neben einander u. in so vielgestaltiger Mischung gegeben waren, veranlaßten auch bei den Eigenthümlichkeiten der Anschauung, Gemüthsbildung u. Erinnerung, durch welche sich die zahlreichen einzelnen griechischen Stämme unterschieden, eine große Verschiedenheit in der Gestaltung des religiösen Glaubens u. der Bildung der Sagen. Herzu kamen viele u. frühere Berührungen mit dem Auslande, namentlich dem Orient, wie mit den Karern u. Lelegern, den tyrrhenischen Pelasgern, den Ägyptiern u. Phöniciern, welche damals an Bildung u. Unternehmungsgeist den Bewohnern Griechenlands überlegen waren u. diesen mit ihrem Handel u. ihren Niederlassungen auch die Elemente ihrer Bildung u. ihres Götterdienstes zuführten. Während diese Umstände darauf hinwirkten, die G. M. immer mehr ins Polytheistische u. unendlich Mannichfaltige auszubilden, traten wiederum andere ein, welche diese Mannichfaltigkeit auszugleichen u. auf bestimmte Systeme u. Gruppen der Götter wie gewisse vorherrschende Kreise der Sage zurückzuführen suchten. Für Letzteres wirkten zunächst die Bewegungen der nördlichen griechischen Stämme nach dem Süden u. theilweise über die Grenzen Griechenlands hinaus, in deren Folge nicht nur die früheren Bewohner durch die Eroberer unterworfen, sondern auch die verschiedenen Bildungsstufen u. Bildungselemente derselben gemischt, namentlich aber die Culte u. Sagen durcheinander geschüttet u. auf neue Formen u. Bedingungen der Natur u. noch mehr der ethischen Lebensauffassung übertragen wurden. Es blieben die Aphrodite auf Kythere, Akrokorinth u. in Theben, es blieb der Cult der Dioskuren u. anderer aus der Fremde zugeführter Gottheiten, allein Cultus u. Mythenkreis wurden so durchaus in griechischem Volksgeiste umgebildet, daß der fremde Ursprung nur der Forschung erkennbar blieb. Dasselbe Schicksal hatten auch die alten pelasgischen Naturgötter in den von den Hellenen eroberten Landschaften, die im Sinne des hellenischen Volksthums umgebildet, in der Gestalt von ethisch bedeutenden Göttern od. von Heroen wieder auftauchten. Mit der Gründung größerer hellenischer Staaten, wie z.B. von Argos im Peloponnes, ferner Tirynth, Mykenä, Theben, der Staaten der Minyer u. Äakiden, des Minoischen Kreta, des Trojanischen Reichs in Asien, entwickelten sich Mittelpunkte des Götterdienstes u. der heroischen Sage, welche auch für die Sagenbildung der minder bedeutenden Staaten u. Landschaften mehr od. minder maßgebend wurden. Noch wichtiger in dieser Hinsicht waren die heiligen Stätten von allgemeiner nationaler Bedeutung, wie im nördlichen Griechenland Dodona u. namentlich der Olympos für den Cult des Zeus u. der ganzen Olympischen Götterwelt, Delos u. Delphi für den Dienst des Apollo, Athen für den der Athene, Eleusis für den der Demeter, das arkadische Lykäon u. Olympia für den peloponnesischen Zeusdienst, das Idäische Gebirge auf Kreta u. in Troja für den Kybelecultus. An solchen alten Mittelpunkten wurden bestimmte Systeme der Götterwelt mit den entsprechenden Legenden u. Gebräuchen zuerst selbständig ausgebildet, theilweise in bestimmten Priester- u. Sängerschulen fortgepflanzt, dann über einen weiten Kreis von Amphiktyonen od. in Filialculten ausgebreitet. Am meisten aber hat dafür, daß die griechische Mythenwelt ein Gemeingut des ganzen hellenischen Volkes wurde u. blieb, die mythologische Dichtung selbst gewirkt, welche in dieser Periode ebenso productiv als beweglich u. wandernd gedacht werden muß. Wenn auch, wie Herodot behauptet, Homer u. Hesiod den Griechen nicht erst[639] ihre ganze Götterlehre gedichtet haben, so trugen die ihnen zugeschriebenen Dichtungen doch wohl viel dazu bei, die polytheistischen Bilder u. Formen gewissermaßen festzustellen u. auszubreiten. Sie sammelten die vorhandenen Ideen, ordneten dieselben zu einem Ganzen, fixirten die einzelnen Götter bestimmter u. verbanden die sonst getrennten Mythen. Man stellte aber damals nicht blos die Götter nach ihrer Abstammung unter u. neben einander (Theogonien) dar u. wies ihr Verhältniß zur Entstehung der Welt nach (Kosmogonien), sondern die Götter, von deren Wesen u. Wirksamkeit sich um so rohere Ideen vorfanden, in je ältere Zeit der Glaube von ihnen gehörte, wurden nach ihren Ideen auch veredelter. Wie schnell aber die Veredlung der Götterwesen durch die rasch vorwärts schreitende Bildung bei den Griechen ging, sieht man daraus, daß die in der Iliade noch parteiischen u. launenhaften Götter bei den, nicht sehr lange nach den Dichtern der Iliade lebenden Sängern der Odyssee mehr als gerechte u. den Willen des Schicksals (Heimarmene) ausführende Mächte erscheinen. Dieses