Indien [3]

Indien [3]

Indien (Ostindien, Geogr. u. Statist.) ist bei den Europäern der Name für ein weites Ländergebiet im Süden u. Südosten Asiens, welches jedoch kein politisches Ganze ausmacht, sondern nur eine geographische Abtheilung des Welttheils bildet. Der Name wird in verschiedenem Sinne gebraucht: a) In weiterer Bedeutung umfaßt I., ähnlich wie bei den Alten, sowohl die Halbinsel diesseits des Ganges od. Vorderindien, als auch die Halbinsel jenseits des Ganges od. Hinterindien, wozu als dritter Theil sehr oft auch noch der Indische Archipel (s.d.) gerechnet wird; b) in England versteht man unter I. schlechthin die gesammten unmittelbarenn. mittelbaren Besitzungen früher der Ostindischen Compagnie, jetzt der Krone England, od. das Vicekönigreich Indien Der Haupttheil desselben wird zwar durch Vorderindien gebildet, doch sind dem Vicekönig (wie früher dem Generalgouverneur) auch die britischen Gebiete in Hinterindien, Malacca, Singapore etc. unterstellt. In dieser Anwendung ist I. der officielle Name für das Angloindische Reich; c) im engeren Sinne versteht man unter I. jedoch vorzugsweise nur die Vorderindische Halbinsel. Vorderindien ist im Norden begrenzt durch das Himalayagebirge (s.d.), durch welches es von Tibet geschieden wird; im Westen durch die Soleimankette, eine südliche Fortsetzung des Sefid-Koh, durch welche es von Afghanistan u. Beludschistan getrennt ist; in Nordosten durch unerforschte Gebirgszüge, dort von Hinterindien u. China geschieden. An allen anderen Seiten ist I. von Wasser umgeben; die ganze Südhälfte des Landes bildet eine im Vorgebirg Comorin auslaufende dreieckige Halbinsel, welche auf der westlichen Seite vom Arabischen Meere, auf der östlichen vom Golf von Bengalen bespült wird. Die größte Ausdehnung Vorderindiens von Norden nach Süden. beträgt 400 Meilen, die von Westen nach Osten (von Kurrachee bis zum äußersten Osten von Assam) ist dieselbe. Es liegt zwischen 8° 4' u. 36° nördl. Br. u. 66° 44' bis 99° 30' östl. L. (von Greenwich) u. umfaßt ein Areal von ungefähr 66,000 QM. Durch das Vindhyagebirge, welches I. in der Mitte von Osten nach Westen durchzieht, wird das Land in zwei große Theile zerlegt, einen nördlichen od. das eigentliche Hindostan, u. einen südlichen od. das Dekan. Letzteres besteht in einem ausgedehnten Tafellande, welches in Gestalt eines Dreiecks im Norden durch den Vindhya erfüllt, in Westen u. Osten aber durch die westlichen u. östlichen Ghats, welche dasselbe in der Nähe der Küste umsäumen, orographisch bestimmt wird. Die Flüsse Vorderindiens haben ihren Ursprung theils auf den Ketten des Himalaya, theils erhalten sie ihre Gewässer durch die Regen der Südwest- u. Nordost Moussons. Zu ersteren gehören der Indus (s.d.) mit seinen Zuflüssen, worunter Sutledsch, Beas, Raree, Chenab u. Chelum am bedeutendsten; dann der Ganges, die Hauptlebensader Hindostans mit dem Jumna, Gogra, Gunduck u. Cosy; endlich im äußersten Osten der Brahmaputra mit Sanpoo u. Testa. Von den Strömen des Dekan entspringen Nerbudda u. Taptee auf[861] den Gebirgen Centralindiens u. führen ihre Gewässer in parallelem Laufe dem Arabischen Meere zu, während alle übrigen größeren Ströme des Dekan von den westlichen Ghats kamen, die ganze übrige Halbinsel durchschneiden u., nachdem sie die Ostghats durchbrochen haben, in den Bengalischen Golf ausmünden, an dessen Gestaden sie Niederungen bilden. Zu letzteren Strömen gehören Mahanuddi, Godavery, Kistnah u. Cauvery. Die Stromgebiete des Indus u. Ganges sind durch keine hervortretende Wasserscheide getrennt, so daß die unteren Stufenlandschaften des Indus u. Gauges eine weite zusammenhängende Tiefebene bilden, die in Osten im Delta des Ganges u. Brahmaputra in Sumpflandschaften übergeht. Doch zeigen die Ebenen beider Ströme insofern einen Unterschied, als die Landschaft links des Indus, die Sindebene, im Ganzen einen weit mageren Boden besitzt, der nur im Pendschab theilweise gut angebaut wird, sonst aber viele wüste Strecken umfaßt, während die Ebenen am Ganges u. seinen Zuflüssen, die Hindebene, eine wasserreiche, fruchtbare u. dicht bevölkerte Culturfläche bildet. Die bedeutendste der wüsten Strecken ist die große salzige Sandwüste Thurr, die sich an der Ostgrenze des Inundationsgebiets des Indus an 20–40 Meilen breit u. 100 Meilen weit sich in gleicher Richtung mit dem Strome hinzieht. Südöstlich der Indusmündungen breitet sich der Runn aus, eine 2000 QM. große Morastniederung von eigenthümlicher Beschaffenheit.

