- Hannover [2]
Hannover (Geschichte). I. Älteste Geschichte, bis zur Gründung einer besonderen Linie Braunschweig-Lüneburg, bis 1569. Das jetzige Königreich H. wurde zum größten Theil von Sachsen (Westfalen, Ostfalen, Engern) bewohnt, dazu kamen im NW. Friesen u. im NO. Slawen Später wurden diese, insgesammt als Sachsen u. Friesen, von Karl dem Großen bezwungen u. mit Gewalt zum Christenthum bekehrt (s.u. Sachsen), worauf das Land einen Theil der Fränkischen Monarchie bildete. Unter Kaiser Ludwig dem Deutschen erhielt es in Ludolf, dem Vater des Markgrafen Egbert von Meißen, einen eigenen Herzog u. gehörte von da an zum Herzogthum Sachsen, bis Heinrich der Löwe (s.d.) vom Kaiser Friedrich I. in die Acht erklärt wurde u. dessen Nachkommen das dortige Land als Lehn erhielten. Dies u. wie aus ihnen die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg 1235 hervorgingen, s.u. Braunschweig (Gesch.) I. 1267 theilten die dieses Lehn besitzenden Brüder, Albrecht der Große u. Johaun, das Land, u. Letzter, der jüngere, erhielt Lüneburg auf seinen Antheil u. gründete die ältere Lüneburgische Linie, welche mit dessen Enkel, Wilhelm mit dem langen Beine, 1369 wieder ausstarb; das Land kam an Wolfenbüttel. Lange war das Erbe streitig, aber endlich theilten 1409 u. 1428 die Fürsten aus dem Wolfenbütteler Hause wieder, u. Bernhard gründete die mittlere Linie Lüneburg, an welche 1636 u. 1642 das ganze braunschweigische Land zurückfiel, s. Braunschweig (Gesch.) II. B) u. III. A).
II. Jüngere Linie Braunschweig-Lüneburg bis zur Erwerbung der Kurwürde, 1560–1692. Ernst I. der Bekenner, Sohn Heinrichs von Lüneburg, Herzog von Lüneburg seit 1520, ist der gemeinschaftliche Stammvater beider Linien (vgl. Braunschweig, Gesch. III. B), dessen Söhne, Heinrich u. Wilhelm, theilten nämlich 1569, nachdem ihr älterer Bruder Otto 1559 ohne Erben gestorben u. Friedrich 1553 bei Sievershausen geblieben war, ihren damaligen Besitz; Letzter, welcher die jüngere Linie Lüneburg gründete, wußte es dahin zu bringen, daß er an Lüneburg u. Celle die bessern Länder behielt, während sein älterer Bruder Heinrich nur die Ämter Danneberg, Hitzacker, Lüchow u. Scharnebeck bekam u. auf Lüneburg verzichtete. Heinrichs Sohn erhielt später 1634 noch Wolfenbüttel. Wilhelm residirte in Celle u. heißt daher zuweilen auch Herzog zu Celle. 1582 vereinigten Wilhelm u. Heinrich die Ämter Hoya, Nienburg, Liebenau u. Bruchhausen, 1585 gemeinschaftlich mit Wolfenbüttel die Grafschaft Diepholz mit ihrem Lande; Wilhelm st. 1592 in Celle, sieben Söhne, Ernst, Christian, August, Friedrich, Magnus, Georg u. Johann, hinterlassend. Diese beschlossen, daß blos einer von ihnen sich verheirathen u. den Stamm fortpflanzen sollte; das Loos sollte diesen bestimmen (es fiel auf den Prinzen Georg); der Älteste aber sollte stets regieren. Dieser, Ernst II., trat nach seines Vaters Wilhelm Tode die Regierung an u. führte sie bis zu seinem Tode 1611, wo ihm sein Bruder Christian folgte, welcher schon seit 1599 das Hochstift Minden besaß; unter ihm fiel der Linie Lüneburg durch kaiserlichen Spruch 1617 Grubenhagen zu, welches Friedrich Ulrich von Wolfenbüttel abtreten mußte; s. Braunschweig (Gesch.) III. A). Christian verwickelte sich mit in den Dreißigjährigen Krieg, er nahm erst für Christian[7] IV. von Dänemark Partei, unterwarf sich nach dessen Besiegung dem Kaiser, ergriff aber die Waffen 1631 wieder für Gustav Adolf von Schweden u. st. 1633. Der dritte Sohn Ernsts I., August, trat nun die Regierung an. Als die Linie von Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg 1634 durch Vertrag die Wolfenbütteler Erbschaft bekam, trat sie einen Theil der erlangten Länder, nämlich Kalenberg u. das bereits früher besessene Hoya u. Diepholz, 1635 an Lüneburg ab (s. Braunschweig, Gesch. IV. A) u. August cedirte diesen erhaltenen Theil wieder seinem jüngeren Bruder Georg. Er trat nach der Nördlinger Schlacht 1635 dem Prager Frieden bei u. st. 1636. Sein Bruder u. Nachfolger, Herzog Friedrich, an welchen 1642 Harburg, von der mittleren Linie Lüneburg (s. Braunschweig, Gesch. III. B), zurückfiel, trat wieder auf schwedische Seite, schloß aber im Sept. 1643 einen Separatfrieden mit dem Kaiser (s.u. Dreißigjährigen Krieg); er regierte bis 1648. Vor ihm waren seine 3 noch übrigen Brüder gestorben, auch Georg (1641), der einzige, welcher sich nach dem Vertrag vermählt hatte u. der im Dreißigjährigen Kriege sich einen Namen gemacht hatte. Georg hatte vier Söhne, Christian Ludwig, Georg Wilhelm, Johann Friedrich u. Ernst August, hinterlassen, u. sein Testament bestimmte, daß nach seines Bruders Friedrich Tode das Land in zwei Theile getheilt u. Christian Ludwig Lüneburg Grubenhagen, Diepholz u. Hoya mit der Residenz Celle, Georg Wilhelm aber Kalenberg u. Göttingen mit der Residenz Hannover erhalten sollte. So entstanden die Linien Celle u. Kalenberg (Hannover).
A) Die Linie Celle. Christian Ludwig, Georgs ältester Sohn, übernahm nach dessen Tode 1641 die Regierung von Kalenberg u. Göttingen, wußte sich aber in die Verhältnisse nicht zu finden, war durchaus unkriegerisch u. schloß mehrere unglückliche Vergleiche, durch welche sein Land viel Verlust erlitt, es war beim Schlusse des Dreißigjährigen Krieges ganz verödet. Als nun Herzog Friedrich von Lüneburg 1648 starb (s. oben), übernahm Christian Ludwig dessen Antheil u. verlegte seine Residenz nach Celle. 1648 wurde auch beiden Linien, der von Celle u. der von H., das Bisthum Osnabrück in so fern zugesprochen, daß die Besetzung des Stuhls alterniren sollte; einmal sollte denselben nämlich ein katholischer Bischof, das andere Mal ein lutherischer Prinz aus dem Hause Lüneburg erhalten. Christian Ludwig suchte durch Sorgfalt für Kirchen u. Schulen u. strenge Aufsicht über die Rechtspflege dem Lande nützlich zu werden u. st. 1665 ohne Sohn. Nun stritten sich seine Brüder um die Erbschaft, indem Georg Wilhelm, zeither Herzog von Kalenberg, dieses abtreten u. Lüneburg nebst Grubenhagen haben wollte, Johann Friedrich aber dazu seine Einwilligung verweigerte. Endlich vereinigten sich die Brüder, u. es geschah, wie es der Erstere wünschte, u. er erhielt Lüneburg, Hoya u. Diepholz. Georg Wilhelm nahm an den Ereignissen der Zeit thätigen Antheil; er vereinigte sich 1666 mit den Generalstaaten gegen den Bischof von Münster, Bernhard von Galen, schickte der Republik Venedig Hülfe gegen die Türken, stand dem Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel 1671 gegen die Stadt Braunschweig bei (s. Braunschweig, Gesch. IV. A) u. erwarb durch Vergleich mit diesem die Ämter Dannenberg, Lüchow. Hitzacker u. Scharnebeck. An dem Bündnisse des Kaisers gegen Frankreich u. Schweden 1673 nahm er ebenfalls Theil, u. bemächtigte sich der Fürstenthümer Bremen u. Verden, welche er aber 1678 an Schweden zurückgeben mußte. 1685 schickte der Herzog 10,000 M. gegen die Türken nach Ungarn, stand 1688 dem Statthalter Wilhelm von Oranien gegen Jakob II. von England bei, brachte 1689 Sachsen-Lauenburg an sich u. st. 1705, ohne Söhne zu hinterlassen Sein Land fiel nun an die folgende Linie.
