Indien [4]

Indien [4]

Indien (Gesch.). Die älteste Geschichte I-s ist in Dunkel gehüllt, da die Indische Literatur eine eigentliche Geschichtsschreibung nicht kennt u. die auf uns gekommenen chronikartigen Schriften u. dgl. durchaus den mythologischen Charakter tragen u. mehr der Dichtung angehören als der Geschichte. Was man von der ältesten Geschichte des Landes u. Volkes weiß, beschränkt sich auf Zustände u. Resultate, welche durch Rückschlüsse u. Combinationen gewonnen sind. Jedoch hat in neuester Zeit die genauere Durchforschung der Vedas u. der großen Nationalepopöen manchen Stoff an die Hand gegeben. Für die spätere Zeit, von Buddha bis auf die muhammedanische Eroberung, liefern die griechischen u. römischen Schriftsteller manche Notizen, welche sich mit Hülfe einer sich immer mehrenden Anzahl von Münzlegenden u. Inschriften controliren u. zu einem freilich noch sehr lückenhaften Bilde von dem Entwickelungsgange der indischen Cultur verknüpfen lassen. Auch bieten die Schriften der Buddhisten, wie namentlich die annalistischen Werke in Pali (s.d.) u. Reiseberichte chinesischer buddhistischer Mönche, Letztere für die Zeit vom 5._– 8. Jahrh. n. Chr, vieles Brauchbare.

Die Urbewohner I-s waren eine dunkelfarbige, kaum civilisirte Race, welche mit einer andern keine Verwandtschaft hat, u. von der sich Reste inselartig innerhalb der heutigen indischen Bevölkerung noch erhalten haben. Dahin gehören die Bhils, Khonds, Coles, die Cholas u. andere Neilgherrystämme etc. Eine zweite begabtere Völkerschicht, welche aller Wahrscheinlichkeit nach von Norden her einwanderte u. sich bis nach Ceylon vorschob, sind die Dravidavölker, welche noch gegenwärtig den größten Theil des Dekan bevölkern, aber auch im nördlichen Theile Spuren, wie zum Theil auch in der Sprache, hinterlassen haben. Etwa um das Jahr 2000 v. Chr. stiegen von Gebirgslandschaften, welche I. im Nordwesten umgaben, Schaaren arischen Stammes als Eroberer in die Thäler des Pendschab u. des Ganges herab, welche sich die einheimische Bevölkerung unterwarfen u. derselben ihre höhere Gesittung mitheilten. Aus dieser Verschmelzung beider Racen, die jedoch nie ganz vollständig sich vollzog, entstand das Volk der Hindu, welches in seiner neuen Heimath erst zu eigentlicher höherer Entwickelung gelangte, sein Castensystem, in welchem die unterjochten Ureinwohner als Sudras od. unterste Taste eingefügt wurde, seine Religion, überhaupt seine ganze materielle u. geistige Cultur entwickelte. Anfangs mögen die allmälig einrückenden u. immer weiter im indischen Lande vordringenden Schaaren kleine Staaten gebildet haben, welche unter Häuptlingen (Radschas) aus der Caste der Kschattriyas standen; allmälig entstanden aber auch größere Reiche, wie namentlich die von Ayodhya (Oude) u. Pratishthana (jetzt Bitore); später scheint auch Magadha (das jetzige Bihar) hinzugetreten zu sein. Die mächtigen Könige von Ayodhya breiteten ihre Herrschaft auch über das Dekan aus. Einen großen Eroberungszug nach Ceylon (Lanka) unternahm, wie das Ramayana berichtet, Rama nebst einem Sohne des Königs von Ayodhya. Sicher ist, daß schon frühzeitig theils auf friedlichem Wege durch bekehrungseifrige Priester u. Anachoreten, theils durch Eroberungszüge arische Sitte, Sprache u. Religion zu den Völkern des Dekan gelangte. Noch vor der buddhistischen Zeit gelangten hier die brahmanischen Reiche Pandya, Tschola u. Tschera, die nach einheimischen Berichten sämmtlich von Ayodhya aus begründet wurden, zur Blüthe. Eine große Bewegung veranlaßte im 6. Jahrh. v. Chr. die Begründung des Buddhismus (s.d.), welche voraussetzt, daß schon damals das Gebäude des indischen Staates u. der brahmanischen Lehre im Wesentlichen bereits vollendet waren.

Erst mit den Eroberungen Alexanders des Großen, der bis zum Hyphasis (Sutledsch) vordrang, beginnt für den Europäer die Geschichte I-s u. fangen die Verhältnisse an, sich aufzuklären. Schon vorher scheinen die Perserkönige, wenigstens im nordwestlichen I., festen Fuß gefaßt zu haben. Darios Hystaspis sandte nämlich den Griechen Skylax von Kaspatyros (Kaschemir) aus mit einer Flotte den Indos hinab, u. nach dessen Rückkehr (nach 30 Monaten) eroberte Darios das Land am Indos (Gedrosien), machte es zur 12. Satrapie u. erhob aus demselben einen Tribut von etwa 7 Mill. Thalern. Sein Nachfolger Xerxes hatte Indier mit in seinem, gegen Griechenland entsendeten Heere. Alexander der Große unternahm, als er Persien u. die Länder jenseit des Oxos erobert hatte, einen Zug nach I. Nach der Entscheidungsschlacht am östlichen Ufer des Hydaspes (April od. Mai 326 v. Chr.) setzte er über I. östlich des Judos den von ihm besiegten indischen König Poros, der die macedonische Oberherrschaft anerkannte. Die benachbarten Theile des östlichen Iran waren in zwei Satrapien getheilt. Seit dieser Zeit begann ein ununterbrochener Karawanenhandel mit I. u. selbst mit China, von Vorderasien u. Ägypten aus, welchen pontische Griechen u. europäische Skythen vom Duiepr her gemeinschaftlich betrieben. Viele Griechen siedelten sich seit jener Zeit in I. an. Bei dem nach Alexanders Tode ausgebrochenen Kriege in der macedonischen Monarchie erhob sich Tschandragupta (bei den Griechen Sandrokottos) im eigentlichen Hindostan u. begründete seit 312 v. Chr. ein großes Reich im Osten des Indos, das sich von diesem Strome bis jenseit des Ganges u. vom Himalaya bis ins Dekan hinein erstreckte. Seleukos Nikator machte nach der Wiederbezwingung der Baktrier den Versuch, den Sandrokottos zu demüthigen, drang[867] bis Palimbothra (Pataliputra, j Patna) vor, machte aber gegen ein Geschenk von 500 Elephanten Frieden u. gab dem Sandrokottos seine Tochter zur Gemahlin. Der zweite Nachfolger des Tschandragupta, des Begründers der Mauryadynastie zu Pataliputra, war Asoka, der von 263–26 v. Chr. regierte u. in der Geschichte des Buddhismus, dem er sich zuwandte, eine bedeutende Rolle spielt. Seitdem unterhielten die Seleuciden u. Lagiden einen freundlichen Verkehr mit einigen Fürsten im Brahmanenlande, wozu sie schon die an Wichtigkeit immer zunehmende Handelsverbindung der Reiche Syrien u. Ägypten mit den östlicheren Staaten bewegen mochte.

Zu derselben Zeit etwa, wo sich Arsakes vom Syrischen Reiche lossagte, um das Parthische Reich zu begründen, ward auch Baktrien, welches auf Jahrhunderte ein Mittelpunkt für griechische Cultur u. griechische Sitte wurde, zu einem selbständigen Staate erhoben. Begründer dieses Indobaktrischen Reichs war Theodotos, dessen Dynastie doch schon nach einigen Jahrzehnten (um 200 v. Chr.) durch den Magnesier Euthydemos vom Throne gestoßen wurde. Zwar erlag Letzter 210 dem Syrerkönig Antiochos dem Großen, der mit einem griechischen Heere bis gegen Baktrien hin vordrang, doch blieb Euthydemos in seiner Herrschaft ungeschmälert. Baktrien hatte seitdem von den Seleuciden nichts mehr zu fürchten. Demetrios (seit 205 v. Chr.) konnte daher seine Herrschaft weit über den Hindukuh nach Norden hinein ausdehnen u. einen Theil I-s erobern. Nach der Ermordung des Eukratidas (regierte etwa seit 180) entstanden Wirren im Reiche, welche zunächst Spaltung der Macht in mehrere Fürstenthümer zur Folge hatten u. dann weiter es turanischen Horden möglich machten, ihre Herrschaft über die Gebiete des Indobaktrischen Reichs auszudehnen. Mit der griechischen Herrschaft ging jedoch die griechische Cultur noch nicht gleich völlig verloren; noch in der Folgezeit, als die sogen. Indoskythen im nordwestlichen I. u. dem östlichen Iran herrschten, erhielt sich dieselbe in den Ländern des Judosgebietes u. blieb nicht ohne Einfluß auf die brahmanische Cultur (z.B. in der Astronomie).

Während dessen war im eigentlichen Hindostan (Aryavaria, d.i. Land der Aryas od. arischen Inder) nach dem Tode des Asoka das Reich der Mauryas in drei kleinere Reiche zerfallen; Letztere sind Magadha, dann das Reich des Dschaloka (bei den Griechen Sophagasenos), eines Zeitgenossen des Antiochos des Großen, in Kaschmir; das dritte Reich der Mauryas umfaßte die südlichen Provinzen vom großen Staate des Asoka. Einen großen Theil des letzteren wurde wiederum durch Pushpamitra vereinigt, dessen Dynastie, die Sungas, von etwa 178–66 v. Chr. herrschte u. die Kanvas, deren Begründer Vasudera heißt, zu Nachfolgern hatte. Während diese Dynastien im mittleren Indien herrschten, bestanden im Norden u. Nordwesten der Halbinsel, sowie in den oft- u. nordiranischen Nachbarländern, die Reiche der Indoskythen, od. der Saka (etwa von 120–30 v. Chr.), der Jueitschi (etwa 85–1 v. Chr.) u. der Turushkakönige (von etwa 10 v. Chr. bis 60 n. Chr.), über deren Verhältnisse zueinander, sowie zu den nationalen indischen Staaten u. dem Parthischen Reiche nichts Bestimmtes bekannt ist. In das erste Jahrh. fällt die Begründung der Guptadynastie zu Udschdschayini (Oujein) durch Vikramaditya. Dieser König ist jedenfalls einer der epochemachendsten in I., da von ihm eine der indischen Ären, die Sakaära (seit 57 v. Chr.), beginnt, deren Name jedenfalls mit der Besiegung der erwähnten Sakafürsten in Verbindung steht. Unter den Römern in der Kaiserzeit geschieht zuweilen indischer Könige Erwähnung. So erhielt Augustus zweimal nach einander eine Gesandtschaft von einem indischen König (Poros), der, nach seiner Angabe, über 800 Könige herrschte; eine andere Gesandtschaft kam an des Kaiser Claudius von einem König auf Taprobane (Ceylon). Auch Kaiser Trajan u. seine Nachfolger Antonin, Aurelian, Diocletian etc., erhielten indische Gesandtschaften, u. unter Constantin der Großen kam eine von diesen nach Constantinopel mit reichen Geschenken u. empfahl ihre Fürsten der Gewogenheit des Kaisers (303), u. so bis ins 8. Jahrh., namentlich unter Heraclius u. Theodosius.

Aber alle unmittelbare Verbindung Europas mit I. hörte auf, als die Araber nach der Zerstörung des Neupersischen Reiches (712) ihre Waffen immer weiter in Asien ausbreiteten. Indessen errichteten die Araber Zwischenhandel, u. durch sie erhielt Europa die indischen Waaren. Raubzüge wurden von den Arabern schon unter den Khalifen Omar u. Othman von Oman u. Bahrein aus unternommen; bereits zwischen 660–670 drang Muhalib bis Multan vor. Auf die Dauer setzten sich Muhammedanische Dynastien erst seit etwa 1000 n. Chr. in I. fest. Zuerst brachen hie Gaznaviden (s.d.) von Khorasan u. Persien aus auf I. ein; Alpteghin erweiterte die Eroberungen am Indos u. Mahmud Gazni, sein Sohn, unterjochte alle Länder bis an den Ganges um 1002 n. Chr. u. verbreitete den Koran gewaltsam durch das Schwert. Die Ghuriden (s.d.) nahmen den letzten Gaznaviden, Kosru Schah, 1155 (nach Anderen 1157, od. 1182) I. wieder ab; auch das Reich der Ghuriden zerfiel bald. Die Statthalter einzelner Provinzen hatten sich unabhängig gemacht u. behielten die Provinzen als einzelne Königreiche (s. Ghuriden). Die Mongolen unter Dschingiskhan nahmen ihnen diese um 1214 zum Theil ab, u. 1222 fiel auch Kandahar in ihre Hände; die Weigerung seiner Horden, weiter vorzudringen, u. sein Tod (1227) schützte jetzt I. vor den weiteren Eroberungen der Mongolen. Bes. mächtig war in dieser Zeit das Reich Delhi (s.d.) zu Anfang des 13. Jahrh. von einem Ghuriden Kutbud gegründet. Die Besitzungen, welche Dschingiskhan u. seine Nachkommen bis 1280 erobert hatten, waren bald in die vier Khanate Kaptschak, Iran, China u. Dschaggati, zerfallen. Letzteres umfaßte die Länder Südostasiens u. auch I. zum Theil. Tamerlan, Herrscher von Dschaggatai, sendete 1396 seinen Enkel nach I., welcher in Multan einfiel, vollendete aber 1397 die Eroberung I-s in Person, nahm Delhi ein u. kehrte darauf nach Samarkand zurück. Doch blieben das nördliche I. bis zum Ganges seinem Reiche u. dem seiner Nachkommen noch eine Zeit lang unterworfen, während in dem übrigen I. viele Sultane von den verschiedensten, theils aus den früheren, theils erst in letzter Zeit, während der Raubzüge der Mongolen entstandenen Dynastien regierten. Babur, Nachkomme [868] Tamerlans, aus Dschaggatai von den Nachkommen Dschingiskhans (den Usbeken) vertrieben, kam um 1498 als Flüchtling nach I. u. wurde dort bald so mächtig, daß er 1526 Ibrahim Lody, Sultan von Delhi, bei Paniput (s. Delhi [Gesch.]) schlug, diese Stadt eroberte u. zur Hauptstadt seines neuen Reiches machte, welches nachher unter dem Namen des Reiches des Großmogul (s.d.) so berühmt wurde u. zur Zeit seiner höchsten Blüthe unter Aureng Zeyh ganz Hindostan u. die Halbinsel Dekan umfaßte.