Schicksal aber entspricht der Idee des einen Gottes u. ist unbeugsames, geheimnißvolles u. unbegreifliches Wesen, dessen Beschlüssen sich Götter u. Menschen fügen müssen, dessen Willen weder Bitten noch Gelübde abzuändern vermögen, wie es die spätere Zeit ausbildete u. wie es die Tragiker besonders in ihren Dramen darstellten. Die sichtbaren Wirkungen dieses Einen Gotteswesens gestaltete die sinnliche Weltanschauung des Volkes u. ihrer Lehrer in mehrere Götterwesen um (Polytheismus). Zugleich macht sich in dieser Periode der Mythologie (denn aus einer früheren gibt es keine sicheren Nachrichten, da die orphischen Ansichten durch spätere Zusätze allzusehr getrübt u. unkenntlich gemacht sind) neben dem Polytheismus ein Pantheismus bemerkbar, welcher jede übermenschliche Krafterscheinung, Schöpfung, Segensgabe, Zerstörung, welche der Polytheismus als Wirkungen gewisser höherer Wesen annimmt, als einen Gott od. als einen Dämon selbst hinstellt, wodurch der Polytheismus wieder neuen Zuwachs an Götterwesen erhielt. Die Weiterbildung der Mythologie u. die Erweiterung des Götterkreises übernahmen dann die Cyklischen Dichter, welche die Stammsagen u. Heroengeschichten der griechischen Völker sammelten u. die Heroen jener Sagen zu Göttern erhoben, welchen Wesen dann die Tragiker durch den würdigen Gebrauch, welchen sie von jenen Sagen theils durch Erweiterung, theils durch Verbindung derselben machten, die Unvergänglichkeit bei ihrem, mit der Phantasie in dem fast einzig für Dichtung u. Kunst angewendeten Götterglauben immer mehr u. weiter ausschweifenden Volke vollends sicherten. Aber je ausgebildeter dieser Götterglaube wurde, desto mehr wurden die Götter von dem Himmel auf die Erde gezogen, desto menschlicher wurden sie, bis endlich die Blüthenzeit der Bildenden Künste in Griechenland die Anthropomorphosirung derselben vollendete. Mit dieser Mythologie gingen, da sie ihren Glanzpunkt durch Poesie u. Kunst erreicht hatte, mannichfaltige Veränderungen vor; dem Volk blieb vorläufig Glaube u. Verehrung der Götter, denn er war von den Vätern ererbt, mit der Nationalgeschichte in enge Verbindung gebracht, durch die Gesetze geheiligt u. wurde durch Priester streng aufrecht erhalten. Gleich hoch wie im Volksglauben blieb die Achtung der Götter in den Epischen Gedichten, denn durch diese wurde jenen Gesängen Würde u. Interesse gegeben; die Komiker durften sich schon bei manchen Stämmen erlauben, die Schwächen welche den anthropomorphosirten Göttern beigelegt wurden, sichtbar hervortreten zu lassen u. sie selbst lächerlich zu machen. Die Philosophen waren sehr verschiedener Ansicht über die Mythologie; vor Sokrates sprach man wenig über dieselbe als solche, sondern suchte nur die Menge der Götter auf Urwesen zurückzuführen u. deutete das Vorhandene mehr, als daß man an die Stelle desselben etwas Anderes setzte, woraus nachher das mehrfache Allegorisiren entstand. Nach der Hinrichtung des Sokrates waren die Athener toleranter geworden, man konnte ungestraft Atheist sein, nur durfte man die Götter des Volkes öffentlich nicht verspotten. Die Stoiker allein versuchten damals noch die alte Dichtermythologie zu halten, sie erklärten sie für gut u. vernunftmäßig, deuteten aber alle einzelnen Götter nach physischen u. moralischen Allegorien, gegen welche Andere mit historischen Deutungen sich geltend machten, welche alle Götter Griechenlands für alte Helden erklärten, welche von der Dankbarkeit des Volkes zu Gottheiten umgeschaffen wurden. Den Weisen u. Gebildeten hatte die Götterlehre des Volkes schon lange nicht mehr genügt, u. es hatten sich bereits neben dem Volksglauben Anstalten gebildet, welche den Menschen einen reineren Glauben, einen sicherern Weg zur Veredlung des Herzens u. eine freundliche Hoffnung nach dem Tode zeigten, dies waren die Mysterien (s.d.), Und je allgemeiner die Theilnahme an diesen wurde, desto näher kam der Mythenglaube dem Verfall. Das Bestreben, jene Mythologie in ihrem eigentlichen Sinne durch die Philosophie zu halten, wie es vorzüglich in der Alexandrinischen Zeit versucht wurde, gefährdete ihr Bestehen immer mehr u. bereitete die Menschen darauf vor, jede ihnen gebotene positive u. begrenzte Lehre anzunehmen, wie sie denn endlich in dem christlichen Monotheismus erschien. Der alte Glaube erhielt sich neben diesem neuen in armseliger Gestalt nur noch unter dem niedern Volke, bei denen, die zu bequem waren, um vernünftiger zu glauben u. besser zu werden, u. bei eigennützigen Priestern, bis er endlich unter Constantin dem Großen von Staatswegen verboten u. nur noch von einzelnen Phantasten geglaubt wurde.