Bei den großen horizontalen wie verticalen Unterschieden, welche in Vorderindien auftreten, können auch die klimatischen Verhältnisse nicht in allen Theilen dieselben sein. Die Ebenen Hindostans, die Tiefländer Bengalens, sämmtliche niederen Küstenstriche der ganzen Halbinsel sind ausgezeichnet durch alle Erscheinungen der Tropenwelt, durch schwüle Hitze u. heftige Regengüsse. Die Berglandschaften dagegen haben kühlere u. trockene Luft u. entbehren des eigentlich tropischen Klimas. Die glücklichsten klimatischen Verhältnisse besitzt das Dekan, wo nur auf kurze Zeit selbst die höchsten Gebirge eine dünne Schneedecke tragen, die Luft durch Thau u. Regen erfrischt wird u. gewissermaßen ein ewiger Frühling herrscht. Das Jahr theilt sich in drei Jahreszeiten, die heiße, welche im März beginnt u. bis Anfang Juni anhält; ihr folgt die Regenzeit, die bis October währt, worauf dann bis Ende Februar die gemäßigte Jahreszeit dauert. Die klimatischen Wechsel des südlichen, der eigentlich tropischen Zone angehörigen I-s wird in merkwürdiger Art durch die Moussons (s.d.) bedingt. Während der Südwestmousson an der Westküste Vorderindiens (Malabar) zwischen Mai u. September, Nebel, Schwüle u. Regengüsse bringt, herrscht jenseits der Westghats, welche die Wetterscheide bilden, die trockene u. heitere Jahreszeit. Wenn sich dann unter furchtbaren Stürmen die Südwestmoussons in die Nordostmoussons umgesetzt haben, beginnt die Regenzeit auf der Küste Coromandel, während dessen Malabar von October bis Januar die trockene Jahreszeit hat u. das eigentliche Plateau von Dekan von einzelnen Regenschaueruersrischt wird. Wie im Klima, so zeigt auch das ganze vegetative u. animalische Leben der Berglandschaften u. der tieferen Ebenen eine große Verschiedenheit. Während die alpinischen Landschaften des Himalaya mit Wäldern gesellschaftlicher Bäume, wie Fichten, Birken etc. bedeckt sind, tragen die Wälder am Fuße des Gebirgs, in den Ebenen Hindostans, den Niederungen Bengalens u. den Tiefländern der Küsten einen durchaus tropischen Charakter. Dieselben bestehen aus Sandel-, Eben- u. Teakholz, Drachenbäumen u. verschiedenen Palmenarten, wie den, I. eigenthümlichen Schirm-, Kohl- u. Sagopalmen. Die beiden letzteren Arten dienen wie die ebenfalls hier einheimische Cocospalme, die Banane u. Brotfrucht als Nahrungspflanzen. Riesige Gräser, wie der Bambus, tausendfache Gesträucharten u. baumhohe Farren bedecken die Sumpfebenen. Einen großen Reichthum besitzt I. in seinen mannichfachen Gewürzpflanzen, die ohne Pflege gedeihen; dahin gehören vor Allem der Muskat-, Zimmt- u. Gewürznelkenbaum; Ingwer u. Pfeffer sind ebenfalls in I. heimisch. Unter den Bewohnern dieser Waldwildnisse steht oben an der Elephant, der wegen seiner Zähmbarkeit für den Indier ein sehr nützliches Hausthier geworden ist; das Nashorn, wilde Büffel u. Bären finden sich ebenfalls häufig in den Wäldern, Tiger, Leoparden, Panther, Eber, Hyänen, Wölfe u. Schakals trifft man zahlreich in den Forsten wie den Jungles, oft in dichter Nähe des cultivirten Landes. Löwen bewohnen nur einzelne Landstriche wie Guzerat. Rehe, Antilopen, Affen in zahlreichen Arten sind Jagdthiere; Krokodile, Schlangen u. andere Reptilien werden oft den Menschen gefährlich. Als Hausthiere werden gepflegt Büffel, Kameele, Pferde, Schafe, Schweine, Rinder u. Ziegen. Federwild u. Fische sind in Überfluß vorhanden; unter den Vogelarten I. s finden sich manche Arten von schönem Gefieder. Unter den Culturpflanzen nimmt der Reis die erste Stelle ein; denn er ist das hauptsächlichste Nahrungsmittel für den Indier u. die Hauptculturpflanze für alle niederen Gegenden. In den höher gelegenen Ebenen, sowie im Dekan, werden Weizen u. andere Getreidearten angebaut. Weite Fluren sind allerwärts mit Pflanzen bebaut, welche die hauptsächlichsten Stapelartikel zur Ausfuhr liefern, wie Baumwolle, Indigo, Zuckerrohr, Opium, Öl- u. Faserstoffe. Daneben werden viele Arten Gemüse, Gewürz- u. Handelspflanzen, sowie Fruchtbäume der mannichfachsten Art gezogen. Der Mineralreichthum ist außerordentlich, wenn auch noch nicht angemessen ausgebeutet. Schon im Alterthum war I. berühmt als die Heimath von Gold, Edelsteinen u. Perlen.