Gleichzeitig mit der Stiftung des Mongolischen Reichs im Norden von I. lernten auch die Europäer I. näher kennen. Vasco de Gama umschiffte nämlich 1498 das Cap der Guten Hoffnung u. zeigte so zunächst seinen Landsleuten, den Portugiesen, den Seeweg nach I. Diese fanden an der Küste u. an den Inseln überall kleine, einander feindliche Fürsten u. stifteten, trotz der Eifersucht der Muhammedaner, auf mehreren wichtigen Punkten Factoreien. So bekamen sie Diu u. Damaum u. die Küste Malabar, ferner 1506 Teylon, 1508 Goa, welches Sitz des Gouverneurs u. der portugiesischen Hauptbehörden wurde, 1511 Negapatam u. Meliapur in ihren Besitz, gründeten dort Colonien u. wurden Herren auf diesen Punkten Bald kam durch sie auch das Christenthum nach I. Franz von Alweida, Vicekönig in Ostindien von 1405–09, u. sein Nachfolger, Alfons von Albuquerque, förderten die portugiesischen Interessen ungemein; Letzter eroberte Malacca u. nahm die Molukken, Philippinen u. Ormuz u. Maskat am Persischen Meerbusen ein. Auch noch nach seinem Tode (1515) wuchs die Macht der Portugiesen durch Gewalt u. List so, daß sie um 1542 die Herrschaft über die ganze Küste vom Persischen Meerbusen bis an das Cap Comorin, einzelne Niederlassungen auf der Küste Coromandel, auf Malacca, den Molukken u. Philippinen besaßen u. den einträglichsten Handel nach China u. Japan trieben. Andere europäische Nationen schlossen sie fast ganz von dem ostindischen Handel aus; kein fremdes Schiff durfte ohne portugiesische Pässe die ostindischen Meere befahren, keins Gewürze od. Kriegsbedürfnisse laden, keins eher in ostindischen Häfen Ladung einnehmen, bevor nicht alle portugiesischen Schiffe befrachtet waren. Als aber König Sebastian in I. drei von einander unabhängige Gouvernements errichtete, Portugal 1580 unter die, den ostindischen Handel vernachlässigende Herrschaft Spaniens kam, Raub u. Plünderung in den portugiesisch-ostindischen Colonien allgemein wurden u. einige der letzteren sich indischen Fürsten unterwarfen, in anderen die Befehlshaber sich unabhängig erklärten: da traten die Holländer, durch Cornelius Houtman, welcher die Handelsverhältnisse der Portugiesen in Lissabon erkundet hatte, aufmerksam gemacht, mit in die Schranken. Sie sendeten 1595 vier Schiffe nach Java u. legten dort, auf Sumatra u. vier Inseln des Indischen Archipelagus Tomtoire an, welche den ostindischen Handel, sowie den nach China u. Japan besorgen sollten. Einzelne in Holland errichtete Handelsgesellschaften traten 1602 in die Niederländisch-ostindische Gesellschaft zusammen, welche den offenen Kampf mit den Portugiesen begann, u. Letztere, von dem Mutterlande schlecht unterstützt, verloren einen Platz nach dem andern; so 1524 die Molukken 1833 Java, 1641 Malacca, 1658 Ceylon, 1660 Celebes, u. seit 1863 fielen die meisten Plätze auf der Küste Malabar den Holländern nach u. nach in die Hände, den Portugiesen aber blieb zuletzt nur noch Goa, Damaun u. Diu. Die Holländer aber verfuhren nun noch gewaltsamer als die Portugiesen gegen die Eingeborenen, obgleich sie von diesen gegen jene unterstützt worden waren; so vertilgten sie auf Banda alle Eingeborenen, weil sie nicht Sklaven werden wollten, rotteten auf allen Gewürzinseln, außer auf Amboina, den Gewürznägeleinbaum aus u. bedrückten die Einwohner in ihren Colonien auf das Äußerste. Daher waren sie immer im Kriege mit den Eingeborenen. Surate, Malabar (mit der Hauptfestung Cochin), Coromandel (mit der Hauptfestung Negapatnam), Chinsura, Malacca, Celebes, Java, die Molukken, die Südküste von Borneo waren ihre Hauptniederlassungen, Batavia aber der Centralpunkt ihrer Besitzungen. Nun versuchten auch die Dänen, von einem holländischen Factor, Beschower, bewogen, 1618 eine Niederlassung in Teylon zu gründen, welche aber, als sie dort schlechte Aufnahme fanden, nach der Küste Coromandel übersiedelte u. dort Tranquebar anlegte. Indessen konnte weder die neu gegründete Dänische Händelsgesellschaft, noch der König etwas Wesentliches bewirken, u. wie in Tranquebar, so ging es in mehreren anderen, in Behar, Bengalen, Orissa an der Straße Malacca gestifteten Factoreien, die 1770 von der Regierung ganz übernommen wurden. Auch die Franzosen versuchten an dem ostindischen Handel Theil zu nehmen. Aber die 1665 durch Colbert gegründete Französische Handelsgesellschaft hatte Anfangs keinen günstigen Erfolg u. konnte die Riederlassung in Ceylon, Surate etc. nicht halten, bis ihr endlich 1672 der Kaufmann Martin einen von ihm gekauften Landstrich überließ, wo sie festen Fuß faßte u. Pondichery, den nachmaligen Sitz der französischen Herrschaft, anlegte. Die Franzosen errichteten darauf Niederlassungen in Bengalen, knüpften Verbindungen mit China, Siam u.a. Reichen an; zwar verloren sie 1693 Pondichery an die Holländer, bekamen es jedoch 1697 im Frieden von Ryswick wieder. Sie erhielten nun von dem Radscha von Tanjore nach u. nach ein Gebiet von 113 Dörfern abgetreten, in welchem sie Karikal befestigten, u. ihre Macht stieg, bes. seitdem sie noch am Hoogly in Bengalen eine Ansiedelung gewonnen hatten, in der Mitte des 18. Jahrh. zu einer bedeutenden Größe. Die Engländer hatten sich zu Anfang des 17. Jahrh. gleichfalls um Theilnahme an dem indischen Handel beworben. 1600 gingen ihre ersten vier Schiffe nach I., dann gründeten sie Niederlassungen auf Java, Amboina, Banda etc. u. auf dem Festlande u. theilten den Gewürzhandel mit den Holländern. Zwar entrissen ihnen die Holländer diesen Vortheil bald wieder, indem diese sie 1623 von den Molukken vertrieben, indeß auf dem festen Lande wiesen sie die Angriffe der Portugiesen ab u. behaupteten ihre Factorei Madras, ja sie bemächtigten sich sogar 1623, von den Persern zu Hülfe gerufen, der portugiesischen Ansiedelung zu Ormuz am Persischen Meere u. gewannen, da ihnen die Perser die Niederlassung Bender Abassi überließen, den ganzen von dort her betriebenen Handel mit Seide, Teppichen, Goldstoffen u. anderen persischen Waaren. Herdurch u. durch die Abtretung[869] von Bombay, welches König Karl II. bei seiner Verheirathung mit der portugiesischen Prinzessin Katharina 1662 als Heirathsgut erhielt, durch Anlegung von Factoreien zu Hoogly, Calcutta (1683 od. 1698) u. Bencoolen (1669) u. durch kluge Unternehmungen der beiden Englisch-Ostindischen Handelsgesellschaften (s. Handelsgesellschaften II. C) a), deren Streitigkeiten 1708 durch eine Verbindung zu Einer Gesellschaft geendet wurden, wuchs die britische Macht in Ostindien bedeutend, u. die Engländer besaßen in der Mitte des 18. Jahrh. nicht nur Factoreien auf Java, Sumatra u. Borneo, sondern selbst auf Malacca, in Siam u. an der Küste Coromandel, wo sie, nahe bei Pondichery, die Colonie Madras gegründet hatten.

So war die Lage I-s um 1740. In diesem Jahre begann der Krieg Englands mit Frankreich, größtentheils aus Eifersucht wegen des indischen Handels. Dupleix, von der Französisch-ostindischen Compagnie von Hoogly, wo er den französischen Handel sehr gehoben hatte, nach Pondichery als Gouverneur versetzt, u. La Bourdonnais nahmen so treffliche Maßregeln, daß die Engländer allenthalben unterlagen u. sogar Madras an die Franzosenverloren, welches sie aber 1748 im Frieden von Aachen zurückerhielten. Ungeachtet dieses Friedens dauerte in I. der Kampf zwischen England u. Frankreich fast ununterbrochen fort, wenn auch nicht direct, sondern indem sie verschiedene unter einander feindliche indische Fürsten als ihre angeblichen Bundesgenossen unterstützten. Bis zur Abberufung Dupleix' 1756 behielten die Franzosen die Oberhand; als ihn jedoch der weniger befähigte Lally als Gouverneur ersetzte, siegten die Engländer, bes. unter Lawrence u. Clive (s.d.) allenthalben; Pondichery selbst wurde erobert. Lawrence zwang den Subah von Dekan zur Abtretung der nördlichen Circars u. versetzte den Nabob von Karnatik in völlige Abhängigkeit von den Engländern. Der Nabob von Bengalen, Surajaw Dowlah, hatte 1756 Calcutta überfallen u. die britische Ansiedelung zerstört, aber die Englisch-ostindische Compagnie nahm unter Clive Calcutta u. nöthigte den Nabob zum Frieden. Dadurch daß Clive die den Franzosen gehörige Festung Chandernagor bei Calcutta nahm, erregte er den Krieg aufs Neue, schlug am 26. Jan. 1759 bei Plassey das Heer des Surajaw Dowla, nahm ihn selbst gefangen, machte im Frieden große Erwerbungen für die Compagnie u. setzte Mir Jassier, einen seiner Schützlinge, zum Nabob ein.

Die Angelegenheiten der Englisch-ostindischen Compagnie kamen, nach Clives Rückkehr nach Europa (1760), unter dem Gouverneur Holwell etwas in Verfall, indem sich die indischen Fürsten, an ihrer Spitze Schah Alum, gegen Mir Jassier erhoben; deshalb wurde Clive von der Compagnie wieder zum Gouverneur von Bengalen bestellt u. kehrte 1764 nach I. zurück. Von diesem Zeitpunkte an änderte sich wieder Alles zum Vortheil der Compagnie; dem Nabob von Bengalen entriß Clive den letzten Schatten von Macht, bemächtigte sich seines Gebietes u. gab ihm eine Pension; dann bezwang er den Vicekönig von Oude, nahm dessen Land für die Compagnie u. nöthigte den Schah Alum in diese Abtretung zu willigen. Später aber gaben die Briten dem Vicekönig von Oude den größten Theil seines Gebietes zurück, um ihn als Schutzmauer gegen die Mahratten u. Afghanen zu benutzen. 1767 kehrte Clive nach England zurück, gerade als sich ein neues Ungewitter über die Ostindische Compagnie zusammenzog, woran bes. ihre schlechte Verwaltung u. der Druck, unter welchem sie ihre Unterthanen hielt, Schuld war. In Mysore hatte sich Hyder-Ali 1781 zum Herrn aufgeworfen, dasselbe durch Eroberungen vergrößert u. 1766 sogar Malabar genommen. Da vereinigten sich die Nabobs von Dekan u. Karnatik gegen ihn, u. da die Engländer durch Verträge verbunden waren, den Ersteren zu unterstützen, so wurden sie in einen Krieg mit Hyder-Ali verwickelt, welcher mit wechselndem Glücke geführt wurde; endlich mußten sie mit Hyder-Ali, welcher bis nach Madras vorgedrungen war, 1769 Frieden u. ein Bündniß schließen.

Seit 1773 war in der Verwaltung I-s durch die Regulationsacte eine große Reform vorgenommen worden. Die von einander unabhängigen Präsidentschaften Bombay, Madras u. Calcutta waren nämlich unter einen gemeinschaftlichen Generalgouverneur gestellt worden, welcher seinen Sitz in Calcutta hatte u. welchem ein Hoher Rath zur Seite stand. Er hatte in Gemeinschaft mit diesem über Krieg u. Frieden mit den indischen Fürsten zu entscheiden, doch hatte sich der König von England die Entscheidung über die wichtigsten Civil- u. Militärangelegenheiten vorbehalten. Zum ersten Generalgouverneur wurde Warren Hastings (s.d.), seit 1772 Gouverneur von Bengalen, gewählt. Nachdem dieser durch die Unterstützung des Vicekönigs von Oude gegen die Rohillas Benares erworben hatte, mischte er sich auch in die Händel der Mahratten, wurde aber dadurch 1778 in einen Krieg verwickelt, welcher unglücklich für die Briten ausfiel. Zugleich brach ein neuer Sturm gegen die Compagnie los. Hyder-Ali verbündete sich mit den Mahratten u. dem Subah von Dekan gegen sie, u. zugleich war wieder zwischen England u. Frankreich Krieg ausgebrochen, welcher auch in I. geführt wurde. Die Briten eroberten zwar gleich beim Beginn des Krieges, 1778, Pondichery, aber 1780 fiel Hyder-Ali in Karnatik u. Malabar ein, während die Mahratten Kuttak überschwemmten. Die britische Armee errang zwar Anfangs unter Coote Vortheile, wurde aber dann geschlagen u. das Reich der Englisch-ostindischen Compagnie gerieth in die größte Gefahr. Da starb 1782 Hyder-Ali, u. sein Sohn Tippo Saib sah sich genöthigt, am 11. März 1784 mit der Compagnie den Frieden zu Mangalore zu schließen, in welchem er allen Ansprüchen auf Karnatik entsagte u. die Compagnie die Handelsfreiheit in den Staaten von Mysore wieder erhielt. Auch zwischen England u. Frankreich war in Europa Friede geschlossen worden. In der Verwaltung I-s gingen jetzt wieder Veränderungen vor; der kleinliche u. eigennützige Geist, welcher die Verwaltung bezeichnete, drohte sie wieder in neue Gefahren zu stürzen. Auf britischen Vorschlag ging deshalb 1784 in beiden Häusern, fern eine Bill durch, welche der Krone mehr Gewalt einräumte, die Directoren der Compagnie unter eine Board of control stellte, die Besetzung der höchsten Stellen von der Regierung abhängig machte u. strenge Maßregeln gegen Unterschleife u. Erpressungen anordnete. Der Compagnie blieb jetzt eigentlich nur noch der Handel mit I. überlassen.[870] In Folge dieser Veränderungen wurde 1785 Hastings, gegen welchen schwere Anklagen erhoben wurden, aus I. zurückberufen u. Macpherson trat interimistisch an seine Stelle, wurde aber 1786 durch Lord Cornwallis ersetzt. Damals hatte sich ein Häuptling der Mahratten, Mahadaji-Sindiah, erhoben u. die Überreste des Mogulreichs u. den Kaiser selbst ganz unter seine Gewalt gebracht. Tippo Saib führte zugleich (1785–87) Krieg mit den Mahratten in Dekan. Als er 1789 den König von Travankore angriff, der von den Briten, dem Subah von Dekan u. den Mahratten unterstützt wurde, blieb er unter Beihülfe der Franzosen im Vortheil, bis sich 1792 Cornwallis selbst an die Spitze der Armee stellte, Seringapatam, die Hauptstadt Mysores, belagerte u. dort einen Frieden erzwang, in welchem Tippo Saib sein halbes Reich abtreten mußte. Bald darauf kehrte Cornwallis nach England zurück, u. an seine Stelle trat 1793 Shore als Generalgouverneur. Damals war der Krieg zwischen den Engländern u. Franzosen in Folge der Französischen Revolution wieder ausgebrochen, u. Erstere hatten sogleich Alles, was Frankreich noch in I. besaß, erobert. Auch gegen Holland, das sich 1795 der Französischen Republik anschloß, bewies sich England in I. feindselig u. entriß der Holländisch-ostindischen Compagnie, welche durch fortwährende Kämpfe mit den Eingeborenen u. schlechte Verwaltung sehr herabgekommen war, 1795 Malacca u. Ceylon u. 1796 die Molukken u. alle Plätze, die sie auf der Küste von Malabar innehatte. 1794 war die Englisch-ostindische Compagnie von Neuem auf 20 Jahre verlängert, ihr aber verboten worden, ohne Erlaubniß der Regierung Eroberungskriege zu führen. Dennoch blieb die Politik der Engländer gegen die indischen Fürsten so treulos wie früher. Gewöhnlich regten die Briten die Fürsten gegen einander auf, standen dem schwächeren bei, besiegten u. beraubten den mächtigeren u. entrissen dann auch dem Sieger, indem sie ihn der Undankbarkeit beschuldigten, einen Theil seines Gebietes; so machte es Shore 1796 mit dem Radscha von Tanjore, dem treuesten Bundesgenossen der Engländer.