II. Kosmogonie. In der G-n M. gibt es keinen Weltschöpfer; alle Götter waren den Griechen entstanden, sie hatten die Welt nicht geschaffen, sondern nur geordnet u. regierten sie. Daher waren sie nicht zuerst, sondern die Welt, u. weil man Götter nur von Göttern entstehen ließ, so mußte der Weltenstoff, woraus sie ebenfalls entstanden waren, göttlich sein. Der Kosmogonien gibt es für die G. M. viele, da jeder Philosoph eine andere, seinem System angemessene, aufstellte, s.u. Schöpfung. Nach Hesiodos war zuerst das Chaos, das Alles in sich fassende Urelement, welches als untergeordnete Masse in weitem dunklem Raume schwebte. Daraus bildete sich zuerst Gäa (die Erde), der Sitz der Menschen, Tartaros (die Unterwelt) u. Eros (Liebe), welcher die Ursache alles Werdens wurde; aus dem Chaos gingen noch Erebos u. Nyx, die absolute u. relative Nacht, hervor; welche beide Hemera u. Äther, das Tageslicht u. das [640] Urlicht, zeugten. Aus der Erde entstanden Uranos (Himmel), Pontos (Meer) u. Ore (Berge); dadurch, daß das Wasser sich von der Erde verlief u. in seine Betten trat, wurde die Erde bewohnbar, u. nun gingen alle weiteren Bildungen über u. auf der Erde vor sich, was entstand, waren Erzeugnisse der sich mit Uranos u. Pontos vermählenden Gäa (s. unten). Dem Erebos u. der Nyx entstanden auch mehrere grauenhafte u. schreckliche Götterwesen; von ihnen s. unten.

III. Theogonien. Theologie. Das erste Göttergeschlecht waren die Uraniden (Kinder von Uranos u. Gäa), die Hekatonchiren (ungeregelte Naturkräfte), die Kyklopen (die früheste Andeutung von riesenhaften Erdenbewohnern), besonders die sechs Titanen u. sechs Titaniden (die Elemente u. Kräfte der sich ordnenden Natur) Okeanos, Köos, Krios, Hyperion, Iapetos Kronos; Tethys, Rhea, Themis, Thia, Mnemosyne u. Phöbe. Unter diesen tritt Iapetos dem menschlichen Wesen näher, besonders durch seine Söhne Prometheus (Vorherüberlegender, Bedachtsamer) u. Epimetheus (Nachherbedenkender, Unbedachter), zu deren Geschichte Pandora, des Letzteren Gattin, welche den Menschen alles Unheil brachte (s.d. a.) gehört; auch Atlas war sein Sohn. Da Uranos die Hekatonchiren u. Kyklopen in den Tartaros gestürzt hatte, erhob sich, von der Mutter Gäa gereizt, Kronos gegen seinen Vater Uranos, entmannte ihn (aus den herabfallenden Samentropfen entstanden die riesigen Giganten), entthronte ihn mit Hülfe seiner Mutter u. seiner Brüder u. führte nun das Regiment. Durch ihn u. unter ihm entstand das zweite Göttergeschlecht; nach dem großen Elementenkampfe zur Weltbildung trat ein Weltgesetz ein; Ruhe u. Ordnung in den Dingen ist der Charakter der Regierung des Kronos, daher diese Periode in der späteren Zeit als das Goldene Alter (s. Weltalter) der Erde betrachtet wurde. Damit es also bliebe u. die Regierung eines Einzigen bestände, verschlang Kronos die mit Rhea gezeugten Kinder, aber Zeus wurde gerettet, er warf seinen Vater wieder vom Throne, u. es erschien nun das dritte Göttergeschlecht, das der Kroniden, Kinder des Kronos u. der Rhea. Mit seinen Brüdern Poseidon u. Hades bildete Zeus eine Trias u. theilte mit denselben die Herrschaft der Welt, so daß er selbst die Erde u. den Himmel, Poseidon die Gewässer, Hades die unterirdischen Räume übernahm. Aber auch ihnen war die Herrschaft nicht ohne Kampf gegen die alten Götter; die Titanen wollten sich der neuen Regierung nicht unterwerfen, aber in einem Kampfe (Titanomachie, Titanenkampf), dessen Schauplatz die Thessalischen Gebirge waren u. wo die Kroniden auf dem Olympos, die Titanen auf dem Othrys lagerten, wurden nach zehnjährigem Kampfe endlich die Letzteren von den Kroniden, durch Hülfe der Hekatouchiren u. Kyklopen, die aus der Unterwelt gerufen wurden, besiegt u. für immer in den Tartaros gebannt Die Titanen zu rächen, erhoben sich, von Gäa aufgerufen, die Giganten (s. oben). Dieser Kampf (Gigantomachie, Gigantenkampf) wurde in den Phlegräischen Gefilden od. auf Pallene