I. gehört zu den am besten bevölkerten Ländern Asiens, obgleich die 184 Mill. Einwohner, die ihm die neuesten englischen Schätzungen geben, nicht gleichmäßig über das Land vertheilt sind. Die Haupt- u. Grundmasse bilden die eigentlichen Hindu od. Indier arischen Stammes, die vorzugsweise im Hindostan, aber auch in den Küstenlandschaften des Dekan einheimisch sind. Eine zweite Race, welche sich auch durch ihre dunklere Farbe u. andere Eigenthümlichkeiten alsbald für das Auge unterscheidet, herrscht im eigentlichen Dekan vor u. bildet die Dekanische od. Dravidische Völkergruppe. Die Arischen Indier sind von den Dekanischen Völkern auch durch die Sprachen verschieden, welche nicht die geringste Verwandtschaft zeigen (s. Indische Sprachen u. Dekanische Sprachen). Hierzu kommen als ein drittes Element der Bevölkerung I-s noch eine Anzahl von kleinen Völkerschaften,[862] welche meist in den entlegensten Gebirgsgegenden wohnen, ein verhältnißmäßig sehr rohes u. oft fast wildes Leben führen u. wohl als die Reste der Urbewohner I-s zu betrachten sind. Dahin gehören die Ramusis, in den Ghats bei Punah, die Puharris an den Grenzen von Behar, Bengalen u. Gondwana; die Pindarries im Vindhya, welche den Islam angenommen haben; die Bhils in den Gebirgen Malwas u. der Nachbarschaft; die Chonds, Koles, in den östlichen Armen des Vindhya etc. Einige dieser Bergvölker, wie die ziemlich zahlreichen Gonds in der nach ihnen benannten Landschaft Gondwana, die Ku im Inneren Orissas, die Uraon u. Radschmahal in den nördlichen Ausläufern des Vindhya in Behar u. Bengalen, die Tuda u. Kota in dem Neilgherri, einem Gebirgsstocke im äußersten Süden des Dekan, sind Glieder der Dravidíschen Völkergruppe, stehen aber in der Cultur weit hinter ihren Verwandten zurück. Einige andere Völkerschaften im Himalaya, wie die Nirwaris in Nepaul, gehören dem tibetanischen Stamme an, während noch andere Stämme im äußersten Nordosten sich den Bewohnern Hinterindiens nähern. Nächst diesen in I. einheimischen Völkern, die man häufig auch unter dem Gesammtnamen Hindu zusammenfaßt, gibt es noch verschiedene ethnographische Elemente in I., deren Einwanderung in historische Zeit fällt. Dahin gehören die sogen. Mongolen, die Nachkommen der muhammedanischen Eroberer I-s, die meist türkischen u. persischen Ursprungs waren u. sich noch gegenwärtig meist des Persischen, theilweise auch des Hindustani bedienen. Zu Herrn des Landes geworden, haben sie auch den Islam über einen ansehnlichen Theil der Hindubevölkerung ausgebreitet u. sich mannichfach mit derselben gemischt. Ebenfalls durch die Eroberung eingedrungen sind die Afghanen, die in I. oft Rohillas genannt werden u. ebenfalls Muhammedaner sind. Letzteres gilt auch von den Arabern, die schon sehr frühzeitig sich namentlich in den Städten an der Küste Malabars niedergelassen haben (wie in Calicut, Goa, Guzerate) u. in allen Stücken ihren Sitten u. ihrer Sprache treu geblieben sind. Die Mischlinge der Araber u. Hindu heißen Mapules od. Moplahs u. sind ebenfalls Muhammedaner. Die Parsen (s.d.), welche namentlich in Bombay u. Surat, sowie den benachbarten Handelsplätzen leben, aus Persien eingewandert sind u. ihren Feuerdienst beibehalten haben, sind meist Kaufleute, zum Theil ungemein reich, höchst intelligent u. thätig u. haben sich stets als die treuesten Anhänger der britischen Herrschaft erwiesen. Juden, diese sind theils weiße, die Nachkommen der im Babylonischen Exil, nach Anderen erst nach der Zerstörung Jerusalems durch Titus eingewandert, die auf der Küste von Malabar einen eigenen Staat bilden, erst auf 80,000, Familien gemehrt, jetzt sehr herabgekommen; theils schwarze, zum Judenthum bekehrte Eingeborne, zusammen etwa 150,000, die über die ganze Halbinsel zerstreut sind. Die Zahl der Europäer ist gegenüber den vielen Millionen Einwohnern äußerst gering. Obgleich die Engländer fast ganz I. ihrer Herrschaft unterworfen haben, so finden sich deren doch kaum 125,000 im Lande, von welchen drei Viertel auf die europäischen Truppen u. die Beamten kommen. Die Mischlinge von Europäern u. Hindu geben die sogen. Halfcasts od. Eurasier (d.i. Europa-Asier). Portugiesen, einst die herrschende Macht in I., finden sich nur noch in den Städten der Küste Malabar, namentlich zu Goa u. Diu. Durch Vermischung derselben mit den Hindu entstanden die Schwarzen Portugiesen od. Topassis. Franzosen leben außer in ihren Colonien nur wenige in den Hauptstädten; die Zahl der Dänen in ihren früheren Besitzungen ist sehr gering; Holländer haben sich auf Ceylon erhalten, wo aus der Vermischung derselben mit den Singhalesen die Burgers entstanden sind. Dagegen haben sich in den größeren Handelsstädten vielfach Armenier niedergelassen, deren Zahl man auf 50,000 schätzt.