Das Hauptziel der Engländer war jedoch der Sturz Tippo Saibs, welcher sich durch eine von Frankreich versprochene Hülfe von 12,000 Mann hatte bewegen lassen, sich mit den Herrschern von Nepal u. Afghanistan gegen die Briten zu verbinden. Marquis von Wellesley, der Nachfolger Shores 1798, ließ zwei britische Armeen, die eine unter Harris von Carnac aus, die andere unter Stuart von Bombay aus, in Mysore eindringen; Tippo Saib wurde überall geschlagen u. am 4. Mai 1799 Seringapatam mit Sturm erobert, wobei Tippo Saib selbst blieb. Sein Reich wurde zwischen den Engländern u. Dekan getheilt, bis auf das eigentliche Mysore, welches ein Nachkomme Hyder-Alis erhielt. 1800 wurden die Nabobs von Surate u. Arcot unter eitlem Vorwand ihrer Länder beraubt, obgleich Letzter der älteste Bundesgenosse der Briten war; ihre Länder wurden mit dem Britischen Reiche in I. vereinigt u. sie selbst erhielten Pensionen. Ein gleiches Schicksal traf 1801 den Nabob von Oude, der den größten Theil des Landes abtreten mußte. Jetzt schien auch ein günstiger Moment zur Unterwerfung der Mahratten gekommen zu sein; da in einem Kampfe des Peischwa mit Jeswunt Rao Holkar der Peischwa unterlegen war, bat er um britische Hülfe, u. es kam ein Subsidienvertrag zu Stande, in dessen Folge die Briten in Puna einrückten. Der Sindiah mißbilligte diesen Vergleich u. schloß mit dem Radscha von Berar u. auch mit Holkar ein Bündniß gegen die Briten. Perron, ein Franzos, hatte im Namen des Moguls u. Sindiahs eine Armee auf französischen Fuß eingerichtet u. war gegen die britische Grenze vorgerückt; da ließ der Generalgouverneur im August 1803 drei Armeecorps in das Gebiet der Mahratten einfallen Arthur Wellesley, Bruder des Generalgouverneurs, drang mit 23,000 Mann von Dekan aus, Oberst Murray mit 7000 Mann von Guzurate aus u. Oberst Campbel mit 5000 Mann von Genjam aus vor. General Lake trieb mit 11,000 Mann Perron aus seiner festen Stellung bei Delhi u. besetzte Delhi selbst, worauf der Großmogul in die Gefangenschaft der Briten gerieth, der nun nur noch einen Schatten von Macht behielt (s. Großmogul). Zugleich mit Lake besiegte Wellesley die Mahratten bei Assyr, eroberte die Hauptfestung des Radscha von Berar, Gavil Ghur, mit Sturm u. zwang diesen 17. Decbr. 1803 zum Frieden von Deogaum, in welchem er Kuttac abtrat. Jetzt mußte auch der Sindiah Frieden schließen, in welchem er einen beträchtlichen Theil seines Gibietes u. die Gewalt über den Mogul u. den Peischwa verlor. Mit Holkar, gegen den die Engländer Anfangs wenig Glück hatten, kam erst im December 1805 ein Vertrag zu Stande, in welchem derselbe den nördlichen Theil seines Gebietes an die Engländer abtrat, Alle diese so gemaßregelten indischen Fürsten hatten im Innern ihres Landes volle Gewalt u. hielten sich ein Truppencorps, doch besorgte die Compagnie ihre Angelegenheiten nach Außen u. hielt zu ihrem Schutze ein Truppencorps in ihrem Gebiete.

Trotz dieser Siege waren durch üble Verwaltung die Finanzen der Englisch-ostindischen Compagnie in eine traurige Lage gekommen Die Einkünfte, obgleich von 7 Mill. auf 15 Mill. Pfd. gestiegen, deckten die Verwaltungskosten nicht, Schulden wurden gehäuft, die Armee hatte seit mehreren Monaten keinen Sold bekommen: da rief die Regierung 1805 den Generalgouverneur Wellesley zurück; sein Nachfolger, Lord Cornwallis, starb kurz nach seiner Ankunft u. wurde interimistisch durch Barlow ersetzt, welcher den Frieden mit Holkar schloß. 1807 wurde Lord Minto Generalgouverneur. Sogleich nach seiner Ankunft gelang es ihm, einen Aufstand der eingeborenen Truppen der Compagnie (Seapoys) in Madras zu stillen; 1808 besetzte er in Einverständniß mit der portugiesischen Regierung Goa, so auch Tranquebar u. die anderen dänischen Besitzungen in Ostindien ohne Widerstand, u. 1809 wurde Bourbon u. Isle de France, zwischen I. u. Afrika, den Franzosen abgenommen. Die holländischen Colonien in I. hatten sich in dieser Ze unter der Verwaltung des Gouverneurs Daendel zu erholen angefangen, aber 1810 wurde Amboina, Celebes u. Ceylon von den Engländern weggenommen, u. als 1811 Daendels aus Batavia abberufen u. durch den General Jansens ersetzt wurde, gingen auch Java u. 1812 die holländischen Colonien auf Sumatra u. Borneo an die Engländer verloren. An Mintos Stelle trat 1813 der Marquis von Hastings, welcher sich bald in Krieg mit den Mahratten u. seit 1814 mit Nepal verwickelt sah. Nach[871] mehreren Wechselfällen wurde Nepal 1815 zum Frieden u. zur Abtretung eines Landstrichs an die Compagnie gezwungen. Durch den ersten Pariser Frieden 1814 war bestimmt worden, daß die Franzosen, Niederländer, Portugiesen u. Dänen alle europäischen Besitzungen in Ostindien, die sie nach dem Frieden von Amiens besessen hätten, zurückerhalten sollten, ausgenommen Isle de France, welches in britischen Händen blieb. Pondichery u. Bourbon wurden also von den Franzosen, Goa u. Ditty von den Portugiesen, die Nicobarinseln von den Dänen, Java, Sumatra etc. aber von den Holländern wieder in Besitz genommen. Der Frieden mit Nepal dauerte nur kurze Zeit, eine Regierungsveränderung trat dort ein, u. der neue Radscha verbündete sich mit dem Sindiah u. dem Radscha von Berar gegen die Engländer. Der General Ochterlony drang aber 1817 gegen Nepal vor, schlug die Truppen des Radscha bei Muckwampum u. nöthigte diesen, den Frieden von 1815 zu bestätigen. Von Nepal wendeten sich die Engländer gegen die Mahrattenfürsten, den Peischwa, Sindiah, Bhoonsla, Hollar u. Ameer Khan, welche mit den räuberischen Pindarees die britischen Länder beunruhigten. Sie nahmen 1816 in Poache den Peischwa gefangen, der ihnen fünf Festungen einräumen u. sich öffentlich von den Pindarees lossagen mußte, gleich darauf aber mit diesen wieder gemeinschaftliche Sache machte u. rasch ein Heer von 40,000 Mann sammelte; er wurde aber bei Punha, bei Kirki u. 1818 bei Kurkum geschlagen u. in letzter Schlacht gefangen, mußte sein ganzes Gebiet abtreten, wovon den größten Theil die Briten behielten, u. wurde mit einer Pension nach Bengalen verwiesen. Ebenso ging es dem Holkar, welcher, von dem General Hislop besiegt, 2/3 seines Landes abtreten mußte u. mit dem Überrest englischer Vasall wurde. Der Sindiah, der gleich zu Anfang des Kriegs seine Verbündeten verließ, mußte drei Festungen abtreten u. kam ganz in britische Gewalt; der Radscha von Berar wurde besiegt u. ebenfalls seiner Staaten beraubt. Die übrigen Mahrattenfürsten mußten ihr Geschütz abliefern u. ihre Truppen entlassen. So war die Unterwerfung der Mahratten vollendet, u. als Hastings 1823 I. verließ, war Englands Oberherrschaft über ganz Vorderindien, mit Ausnahme von Sind, wo Rundschit Singh regierte, u. einigen anderen unbedeutenden Staaten, entschieden festgestellt.

Hastings' Nachfolger war Lord Amherst (1823 bis 1828), welcher 1824 in einen Krieg mit den Birmanen verwickelt wurde u. denselben 1825 durch den Frieden zu Palangh, in welchem die Engländer wieder viel Gebiet erwarben, glücklich beendigte, s. Birma (Gesch.). Nach Lord Amherst wurde Lord Bentink Generalgouverneur (1828–35), welcher bes. auf die Milderung der Sitten der Hindu wirkte u. vornehmlich das Selbstverbrennen der Wittwen mit den Leichnamen ihrer Männer abschaffte. Unter dem Generalgouverneur Lord Auckland (1836–42) nahm die Politik der Engländer in I. eine ganz andere Richtung. Die drohende Stellung, welche Rußland in Asien einnahm, schien es für die Briten nothwendig zu machen, ihren Einfluß über die, westlich vom Indus gelegenen Länder auszudehnen, um Rußland zuvorzukommen, u. die Erbstreitigkeiten, welche seit vielen Jahren in Afghanistan (s.d. [Gesch] II.) bestanden, gaben den Briten Gelegenheit, sich dort einzumischen. Schon 1839 hatten sie den früher vertriebenen Schah Schudscha nach Kandahar u. Kabul gebracht u. dort wieder in die Herrschaft eingesetzt, darauf aber sich nach I. zurückgezogen u. blos eine Besatzung von 3000 Mann in Dschellalabad zurückgelassen. Mehrere Empörungen gegen Schah Schudschah machten es aber schon 1840 nöthig, daß die Briten Verstärkung nach Afghanistan schickten, u. diese schlugen am 18. Sept. u. 2. Nov. 1840 den Khan von Bokhara u. stellten anscheinend die Ruhe wieder her. Mit den verschiedenen Gebirgsvölkern wurde Frieden geschlossen, der aber meist erkauft war, u. als der britische Resident in Kabul, Mac Naghten, den Gildschi, welche die Keiberpässe inne hatten, eine kleinere Geldsumme überschickte, als im Frieden ausgemacht worden war, so gab dieses im Herbst 1841 Veranlassung zum Aufstand. General Sale, welcher dort postirt war, konnte nur mit großem Verlust Dschellalabad erreichen, u. als am 2. Nov. 1841 ein Aufruhr in Kabul ausbrach, mußte sich der General Elphinstone mit dem Schah Schudschah in die Citadell-Balla-Hissar u. in ein verschanztes Lager unweit der Stadt zurückziehen. Nachdem in einer Conferenz mit dem Anführer der Afghanen, Akba Khan, dem Gegner Schah Schudschas, welcher sich bei Empörung seiner Armee freiwillig in britische Gefangenschaft geliefert hatte, der britisch Resident ermordet worden war, kam am 5. Januar 1842 dennoch durch den Major Pottinge ein Vertrag zu Stande, dem zu Folge den Briten freier Abzug von Kabul nach Dschellalabad gewähr wurde. Dessenungeachtet wurden die Zurückziehenden von den Afghanen überfallen u. viele getödtet (s.u. Afghanistan [Gesch.] II.), u. nun trafen die Briten sogleich Anstalten, den Verrath Akbar Khan zu strafen u. vor Allem dem General Sale Verstärkung nach Dschellalabad zu schicken. Schon im Januar 1842 rückte eine Brigade unter Oberst Wild vor, drang in die Keiberpässe ein u. eroberte das Fort Alli Musidschi, mußte sich aber nach großem Verlust in das Lager von Kuvulnir zurückziehen. Später erst erreichte General Pollock mit einem Corps Dschellalabad u. vereinte sich mit Sale.

Am 28. Februar 1842 übernahm Lord Ellenborough an Aucklands Stelle das Generalgouvernement. Er bezeichnete zwar bei seinem Amtsantritt seine Verwaltung als eine friedliche, allein er sah sich bald zum Krieg genöthigt, denn es traf alsbald die Nachricht ein, daß sich die Festung Ghasna an die Afghanen ergeben habe u. der General Nott, welcher mit 10,000 Mann bei Kandahar stand, in dieser Stadt von den Feinden bedroht werde. Die 1000 Mann starke Garnison vor Ghasna hatte eine Capitulation mit den Afghanen abgeschlossen, in deren Folge sie nach Kabul transportirt werden sollte, aber auf dem Wege dahin wurden die Engländen von den wilden Bergvölkern überfallen u. ermordet. Mit dem März trat ein Stillstand in den militärischen Operationen ein Am 10. August brach Nott mit 7000 Mann von Kandahar aus gegen Ghasna u. General Eng land mit 4000 Mann von Kandahar nach Quettah auf. Zu derselben Zeit verließ Pollock Dschellalabad u. wendete sich ebenfalls gegen Kabul, schlug am 23. August die Afghanen, welche ihm den Weg verlegen wollten, u. erreichte, nachdem er am 13 [872] September Akbar Kyan bei Teschin gänzlich geschlagen hatte, Kabul am 16. Septbr. 1842, welches er sogleich besetzte. Eben so glücklichen Erfolg hatten Non u. England. Erster schlug die ihm sich entgegenstellenden Afghanen u. eroberte Ghasna am 6. September, u. England drang siegreich durch den Bolan-Paß u. besetzte am 19. September Dabur. Nachdem die Ehre der britischen. Waffen durch diese Siege wieder hergestellt war, befahl Lord Ellenborough den Rückzug aller Truppen auf das linke Ufer des Indus. Vorher wurde aber, zur Strafe für den Verrath, Istalif geplündert u. verbrannt, dann in Kabul der Bazar in die Luft gesprengt u. der größte Theil der Stadt in Trümmern gelegt, auch das Fort Balla Hissar zerstört. Hierauf zogen die Briten am 12. October von Kabul ab u. erreichten, unterwegs alles zerstörend u. unter fortwährendem Kampf, Mitte Januar 1843 Ferozepore. So gingen auch aus diesem Kampfe die Briten siegreich hervor, wenn es ihnen auch nicht gelang, Afghanistan gänzlich unter ihre Botmäßigkeit zu bringen. Von den anderen zwischen Afghanistan u. den britischen Besitzungen liegenden Staaten hatte sich nur der Herrscher von Sind in dieser Periode schwierig bewiesen u. den britischen Residenten, Major Outram, im Februar 1843 angreifen lassen u. vertrieben. Um diese Unbill zu rächen, griff General Napier die Emire von Sind bei Miani am 17. Februar an, sprengte sie gänzlich auseinander u. eroberte Hyderabad. So wurde auch dort das Ansehen der Briten wieder hergestellt u. das Reich des Nizam verlor selbst den letzten Schatten von Unabhängigkeit. Zwar versuchte der Beludschenhäuptling Mir Schir Muhammed noch einmal das Glück der Waffen, wurde aber in der zweiten Schlacht bei Hyderabad am 24. März völlig geschlagen. Schon vorher war durch Proclamation des Generalstatthalters Ellenborough vom 13. März Sind zu den Besitzungen der Ostindischen Compagnie gezogen worden.