ausgekämpft. Die Giganten thürmten die Berge Ossa, Pelion, Öta, Rhodope u.a. auf einander u. stürmten den Olympos mit Felsstücken u. Eichenstämmen. Durch Herakles, nach And. durch das Geschrei des Esels des Silenos, nach And. durch den Ton der Muschel des Triton wurden die Giganten erschreckt, besiegt u. vernichtet, u. nun herrschten die Kroniden. Dies neue Göttergeschlecht bestand aus 12 großen Göttern (οἱ δώδεκα), die theils Geschwister, theils Kinder des Zeus waren u. von ihrem Sitze, dem Olympos, Olympier hießen; zu den Ersteren gehörten Poseidon, Here, Demeter, Hestia, zu den Letzteren Athene, Hephästos, Ares, Hermes, Apollo, Artemis, Aphrodite; Hades zählte als Gott der Unterwelt nicht zu den Olympiern, Dionysos (Bakchos) gehört nicht in die Reihe der alten Olympier. Diese Götter dachten sich die Griechen von menschlicher Gestalt, von menschlichen Leidenschaften, Gefühlen u. Bedürfnissen; sie hielten sie für allmächtig, ohne daß sie Alles konnten, für allwissend, ohne daß sie Alles wußten; ihre Haupttugenden waren die der Ahnen griechischer Männer, Stärke, Körperkraft, Schnelligkeit. Auf dem Olympos hatte Zeus eine förmliche Hofhaltung um sich, deren Bild aus der heroischen Zeit Griechenlands entnommen war. Nach griechischer Staatenweise war er aber ein eingeschränkter Herrscher; er bildete mit den andern 11 Olympiern den Götterrath; bei ihren Zusammenkünften u. Gelagen hatten sie Diener u. Boten. Dort im Olymp lieben, dort freien sie wie Menschen u. führen ein gesondertes Privatleben nach echt griechischer Patriarchenweise; von dortregieren sie die Welt u. das Menschenleben; von dort wandern sie zur Erde, um bei Opfern gegenwärtig zu sein, um ihren Schützlingen beizustehen, um sich des Umganges u. der Liebe der Sterblichen zu erfreuen. Ambrosia u. Nektar, Götterspeisen u. Trank, sicherten ihnen Unsterblichkeit u. ewige Jugend, den Hauptvorzug unter allen, die ihnen vor den Menschen verliehen waren. Neben jenen großen Göttern wurden auch noch andere von niederem Range verehrt, die theils dem alten, theils dem neuen Göttergeschlecht angehörten, so der Sonnengott Helios, die Mondgöttin Selene, die Göttin der Morgenröthe Eos, der Windgott Äolos, Leto, die Göttin der Rechte Themis, der Liebesgott Eros, der Arztgott Asklepios, der Reichthumspender Plutos, die Glücksgöttin Tyche, die Götterschenkin Hebe, die Götterbotin Iris, die zugleich den Regenbogen ausspannt. Neben diesen erscheinen noch zahllose Gottheiten, die nach den Regionen u. Elementen, in denen sie wirkten, aufgezählt werden können; zuvörderst die unterirdischen Götter, an deren Spitze Hades od. Pluto nebst seiner Gemahlin Persephone; mit der Oberwelt in Verbindung standen, durch ihre dorthin gerichtete Wirksamkeit, die nächtliche Hekate u. die rächenden Erinyen. Dann die Wassergötter, deren Ursprung von den Titanen Okeanos u. Tethys abgeleitet wurde, im neuen Götterreiche an ihrer Spitze Poseidon nebst seiner Gemahlin Amphitrite, im Allgemeinen die noch aus dem Titanischen Reiche stammenden Okeaniden u. Nereiden, deren Vater Nereus, nebst den zahlreichen Wassernymphen, als Naiaden, Potamiden, Limniaden; im Einzelnen die Flußgötter Acheloos, Alpheios, Asopos, Eridanos, Inachos, Kephissos, Peneios, der Meerbote Triton, Phorkys, Keto, die weissagenden Meergreise Glaukos u. Proteus, auch Eudothea, Leukothea u. Palinuros (s.d. a.) gehören hierher. Naturgottheiten im Besonderen repräsentirten die zahlreichen Nymphen, welche alle Bewegung u. Veränderung in der Natur vermittelten,[641] als (außer den schon genannten Wassernymphen) Leimoniaden (Wasser-), Oreaden (Berg-), Napäen (Thal-), Dryaden u. Hamadryaden (Waldnymphen); der allgemeine Naturgott, Pan, ist in dieser Allgemeinheit nicht echt griechisch, Windgötter, als deren irdisches Oberhaupt Äolos galt, waren Zephyros u. Boreas, neuerer. Entstehung noch Notos u. Euros. Zeitgötter, so fern sie bestimmten Zeitabschnitten vorstanden, waren die Horen, die