Die Bildungsstufe, auf welcher die Bewohner I-s stehen, ist bei der großen Mannichfaltigkeit der Nationalitäten eine sehr verschiedene. Das eigentliche Culturvolk sind die Indier arischen Stammes, denen die übrigen Völker alle ihre Bildung verdanken. Das gesammte indische Culturleben, welches übrigens weit über die Grenzen hinaus einen mächtigen Einfluß geübt hat, beruht auf der Brahmareligion (s. Indische Religion), mit welcher nicht blos die ganzen gesellschaftlichen u. sittlichen Zustände des Volkes, sondern auch ihre höchst bedeutende Literatur u. ihre hoch entwickelte Kunst auf das Engste verbunden sind. Der Brahmanischen Religion wurden allmälig alle Bewohner I-s zugeführt, bis auf einzelne rohere Völker, welche ihren ursprünglichen polytheistischen Religionen treu geblieben sind. I. ist zwar auch die Wiege des Buddhismus, der sich aus dem Brahmanismus entwickelte, doch mußte er den Reactionsbestrebungen des letzteren weichen, so daß nur im äußersten Norden (Nepal) u. Süden (Ceylon) die Lehre des Dschakyamuni herrschend blieb. Die Zahl der Jainas ist sehr gering. Als I. unter die Herrschaft muhammedanischer. Eroberer gekommen war, brach sich auch der Islam Bahn, zu welchem sich allmälig ein Achtel der gesammten Bevölkerung bekennt. Das Christenthum hat bis jetzt nur wenig Eingang bei den Hindu gefunden u. wird ihn wohl auch bei der bisherigen Art der Missionsthätigkeit schwerlich finden. Die Zahl sämmtlicher Christen in I. mit Einschluß der Armenier (die einen Erzbischof zu Calcutta haben) u. der sogen. Thomaschristen auf Malabar (aus Syrien eingewanderte Nestorianer, weshalb sie früher auch Sorianer genannt wurden) wird höchstens 1,200,000 betragen. Der einheimische Unterricht ist sehr dürftig u. beschränkt, selbst bei den Muhammedanern. Erst in neuester Zeit, seit das britische Gouvernement wenigstens Einiges für Errichtung von Schulen u. Bildungsanstalten gethan hat, fängt die abendländische Civilisation an Wurzel zu fassen. Unter den höheren Kreisen gibt es bereits viele Indier, die eine höhere europäische Bildung zu gewinnen streben.

Wie die geistige, so ist auch die materielle Cultur I-s uralt, wenn auch nicht alle Völkerschaften an derselben in gleichem Maße Theil haben. Die meisten der oben erwähnten Bergvölker sind nur Hirten u. Jäger; nur wenige treiben Ackerbau. Die eigentlichen Hindu haben jedoch nicht blos die Bodencultur, sondern auch die technischen Gewerbe zur höchsten Vollkommenheit gebracht. Nicht mit Unrecht konnte daher I. im Alterthum bei seinem natürlichen Productenreichthum u. seiner blühenden[863] der Theorie ist der König Herr alles Bodens; ihm gebührte ein bedeutender Theil des Ertrags desselben. Das Gesetzbuch des Manu gibt dem Könige das Recht, den zwölften, achten u. sechsten, in Zeiten der Noth selbst den vierten Theil als Abgabe zu fordern. Die Brahmanen waren frei von allen Abgaben; niedere Handwerker, Tagelöhner sollten ebenfalls frei sein, dafür aber dem König einen Tag im Monat Frohndienste thun. Ein altindisches Heer zerfiel in vier Abtheilungen: Fußgänger, Reiter, Elephanten u. Kriegswagen. Die Waffen desselben waren insbesondere Bogen u. Pfeile, große breite, mit zwei Händen geführte Schwerter, für die Reiter, welche ungesattelte Pferde ritten, zwei Wurfspieße u. runde Schilder. Es ist die Vermuthung, daß die Inder schon eine Art Feuerwaffe bei Belagerungen gehabt haben. Das feindliche Verfahren scheint sehr mild u. durch ein Kriegsrecht fest geordnet gewesen zu sein.

Familienverfassung u. häusliches Leben. Polygamie war, wenigstens den höheren Casten, erlaubt, aber immer scheint doch Eine als rechtmäßige Frau gegolten zu haben, während die andern mehr eine Art Concubinen waren. Über die gegenseitigen Ehen in den drei oberen Casten s. oben; Sudras durften nur unter sich u. zwar nur Eine Frau heirathen. Die zweite Ehe war der Frau jeder Caste versagt, aber die Verbrennung der Wittwen (Sutti) mit der Leiche ihres Mannes ist weder im Gesetz des Manu geboten, noch uralte u. allgemeine Sitte, wiewohl sie schon zur Zeit der Griechen öfter vorkam (s. unten). Erhaltung der Familie durch männliche Nachkommen war erster u. Hauptzweck der Ehe bei den Indern, denn durch diese wurden die Familiensacra erhalten, die bes. deshalb wichtig waren, weil der Erbe die Todtenopfer den Manen der Verstorbenen bringen mußte, wodurch dem Erblasser der Eingang in die Surgas eröffnet u. so die Theilnahme an der Seligkeit zu Theil ward. Hatte daher ein Inder ja keinen männlichen Nachkommen, so adoptirte er einen. Die Erzielung eines männlichen Erben scheint auch der Hauptgrund der Mehrweiberei bei den Indern gewesen zu sein, denn man konnte nach acht Jahren eine unfruchtbare Frau mit einer andern vertauschen. Mädchen wurden schon mit dem achten Jahre heirathsfähig; Väter führten ihre Töchter in diesem Zeitpunkte öffentlich vor, u. welcher Jüngling den Preis in gymnastischen Spielen gewann, durfte sich eine Braut aus ihnen wählen. Auch Kauf fand bisweilen Statt. Übrigens war der Mann der Herr u. Gebieter im Hause u. die Frau stand in steter Abhängigkeit von ihm. Frau u. Töchter lebten gewöhnlich im Innern des Harems u. empfingen dort die Besuche des Mannes u. Vaters, aber nicht nach strenger orientalischer Sitte eingeschlossen, denn sie nahmen Theil an Spaziergängen in den Lustgärten, gingen u. opferten selbst in den Tempeln. Feile Dirnen gab es nicht; Zucht u. Keuschheit herrschte unter den jungen Inderinnen, nur um das Geschenk eines Elephanten sich preisgegeben zu haben, entehrte ein Mädchen nicht. Die Belustigungen der Inder waren körperliche Übungen, Musik u. Tanz, Gaukler u. Äquilibristen.