B) Die Linie Kalenberg (Hannover). Als Georg Wilhelm, dem Testament seines Vaters zu Folge, die Regierung von seinem Landestheile übernahm, glich das Land einer Wüste, aber Georg Wilhelm that sein Möglichstes, ihm durch strenge Sparsamkeit wieder aufzuhelfen, u. unter ihm fing man an, den Gang der Regierung mehr zu ordnen, den Haushalt der Städte zu regeln u. eine Art von Verfassung zu begründen. Der Herzog lebte meist in Italien, aber seine Räthe, vortreffliche Männer, hatten Vollmacht, nach ihrem besten Wissen zu handeln. Wie schon erzählt (s. oben), vertauschte er das Land 1665 an seinen Bruder, Johann Friedrich, gegen Lüneburg, welcher, obgleich 1649 zur Katholischen Kirche übergetreten, doch den Katholiken nirgends Einfluß gewährte. Er errichtete ein Truppencorps von 14,000 Mann, von denen er 4000 Mann nach Venedig gegen die Türken sendete (1668) u. 10,000 Mann in französischen Sold gab. Durch seine Vermittlung wurde 1668 der Friede zwischen Holland u. Münster geschlossen, u. seine Truppen entrissen mit den Brandenburgern den Schweden die Stadt Bremen. In dem Kriege zwischen Frankreich u. dem Kaiser (1673–79) stand er auf der Seite der Franzosen, sein Bruder Georg Wilhelm auf der des Kaisers. Er starb kinderlos 1679 in Augsburg, auf einer Reise nach Italien begriffen. Sein Nachfolger wurde sein jüngster Bruder, Ernst August, welcher seit 1648 Toadjutor des Erzstiftes Magdeburg gewesen war. Da aber dieses gleich darauf an Kurbrandenburg kam, so wurde ihm Osnabrück versprochen, welches er 1661 auch erhielt. 1680 führte er die Primogenitur ein, stand dem Kaiser Leopold I. gegen die Türken u. Franzosen bei u. erhielt 1692 für sich u. seine Nachkommen die Würde eines Kurfürsten.
III. Geschichte des Kurfürstenthums 1692–1813. Der Kurfürst Ernst August übte 1694 ein strenges Gericht über seine Schwiegertochter Sophie Dorothea (s.d.) in Celle, indem er den angeblichen Liebhaber derselben, Grafen von Königsmark (s.d.), indem derselbe im Begriff war, sie mit ihrem Wissen der Gewalt ihres Gatten zu entreißen, niederstoßen, Sophie Dorothea aber selbstgefangen setzen ließ; er st. 1698, u. ihm folgte sein Sohn Georg Ludwig, dessen Mutter die Kurfürstin Sophie, eine Tochter des unglücklichen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz u. der Prinzessin Elisabeth von England, war. Diese Abstammung hatte zur Folge, daß das englische Parlament 1701 in der protestantischen Successionsacte die Kurfürstin Sophie als nächste Erbin des englischen Thrones anerkannte. Georg Ludwig erbte das Herzogthum Celle 1705 (s. oben) u. vereinigte so das ganze Braunschweig-lüneburgische Land wieder. 1707 führte er den Oberbefehl über die Reichsarmee (s. Spanischer Erbfolgekrieg), wurde 1708 im Kurfürstencollegium eingeführt, erhielt 1710 das Erbschatzmeisteramt u. errichtete[8] 1712 das Oberappellationsgericht zu Celle. Nun st. aber 1714 seine Mutter Sophie kurz vor dem Tode der Königin Anna von England, u. in demselben Jahre wurde Georg Ludwig als Urenkel des Königs Jakob I. unter dem Namen Georg I. zum König von Großbritannien ausgerufen u. im October d. I. in London gekrönt. Das Kurfürstenthum H. (denn diesen Namen hatte es ziemlich allgemein statt den eines Kurfürstenthums von Braunschweig-Lüneburg erhalten), wurde aber von einer eignen Regierung verwaltet; der königl. Hofstaat blieb in der Hauptstadt H., u. das Land hatte noch den Vortheil, keine Apanagen an nachgeborne Prinzen zahlen zu müssen. 