neben der physischen Bedeutung zugleich noch eine sittliche hatten, wie es ausschließlich von den Charitinnen galt. Die Hauptrepräsentanten der Künste waren Athene u. Hephästos, der Wissenschaften die Musen, welche sich um Apollo versammelten. Besondere menschliche Angelegenheiten leiteten Hymnáos, der Hochzeitgott, Eileithyia, die den Kreisenden half, Himeros u. Pothos im Gefolg der Liebesgötter, Hygieia, die Gesundheitsgöttin; die Kriegsgottheiten Enyo, Phobos, Deimos, Kydoimos, Alke, Phyza, Eris, die Schicksalsgöttinen Mören, die Todesgewalten Keren, neben diesen letzteren Thanatos (der Zustand des Todtseins) u. sein Bruder Hypnos (der Traumgott); die Litä, die Göttinnen der reuigen Bitte, welche der Ate, der Göttin des Fluchs für thörichte Handlungen, nachfolgen. Eine große Menge vergöttlichter u. menschlicher Wesen bewegten sich im Zuge des Bakchos (Thiasos), als die Mänaden, Lenä, Thyaden, Mimallonen, Klodones, Tityri, Satyrn u. Silenos, der Führer des ganzen Zuges. Auch die Sterne außer Sonne u. Mond (s. oben) waren den Griechen belebte Wesen, theils wirkliche Gottheiten, wie Phosphoros, theils vergötterte Menschen, wie die Plejaden, Hyaden u. überhaupt alle Sternbilder. Allegorische Gottheiten od. personificirte Ideen hatte, wie aus dem Angegebenen erhellt, schon die älteste Zeit, aber bei Weitem noch wenige, u. auch die spätere götterreiche Zeit der Griechen hat es in dieser Beziehung nicht bis zu der Menge der römischen gebracht. Dämonen waren bei den alten Griechen der homerischen Zeit von den Göttern nicht genau unterschieden, höchstens so, daß man sich unter einem Gott eine bestimmte wirkende Macht vorstellte, unter den Dämonen das dunkle, wunderbare Walten höherer Mächte, das man unbenannt ließ, weil es in seinen Ursachen nicht begriffen wurde. Nachmals, schon bei Hesiodos, sind sie eine Klasse übermenschlicher Wesen, die Abgeschiedenen des goldenen Weltalters, gewöhnlich zwischen Götter u. Heroen gestellt, sie sind Schützer u. Hüter der Menschen, Wohlthatenspender, die unsichtbar die Erde durchwandeln, heilige Diener des Zeus, welche über Recht u. Gerechtigkeit die Aufsicht haben. Außer den guten gab es auch böse Dämonen. Verschieden von den Dämonen waren die Heroen; sie waren vergötterte Menschen, die sich um einzelne Staaten od. ganze Länder (daher Local- u. Nationalheroen) durch Persönliche Stärke u. Tapferkeit vor Anderen ausgezeichnet u. durch Gebietserweiterung, Cultivirung, Sittenverbesserung, Erfindungen verdient gemacht hatten, wofür die dankbare Nachwelt ihnen ehrendes Gedächtniß u. (wie man sagt, seit Kadmos Zeit) sogar göttliche Ehre durch Dienst, Feste, Spiele u. Opfer erwies. Sie galten in der Zeit ihrer Verehrung als Söhne der Götter (Halbgötter, Hemitheoi), bes. des Zeus selbst, u. menschlicher Mütter. Zu diesen Heroen gehören alle bes. hervortretende, sagenhafte Männer u. Weiber (Letztere hießen Heroinen) des Heroischen Zeitalters (s. Griechenland [Gesch.] I.), also Inachos, Deukalion u. Pyrrha, Pelops, Kekrops, Minos, Danaos, Bellerophon, bes. Perseus, Theseus, Herakles, Kastor u. Polydeukes, Ariadne u. viele Andere, die Amazonen, die Helden des Argonautenzuges, die Sieben gegen Theben, die Theilnehmer am Trojanischen Kriege, wiewohl die Vergötterung um so mehr eingeschränkt wurde, je näher der historischen Zeit die Helden traten. Als Ausnahme der geschichtlichen Zeit wird die Vergötterung des Faustkämpfers Kleomedes (500 v. Chr.) erwähnt, u. zwar bestimmte das Orakel, er solle der letzte sein. In der späteren Zeit wurden die Heroen auch mit den Dämonen verwechselt, sofern sie als die unsterblich fortlebenden Seelen geschiedener Edler u. als die schützenden Geister gewisser Staaten galten. Als mythologische Ungeheuer u. Thiere sind noch zu nennen: Echidna, Orthros, Kerberos, die Lernäische Hydra, Chimära, Sphinx, der Nemeische Löwe, Skylla, der Hesperische u. Kolchische Drache, die Sirenen, Harpyien (s.d. a.) etc.