Kleidung u. Nahrung. Die Inder trugen Kleider von weißem Linnen u. bunter Baumwolle, Vornehme u. bei Festlichkeiten auch von Seide; Einsiedler u. Büßer trugen Gewänder u. Mäntel von Baumrinde. Staatskleider wurden mit Pelzwerk verbrämt; als Schmuck trug man Edelsteine, Perlen, Elfenbeinzierrathen, bes. Ringe an den Händen u. in den Ohren, Kopf u. Schulter war verhüllt u. dazu trug man noch einen Schirm gegen die Sonne; an den Füßen Schuhe von weißem Leder mit dicken Sohlen. Den Bart färbten sie mit allerlei Farben. Unter den Speisen stand der Reis oben an, aus welchem mancherlei Gerichte bereitet wurden, dann aß man Zuckerrohr, Honig, Zuckerwerk u. Gebackenes, Gefrorenes, geronnene Milch u. Molken, Früchte aller Art; Fleisch aßen mehre Stämme gar nicht, da sie es für Sünde hielten, Thiere zu tödten; getrunken wurden abgezogene Getränke aus Früchten u. Zuckerrohr (wahrscheinlich der jetzige Rum u. Arak), auch Wein, aber alles sehr mäßig.

Gewerbe u. Handel. Besonders stark wurden Stoffe aller Art zu Kleidungsstücken gewebt, seine bengalische Musseline, Kattune, Gürtel u. Shawls, auch gefärbt wurden die Zeuge u. gestickt aus Elfenbein wurden Halsketten u. Ohrgehänge gemacht, aus edeln Metallen Pferde- u. Elephantengeschirr, Wagenbeschläge etc. Mit allen diesen Productionen beschäftigten sich die Sudras, während die Vaisyas Viehzucht u. Ackerbau trieben; durch letzteren erzielte man bes. Reis. Man baute das Feld mit dem Pflug, welcher in I. sehr alt ist. Außerdem betrieb auch diese dritte Caste den Handel; über dessen Umfang u. Gegenstände s. den Art. Handel. Gefördert wurde der Handel durch Landstraßen, deren schon früher durch einen großen Theil des Landes gingen. Man bediente sich auch in I. schon des geprägten Geldes, bes. wurden die Goldmünzen (Kaltris) gegen griechisches u. römisches Geld mit Nutzen umgesetzt. Geld auf Zinsen auszuleihen, war auch ein Vorrecht der Vaisyas, u. in dem Gesetz des Manu sind Verordnungen über die verstatteten Zinsen gegeben.

Kunst u. Wissenschaft. Unter den indischen Kunstwerken, welche an Großartigkeit u. Geschmack die ägyptischen weit überragen u. nach denen in Griechenland den ersten Rang behaupten, zeichnen sich bes. die der Architektonik aus, welche in drei Klassen zerfallen: Tempelgrotten od. unterirdische Felsentempel, Felsentempel über der Erde od. zu Heiligthümern behauene Felsen u. eigentliche Gebäude od. Pagoden; sie haben alle Beziehung auf Religion, sind gestützt von, aus dem Felsen gehauenen Säulen u. Pfeilern, geziert mit kolossalen u. grotesken Sculpturen; diese Sculpturen sind auch, wie in Ägypten, bemalt, einige auch mit Inschriften versehen. Die Sculpturen sind so hohe Reliefs, daß sie nur mit dem Rücken an der Wand anhängen. Über Einrichtung u. Bau derselben s.u. Tempel u. Pagode, über die einzelnen unter den Orten, wo sie stehen, so bes. die Felsentempel auf Elephante, Salsette, zu Ellora, die sogenannten Sieben Pagoden von Mavalipuram, die Pagode von Tandschore, von Ramisaram, zu Madura, zu Dschaggarnat etc. Als die Zeit der Erbauung jener großartigen Tempel wird von den Indern selbst das 3. Jahrtausend v. Chr. angegeben. Einfachere Arbeiten der Bildenden Kunst sind die Pfeiler von Stein u. Tafeln von Stein u. Metall mit Inschriften. Es war altindische Sitte, das Andenken an gewisse Vorfälle durch Säulen mit Inschriften zu erhalten, od. Ländereivertheilungen durch Tafeln mit Inschriften zu sicherem Besitz zu bezeichnen. Sonst [864] Gewalt in der Hand u. verfügen nöthigenfalls unbedingt über alle Hülfsquellen eines Staates. Als Gegenleistung hat die britische Regierung sich verpflichtet, seine Lehnsleute gegen innere u. äußere Feinde zu sichern, sowie die zugestandenen Rechte zu wahren. Von diesen einheimischen Staaten, welche vor Ausbruch der Rebellion von 1857 die Oberlehnsherrlichkeit der Ostindischen Compagnie anerkannten, standen unter der Aufsicht (Political superintendence) des Generalgouverneurs: Nepal, der Nizam von Hyderabad, der Sindiah od. Gwalior, der Holkar od. Indore, Bopal, Kaschmir od. der Staat des Gulab-Singh, Bhawalpore, Mysore, die 34 Fürstenthümer in Bundelkand, die sechs Fürstenthümer im Saugor- u. Nerbuddaterritorium, die elf Fürstenthümer unter dem Residenten zu Indore, die neun Fürstenthümer westlich des Jumna (Bhurtpore, Bikanir, Jussulmeer etc.), die zehn Fürstenthümer der Radschputen u. die neun Lehnsfürstenthümer der Sikhs. Bis 1855 gehörten auch Oude u. Nagpore od. Berar in diese Reihe. Dem Lieutenant-Governor von Bengalen waren zugewiesen: die 31 Grafschaften an der Nordostgrenze u. die 20 Grafschaften an der Südwestgrenze Bengalens. Die Regierung von Agra übte das Oberaufsichtsrecht aus über Rampore u. die sieben Grafschaften bei Delhi. Der Präsidentschaft Madras waren zugewiesen die Fürstenthümer Cochin u. Travancore, sowie die Semindars im Gebirge; endlich dem Gouverneur von Bombay der Guicowar (von Guzerate mit dessen zahlreichen Lehnsleuten), Cutch, Sawantwarree, u. verschiedene andere kleine Grafschaften u. Lehnsbesitzer (Iaghirdars). Von der Gesammteinnahme dieser Staaten fließen kaum 600,000 Pfd. Sterl. in die Kassen des Angloindischen Reichs; vor Ausbruch der Rebellion hatte dagegen das Letztere 1,406,284 Pfd. Sterl. an jährlichen Pensionen an Fürstenfamilien zu zahlen, die der Herrschaft entsetzt waren. Doch ist letztere Summe in Folge des Aufhörens der Moguldynastie u. anderer durch die Rebellion hervorgerufener Veränderungen bedeutend geringer geworden.