Inzwischen bereiteten sich schon wieder anderwärts Verwickelungen vor, die zu einem neuen Kriege führten. In dem Mahrattenstaate Gwalior (s.d.) sollte, nachdem der Herrscher Schenkaschie-Rao-Sindiah am 7. Februar 1843 ohne Leibeserben gestorben war, das Reich nach muhammedanischem Gesetz an die englische Regierung, als Repräsentantin des Königs von Delhi, fallen. Der Generalstatthalter gestattete jedoch der zwölfjährigen Wittwe des verstorbenen Fürsten, sich einen Gatten aus den Nebenlinien des Hauses Sindiah zu wählen, indem die Regierung eines Scheinkönigs den britischen Interessen am besten zuzusagen schien. Die Wahl fiel auf den neunjährigen Seaschi-Rao-Sindiah, welcher mit britischer Genehmigung den Thron von Gwalior einnahm, jedoch während seiner Minderjährigkeit den Minister Mama Sahib als Regenten zuertheilt erhielt Letzter herrschte ganz im Interesse der britischen Regierung u. wurde deshalb aus Gwalior vertrieben, worauf Dada Chadschi Wallah, ohne den Einspruch des englischen Residenten Spiers zu beachten, dessen Stelle einnahm. Dies nebst mehreren anderen Beleidigungen veranlaßte die Zusammenziehung eines englischen Beobachtungsheeres an der Grenze, worauf die Mahratten den Rädelsführer der jüngsten Bewegung auslieferten, ohne hierdurch jedoch das angeblich zum Schutze des jungen Maharadscha angeordnete Vorrücken des britischen Heeres aufhalten zu können. Als nun die Briten sogar die Auslieferung des ganzen Artillerieparks von 300 Kanonen forderten, erhoben sich die Mahratten zum Widerstande. So kam es am 29. December 1843 im Norden (bei Maharadschpur, unter General Sir Hugh Gough) u. Südwesten des Landes (bei Punniar, unter General Grey) zu Gefechten; in beiden siegten die Briten, u. am 31. Decbr. erklärte sich der Maharadscha zur Annahme jeder Friedensbedingung bereit, worauf Gwalior am 2. Januar 1844 ohne Widerstand übergeben wurde. Die noch schlagfertigen Mahratten boten ihre Dienste für das neu zu bildende Contingent an. Gwalior verlor seine Unabhängigkeit, mußte mehrere Gebietsstrecken abtreten, die gesammte Artillerie wurde ausgeliefert, das Heer unter den Befehl englischer Offiziere, die Verwaltung unter einen englischen Residenten gestellt u. die Zahlung von 19 Lack Rupien (190,000 Pfd. Sterl.), aks Kriegskosten gefordert, außerdem von 7 Lack als früherer Schuld. In diese Zeit fällt auch die Erwerbung der dänischen Besitzungen, indem durch Vertrag vom 22. Februar 1845, ratificirt dänischer Seits den 9. Mai d. I., die Dänisch-Ostindischen Besitzungen für 1,125,000 Thlr. an die Englisch-Ostindische Compagnie verkauft wurden.

Die Hoffnung auf einen längeren Frieden mit den indischen Fürsten erfüllte sich jedoch nicht; im Gegentheil standen schon für die nächste Zeit wieder zwei neue Feldzüge gegen die Sikhs im Pendschad (s.d.) bevor. Seit dem Tode des Rundschit Singh, welcher mit den Engländern mehrfache freundschaftliche Verträge (1809, 1831, 1835) abgeschlossen hatte u. am 27. Juni 1839 gestorben war, hatte die Geschichte dieses Landes durch raschen Thronwechsel, Palastintriguen, Aufstände u. Ermordungen einen echt orientalischen Charakter erhalten. Unter den Parteikämpfen war zugleich die Erbitterung gegen die Engländer gewachsen, u. als die Empörung mit der Ermordung des Bruders der Regentin, Dschowahir Singh, am 21. September völlig gesiegt hatte, wurde der Kriegsruf gegen England lauter als je. Lord Ellenborough war inzwischen durch die Directoren der Ostindischen Compagnie, ohne Zustimmung der Regierung, im April 1845 abberufen u. Sir Henry Hardinge an seiner Staat als Generalstatthalter eingesetzt worden. Letzter stellte sogleich bei der drohenden Lage der Dinge eine bedeutende Streitmacht am Sutledsch gegen die Sikhs auf. Am 12. December überschritten 10,000 Sikhs mit 27 Kanonen den Sutledsch, 22/5 Meilen von Ferozpur, wo der britische General Littler sie verschanzt erwartete. Eine Proclamation des Generalstatthalters vom 13. erklärte, in Folge des Einbruchs der Sikhs in britisches Gebiet, die Besitzungen des Maharadscha Dhulip Singh auf dem linken Ufer des Sutledsch für confiscirt u. dem britischen Gebiet einverleibt. Am 18. December wurde der Generalstatthalter auf dem Marsche nach Ferozpur, wo er sich mit Littler vereinigen wollte, bei Mudkih von den Sikhs angegriffen, schlug dieselben zwar zurück, hatte jedoch dis zum 22. Decbr. täglich neue Angriffe zu bestehen, in denen die britische Armee, an Geschütz der der Sikhs weit nachstehend, die empfindlichsten Verluste erlitt, u. erst am 22. gelang es den Briten, das Lager der Sikhs zu erstürmen. Unter den auf britischer Seite Kämpfenden befand sich Prinz Waldemar von Preußen.[873] Am 25. December zogen sich die Sikhs gegen Ferozpoor u. am 29. über den Sutledsch in das Pendschab zurück, drangen jedoch schon im Januar 1846 von Neuem über den Sutledsch vor, wurden aber am 28. Januar von Sir Harry Smith von Ludianah aus angegriffen, bei Alliwal geschlagen u. wieder über den Fluß zurückgeworfen. Eine noch größere Niederlage brachten ihnen am 10. Februar Sir Hugh Gough u. Lord Hardinge bei Sobraon bei. Am 14. Februar wurde hierauf der Sutledsch von den Briten überschritten, u. Tags darauf erschien der Radscha Ghulab. Singh im britischen Lager u. erbot sich zur Annahme der Friedensbedingungen. Die britische Armee rückte nun am 22. Februar in Lahore ein, worauf am 9. März der Friedensvertrag zwischen der britischen Regierung u. Lahore in folgender Form zu Stande kam: der Maharadscha Dhulip-Singh tritt das Land südlich vom Sutledsch, die Gebirge u. Ebenen zwischen dem Beas u. Sutledsch u., anstatt der Zahlung der Kriegskostenentschädigung, das Land zwischen Beas u. Indus einschließlich der Provinzen Kaschmir u. Azarah ab; er zahlt 50 Lacks Rupien, löst die Armee auf u. stellt eine neue (höchstens von 20,000 Mann Fußvolk u. 1200 Reitern) regulirte Armee auf, liefert 36 Kanonen aus, entsagt Einsprüchen gegen Durchmärsche britischer Truppen, erkennt Ghulab-Singh u. dessen Besitzungen, wie die ihm noch abzutretenden, als unabhängig an u. unterwirft sich dem Schiedsspruch Englands im Fall von Differenzen mit demselben im Voraus. Hiermit erschien denn nun auch die Macht u. Selbständigkeit des Sikhreichs für immer gebrochen. Am 11. März kam ein Vertrag zwischen sein Generalstatthalter u. dem zum Maharadscha erhobenen Ghulab-Singh zu Stande, nach welchem die britische Regierung demselben alles zwischen dem Rawi u. Indus gelegene Bergland mit Einschluß des Kaschmirthales u. der Provinzen Azarah u. Tschamba, mit Ausschluß aber von Lehul, als unabhängiges Besitzthum abtrat, wogegen ihn die britische Regierung gegen auswärtige Feinde zu schützen versprach Mit dieser Erhebung des alten rebellischen Häuptlings schien allen unzufriedenen Sikhshäuptlingen das Zeichen gegeben zu sein, daß sie auf Englands Beistand gegen ihren Fürsten würden rechnen können. Alle Friedensbedingungen wurden nun unnachsichtlich vollzogen, u. die Engländer besetzten die Hauptstädte mit Garnisonen. Dem neuen Maharadscha Ghulab-Singh hatten die Engländer es überlassen, sich selbst in den Besitz des an ihn abgetretenen Gebirgslandes zu setzen. Die Schwierigkeit hiervon zeigte sich jedoch sehr bald. In Kaschmir, welches früher zu Afghanistan gehört u. seit Rundschit Singhs Tode beständig danach gestrebt hatte, sich wieder von Lahore loszureißen, stellte sich Scheich Imam Eddin an die Spitze eines Aufstandes gegen den neuen Herrscher, welcher deshalb die Hülfe der Briten in Anspruch nehmen mußte; diese besetzten nun sein Reich, damit er seine ganze Macht gegen den Feind verwenden könnte. Scheich Imam Eddin unterwarf sich hierauf am 31. October 1816, worauf von der Sikhregierung selbst der Beschluß gefaßt wurde, daß während der Minderjährigkeit des Maharadscha eine britische Armee von 10,000 Mann in Lahore bleiben u. der britische Commissär (Oberst Lawrence) das Amt eines Wessire übernehmen möge. Diesem Ansuchen wurde unter der Bedingung gewillfahrtet, daß die Sikhregierung jährlich 220,000 Pfd. Sterl. als Kosten solcher Truppenaufstellung zahle. Hierein wurde gewilligt, u. England somit auch noch der Last enthoben, auf eigene Kosten ein Heer an der Grenze zu erhalten. Der Vertrag wurde am 25. December 1846 zwischen dem Generalstatthalter u. dem jungen Maharadscha zu Amritsir vollzogen.

Im Jahr 1847 entspann sich noch, in Folge verkehrter Administrativmaßregeln, in Multan, dem südwestlichsten zu den Erwerbungen Rundschit-Singhs gehörigen Theile des Pendschab, ein gefährlicher Aufstand, u. Multan verweigerte die Zahlung der Tributrückstände. Mulradsch, der Dewan von Multan, sollte nun im Frühjahr 1848 abgesetzt werden, u. zwei englische Offiziere verließen zu diesem Zwecke Lahore am 4. April, den designirten Nachfolger des Mulradsch, Khan Singh, mit sich führend. Dieselben wurden jedoch mitten in den Unterhandlungen mit Mulradsch am 20. April verrätherisch überfallen u. ermordet. Hierauf erklärte sich Mulradsch für unabhängig, warb Truppen u. wiegelte auch die benachbarten Afghanenstämme auf. Die Angelegenheiten der Briten nahmen in Folge der ungeeigneten Maßregeln des neuen Residenten Currie rasch eine sehr üble Wendung, bis Capitän Edwards mit einer aus Sikhs gebildeten Grenzmacht am Tschenab stehend, die Fortschritte, welche die Revolution bereits machte, aufhielt. Von seinen eigenen Soldaten fast gänzlich verlassen, warb er eine Anzahl Patanen (in Westafghanistan) u. Beludschen, verband sich mit einem ähnlichen Corps unter Oberst Cortland, forderte den abhängigen Nabob von Bhawalpur zur Hülfsleistung auf u. schlug am 18. Juni den Mulradsch bei Ahmedpur u. am 1. Juli bei dem Dorfe Sadusam. Multan, eine der stärksten Festungen Asiens, wurde hierauf vom General Whisch eingeschlossen, vom 2. September an förmlich belagert u. dis zum 11. beschossen. Am 12. September wurde ein Sturm der Briten von den Multanesen abgeschlagen; am 13. nahm die Erstürmung bereits den günstigsten Fortgang: als plötzlich Radscha Schir Singh mit 5000 Mann Sikhs zu den Feinden überging. Hierdurch sah sich General Whisch genöthigt, die Belagerung aufzuheben u. auf Bhawalpur zurückzugehen.

Inzwischen war es aber im Pendschab fast überall gleichfalls zum Ausbruch gekommen. Der Sirdar Tschultur Singh im Hazareh-Bezirke u. der Maharadscha Ghulab-Singh von Kaschmir vereinigten sich im offenen Aufstande u. erklärten sich für unabhängig. Dagegen traf um die Mitte Novembers 1848 der Oberbefehlshaber Hugh Gough in Lahore ein; das Operationscorps war 40,000 Mann stark, wozu noch 28,000 Mann unter Whisch u. die Besatzung von Lahore kamen. Dem Hauptheere stand der abtrünnige Schir Singh mit 35,000 Mann gegenüber, während Multan dem General Whisch überlassen blieb. Am 22. November begann Hugh Gough die Operationen damit, daß er Schir Singh am Tschenab angriff, welcher am 3. December nach kurzem Gefecht seine Stellung verließ. Am 21. December vereinigte sich das Armeecorps von Bombay unter General Auchmuth mit dem Belagerungsheere von Multan, worauf am 27. Dec. der Angriff begonnen u. am 2. u. 3. Januar 1849 die Stadt[874] erstürmt wurde. Das Bombardement auf die Citadelle währte hiernach ununterbrochen bis zum 22. Januar fort, wo sich die Besatzung ergab. Der Dewan Mulradsch wurde gefangen fortgeführt (u. starb im August 1851 auf dem Transport aus Calcutta nach der Festung Allahabad). Inzwischen war Hugh Gough am 10. Januar gegen Schir Singh gezogen; nach der unentschiedenen Schlacht bei Russulnaggar am 13. blieb er einen Monat lang in einem verschanzten Lager in der Nähe des Schlachtfeldes stehen, um General Whisch zu erwarten. Auch 12,000 Afghanen waren durch die Khoschudpässe auf Schikarpur, u. ein anderer afghanischer Heerhaufen unter Dost Muhammed nach dem Keiberpaß u. Peschawer vorgedrungen; am 22. Januar nahmen dieselben Attock im Pendschab. Gough aber brach am 15. Februar aus seinem Lager auf u. schlug die Sikhs am 21. Februar bei Guzerat. Mit diesem Siege war der Krieg im Pendschab thatsächlich entschieden. Sikhs u. Afghanen zerstreuten sich u. wurden nach allen Seiten hin von den Siegern verfolgt. Anfangs März überschritt General Gilbert den Dschelum, am 19. u. 22. März den Indus u. traf in Eilmärschen am 21. u. 22. in Peschawer ein, ohne die Afghanen unter Dost Muhammed zu erreichen. Der Krieg war somit beendigt. Am 14. März übergaben Schir Singh u. Tschultur Singh, nebst vierzehn anderen Sikhshäuptlingen im britischen Lager ihre Säbel. Gleichzeitig wurden 41 Kanonen ausgeliefert u. 16,000 Mann legten ihre Waffen nieder. Letztere wurden sofort entlassen, da man die gänzliche Auflösung der einheimischen Armee beschlossen hatte. Hierauf verkündigte eine Proclamation des Generalstatthalters, Earl of Dalhousie (seit Januar 1848), aus Ferozpoor vom 29. März das Aufhören der Sikhssouveränetät u. die Einverleibung des Pendschab in das Indobritische Reich. Der bisherige Maharadscha Dhulip Singh erhielt eine jährliche Pension von 40,000 Pfund Sterling u. Puma in der Präsidentschaft Bombay zum Aufenthaltsort angewiesen, während die Regierung des Landes aus drei Engländern bestehen sollte. Das Indobritische Reich hatte mit der Einverleibung des Pendschab eine feste Gestalt gewonnen, indem es hierdurch nun natürliche Grenzen, im Norden den Himalaya u. Hindukusch, im Westen den Indus, erhalten u. zugleich die vollständige Beherrschung des Indus, dieser wichtigsten Handelsstraße des nördlichen u. westlichen I-s, erlangt hatte.