IV, Zustand nach dem Tode. Das Fortleben der Gestorbenen setzten die ältesten Griechen an einen Ort außerhalb der Erde, wo sie als Schatten mit der Psyche (s.u. Geister) fortlebten u., gleich an Gestalt wie im Leben, auch gleiche Beschäftigungen trieben. Eine Fortdauer sammt dem irdischen Leibe war nur wenigen Auserwählten u. Freunden der Götter gewährt, wie dem Rhadamanthos u. Menelaos, denen Pindar dann noch den Peleus, Kadmos u. Achilleus hinzufügt; sie waren lebend der Erde entnommen u. wohnten auf den Elysäischen Gefilden (Elysium), wo ein ewiger Frühling herrschte. Diese Gefilde suchte man in Unteritalien, dann in Spanien, zuletzt auf einer Insel des Oceans. Der Glaube an eine Vergeltung des Erdenlebens tritt erst bei Hesiodos deutlicher hervor, so daß alle Gute u. Edle nach dem Leben in die seligen Eilande (Μακάρων νῆσοι, Inseln der Seligen), kommen; Götterfeinde erdulden namhaft Strafen, wie Tityos, Tantalos, Sisyphos, die Danaiden (s.d. a.). Die seligen Eilande sind ein Ort, wo unter der Herrschaft des Kronos das Goldene Zeitalter wieder gelebt wird, wo man in seliger Sorgenlosigkeit am Gewoge des Oceans lebt, wo der fruchtbare Boden dreimal des Jahres die schönsten Früchte bietet. Erst die spätere Zeit vereinigte Unterwelt u. Todtenreich (Hades, Erebos), das man in die Mitte der Erde verlegte, u. schied zwischen Ort der Belohnung (Elysium) u. Bestrafung (Tartaros), bes. seit den Mysterien u. der Pythagoreischen Philosophie. Hermes geleitete mit seinem goldenen Stabe die Seelen (daher Psychopompos, Seelenführer) in die Unterwelt hinab, bis zum See Acherusia, welchen der Kokytos u. Styx durch ihr Zusammenfließen bildeten; über diesen setzte Charon, ein schmutziger Greis, in durchlöchertem Nachen, um das gewöhnliche Fährgeld von 2 Obolen die Seelen derer, welche auf der Oberwelt bestattet, od. wenigstens durch ein Grabmal dem unterirdischen Gotte geweiht waren; war dies nicht geschehen, so mußten die Seelen 100 Jahre in den grausen Einöden umherschweben. Die Übergefahrenen passirten dann die Höhle des dreiköpfigen Hundes Kerberos, wer bei ihm vorübergegangen war, war in den Grenzen des Todtenreiches,[642] aus dem er nicht zurückkehren konnte. Zunächst kamen die Schatten auf einen geräumigen Platz, wo Minos, der erste u. oberste der Todtenrichter (die übrigen waren Rhadamanthos u. Sarpedon, od. neben dem Ersteren Äakos u. Achilleus, od. Triptolemos), über ihre Thaten im Erdenleben richtete u. danach bestimmte, ob sie rechts nach Elysium, wo Pluton mit seiner Gemahlin Persephone thronte, od. links nach dem Tartaros gehen sollten. Die, welche wegen frevelhafter Thaten gegen Götter u. Menschen nach dem Tartaros, dem tief unter das Schattenreich sich erstreckenden, von einer dreifachen Mauer u. dem feuerströmenden Phlegethon (Pyriphlegethon) u. dem strudelnden Acheron umgebenen Schlunde, verwiesen waren, kamen nun zu dem zweiten Richter, Rhadamanthos, welcher nach Maßgabe der Vergehungen die Strafen bestimmte, u. sobald dessen Ausspruch geschehen war, erschienen die Erinyen, welche die Verurtheilten nach dem Orte ihrer Qual trieben; sie duldeten hier körperliche u. Seelenleiden, u. diese Strafen waren ewig. Die dem Minos ihr Leben durch gute Thaten bewährt hatten, kamen in das Elysium, dessen Schilderung alle sinnlichen Freuden vereinigt darstellte. Um dasselbe herum strömte in Silberklarheit der Lethestrom, aus dem die Schatten Vergessenheit des Erdenlebens, wenigstens seiner trüben Stunden tranken; blumige Auen mit schattigen Hainen dehnten sich dort aus, heitere u. reine Lüfte umgaben den wolkenlosen u. ewig lichten Himmel. Was im Leben Einen angenehm beschäftigt hatte, das trieb er auch hier noch fort. Hier war ewiger Frühling, unbestellt brachte die Erde dreimal des Jahres ihre Gaben zum Unterhalt der Seligen, Alter, Schmerzen u. Krankheit waren hier nicht, sondern nur Freude u. Luft. Nach der Lehre Pythagoras wurde die Seelenwanderung (s.d.) mit in den Kreis der Vergeltungszustände gezogen. Nach dem Leben in der Unterwelt kehrten nach gewisser Zeit die Seelen wieder auf die Oberwelt zurück; die aus dem Elysium zurückkehrenden Frommen tranken wieder aus Lethe, um die genossenen Freuden zu vergessen. Hatten sie so dreimal unsträflich auf der Erde gelebt, so wurden sie für immer auf die Inseln der Seligen versetzt, wo ihrer noch höhere Freuden als im Elysium warteten. In den Mysterien galt die particularistische Ansicht, daß nur Eingeweihte in das Elysium kommen könnten. Die Ansichten einzelner Philosophen, so weit sie bekannt sind, sind unter deren Lehrsystemen angegeben.