Die Districte u. Verwaltungsbezirke stehen unter Beamten, welche nicht blos die Polizei, sondern auch das Steuerwesen unter sich haben, doch sind die Functionen in den Präsidentschaften verschieden, hier u. da ist den Einnehmern selbst die niedere Gerichtsbarkeit übertragen. Den Beamten wie den Richtern sind Gehülfen beigegeben, welche theils in wirklichem Staatsdienst (Covenanted service) stehen, theils bloße Diener (Uncovenanted service) sind. Letztere sind gewöhnlich Eingeborene od. Eurasier u. können beliebig ihrer Stellen entsetzt werden. Die unteren Beamten werden sehr schlecht besoldet; Stellen, welche reichlicher dotirt sind, werden selten an Eingeborene vergeben; dagegen sind die Gehalte der Beamten höherer Klassen, zu denen nur Briten genommen werden, sehr bedeutend. So erhielt der Oberstatthalter jährlich 25,000 Pfund Sterling, die Statthalter zu Madras u. Bombay jährlich 12,000, der Vicestatthalter zu Agra 8400 Pfd. St.; jeder Rathsherr zu Calcutta 10,000, zu Madras u. Bombay 6200 Pfd. St. Ein District steht in Bengalen in polizeilicher Hinsicht unter einem Oberaufseher, unter welchem als Chefs der 15 bis 20 Bezirke (Thanah) ein Polizeiinspector (Thanahdar) od. Darogah steht. Letztere sind meist Muhammedaner, beziehen einen jährlichen Gehalt von 30–120 Pfd. St. u. haben einen Schreiber, einen Sergeanten (Dschamadar) u. 20 bis 25 Polizeidiener. Die Localpolizei führen die Dorfwächter, welche aus den Dorfmitteln unterhalten werden; obgleich man in Bengalen deren 167,000 zählt, so wirken sie doch wenig, weil ihr Einkommen sehr gering ist; besser ist es in den Nordwestprovinzen u. dem Pendschab. Die Districtspolizei nimmt Kunde von allen Verbrechen, welche die Engländer unter dem Namen Felonie begreifen; die Anzeigen werden in ein Tagebuch eingetragen u. dies dem Magistrat zugestellt, welcher Untersuchung nur verhängt, wenn genügende Beweise vorhanden sind. Ein ganz verschiedenes System herrscht in Madras u. Bombay; nach einheimischer Art übten es die Steuereinnehmer; in Madras hatten die Tehsildars u. Dorfbeamten eine gewisse Polizei- u. Richtergewalt; wichtigere Sachen mußten dieselben an die Unterrichter bringen. In Bombay haben die Mamlatdars ziemlich dieselbe Stellung; kleine Sachen entscheiden die Polizeibeamten, größere werden von diesen an die Magistrate gebracht. Auch finden sich in Bombay organisirte Polizeibataillone. Das angloindische Gerichtswesen ist eigenthümlich organisirt: in den einheimischen Staaten ist die Rechtspflege dem Landesfürsten überlassen. Der höchste Gerichtssof für das ganze Reich ist der Sudder Adalet zu Calcutta, welcher in letzter Instanz über alle Civil- u. Criminalfälle entscheidet. Für jede Präsidentschaft besteht ein Gerichtshof, an welchen von den unteren Gerichtsbehörden appellirt wird; letztere sind in den verschiedenen Theilen des Landes verschieden organisirt. Die niederen Richterämter (wie der Munsiff, Sudder-Amin u. Prinzipal Sudder-Amin) sind von Einheimischen besetzt; sie sind Einzelrichter, während die höheren Zila-Courts collegialisch eingerichtet sind. In der Rechtspflege hat man, so weit es sich thun ließ, die englischen Grundsätze zur Geltung zu bringen gesucht.