Nach Beendigung des Sihkskrieges herrschte nun eine geraume Zeit tiefe Ruhe. Der zum Oberbefehlshaber ernannte Sir Charles Napier hielt mit kräftiger Band die Ordnung aufrecht. Als derselbe jedoch der Compagnie wegen seines eigenmächtigen Verfahrens immer unbequemer geworden war, so legte er Ende 1850 seine Stelle nieder; sein Nachfolger im Obercommando wurde im Januar 1851 General Will. Gomm, welcher seine Thätigkeit zunächst der Hebung des Officierscorps zuwenden mußte, da in demselben seit einigen Jahren eine außerordentliche Sittenlosigkeit herrschte u. noch weiter um sich zu greifen drohte. Eine Anzahl Officiere wurden vor ein Kriegsgericht gestellt u. theilweis cassirt, theilweis degradirt. Auf der anderen Seite nahm die Bestechlichkeit der niederen Beamten immer mehr zu, da auf ihnen die ganze Last der Geschäfte ruhte u. sie trotzdem nur sehr gering besoldet waren, während die höheren Beamten, welche fast alle Arbeit auf ihre Untergebenen wälzten, sehr hohe Gehalte bezogen. Auf dem Gebiete der Volkswirthschast waren die Engländer seit 1850 in I. ungemein thätig in Bezug auf Anlegung großer zusammenhängender Strecken von Eisenbahnen u. Telegraphen von Calcutta u. Bombay aus; Erleichterung u. Beschleunigung des Verkehrs durch Dampfschiffe mit Europa über Ägypten, mit China, mit Australien; Verbesserung des Postenwesens im Inneren, Beförderung des Anbaues neuer landwirthschaftlicher Erzeugnisse, Abbau mineralischer Schätze, namentlich in dem neu erworbenen Pendschab, welches Kohlen, Gyps, Soda, Steinsalz, Schwefel, Alaun, Blei, Kupfer u. Gold in Fülle liefern kann. Hier wurde auch im Jahre 1851 der Bau von Kanälen begonnen, welche sich. über eine Länge von 90 Meilen ausdehnen, u. für Bewässerung von Feldern, Wiesen, Gärten Sorge getragen. Unter allen Beiträgen außereuropäischer Industrie zur Londoner Ausstellung vom Jahre 1851 behaupteten die aus I. den ersten Rang. Außer prachtvollen Edelsteinschmuckgegenständen hatte die Ostindische Compagnie die ausgesuchtesten Erzeugnisse indischen Kunstfleißes ausgestellt: Teppiche aus Sammet u. Goldbrocat, Prachtsessel mit wunderbarem Schnitzwerk an den Rück- u. Armlehnen; Kaschmirshawls, kunstvolles Töpfergeschirr, eine große Anzahl der verschiedenartigsten Tücher, Gewebe etc. In Bezug auf die auswärtigen Verhältnisse wurde die Ruhe, deren sich die Engländer im Jahre 1851 in I. erfreuten, nur durch die räuberischen Angriffe kriegerischer Völkerschaften an der nördlichen u. nordwestlichen Grenze u. durch die Besorgnisse getrübt, welche mehr od. weniger begründete Nachrichten über das Vorrücken der russischen Macht in Asien erweckten. Es erhoben sich Stimmen in England, welche aufforderten, den früher od. später unausbleiblichen Kampf mit Rußland nicht länger zu verschieben u. denselben nicht in sehr erschwerter Form den Nachkommen zu überlassen. Man solle der russischen Macht, um ihrem Vordringen in Mittelasien auf einer anderen Seite beizukommen, um so energischer in Vorderasien entgegentreten u. entweder Afghanistan wegnehmen od. wenigstens mit Dost Muhammed ein Bündniß schließen, um sich dessen Mitwirkung gegen Rußland zu sichern. Am 31. Aug. 1851 starb der Fürst von Herat, u. nun entstand ein Streit um dies kleine, aber für I. sehr wichtige Land zwischen den Herrschern von Kabul, Kandahar u. Persien (s.u. Herat). Der Afghanenhäuptling Dost Muhammed, Beherrscher von Kabul u. Balk, suchte die Gelegenheit zu benutzen, die Afghanenherrschaft nach Norden auf Kosten des Khans von Buchara u. nach Westen über Herat auszubreiten. Dabei vereinigten sich die Interessen der Engländer u. des Afghanenhäuptlings, indem die Engländer ein kräftiges Reich des Letzteren sehr wohl als Schutzmauer gegen Rußland in Herat u. der Bucharei brauchen konnten, während jener hoffen mochte, englisches Geld zu bekommen, dessen er zu seinen kriegerischen Unternehmungen bedurfte. Es fand daher eine Annäherung zwischen Beiden statt. Dies hinderte indessen nicht, daß die Engländer im Aug. 1851 das Thal Dour, welches bisher zu Dost Muhammeds Gebiet gehörte, in Besitz nahmen, um von diesem Gebirgslande aus die benachbarten unruhigen [875] Stämme der Wugiris, Afridis u.a. besser im Zaume halten zu können.

Unter den Vasallen des Indobritischen Reiches nahmen der Staat des Nizam u. das Königreich Oude die Aufmerksamkeit der Engländer ganz besonders in Anspruch. Der Nizam herrschte im Jahre 1851 noch über die Provinzen Hyderabad (s.d.), Bider u. Berar nebst Theilen von den Provinzen Aurungabad u. Bejapoor. Die Engländer führten vertragsmäßig nicht blos über die Finanzen des Nizams die Oberaufsicht, sondern dieser durfte auch keinen Vertrag mit irgend einem anderen auswärtigen Staat eingehen, mußte bei einem Kriege seine sämmtlichen Festungen den Engländern überlassen u. bei entstehenden häuslichen Zwisten sich der schiedsrichterlichen Entscheidung des in seiner Hauptstadt befindlichen englischen Residenten überlassen. Sein auf eine bestimmte Zahl festgesetztes Heer stand unter englischer Aufsicht, u. daneben bestand eine englische Truppenabtheilung, deren Bezahlung die Engländer vom Nizam forderten. Die innere Verwaltung u. Rechtspflege war ihm uneingeschränkt gelassen. Die Engländer hielten, angeblich zum Schutze des Nizam, zu Hyderabad eine Besatzung. Die öffentlichen Einnahmen betrugen früher 29 Millionen Rupien, waren aber immer mehr gesunken, die Zahlungen der Schutzgelder an die Engländer, die dem Nizam nach u. nach auferlegt wurden, unregelmäßig erfolgt u. daraus die Verlegenheit entstanden, worin er sich im Jahre 1851 den Engländern gegenüber, welche Zahlung od. Gebietsabtretung verlangten, befand. Die Summe, welche der Nizam damals an den Schatz in Calcutta angeblich schuldete, betrug 850,000 Pfd. St. Die Engländer behaupteten zu einem schonungslosen Einschreiten um so mehr berechtigt zu sein, als sie die Schuld auf die schlechte Verwaltung im Nizamstaate schoben u. als Retter der bedrückten Unterthanen auftraten. Indeß wurde der Streit vorderhand beigelegt, indem der Nizam die Geldforderungen der Ostindischen Compagnie gegen Ende des Jahres 1851 befriedigte. In einer noch schlimmeren Lage befand sich das Vasallenkönigreich Oude (s.d.), dessen Gebiet 1100 Meilen mit 4–5 Millionen Einwohnern beträgt. Hier waren nach u. nach durch die Lasten, welche die Engländer dem Nabob auflegten, die Finanzen so in Unordnung gerathen u. die Unterthanen des Nabob so mit Abgaben in Anspruch genommen, daß die Engländer den Gedanken fassen zu müssen glaubten, im Interesse des Landes dasselbe ihrem Reiche einzuverleiben. Im Übrigen hatten die Engländer noch auf der Küste von Malabar mit der fanatischen Secte der Moplahs zu thun, die von Zeit zu Zeit sich empört hatten u. am 22. August 1851 wieder gegen die Engländer aufstanden. Sie wurden bald besiegt. An der nordwestlichen Grenze versuchte der Gebirgsstamm der Momuns kriegerische Unternehmungen gegen die Unterthanen der Compagnie, denen der General Tampbell mit 2500 Mann entgegenzog. Ein im November in Bombay zwischen Parsen u. Muhammedanern wegen Religionsstreitigkeiten ausgebrochener Tumult wurde ohne weitere Folgen bald gestillt. Wider ihren Willen wurde die Ostindische Compagnie im Herbst 1851 in einen neuen Krieg mit Birma verwickelt, welcher mit der am 20. December 1852 erfolgenden Einverleibung der Provinz Pegu in die britischen Besitzungen beendigt wurde, s. Birma (Gesch.).

Im April 1852 begannen die Verhandlungen über die ostindischen Verhältnisse im Parlamente, da den 30. April 1854 der im Jahr 1833 erneuerte Freibrief der Ostindischen Compagnie erlosch. Es handelte sich zunächst darum, Ausschüsse zur Erörterung der thatsächlichen Verhältnisse u. zur Begutachtung u. Beantragung derjenigen Maßregeln zu ernennen, welche, für die Zukunft nothwendig erschienen. In jedem Hause wurden zwei derartige Ausschüsse erwählt, die aber wegen der Reichhaltigkeit u. Verwickelung der Verhältnisse zu Ende des Jahres 1852 noch nicht weit mit ihren Arbeiten gediehen waren. Indessen entschloß sich das neue Ministerium Lord Aberdeens u. John Russels, die Beendigung derselben nicht abzuwarten, u. am 3. Juni 1853 legte der Minister der ostindischen Angelegenheiten den Gesetzentwurf über die neue Gestaltung der Verfassungsverhältnisse des Indischen Reichs dem Unterhause vor, wonach die Zahl der Mitglieder des Directoriums auf 18 herabgesetzt u. das Patronatsrecht der Compagnie auf die Ernennung zu Cadettstellen im indischen Heere beschränkt werden; die Ernennung zum Mitglied des dem Generalgouverneur in I. beigegebenen Staatsrathes, welche bisher dem Directorium allein zustand, von nun an von der Zustimmung der Krone abhängen, die Präsidentschaft Bengalen, welche bisher vom Generalgouverneur neben den allgemeinen Geschäften verwaltet wurde, einen besonderen Gouverneur erhalten u. der Freibrief der Compagnie nicht erneuert werden, sondern die neuen Bestimmungen einfach Gesetzeskraft haben sollten, jederzeit aber auf dem Wege der Gesetzgebung abgeändert u. aufgehoben werden könnten. Die Vorschläge der Regierung wurden in beiden Häusern genehmigt. Nach dem Budget für 1851–1852 waren die Einnahmen zu 247,148,088 Rupien u. die Ausgaben zu 250,930,365 Rupien veranschlagt; nach dem Finanzrechenschaftsbericht der indischen Regierung hatten jedoch die Einnahmen in Folge unvorhergesehener Mehrerträge in einigen Verwaltungszweigen einen Überschuß von 5 Millionen Rupien ergeben. Indessen war die Finanzlage doch keine erfreuliche. Die Kriege hatten ungeheuere Summen gekostet, ohne Ersatz zu gewähren, so daß die Compagnie genöthigt gewesen war, Schulden zu machen, welche den 1. April 1851 mehr als 46 Millionen Pfd. Sterl. betrugen. Im Laufe des Jahres 1854 wurde das Vasallenkönigreich Nagpor (3607 geogr. QM. mit 5 Mill. Ew.) in Besitz genommen. Am 16. April war die Strecke der ersten indischen Eisenbahn von Bombay nach Tannah eröffnet worden u. am 1. Mai 1854 gelangte eine zweite Abtheilung zur Benutzung des Publicums. Am 15. August 1854 wurde die erste Abtheilung der von Calcutta auslaufenden Bahn bis nach Hoogly eröffnet. Im November 1853 wurde mit der Anlegung elektrischer Telegraphen begonnen u. im November 1854 waren bereits mehr als 2000 Meilen Draht in zusammenhängendem Gebrauch u. beinahe halb so viel stückweise. Eine gleichförmige wohlfeile Brief- u. Zeitungspost war während der Jahre 1853 u. 1854 ins Leben getreten. Gleichzeitig wurde für die Sitzungen des neuen Gesetzgebungsrathes Öffentlichkeit eingeführt. Am 8. April 1854 erfolgte die Eröffnung des[876] in einer Ausdehnung von 105 Meilen fertigen großen Sangeskanals. Zu Anfange 1855 entschloß sich der König der Birmanen zu Ava einen Freundschafts- u. Friedensgesandten nach Calcutta zu senden, den ersten, welcher überhaupt von diesem Hofe, welcher die englische Macht in I. nie anerkennen wollte, bis dahin abgesandt worden war; aber seine Bitte, die Provinz Pegu dem Birmanischen Reiche zurückzugeben, wurde abgeschlagen. Die Verhältnisse zwischen Dost Muhammed u. der indischen Regierung gestalteten sich immer freundlicher. Durch seinen Sohn Heyder Khan wurde 30. März 1855 in Peschawer ein Freundschafts- u. Friedensvertrag zwischen ihm u. der indischen Regierung abgeschlossen. Einähnlicher Vertrag war schon früher mit dem Khan von Khelat zu Stande gekommen. Wesentliche Vergünstigungen wurden den Engländern im Königreich Siam durch einen Handelsvertrag vom 18. April 1855 eingeräumt, wonach alle Monopole in Bezug auf den ausländischen Handel Siams abgeschafft sind u. die Engländer sich in Siam überall ankaufen u. niederlassen können. Die Muhammedaner in Ostindien gaben fortwährend Veranlassung zu Befürchtungen; namentlich die Moplahs an der Küste von Malabar, welche schon 1851 aufgestanden waren. Im August empörten sich auch die Muhammedaner in Oude, wurden aber von den Truppen des Königs geschlagen u. ihr Mollah Emir getödtet. Bedeutender als die fortdauernden Raubzüge der Gebirgsvölker an der nördlichen u. nordwestlichen Grenze war der Aufstand der Santals, der im Juli 1855 ausbrach Diese waren ursprünglich ein wandernder Hirtenstamm, denen die britischen Behörden erlaubt hatten, einige Gebirgsthäler an der westlichen Grenze Bengalens in Besitz zu nehmen, wo sie, anfänglich nur einige Tausende, zu Hunderttausenden herangewachsen waren. Um sich Geld zu verschaffen, hatten sie sich an Geldverleiher gewandt, die ihnen ihre Ernte im Voraus abkauften, ungeheure Zinsen nahmen u. sie auspfänden ließen. Sie führten darüber Klage bei der bengalischen Regierung mit der Bitte, den Zins der Wucherer auf 25 Procent herabzusetzen, jedoch vergebens, worauf sie empört zu den Waffen griffen u. unter ihrem Anführer Sidu-Mandschi plünderten u. mordeten, bis englische Truppen herbeieilten u. sie schon im September schlugen, ohne jedoch den Aufstand völlig unterdrücken zu können. Der Schauplatz des Kampfes war das Hügelland, welches die westliche Grenze Bengalens bis Kuttak bildet; Anfang des folgenden Jahres war der Aufstand unterdrückt. Zu gleicher Zeit trieben zahlreiche Räuberbanden im Nizamstaat ihr Unwesen, u. es erhoben sich von Neuem Stimmen, welche die Nothwendigkeit darlegen, die Vasallenstaaten Oude, Baroda u. den des Nizam dem Indobritischen Reiche einzuverleiben, um den Landfrieden herzustellen Das kleine Vasallenland Tandschor (mit 40,000 Ew.) wuchs dem englischen Gebiete durch Erlöschen des einheimischen Fürstenstammes zu. Ferner wurden die Lakediveninseln unter der muhammedanischen Königin Bibi zur Sicherstellung gegen die Moplahs zu Anfange des Jahres 1855 von den Engländern besetzt.