V. Cultus. In der ältesten Götterverehrung der Griechen herrschte Einfachheit, aber da schon mit der Zeit die Anzahl der Götter wuchs, neue geschaffen u. Local- zu Nationalgöttern erhoben wurden, so wurde auch der Cultus ausgebreiteter u. vielfältiger, die Tempel, die Anordnungen der Feste u. Opfer glänzender u. prachtvoller, u. bes. waren die Künste zur Zeit ihrer Blüthe geschäftig für die Darstellung der Religionsgeschichte u. für den Schmuck der Götterwohnungen. Geheiligte Orte waren Anfangs ein Landstück (Temenos), dessen Ertrag auf die Verehrung des Gottes verwendet wurde, außer od. in demselben ein Hain (Alsos); auf jenen geweihten Plätzen stand dann der Altar (Bomos) unter freiem Himmel, aus Steinen od. Rasenstücken errichtet. An hochheiligen Orten hatte man wohl auch einen überbauten Altar Tempel (Hieron, Neos od. Naos), dessen Errichtung dann bei Städtegründungen erstes u. nothwendiges Bedürfniß war. Für den Dienst der Heroen erbaute man blos eine Kapelle (Heroon). Man hatte in späterer Zeit auch Tempel, in welchen mehrere Gottheiten zugleich verehrt wurden; ein Tempel, welcher allen Göttern geweiht war, hieß ein Pantheon. Die Bildsäule des Gottes u. ein Altar machten den wesentlichen Inhalt eines Tempels aus. Privatopfer verrichtete der Hausvater, öffentliche bei besonderen Gelegenheiten der König, bei Heeren der Oberanführer; dagegen aber bedurften auch die Tempel, heiligen Äcker u. Haine der Hüter u. Verwalter. Diese waren die Priester (Hiereis) u. Priesterinnen (Hiereiai), welche zugleich auch die Weihgeschenke in Empfang nahmen, die gewöhnlichen Opferfeiern veranstalteten, die Tempel dazu schmückten u., wenn Andere opferten, das Gebet sprachen. Das Verhältniß der Priester war übrigens ein ehrenvolles, aber weder bildeten sie eine Caste, noch bestand in Griechenland ein hierarchisches System, vielmehr waren die Priester u. Priestergenossen abhängig von den Machthabern. Neben den Priestern bestanden noch besondere Opferer (Thyoskooi), Zeichendeuter (Manteis), Traumausleger (Oneiropoloi), Wahrsager aus dem Flug u. Geschrei der Vögel (Oionopoloi) etc. Andere priesterliche Personen waren die Parasitai, Kerykes, Neokoroi (s.d. a.). Daß das Priesterthum bei den Griechen erblich gewesen sei, ist nicht bestimmt nachzuweisen, wenigstens war die Erblichkeit nicht allgemein. Der ehelose Stand war ihnen nicht geboten, aber gewöhnlich nahm man unverheirathete Personen zu Priesterinnen. Zur Theilnahme an gottesdienstlichen Handlungen machte man sich geschickt durch Reinigung (Katharismos), bes. mit Salzwasser. Vornämlich hielt man später solche Reinigungen nöthig für die, welche sich mit Mord u. Blut befleckt hatten, auch geschah dies, hauptsächlich mit Schwefel u. Feuer bei Orten, wo der Mord vorgefallen war. Die religiösen Handlungen selbst bestanden in Gebeten u. Opfern. Die Gebete (Euchai) verrichteten theils die Priester (deshalb Areteres genannt), bes. bei Opfern, theils der, welcher die Götter um Etwas anflehte; dabei erhob man Augen u. Hände zum Himmel, in dem Tempel zur Bildsäule des Gottes, zu Hause geschah es vor dem Herde zur Hausgottheit. Das Beten geschah theils stehend, theils knieend. Den Opfern (Hiereia), glaubte man, wohnten die Götter persönlich bei: sie bestanden meist in Brandopfern, früher Feldfrüchte, Opferkuchen, später allerhand Thiere, wie sie die Ökonomie gab, nur Fische nicht; schwarze Opferthiere brachte man dem Poseidon, den unterirdischen Mächten u. der Gäa. Die Opferthiere wurden mit besonderen Ceremonien zu ihrer Bestimmung geweiht; nur bestimmte Theile wurden den Göttern verbrannt, das Übrige von den Opfernden verzehrt. Man opferte entweder einzelne Thiere, od. eine größere Anzahl (Hekatomben). Die Trankopfer (Loibai) standen meist mit den Brandopfern in Verbindung, wurden aber auch in Begleitung von Gebeten allein gebracht; gewöhnlich nahm man Wein dazu, doch auch Milch u. Thierblut. Nach der Veranlassung u. dem Zweck theilte man die Opfer ein in Dank- (Charisteria), Sühn- (Hitaslika) u. Bittopfer (Aitetika). Die Dankbarkeit gegen die Götter bewies man außer durch die Opfer noch durch Bekränzen[643] od. Salben ihrer Bildsäulen, Geschenke an ihre Tempel (Anathemata) etc. Regelmäßige Veranlassung zu Opfern gaben die jedem einzelnen Gotte besonders gewidmeten Feste u. heiligen Spiele. Letztere wurden ursprünglich zur Ehre von verstorbenen Helden gefeiert u. nachmals anderen Göttern gewidmet; unter ihnen waren die wichtigsten die Olympischen, Nemeischen, Pythischen u. Isthmischen (s.d. a.). Die Feste wurden theils jährlich, theils in gewissen Cyklen gefeiert, z.B. alle fünf Jahre; sie waren selten national, wie die Dionysia, Karneia u. Thesmophorien, meist local, wie in Attika die Anthesteria, Apaturia, Brauronia, Diipoleia, Diasia, Eleusinia, Pyanepsia, Hephästeia, Oschophoria, Panathenäa; in Böotien die Daphnephoria; in Argos die Hekatomböa, Heräa, in Arkadien die Lykäa, auf Delos die Delia, auf Kypros die Aphrodisia, in Thessalien die Peloria, in Ephesos die Ephesia etc. Manche Feste waren mehreren Göttern gemeinschaftlich gewidmet, bes. dem Bakchos u. der Demeter, wie die Erntefeste, die Karneia dem Jupiter u. Apollo. Den Heroen wurden meist nur Leichenspiele gefeiert. Zu den religiösen Handlungen gehören noch die Leichenfeierlichkeiten (s.u. Todtenbestattung), die Eidablegung (s.u. Eid), gewöhnlich wurde bei Zeus, doch auch bei anderen Göttern geschworen; die Orakel (s.d.), denen außer Zeus in Dodona, bes. Apollo zu Delphi, Didyme, Delos, Abä, Klaros, Larissa, Tegyra, Trophonios zu Lebadea u. Amphiaraos zu Oropos vorstand; die Weissage, wohin die Theomantie, Hieromantie, Pyromantie, Oionomantie, Kleromantie, Stichomantie, Rhapsodomantie, Nekromantie, Oneiromantie (s.d. a.) etc. gehören, u., wozu in der späteren Zeit, wo die Griechen mit Ägyptiern u. Orientalen bekannter wurden, immer mehr Arten kamen, wie die Oomantie, Sterndeutung etc.