Der Staatshaushalt des Angloindischen Reiches ist nicht in der besten Ordnung; die indische Staatsschuld betrug 1786 bereits 8 Mill., stieg nach den Kriegen mit Tippu Sahib u. den Mahratten auf 29 Mill. (1810), dann bis 1820 auf 37, bis 1830 auf 45 Mill. Im folgenden Jahrzehnt verminderte sich die Schuld bis 1840 auf 34 Mill.; 1850 war sie aber wieder auf 52 Mill. gestiegen. Am 30. April 1857, kurz vor der Rebellion, wurde die gesammte indische Schuld auf 50,483,369 Pfd. St. angegeben, zu deren Verzinsung jährlich 2,140,577 Pfd. St. nöthig waren. Zu Anfang 1859 wurden 741/2 Mill. notirt, welche seitdem durch zwei Anleihen bereits auf 861/2 Mill. gestiegen sind, ungerechnet 7 Mill. rückständige Offiziersgagen u. Pensionen. Dazu ist noch zu rechnen, daß nach Auflösung der Compagnie der indische Schatz an die Inhaber der ehemaligen Compagnieactien eine feste Dividende von 630,000 Pfd. St. zu zahlen hat, welche (nebst jenen 7 Mill.) capitalisirt die indische Schuld auf 1051/2 Mill. Pfd. St. vergrößern. Die Haupteinkünfte zieht der indische Schatz aus den Grundsteuern, welche eigentlich jedoch nur die Pachtgelder von den Domänen sind, welche ebensogroß sind, wie überhaupt die gesammte culturfähige Fläche des Reiches. Zu allen Zeiten war in I. der Staat od. vielmehr der Fürst od. Landesherr (gegenwärtig im größten Theile I-s nach Erlöschen der Compagnie die Königin[865] von England) Eigenthümer alles indischen Grund u. Bodens, so daß niemals bei unbeweglichen Gütern ein bürgerliches Eigenthum, sondern nur Nutzungsrechte existirten; letztere wurden vom Souverän verliehen, meistens gegen Abgabe eines Erntetheiles, in einzelnen Fällen auch gegen zu leistende Lehnsdienste. Am Grundbesitz selbst haften nirgends Rechte u. Leistungen, sondern überall ist nur das Amt eines Steuererhebers od. Steuerpächters hier u. da erblich geworden; grundbesitzender Adel ist somit nicht wirklich, sondern nur scheinbar vorhanden. Das indische Grund steuerwesen ist für den Europäer zwar sehr verwirrend, im Ganzen aber doch sehr einfach. Man unterscheidet drei Systeme: a) das Ryotwarysystem, in den Präsidentschaften Madras u. Bombay, wo die Regierung unmittelbar an den Landwirth Grund u. Boden gegen einen Pachtschilling, der im Allgemeinen ein Drittel der Ernte beträgt, überläßt. In Madras kann jeder Pächter am Schluß des Jahres seinen Pacht aufgeben; in Bombay dauert letzter 30 Jahre, doch versteuert der Landmann (Ryot, Reiot) nur das Land, was er wirklich bebaut hat. b) Das Mansawarsystem, das in den sogenannten Nordwestlichen Provinzen besteht; nach demselben tritt nicht der einzelne Landwirth, sondern die Dorfgemeinde als Pächter auf, welche aber solidarisch für Entrichtung des Pachtschillings haftbar wird. Die britische Regierung bekümmert sich nicht darum, ob die Gemeinde ihre Flur gemeinsam bebaut u. gemeinsam die Steuer errichtet od. ob die Gemeindeglieder das Land unter sich vertheilen u. die Abgabe in Quoten unter sich austreiben; in beiden Fällen bleibt jedoch die Gemeinde solidarisch für die Steuer haftbar. In neuerer Zeit geschieht es jedoch immer häufiger, daß die Dorfflur in einzelne Pachtlose getrennt u. so ein unvollkommenes Putteedarree (Pottidarri) in ein vollständiges Potteedarree mehal (Pottidarri miai) verwandelt wird. Die Steuer ist in Geld zahlbar u. wird so bemessen, daß dem Landwirthe vom Reinertrag des Landes ein Drittheil übrig bleibt. Im Pendschab wurde unter der Sikhherrschaft meist die Hälfte des Rohertrages erhoben; die britische Regierung setzte zunächst 25 Procent fest, mußte aber, weil die Bezahlung in Geld für den Asiaten mit Schwierigkeiten verbunden ist, noch weiter herabgehen. c) Das Zemindarysystem der Verpachtung besteht darin, daß zwischen dem Grundherrn (Fürsten) u. dem Pächter (Reiot) eine Mittelsperson als Zemindar od. Steuerpächter tritt. Letzter ist dem Fiscus für die Entrichtung der Steuer verantwortlich, kann aber Raten von den einzelnen Landbebauern eintreiben wie er will; das System ist in Bengalen, Behar u. Orissa herrschend. Man nimmt an, daß dem Reiot zwei Fünftel des Rohertrages, dem Landesherrn aber drei Fünftel gebühren; von den letzteren drei Fünfteln tritt der Landesherr wiederum ein Elftel dem Zemindar für dessen Mühe u. Gefahr ab. Obgleich die britische Regierung beabsichtigte, sich aus diesen Zemindars eine Art Adel zu schaffen, so ist dies doch nicht gelungen. Auch die Talukdars in Oude sind ursprünglich nichts weiter, als die Steuerbeamten der Sultane von Oude u. tragen nur den Schein einer