In I. selbst hatte die neue Gesetzgebung über die indischen Verhältnisse keineswegs befriedigt, sondern vielmehr zu einer Bewegung unter den Eingebornen, namentlich in der Präsidentschaft Madras, Veranlassung gegeben, welche die Bildung von Volksvereinen zur Folge hatte. In einer am 2. April in Madras abgehaltenen Volksversammlung war eine Bittschrift an das Parlament angenommen worden, worin eine lange Reihe von Beschwerden aufgezählt u. Wünsche ausgesprochen wurden, von deren Gewährung die Bittsteller eine Verbesserung der indischen Zustände erwarteten, namentlich, daß das Ostindische Reich eine Verfassung wie die Kroncolonie Ceylon erhalte, also die politische Macht der. Ostindischen Compagnie aufhöre; daß die Prüfungen zum Dienst in I. nicht in England, sondern in I. selbst abgehalten werden etc. Diese Petition wurde am 16. Juli 1855 vom Grafen Albemarle im Oberhause befürwortet, wobei er von Neuem einige der drückendsten, in verschiedenen Fällen sogar von der Tortur unterstützten Erpressungen hervorhob, zu deren Erleichterung gar nichts geschehen sei. Auch die Frage wegen des außerordentlich drückenden Salzregals war in Erwägung gezogen worden. Für Verkehrsmittel u. öffentliche Bauten war in keinem Jahre mehr geschehen als im Jahre 1855: die elektrischen Telegraphen waren in einer Länge von über 700 Meilen hergestellt u. von der 260 Meilen Eisenbahn zwischen Calcutta u. Lahore 26 Meilen fertig. Die Schiffbarmachung des Godavery war eingeleitet, die Dampfschifffahrt auf allen großen Strömen bereits im Gange od. in Einführung begriffen. Die Transitzölle waren aufgehoben u. die Abgaben vom Schiffsverkehr an der Küste abgeschafft worden. Bei den freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rußland u. Persien vernahm man in I. nicht ohne Besorgniß die Nachricht, daß der Khan von Herat, Seyd Muhammed, im December ermordet u. Herat von den Persern eingenommen worden sei; sein Nachfolger war Prinz Yussuff, ein Neffe Schah Kamraus, unter persischem Schutze (s. Herat). Noch mehr aber fing die ostindische Regierung an, sich mit der bedeutungsvollen Thätigkeit zu beschäftigen, welche die Vereinigten Staaten von Nordamerika seit der Eroberung von Cakisornien in den asiatischen Gewässern in China, Japan u. selbst in den ostindischen Häfen entwickelten. Eine der letzten Amtshandlungen des Lord Dalhousie war die Einverleibung des Königreichs Oude ins Britisch-indische Reich, welche am 7. Februar 1856 verkündigt wurde. Der abgesetzte König, Wagid Ali Schah Padischahi, dem eine Pension von 10 Lakh Rupien od. 100,000 Pfd. Sterl. ausgesetzt wurde, ging nach Calcutta. Das Heer von Oude betrug zuletzt 80,000 Mann u. sollte auf 15,000 Mann mit 24 Geschützen herabgesetzt werden. Die hauptsächlichsten Gebietsvergrößerungen der Compagnie unter Lord Dalhousie waren: das Pendschab, Berar u. die nördlichen Bezirke von Hyderabad, Nagpur Pegu u. Oude. Die neuen Provinzen haben eine Einwohnerzahl, die der von England gleichkommt, u. einen dreimal so großen Flächeninhalt.

Dalhousie's Nachfolger als Generalgouverneur Viscount Canning übernahm am 1. April 1856 das Reich in vollem Frieden, denn wiederholte unruhige Bewegungen der Moplahs, gegen welche eine Abtheilung englischer Truppen gesandt wurde, konnten nicht als Kriegszustand betrachtet werden. Die traurigen Zustände in der Präsidentschaft Madras kamen am 14. April 1856 abermals im Oberhause in London durch Graf Albemarle zur Sprache, durch[877] eine zweite Petition einer Anzahl Einwohner dieser Präsidentschaft veranlaßt, worin die vorjährige Behauptung des englischen Ministers, daß die Tortur in I. nur von eingebornen Unterbeamten ausgeübt worden sei, als eine irrige bezeichnet u. nachgewiesen ward, daß auch englische Beamte sich ihrer zur Erpressung von Geständnissen u. bei Eintreibung von Steuern sehr häufig bedient hatten. Obgleich Lord Ellenborough, ehemaliger Generalstatthalter, betheuerte, daß ihm während seiner fünfjährigen Amtsverwaltung keine Andeutung über das Vorhandensein dieser Folter geworden sei, so beschloß doch das Oberhaus zur Abstellung dieses barbarischen Torturwesens die schleunigsten Maßregeln zu ergreifen. Übrigens hatte die englische Regierung bereits Manches gethan, um tüchtige Beamte u. Offiziere für I. zu gewinnen. Das Civilbeamtenseminar zu Haylybury ist allen britischen Unterthanen geöffnet unter Vorbehalt einer Zulassungsprüfung. Nach Absolvirung von vier Cursen tritt eine Prüfung ein u. nach erhaltenem Reifezeugniß erfolgt die Anstellung der Bewerber nach ihrer Würdigkeit. Das Militärseminar zu Addiscombe hat ebenfalls eine Vorprüfung nach Regulativen des Controleamtes; die Cadetten erhalten nach bestandenem Examen Anstellung als Artillerie- u. Ingenieuroffiziere, deren Stellen nur aus diesem Militärseminar besetzt werden dürfen. Der Eintritt in den Dienst der übrigen Wassengaltungen erfordert auch die Bestehung einer Prüfung, aber ohne vorherigen Aufenthalt in der Anstalt. Bei den Truppen der Compagnie war übrigens der Stellenkauf nicht bekannt; das Vorrücken erfolgte nach dem Dienstalter u. Verdienst.

Im Sommer 1856 wurde die indische Regierung durch das Vordringen der Perser nach Herat beunruhigt, welches zu erobern sie die Absicht hatten, während dessen Unabhängigkeit durch Verträge zwischen Persien u. England geschützt war. Nachdem die Perser 26. October Herat nach langer Belagerung erobert hatten, wurde am 1. Novbr. der Krieg gegen Persien erklärt. Am 13. Novbr. verließ eine Kriegsflotte mit ungefähr 9000 Mann unter Contreadmiral Henri Leake den Hafen von Bombay; die Landungstruppen befehligte Generalmajor Stalker (später General Outram). Zugleich verlangte die englische Regierung von der persischen: Abschluß neuer Verträge, die Räumung des Herater Gebiets u. der Stadt Herat, Ermächtigung zur Errichtung von Factoreien längs der Küste des Persischen Meerbusens, Bewilligung zum Bau von Eisenbahnen auf persischem Boden für englische Gesellschaften. Am 4. Decbr. besetzten die Engländer die Insel Karrak, nordwestlich von Abuschir, u. erklärten dieselbe für einen Bestandtheil des Britischen Reiches, landeten am 7. in der Halilabai, erstürmten am 9. die Feste Abuschir u. bemächtigten sich am 10. der Stadt, die in einen Freihafen unter britischer Hoheit verwandelt wurde. Schon während dieses Krieges empörte sich am 25. Febr. 1857 das 12. Regiment Sipahis zu Berhampur u. am 6. März zu Madras das 54., doch wurden beide mit Leichtigkeit besiegt, so daß die Engländer noch nicht die Gefährlichkeit dieser Bewegungen sahen. Am 27. Januar 1857 war General Sir James in Abuschir angekommen u. hatte die Truppen sogleich gegen die Perser geführt, welche 5 Meilen von Abuschir lagernd beim Herannahen der indobritischen Truppen flohen, dann aber am 8. Februar Stand haltend bei dem Dorfe Khusbad mit großem Verluste geschlagen wurden. Am 26. März eroberte er die Festung Mohammenah am Schat-el-Arab, stellte aber im April die Feindseligkeiten ein, da unterdessen in Paris am 4. März 1857 ein Friedensvertrag zwischen Persien u. Großbritannien zu Stande gekommen war, wonach Persien versprach, die vollständige Unabhängigkeit Herats u. des übrigen Afghanistan anzuerkennen u. bei entstandenen Mißhelligkeiten zwischen sich u. den afghanischen Ländern dem schiedsrichterlichen Spruche Englands sich zu unterwerfen; dagegen gab England sämmtliche Eroberungen zurück u. verzichtete auf das Recht, in Persien englische Unterthanen zu beschützen. In Bezug auf die Handelsverhältnisse sollten die Engländer den am meisten begünstigten Nationen gleichstehen.

Dieser Friede war ein Glück für das Indobritische Reich, denn es offenbarte sich immer mehr, daß unter den Muhammedanern in ganz I. eine Verschwörung bestand, die englische Herrschaft zu vernichten, u. die zahlreichen Großen u. abgesetzten Fürsten waren die Rädelsführer. Die Muhammedaner Europas, Asiens u. Afrikas stehen in fortwährendem Verkehr mit einander, u. es ist möglich, daß die Nachrichten über die Eifersucht zwischen England u. Rußland zu einem erneuten Versuch, sich der Engländer in Asien zu entledigen, aufgemuntert haben mag. Hatte die Regierung alle früheren Anzeichen eines drohenden Sturmes als vereinzelte Symptome unbeachtet gelassen, so sollte sie nunmehr enttäuscht werden. Es trieben sich bei den Sipahiregimentern Aufhetzer herum, u. eine gewisse Art Kuchen aus Atta, einer in Bengalen wachsenden Getreideart, gebacken, wurde als geheimnißvolles Sinnbild der Empörung von Ort zu Ort geschickt. Zu dem anfänglich vorhandenen Grunde od. gebrauchten Vorwand der Unzufriedenheit der Truppen, daß die Clausel ihres Eides, der sie ausschließlich zum Dienste innerhalb der indischen Grenzen verpflichtete, gestrichen wurde, kam hinzu, daß man ein neues Gewehr, die Enfieldbüchse einführte u. den Soldaten gefettete Patronen dazu gab. Die Sendlinge redeten den Sipahis ein, daß diese Patronen, um die Religion zu verspotten, mit Rinds- u. Schweinefett, das erstere den Hindu, das letztere den Muhammedanern ein Gräuel, bestrichen worden seien. Einzelne Meutereien u. Mißhandlungen englischer Offiziere häuften sich; der erste massenhafte Aufstand der Truppen, das grausenhafte Schauspiel des Brennens u. Mordens aller Europäer u. Christen, kam aber erst am 10. Mai 1857 in Mirut vor, einer elf Stunden von Delhi entfernten Stadt. Die Verschwörer hatten die Zeit der heißen Winde u. die darauf folgende Regenperiode zum Losbrechen gewählt, wo kriegerische Bewegungen u. Feldzüge nur mit dem größten Menschenverlust ausführbar sind. Glücklicherweise bildeten die Truppen des Indobritischen Reiches kein einziges zusammenhängendes Heer; sie gehörten drei gesonderten Hauptabtheilungen u. mehreren kleinen Truppenkörpern an, nämlich dem Heere von Bengalen, dem von Madras u. dem von Bombay u. den leichten Truppen vieler einheimischer Fürsten; doch stehen alle drei Heere unter dem Oberbefehl des Tommandanten des Heeres von Bengalen.[878] Nach englischen Angaben hatte im J. 1857 das Heer von Madras eine Gesammtstärke von 57,000, das von Bombay von 59,000 u. das von Bengalen von 174,000 Mann. Diese Truppen waren auf 188 Stationen vertheilt, von denen 128 auf Bengalen, 33 auf Madras u. 27 auf Bombay kamen. Die einheimischen Soldaten bildeten den Haupttheil der Heere, wurden aber fest ausschließlich von Europäern befehligt, da der höchste Grad, den ein Eingeborner erreichen kann, der eines Hauptmanns ist. Die Sipahis sind fast nur Muhammedaner u. Hindu, u. zwar gehören die Hindu im Bengalheere meist höheren, in der Madrasarmee meist niederen Kasten an, während in die Bombayarmee auch viele Kulies, Birdars u. andere niedriger stehende Stämme aufgenommen wurden. Dazu kamen noch die Contingentstaaten der einheimischen Fürsten, von englischen Offizieren befehligt u. der britischen Regierung vertragsmäßig zu Gebote stehend, im Ganzen 32,311 Mann (Hyderabad 8094, Gwalior 8401, Mysore 4000, Guzerat 3756, Malwa 2265, Iaudpor 1246, Ketah 1148, Meywar 1054, Tulapor 907, Bupal 829, Sawunt Warria 611). Außerdem unterhielten noch viele einheimische Fürsten leichte Truppen aller Gattungen, welche sich folgendermaßen vertheilten: in Bengalen 354,573, in Madras 2472, Bombay 41,873. Da auch diese, den eingegangenen Verträgen zufolge in besonderen Fällen der Indobritischen Regierung dienstpflichtig waren, so hatte dieselbe vor dem Ausbruch der Empörung eine bewaffnete Macht von 720,000 Mann zu ihrer Verfügung, von der jedoch der größere Theil die Waffen gegen sie kehrte.

Was die Ursachen dieses weit reichenden Aufstandes betrifft, so hatte sich die Regierung bei den Hindu u. den Muhammedanern dadurch verhaßt gemacht, daß sie dem falschen Eifer der Missionäre zu sehr gewähren ließ, sich in religiöse Gebräuche einmischte u. herrschende Ansichten mißachtete, ganz abgesehen van den schweren Missbräuchen in der Verwaltung, unter deren Druck die niederen Klassen fast erlagen. Die Unterdrückung des Kindermordes, die Abschaffung der Verbrennung der Wittwen mit dem Leichnam ihrer Männer, die Einführung der Bestrafung u. selbst der körperlichen Züchtigung der Brahminen hatten wesentlich zur Entfremdung der Gemüther der Inder von den Europäern beigetragen. Die Eingebornen sahen in allen diesen Maßregeln nur Eingriffe in ihre Rechte u. wurden dadurch noch mehr zur Vertheidigung ihrer angestammten Religion aufgereizt. Sie fühlten sich dabei noch durch die Rohheiten bestärkt, deren sich die Engländer großentheils gegen sie schuldig machten. Eigentlich war der 22. Mai als der Tag bestimmt worden, an welchem die bengalischen Truppen insgesammt sich erheben u. ihre Offiziere u. alle Christen ohne Unterschied ermorden sollten, u. nur zufällige Umstände veranlaßten den Ausbruch an verschiedenen Tagen. Die Meuterer von Mirut eilten nach Delhi, welche Stadt sehr klug zum Sammelplatze ersehen worden war, da hier noch der letzte Sproß der Großmogule residirte u. hier sich die größten Militärmagazine der nördlichen Provinzen befanden. Auch war Delhi mit den großen englischen Kriegsschiffen nicht erreichbar, u. im entscheidenden Augenblicke fehlte es dort an europäischen Truppen. Die Regimenter standen eben in Parade, als die Empörer aus Mirut ankamen, u. wurden gegen sie geführt, aber sie schossen ihren Kameraden über die Köpfe hinweg, warfen sich im nächsten Augenblicke auf ihre Offiziere u. ermordeten diese. Dasselbe Loos hatten alle Europäer, die sich nicht durch die Flucht retten konnten. Das Feldgeschrei der Empörer war: Alle Ungläubige, die das Gesetz des Propheten abschaffen u. die Moslim zum Christenthume zwingen, das Castenwesen aufheben u. die Brahmanen zu Sudras erniedrigen wollen, sollen umgebracht werden! Der alte Titular-Großmogul in Delhi wurde von den Aufrührern zum Kaiser ausgerufen. Während derselben Zeit waren die Mutter u. der Sohn des entthronten Königs von Oude in London u. baten vergeblich um Wiedereinsetzung in ihre Rechte.