VI. Die Bearbeitung der Mythologie beginnt schon im Alterthum durch die griechischen u. römischen Mythographen, wie z.B. Apollodoros u. Hyginus, welche sich jedoch nur mit Sammlung der Mythen beschäftigten. Die Mythendeutung od. wissenschaftliche Mythologie beginnt nach schwachen älteren Versuchen (Boccaccio, Natalis Comes, Gyraldus, G. J. Vossius, Spanheim, Banier, Freret u.a.) mit Heyne in Göttingen, ferner mit Creuzer u. dessen Gegner J. H. Voß. Vielfach genützt haben derselben auch Chr. A. Lobeck, G. Hermann, Ph. Buttmann u. C. A. Böttiger. Eine neue Anregung u. wesentliche Bereicherung der mythologischen Wissenschaft erfolgte durch K. O. Müller, neben welchem bes. F. G. Welcker wirkte. Ferner haben sich Nitzsch u. Nägelsbach durch ihre homerischen Studien, G. Göttling durch seine Untersuchungen über Hesiod, Schömann durch seine Arbeiten über denselben Dichter u. über Äschylos, ferner K. Schwenck, E. von Lasaulx, P. F. Stuhr, F. Lauer, K. F. Hermann, Preller u.a. verdient gemacht. In neuester Zeit ist die G. M. bes. auf zwei Wegen außerordentlich gefördert worden; einmal wurde die griechische Natur u. deren Anschauung bei der Mythendeutung geltend gemacht, in welcher Beziehung sich bes. Forchhammer verdient gemacht hat; zweitens hat das gerade in neuester Zeit mit besonderem Eifer betriebene Studium der alten Kunst u. ihrer Denkmäler auch auf die G. M. förderlich gewirkt. Dahin gehören bes. die Arbeiten von K. O. Müller, Welcker, Gerhard, Stackelberg, Panofka, R. Rochette, E. Braun, O. Jahn. Wichtig für die Entstehungsgeschichte u. Deutung der griechischen Mythen verspricht auch das Studium der vergleichenden Mythologie zunächst der Indogermanischen Völker (namentlich der Inder, Germanen, Lithauer u. Slawen) zu werden, wenn auch bis jetzt durch A. Kuhn, A. Weber, Max Müller u. einige Andere erst die Anfänge dazu gemacht worden sind. Als Sammlungen von Mythen in fortlaufender Erzählung od. lexicalischer Form sind Schwenck, Mythologie der Griechen, Frkf. 1843, u. Jacobi, Handwörterbuch der griechischen u. römischen Mythologie (Koburg u. Lpz. 1835, 2 Bde.) zu nennen. Als monumentale Quellen sind noch immer Millins Galerie mithologique (deutsch von Tölken, 3. Aufl. Berl. 1848) u. die Denkmäler alter Kunst von O. Müller u. C. Österley (Gött. 1834–46, Bd. 1 u. 2) zu empfehlen. Die wichtigsten Darstellungen der G-n M. sind: Creuzer, Symbolik u. Mythologie der alten Völker, Leipzig 1810–12, 4 Bde., 3. Aufl. Lpz. u. Darmst. 1836–43; J. H. Voß, Antisymbolik, Stuttg. 1824–1826, 2 Bde., u. Mythologische Briefe, Königsb. 1792; O. Müller, Prolegomena zu einer wissenschaftlichen Mythologie, Gött. 1825; Baur, Symbolik u. Mythologie der Naturreligion des Alterthums, Stuttg. 1824 ff., 3 Bde.; Buttmann, Mythologus, Berl. 1828 f., 2 Bde.; Stuhr, Allgemeine Religionsgeschichte der heidnischen Völker, Berl. 1836–40, 2 Bde.; Schweigger, Einleitung in die Mythologie, Halle 1836; Forchhammer, Hellenika, Berl. 1837; Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte u. Mythologie der verschiedenen Völker des Alterthums, Halle 1845–47, Bd. 1 u. 2; Stoll, Handbuch der Religion u. Mythologie der Griechen u. Römer, Lpz. 1849, 3. Aufl. ebd. 1856, Lauer, System der G-n M., Berl. 1853; Rinck, Die Religion der Hellenen, Berl. 1852–1854, 2 Bde.; F. Braun, Griechische Götterlehre, Hamb. u. Gotha 1854; E. Gerhard, Griechische Mythologie, Berl. 1854, Th. 1; Preller, Griechische Mythologie, Lpz. 1854–55, 2 Bde.; Welcker, Griechische Mythologie, Bonn 1857, Bd. 1. Über die Entstehung, Inhalt u. Behandlung des Mythus u. der Mythologie überhaupt, s. Mythus u. Mythologie.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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