Feudalaristokratie. Ihre Burgen erbauten sie blos, um die Reiots mit größerer Sicherheit zu pressen; einzelnen derselben gelang es, benachbarte Steuergebiete an sich zu bringen u. sich somit zu Steuerpächtern ganzer Landschaften zu machen. Diese Steuern vom Grund u. Boden betragen ziemlich zwei Drittheile des gesammten Staatseinkommens, je ein Siebentel kommen vom Opium- u. vom Salzmonopol, etwa der zehnte Theil fließt aus verschiedenen Quellen. Im Verwaltungsjahr von 1855–1856 betrugen nach dem Voranschlage die Einkünfte in Britisch-Ostindien 27,692,924 Pfd. St., wovon auf Bengalen mit Nagpore u. Pegu 11,684,590, auf die Nordwestlichen Provinzen 5,860,125, auf das Pendschab 1,214,391, auf Madras 4,654,032, auf Bombay mit Sindh u. Satara 4,279,786 Pfd. St. kamen. Die Ausgaben betrugen in derselben Zeit 26,486,919 Pfd. St., u. zwar für Bengalen mit Zubehör 13,184,121, Nordwestprovinzen 2,099,297. Pendschab 1,202,250, Madras 5,143,029, Bombay 4,858,232 Pfd. St.; außerdem betrugen die Ausgaben der Ostindischen Compagnie in England noch 3,267,571 Pfd. St., also die Ausgaben zusammen 29,754,490 Pfd. St., was ein Deficit von 2,061,566 ergibt. In Wirklichkeit jedoch wurden nach den im Parlament gegebenen Ausweisen während des Jahres 1855–55 nur 26,599,461 Pfd. St. u. 3,264,629 Pfd. St. (englische Verwaltungskosten) verausgabt u. 28,891,299 Pfd. St. eingenommen, so daß das Deficit nur 972,791 Pfd. St. betrug. Von diesen enormen Summen verschlang schon vor der Rebellion, wo etwa blos 45,000 Mann europäische Truppen in I. standen, die Armee 121/2 Mill. Pfd. St.; für öffentliche Bauten, Unterricht u. dergleichen wurden nicht ganz 2 Mill., für die eigentliche Verwaltung u. die Justiz etwa 5 Mill. aufgewendet; dagegen verschlangen die Interessen der Staatsschuld, die Dividende der Actien, die Ausgaben für die angloindische Regierung, sowie die auf I. berechneten Institute Englands 18 Procent der Einnahme.

Die angloindische Heeresmacht bestand bis Ende 1858 aus europäischen Truppen u. einheimischen od. Compagnietruppen. Letztere (Seapoys od. richtiger Sipahis genannt) bestanden aus drei Armeen, für die drei Präsidentschaften Bengalen, Madras u. Bombay. Die reguläre bengalische Armee bestand vor der Rebellion aus 74 Regimentern Infanterie, 10 Regtrn. Cavallerie, 9 Bataillonen Fuß- u. 5 Brigadenreitender Artillerie. Jedes Regiment zählte 10 Compagnien, die in voller Stärke aus 2 eingeborenen Offizieren, dem Subhadar (Hauptmann) u. dem Dschemadar (Lieutenant), 6 Havildars (Sergeanten), 6 Naiks (Corporalen) u. 100 Sipahis, zusammen also aus 114 Mann bestehen. Jedes Regiment sollte 25 europäische Offiziere, die Cavallerie jedoch nur 22 haben. Der Sold der Sipahis bestand monatlich aus 7 Rupien, welcher sich nach sechzehnjähriger Dienstzeit um eine, nach zwanzigjähriger um zwei steigerte. Bis zum Fall von Delhi hatten 29 Infanterieregimenter gemeutert, 15 waren aufgelöst od. entwaffnet worden. Die Summe der Mannschaft der bengalischen Armee betrug 97,511 Mann, wovon auf die Infanterie 88,950, auf die Cavallerie 5200, auf die Artillerie 2273, auf die 8 Compagnien Sappeurs u. Mineurs 1088 Mann kamen. Die Madrasarmee zählte 68,178 Mann, von welchen sich 61,672 auf die 52 Regimenter Infanterie, 4160 auf die 8 Regimenter Cavallerie, 835 Mann auf ein Bataillon Fußartillerie u. 2 Troops Fußartillerie, 1511 Mann auf 11 Compagnien Sappeurs[866] u. Mineurs vertheilten. Die Bombayarmee endlich zählte 37,160 Mann, u. zwar 29 Infanterieregimenter mit 34,394,3 Cavallerieregimenter mit 1560, 2 Bataillone Fußartillerie mit 1206 Mann. Die Gesammtstärke der eingeborenen Truppen betrug also 202,849 Mann. Hierzu kamen nun noch an irregulären Truppen: 33 Infanterieregimenter, 30 Cavallerieregimenter, 2 reitende Batterien, 1 Sappeur- u. Mineurcorps, 1 Corps Guiden, zusammen mit 48,500 Mann; außerdem bestehen in Bengalen u. Bombay Polizeibataillone. Im Jahr 1851 betrug die Stärke der europäischen Streitmacht 49,408 Mann; nach einer Mittheilung des indischen Ministers im Parlament betrug sie im Sommer 1859 etwa 110,000 Mann, wozu noch 207,765 Mann einheimische Truppen kamen. Die Hauptwerke über die Geographie von I. u. die Statistik des Angloindischen Reiches sind: Ritter's Erdkunde, Bd. 3–6; Montgomery-Martin, The Brit ish colonies, Lond. 1849, 3. Aufl., 3 Bde.; Plath, Asien, Lpz. 1859; Eastwick, Handbook for India, Lond. 1859, Bd. 1. u. 2.; Murray, Handbook for India, ebd. 1859, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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