Der Aufstand verbreitete sich sogleich nach dem nordwestlichen Theile I-s, nach Benares u. Allahabad, nach Lacknau u. Cawnpur, nach Bareilly u. Mattra, nach Hissar, Hansi, Sirhind u. Copur, nach Nimatsch, Saupor, Dschansi u. Indore, nach Aurengabad u. Campti bei Nagpur, über das ganze Oude u. über alle Garnisonen Rohilkands. Überall dieselben Scenen. In Cawnpnr, wo General Hugh Wheeler befehligte, empörten sich die Truppen nebst den Einwohnern am 3. Juni. Der General zog sich mit einigen Treugebliebenen u. der englischen Bevölkerung, Frauen u. Kindern in eine befestigte Kaserne zurück, wo er sich drei Wochen lang hielt u. zuletzt fiel. Am 27. Juni ergaben sich die Engländer an den Anführer der Aufständischen, Nena-Sahib, worauf die Sipahis sie sämmtlich mit Frauen u. Kindern ermordeten, obwohl ihnen in einer förmlich abgeschlossenen Capitulation das Leben zugesagt worden war. Der Generalgouverneur setzte unter dem 6. Juni ein allgemeines Kriegsgericht zur Bestrafung der Schuldigen ein, u. die englische Regierung in London beeilte sich, Hülfstruppen zum Theil über Ägypten nach I. zu schicken. General Anson, Obercommandant der indischen Truppen, starb, als er den Feldzug gegen Delhi beginnen wollte, u. an seine Stelle wurde General Colin Campbell ernannt, der im October in I. ankam. Unterdeß rächte Oberst Havelock die Blutscenen von Tawnpur, indem er die unter Nena-Sahib entgegenrückenden Empörer am 12. Juli bei Futtipur u. am 15. u. 16. auf der Straße nach Cawnpur u. in dessen Nähe vollständig schlug, ihnen das Geschütz abnahm u. Cawnpur wieder besetzte. Vor Delhi hatte sich auch ein englisches Belagerungscorps versammelt, welches sich in einem verschanzten Lager am 23. u. 30. Juni, sowie am 4. u. 9. Juli siegreich gegen die Übermacht unter Generallieutenant Henri Barnard u. nach dessen Tod unter Generalmajor Reed vertheidigte. Am 1. Juli brach der Aufstand auch in Mhow u. Indore aus. In Agra mußten sich am 5. Juli die englischen Truppen in die Festung zurückziehen. Dagegen wurden am 17. Juli die Meuterer von Sielkut durch den britischen General Nicholson vernichtet, u. an demselben Tage Nena-Sahib's Streitmacht von General Havelock auseinander gesprengt, welcher hierauf Bithue besetzte u. am 19. Juli zerstörte. Am 20. wurde ein Regiment Sipahis, welches in Lahore sich empörte, vernichtet. Am 22. Juli meuterten drei einheimische Regimenter zu Dinapur u. warfen am 29. Juli 400 Mann Engländer u. Sikhs mit dem Verluste der Hälfte ihrer Mannschaft zurück. Am 29. u. 30. Juli trug Havelock einen großen[879] Sieg über ein 10,000 Mann starkes Rebellencorps bei Unao u. Bupirpunge davon, wobei beide Orte, sowie sämmtliche feindliche Kanonen von den königlichen Truppen mit Sturm genommen wurden.

Inmitten dieser Kämpfe tauchte die schon lange schwebende Frage wegen Umwandlung des Reiches der Ostindischen Gesellschaft in eine großbritannische Colonie nach dem Muster Ceylons auch in Indien selbst wieder auf, u. am 3. Aug. 1857 vereinigten sich die Einwohner von Calcutta zu einem Gesuche an das britische Parlament, daß es die nöthigen Maßregeln ergreifen wolle, die Regierung des Indisch-britischen Reiches der Ostindischen Handelsgesellschaft zu entziehen u. dafür die unmittelbare Regierung der Königin von England einzuführen, mit einer offenen gesetzgebenden Versammlung, den Bedürfnissen des Landes angemessen u. mit der britischen Oberherrschaft verträglich, mit königlichen Gerichtshöfen, geleitet von Rechtskundigen von Fach u. mit der englischen Sprache als Gerichtssprache.

General Havelock bei Bithne den 16. August, sowie Brigadegeneral Nicholson bei Nujussghur, 4 deutsche Meilen von Delhi, erfochten neue Siege über die Sipahis, bis endlich am 14. Sept. unter Brigadegeneral Archibald Wilson der Sturm auf Delhi begann, der in einen Straßenkampf überging, worauf am 20. September die Einnahme der Stadt erfolgte u. am folgenden Tage der Feind gänzlich daraus vertrieben wurde. Nicholson starb am 23. Septbr. in Folge der beim Kampfe erhaltenen Wunden, u. der Kaiser u. die Kaiserin von Delhi wurden gefänglich eingebracht. Fast zu gleicher Zeit (den 25. Septbr.) hatte sich Havelock der Stadt Lacknau, der Residenz der ehemaligen Könige von Oude, genähert, entsetzte die Festung u. nahm unser fortwährenden heftigen Kämpfen dis zum 30. Sept., wobei 500 Engländer kampfunfähig wurden u. General Neill fiel, die Verschanzungen des Feindes u. einen großen Theil der Stadt, mußte sich aber wegen Unzulänglichkeit seiner Streitkräfte ebenfalls in die Festung zurückziehen. Am 1. Nov. wurde Oberst Powell zwischen Futtipur u. Cawnpur von den Meuterern angegriffen u. fiel im siegreichen Kampfe. General Tolin Tampbell war nun im October in I. angekommen u. hatte den Oberbefehl übernommen; er rückte über Cawnpur u. Alumbagh zum Entsatze Lacknaus heran. Am 15. Nov. nahm er Detkosah u. Martiniere, Secunderbagh u. Schah-Nuddschiff mit Sturm, worauf er sich am 17. nach heftiger Beschießung u. Bestürmung der vom Feinde in Lacknau besetzten Punkte (Meßhouse u. Moti-Mahal) mit den beiden Generalen Outram u. Havelock vereinigte u. die Besatzung der Festung Lacknau befreite. Allein nach einem fünftägigen hartnäckigen Kampf hatten auch die Engländer bedeutend gelitten, u. der Feind war in gedeckter Stellung an Zahl weit überlegen. General Campbell räumte daher die Stadt Lacknau mit Kindern u. Frauen, Kranken u. Verwundeten u. zog sich auf Allahabad zurück. Auf dem Rückzuge starb Havelock, noch ehe das Heer Alumbagh erreichte. General James Outram wurde mit 3500 Mann u. einer starken Artillerie in Alumbagh zurückgelassen, während Campbell eiligst Cawnpur zu erreichen suchte, um seine Schützlinge nach Calcutta zu senden. In Cawnpur war der Brigadier Wyndham zurückgelassen worden, um das empörte Contingent des Staates Gwalior zu beschäftigen. Der dortige Mahrattenfürst (Maharadscha) Sindiah blieb mit der Hauptstadt den Engländern treu, seine Truppen jedoch fielen von ihm ab u. stellten sich unter den Befehl Tantia Topi's. eines ehemaligen Artilleriehauptmanns, der nachmals den Titel als Peischwa annahm; ein Trupp derselben erschien am 26. November plötzlich bei Kalpi, wurden zwar an diesem Tage von Wyndham zurückgedrängt, griffen aber am folgenden Tage von Neuem an, verbrannten das Lager der Engländer u. trieben diese selbst in die Stadt. Ein Angriff der Rebellen am 28., wobei Wyndham fiel, wurde zurückgeschlagen. An demselben Tage erreichte Campbell Cawnpnr, griff am 6. Dec. die Truppen Tantia Topis an u. schlug dieselben vollständig; General Hope Grant verfolgte die Flüchtigen u. nahm ihnen am 9. ihr sämmtliches Geschütz ab. Nachdem Havelock u. Campbell vergeblich die Eroberung der Hauptstadt des Königreichs Oude versucht hatten, verbreitete sich unter den Eingebornen der Glaube an das Gelingen des Aufstandes immer mehr. Noch fehlte es dem Oberfeldherrn an ausreichender Mannschaft. Seit den letzten Tagen Octobers kamen zwar täglich neue Regimenter aus England in Calcutta an, aber sie hatten noch 200 Stunden Weges bis zum Kampfplatz zurückzulegen. Es gelang jedoch dem Oberfeldherrn, die Aufständischen in Oude vom nordwestlichen u. von Mittelindien abzuschneiden u. den freien Verkehr zwischen Cawnpur u. Agra u. Delhi, sowie zwischen Allahabad u. Benares u. Calcutta herzustellen, indem er das Land zwischen dem Ganges u. Dschumna, an welchem Lacknau liegt, unterwarf u. Furruckabad, worin ein feindlicher Radscha hauste, eroberte. Auf diese Weise wurden die feindlichen Truppen in Oude u. Rohilkand von den Insurgenten im Lande der Mahratten u. der Radschputen, sowie von denen in Bundelkand getrennt. Jung Bahadur Radscha von Nepaul kam dabei den Engländern mit 9000 Mann zu Hülfe.

Immerhin war die Lage der Engländer bei Beginn des Jahres 1858 noch eine sehr mißliche. Die Provinz Pendschab mit 101/2 Mill. Einwohnern war in ihrem unbestrittenen Besitz, weil man da rechtzeitig die einheimischen Regimenter entwaffnet u. die Verschwörer in Menge vor Kanonen gebunden u. erschossen hatte; auch rings um Delhi bis an die Ufer des Sutledsch war Alles unterworfen; aber im Osten in Rohilkand hatten sie Nichts mehr u. im ganzen Königreiche Oude nur noch Alumbagh. Im Süden von Delhi gehorchten ihnen nur noch Cawnpur, Agra u. die Landschaft Doab. Das ganze Land der Radschputen stand gegen sie unter Waffen mit zwei Herden des Aufruhrs, der Festung Kotah, wo der Radscha sich gegen England erklärt hatte, u. der aufständischen Brigade in Nussierabad. Im Lande der Mahratten waren die beiden Hauptfürsten, Sindiah u. Holkar, treu geblieben, aber Sindiah war auf seine Hauptstadt beschränkt u. hatte seine eigenen Truppen u. die Einwohner von Holkar entwaffnen müssen, Bundelkand östlich von den Mahratten u. südlich vom Ganges hatte sich fast gänzlich befreit; sämmtliche englische Beamten hatten sich in die Festung Sangor flüchten müssen, wo sie eng belagert wurden. Außer Nena-Sahib zeichnete sich unter den Anführern der Empörung in den bengalischen Provinzen Behar u. Rewah Kuher. Sing durch die Raschheit seiner Bewegungen aus[880] Die Präsidentschaft Madras war ganz frei von dem Aufstande geblieben, u. in der Präsidentschaft Bombay hatten nur einzelne kleine Abtheilungen sich verleiten lassen, die entweder nach dem Norden entkamen od. niedergemacht wurden. Einige Gebirgsvölkerschaften hatten sich auch hier zum Freiheitskampfe erhoben. Zwei Ausfälle der Aufständischen (12. u. 16. Januar 1858) gegen General Outram, der nun mit 4000 M. in Alumbagh stand, wurden siegreich zurückgeschlagen. Am 25. Januar brach endlich das britische Heer unter Colin Campbell auf, um den Hauptsitz der Empörung, Lacknau u. das Königreich Oude wieder zu erobern, während an verschiedenen andern Punkten theils die Engländer, theils die indischen Bundesgenossen Siege erfochten. Am 21. u. 22. Februar versuchten die Sipahis neue Angriffe auf die Stellung des Generals Outram bei Alumbagh u. Dschellalabad; beide Male warf er sie mit Verlust zurück. Nachdem General Frank am 19. durch erfolgreiche Angriffe die Vereinigung zweier feindlicher Corps verhindert u. am 20. das Fort Radhagan genommen hatte, ließ er am 23. die von Nazim Mendi Dussein mit 25,000 Mann u. 25 Kanonen inne gehaltene befestigte Position zu Badschahgunge zwei Meilen von Sultanpur erstürmen, wobei 20 Kanonen erbeutet wurden. Gleichzeitig nahm die Brigade des Generals Hope Grant die befestigte Stadt Miengung in Oude mit Sturm. In den ersten Tagen des März gelang es dem Oberbefehlshaber, sich mit den beiden Generalen Frank u. Outram zu vereinigen, worauf er mit 50,000 Mann Fußvolk, 1000 Mann Reiterei u. 120 Geschützen eine feste Stellung vor Lacknau bezog. Am 9. März umging General Outram die Vertheidigungswerke der Empörer, während Obrist Eduard Lugard die Martiniere, ein Schloß bei Lacknau, erstürmte u. jene Vertheidigungswerke nahm, worauf der Imaumbarrah u. der Königinpalast von den Engländern im Sturm erobert ward. Am 14. fiel nach hartnäckigem 24stündigem Gefecht der Kaiser-Bagh u. am 19. ganz Lacknau in die Hände der Briten. Der Feind ließ 2000 Mann auf dem Platze u. entkam mit 5000 Mann nach Rohilkand u. Bundelkand.

Unterdessen hatten schon am 14. März der Generalgouverneur Viscount Canning in einer Ansprache an das Volk von Oude den Aufständischen, welche sich nicht durch Mord befleckt hätten, im Falle sofortiger Unterwerfung allgemeine Begnadigung, d.h. Schonung des Lebens u. der Ehre, versprochen; jedoch sollten alle Gutsherrn od. Erbpächter von Oude, mit Ausnahme von sechs namhaft gemachten, ihr Eigenthum verwirkt haben, u. dasselbe bis auf Weiteres Staatseigenthum sein. Nunmehr fielen auch bald die übrigen Festungen der Feinde, so am 17. März nach fünftägiger Beschießung Schunderin; am 5. April nach längeren Kämpfen, wobei 25,000 Mann Empörer zum Entsatz herbeigeeilt waren, Jhansi; am 30. März die Stadt u. Festung Kotah am Tschumbulflusse, von Radschputen vertheidigt; am 15. April das Fort Raxur (Rowas). An demselben Tage wurde die Stadt Azimpur durch die britischen Truppen entsetzt. Am 19. April ergriff General Whitelook Besitz von der Stadt Budara, nachdem er den Nabob zu Boragur geschlagen hatte. Am 30. April besiegte Hugh Mose die Empörer bei Bull-Sir-Kubnie, sodann am 7. Mai bei Komos u. rückte gegen Kalpi vor, welches Tantia Topi wieder besetzt hatte. Nachdem der Oberbefehlshaber am 1. Mai Schadschihanpur ohne Widerstand genommen hatte, marschirte er gegen Bareilly, welches am 7. von den britischen Truppen erobert wurde. Am 22. Mai wurde Hugh Rose von Tantia Topi bei Kalpi angegriffen, schlug denselben aber, sprengte das Gwaliorcontingent aus einander u. besetzte darauf Stadt u. Festung Kalpi, sowie am 26. Mai der Oberbefehlshaber Illabahad. Am 13. Juni siegte General Hope Grant bei Nabobgundsch auf der Jesabadstraße über ein 15,000 Mann starkes Rebellencorps, was als entscheidender Schlag hervorgehoben wurde. Am 17. Juni eroberte Hugh Rose die Stadt u. das Schloß von Gwalior nach fünfstündiger hartnäckiger Schlacht u. erstürmte am folgenden Tage die Festung, wobei 27 Kanonen in seine Hände fielen. Am 21. Juni holte Brigadegeneral Napier die Fliehenden ein, schlug sie u. erbeutete 25 Kanonen. Der den Engländern treu gebliebene Fürst von Gwalior, Sindiah, hatte nämlich zu den Engländern flüchten müssen, u. Nena-Sahib in der Stadt u. Festung Gwalior, einem der stärksten Plätze Mittelindiens, versuchte den Engländern Trotz zu bieten. Der Maharadscha Sindiah wurde nun von den Engländern in seinen Palast wieder eingesetzt. Gegen die gefangenen u. entwaffneten Sipahis wurde mit grausamer Strenge verfahren. Ein amtlicher Bericht eines Civilcommissairs in Bengalen erzählt unter Andern, daß er 500 Mann zuerst in den engen Raum einer Bastion sperren ließ, wo 45 von Schrecken u. Ermattung der Schlag rührte; die übrigen wurden rottenweise in Zeit von 48 Stunden u. 41 später gefangene Sipahis in Lahore in voller Parade mit Kanonen erschossen. Zur Anerkennung ihrer Verdienste erhob die englische Regierung den Oberbefehlshaber Tolin Campbell zum erblichen Baron, Clyde von Clydesdale u. John Lawrence, königliche Commissare in Bengalen, zur Würde von Baronets.

Im Juli wurden die kriegerischen Bewegungen auf ein paar Monate wegen der Jahreszeit eingestellt, obwohl die Empörer noch immer eine ziemliche Macht hatten. In der Festung Bundie standen noch die Begum (Frau des entthronten Königs von Oude) mit ihrem Sohne, der sich König von Oude nannte, mit einem Heere von 14,000 Mann, Nena-Sahib mit seinen Truppen an der Grenze von Nepal in Nanpara, Beni Mahdo mit 8000 Mann in Simri, Firos Schah u. Lukker Schah mit ansehnlichen Rebellenhaufen in Sundilah; auch Tantia Topi hatte noch Truppen gegen die Engländer unter den Waffen. Das Behar wurde durch Trümmer von Kuher Sings Streitmacht noch immer beunruhigt. Doch hielt sich die Regierung für sicher genug, um die Förderung der Telegraphie, Dampfschifffahrt, Eisenbahnen u. anderer Friedenswerke wieder aufzunehmen. Von Indore bis Bisura wurde eine Telegraphenlinie eröffnet. Die große indische Peninsularbahn war zwischen Bombay u. dem Bezirk Puna dem Betrieb übergeben worden. Im August empörten sich. in Multan zwei bewaffnete Regimenter Sipahis, die sämmtlich, über 1400 Mann, niedergemacht wurden. Das Schicksal des gefangenen Großmoguls von Delhi entschied sich im October; er wurde vor ein Gericht gestellt u. nebst seiner Familie zur Abführung in ewige Gefangenschaft verurtheilt. Vorläufig wurde. ihnen die Festung William bei Calcutta zum Aufenthalt angewiesen, wo auch der Exkönig von Oude gefangen[881] gehalten wurde, später wurde der Großmogul mit seiner Familie nach Rangun in Pegu verwiesen.

Nicht weniger bedeutungsvoll als die kriegerischen Ereignisse waren für das Indisch-britische Reich die Beschlüsse des Großbritannischen Parlaments, welche die Herrschaft der Ostindischen Handelscompagnie beendigte. Am 26. März 1858 brachte nämlich der Schatzkanzler Disraeli im Unterhause einen Gesetzentwurf ein im Betreff einer neuen Verfassung der Regierung des Indobritischen Reiches, nach welcher die Ostindische Compagnie durch einen Minister der Krone (Staatssecretär) nebst einem Vicepräsidenten u. einer indischen Rathskammer von 18 Mitgliedern (wovon neun durch die Krone ernannt, vier durch Offiziere od. Beamte, die in Indien zehn Jahre gedient od. durch indische Fondsbesitzer u. fünf durch die Parlamentswähler Londons, Liverpools, Manchesters, Glasgows u. Belfasts gewählt) ersetzt wird. Die Räthe haben nicht die Macht, gesetzlichen Maßregeln ihre Zustimmung zu verweigern, u. ihre Amtsdauer ist sechsjährig. Dieser Entwurf, von beiden Häusern angenommen, erhielt durch die Königin Gesetzeskraft u. am 1. Nov. wurde in ganz I. vermittelst einer königlichen Proclamation den neuen Unterthanen diese Veränderung bekannt gemacht. Ostindien wurde ein Theil des Britischen Reiches unter der Regierung der Königin. Im Übrigen blieb Alles ziemlich unverändert. Zum ersten Vicekönig ernannte die Königin den bisherigen Generalgouverneur Viscount Canning. In der Proclamation wurde zugleich Allen, die sich bis zum 1. Januar 1859 unterwerfen würden, wenn sie zu ihrer Heimath u. zu ihren friedlichen Berufsgeschäften zurückkehrten, volle Amnestie verkündet. Ausgenommen sollten nur die Mörder britischer Unterthanen sein.

Ende Octobers hatten die Kriegsoperationen gegen die Eingebornen wieder begonnen; der Schauplatz des Kampfes war verhältnißmäßig klein geworden. Es war der Baiswarrabezirk unmittelbar an den Ufern des Ganges im Süden von Oude, welcher vor dem Aufstande zur bengalischen Armee nicht weniger als 40,000 Mann geliefert hatte. In seiner Mitte liegt die Festung Schunkerpur mit Schilfmorästen rings herum, in denen vier kleine Festungen. Der Oberbefehlshaber Lord Clyde griff diese Gegend mit ungefähr 20,000 Mann an. Im Ganzen waren nur gegen 100,000 Mann europäische Truppen in I., u. an die Stelle der aufgelösten bengalischen Sipahiregimenter in gleicher Anzahl Sikhs, Beludschen, Afghanen, Gorkhas u. andere getreten. Die königliche Proclamation hatte die Folge, daß sich viele Aufständische freiwillig unterwarfen. Unter denen, welche den Kampf gegen die Engländer fortsetzten, war Tantia Topi, welcher aber am 15. September vom General Mitchel bei Beora u. am 1. Dec. von Parker geschlagen wurde. In Schunkerpur hatte sich ein indischer Fürst, Beni Madhu, mit einer großen Anzahl Aufständischer festgesetzt, entfloh jedoch nächtlicher Weile mit seinen Truppen (14. Nov.), als die Engländer anrückten. An demselben Tage wurde Man Singh vom General Smith bei Kundey geschlagen. Im December tauchte ein neuer Führer der Aufständischen auf, Firos Schah, ein königlicher Prinz von Delhi, der quer durch das Duab an den Fluß Dschumna zog u. bei Kotah sich mit Tantia Topi verband, aber am 17. Dec. bei Kanoda geschlagen wurde. In Folge der königlichen Proclamation ging die Herstellung des Friedens im Königreiche Oude so rasch vor sich, daß man zu Anfang des Jahres 1859 die Beendigung des Feldzuges meldete. Eine von Allahabad 1. Jan. 1859 datirte Proclamation erhob das Pendschab zu einer eigenen Präsidentschaft mit einer Bevölkerung von beinahe 22 Mill. Menschen, deren Sicherheit 17,000 europäische Soldaten u. 45,000 Sikhs beschützen sollen. Mit der vollständigen Wiedereroberung Oude's war der Kampf im Wesentlichen beendigt, wenn auch noch Insurgentenmassen unter der Begum, Nena-Sahib u. Tantia Topi herumschweiften, die sich hauptsächlich nach Nepal gezogen hatten. Tantia Topi, der sich mit seinen Treugebliebenen in einen Schilfwald bei Parone versteckt hatte, wurde am 7. April 1859 durch den Verrath seines Freundes, des Häuptlings Man Singh von Pauri, gefangen u. am 18. April nach kriegsgerichtlichem Urtheil in Sipoi gehenkt. Er versicherte, mit Nena-Sahib in Cawnpur bei der Ermordung der englischen Frauen u. Kindern gewesen zu sein, daß aber weder er noch jener an dem dortigen Blutbad Schuld habe, sondern daß dies allein den wüthenden Soldaten zur Last falle. Die Stadt Lacknau, die während der Belagerung des festen Schlosses u. bei der Erstürmung durch die Engländer große Verheerungen erlitten hatte, war im Frühjahr 1859 im völligen Neubau begriffen. Über die Betheiligung der indisch-britischen einheimischen Truppen an dem Aufstande theilte ein amtlicher Bericht mit, daß im bengalischen Heere sich alle 64 Regimenter mehr od. weniger der Meuterei schuldig gemacht haben, 27 aber wurden als die schuldigsten bezeichnet. Im Peschawer Bezirk nahmen 10 Regimenter mehr od. weniger an dem Aufstande Theil. Aus dem Bombayheere wurden 10 Regimenter als aufständisch aufgezählt. Die Madrastruppen hatten sich durchaus treu bewährt.

Nach der Beendigung des Aufstandes verlautete über seine Ursache noch, daß die Ostindische Compagnie, um sich Geld zu verschaffen, die Heiligkeit des Grundeigenthums in großem Maßstabe verletzt habe. Die indischen Enamdars sind die Inhaber erblicher Lehne, über die sie so ziemlich grundherrliche Rechte haben. Von den Engländern wurden diese Rechte zwar bestätigt, aber dadie Regierung Geld brauchte u. in Wegnahme von Grundeigenthum den einfachsten Weg zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse sah, setzte sie in den britischen Provinzen Commissionen nieder, welche die Titel der Enamdars zu untersuchen hatten. In Bengalen mußten die Enamdars Anfangs einen sechzigjährigen, später einen dreißigjährigen Besitz nachweisen. Nachdem über tausend Grundherrn ihres Erbtheils beraubt u. das größte Mißvergnügen hervorgerufen worden war, stellte die bengalische Tommission ihre Arbeiten ein. Auch für Bombay war eine solche Enamcommission niedergesetzt, vor welcher die Grundbesitzer einen hundertjährigen Besitz nachweisen sollten. Von 108,199 Titeln, die geprüft werden sollten, waren blos 6002 im Jahre 1857 bestätigt. Als die Empörung ausbrach, stellte die Commission ihre Thätigkeit ein, nahm sie aber in Frühjahr 1859 wieder auf. Auch in Madras wurde unmittelbar nach Veröffentlichung der königlichen Ansprache eine solche Enamcommission niedergesetzt.[882] Eine zweite Maßregel, den sehr heruntergekommenen Finanzen Indiens aufzuhelfen, war die Erlassung eines neuen Zolltarifs durch den Vicekönig, welcher die Zölle zum Theil verdoppelte, verdreifachte u. vervierfachte. Eine dritte Maßregel war die Ermächtigung von Seiten der großbritannischen Regierung für den Staatssecretär für Indien, Geld in Großbritannien für die indische Regierung im Betrage von sieben Millionen Pfund Sterling aufzunehmen. Bei dieser Gelegenheit wurde amtlich mitgetheilt, daß im Jahre 1856, 57 die Einnahme 33,303,000 Pfd. Sterl., die Ausgabe dagegen 33,482,000 Pfd. Sterl. betragen habe; 1857, 58 werde die Einnahme betragen 31,544,000 Pfd. Sterl. u. die Ausgabe 9 Mill. Pfd. Sterl. mehr; die Einnahme für 1858/59 wurde zu 33,015,000 Pfd. Sterl. veranschlagt, u. die Ausgabe zu 121 Mill. Pfd. Sterl. mehr. Die Kriegskosten hatten während des Aufstandes 231/2 Mill. Pfd. Sterl. verschlungen. Im Januar 1857 hatte die indische Armee aus 45,547 Mann Europäern u. 232,204 Mann Eingebornen bestanden; im Jahre 1859 bestand sie aus 91,580 Europäern u. 243,951 Mann Eingebornen. Die indische fundirte Schuld war 1858 bis auf die Höhe von 74 Mill. Pfd. Sterl. gestiegen, wovon 594 Mill. in Indien selbst gezeichnet waren. Von 39 Mill., welche die indische Regierung für Eisenbahnen bestimmt hatte, waren bereits 19 Mill. verbaut. Nach der Besiegung des Aufstandes begannen mehrere europäische Regimenter widerspänstig zu werden, die früher im Dienste der Ostindischen Compagnie standen u. nun unter die Krone gestellt worden waren, weil sie sich finanziell benachtheiligt glaubten, doch wurde die Sache beigelegt, indem die unzufriedenen Soldaten entlassen wurden.

Vgl. außer den unter Indien (Antiqu.) angeführten Schriften: Alexander Dow, Geschichte von Hindostan bis auf Akbars Tod, aus dem Persischen des Ferishta, Lpz. 1772, 3 Thle.; I. Hollwell, Historische Nachrichten von Hindostan u. Bengalen, übersetzt von Kleuker, ebd. 1778; Tiefenthaler, Historisch-geographische Beschreibung von Hindostan, herausgegeben von Bernoulli, Berl. 1783; Archenholz, Die Engländer in I., Lpz. 1786–88, 3 Bde.; Maurice, History of Hindostan Lond. 1795; Hodges, Monumente indischer Geschichte u. Kunst, aus dem Englischen von Riem, Berlin 1789; Merkwürdigkeiten aus Ostindien, aus den Papieren des H. v. Wurmb, Gotha 1797; Dohm, Geschichte der Engländer u. Franzosen in I., Lpz. 1776; Geschichte des neuen Reiches am Ganges seit 1756, aus dem Englischen von List, Gött. 1780; Sullivan, Übersicht der neuesten Staatsveränderung in I., umgearbeitet von Sprengel, Halle 1787; Sprengel, Geschichte der wichtigsten indischen Staatsveränderungen von 1756–1783, Lpz. 1788, 2 Bde.; Neuere Geschichte des Kriegs in I., 1780–1784, ebd. 1787; Thorn, Der Krieg in J. 1803–1806, Gotha 1819; Fr. Hamilton, Genealogies of the Hindus, Edinb. 1819; Soltau, Geschichte der Entdeckungen u. Eroberungen der Portugiesen in I. von 1415–1539, Braunschw. 1821, 5 Bde.; Malcolm, Political history of India from 1784 to 1823, Lond. 1826, 2 Bde.; K. Fr. Neumann, Geschichte des Englischen Reiches in Asien, Lpz.1857, 2 Thle.; G. Bourchier, Eight months campaign against the Bengal Sepoy Armee, Lond. 1858; William Edwards Personal adventures during the Indian Rebellion, ebd. 1858; L. E. Runtz Rees, Selbsterlebtes während der Belagerung von Lucknow, Lpz. 1858; John Capper, Geschichte des Britischen I., deutsch von Lowe, Hamb. 1858; John M. Ludlow, British India, its races and its history, considered with reference to the mutinies of 1857, Lond. 1858; Mill, History of British India, 5. Aufl., ebd. 1858; Latham, Ethnology of India. ebd. 1858, 2 Bde.; Atkison, The campaign in India 1857–1858, ebd. 1859; E. v. Orlich, I. u. seine Regierung, von der frühesten Zeit bis 1857, Lpz. 1859; The muting and the people, by a Hindu, Calcutta 1859.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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