1715 verkaufte Dänemark die Herzogthümer Bremen u. Verden an König Georg, u. beide wurden mit H. verbunden; auch nahm sich Georg der gedrückten Protestanten in der Pfalz kräftig an, schloß 1725 zu Herrenhausen (s.d.) die Hannöversche Allianz zur Aufrechthaltung der Ruhe in Deutschland, u. gegen Spanien u. Österreich, die sich versöhnt hatten u. dadurch den Argwohn andrer Mächte erregten, st. aber 1727. Sein Sohn König Georg II. August schützte seine Unterthanen in H. 1729 gegen das gewaltsame Verfahren der preuß. Werber u. hatte deshalb mit Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, ernste Differenzen. Er stiftete 1737 die Universität Göttingen, wohin die berühmtesten Gelehrten Deutschlands von seinem Minister v. Münchhausen (s.d.) berufen wurden. Während des Österreichischen Erbfolgekriegs 1741–45 stand König Georg als Kurfürst des Reichs u. Garant der Pragmatischen Sanction der Königin Maria Theresia von Ungarn u. Böhmen gegen ihre Feinde bei; im Siebenjährigen Kriege verband er sich mit König Friedrich II. von Preußen, da die Franzosen, mit denen er seit 1755 in Krieg verwickelt war, in sein Kurfürstenthum eingefallen waren, die Hannoveraner unter dem Herzog von Cumberland geschlagen u. am 8. September 1757 die Capitulation vom Kloster Seeven geschlossen hatten, vermöge welcher die hannöversche Armee zusammen bleiben, aber an dem Krieg weiter keinen Theil nehmen sollte. Der Siebenjährige Krieg brachte Drangsale aller Art über H., u. noch vor dem Ende desselben starb Georg II. am 25. October 1760. Sein Enkel, Georg III., Sohn des Prinzen Ludwig von Wales, schloß 1763 den Frieden zu Paris. Er ließ die Festungswerke von Stade, Göttingen u. H. schleifen, dagegen die von Hameln verstärken, begünstigte Ackerbau u. Gewerbe u. vermehrte die wissenschaftlichen Anstalten in Göttingen. Während des Amerikanischen Kriegs (1774–1783) standen fünf Bataillone Hannoveraner im englischen Solde u. dienten in Gibraltar u. Minorca, auch an dem Französischen Revolutionskrieg nahmen hannöversche Truppen unter General Freitag bis 1795 lebhaft Antheil. Im Frieden von Luneville wurde Osnabrück, auf welches Bisthum das Haus Lüneburg schon seit 1648 gewissermaßen Anspruch gehabt hatte, indem ein Prinz aus dem Hause H. dasselbe alternirend mit einem katholischen Bischofe regierte, ganz mit H. vereinigt. 1801 entstanden zwischen England u. den nordischen Mächten Streitigkeiten, in deren Folge Preußen das hannöversche Gebiet militärisch besetzte. Die preußischen Truppen verließen dasselbe jedoch nach dem Tode des Kaisers Paul I. von Rußland u. vermöge der Friedenspräliminarien zwischen Frankreich u. England, welche zu dem Frieden von Amiens führten, nach einem halben Jahre wieder. 1803 besetzte ein französisches Corps unter Mortier H., indem England nach dem Frieden von Amiens wieder zum Krieg übergegangen war. Das hannöversche Heer schloß am 3. Juni die Convention zu Suhlingen zwischen Marschall Mortier u. dem hannöverschen General Wallmoden, von welcher ein andrer auf der Elbe geschlossener Vertrag bei Artlenburg (5. Juli) eine nothwendige Folge war. Nach letzterem ging das hannöversche Heer (15,000 M.) aus einander, lieferte Waffen, Pferde, Kriegsgeräthe u. Festungen den Franzosen aus, versprach, in diesem Kriege nicht wieder gegen Frankreich zu dienen, u. H. verpflichtete sich außerdem, ein französisches Corps zu besolden, zu bekleiden u. zu remontiren u. (unbestimmte) Kriegssteuern zu zahlen. Indessen ging ein großer Theil der hannöverschen Soldaten u. hauptsächlich Offiziere (da das Unterschreiben des Reverses, diese Capitulation zu halten, französischer Seits sehr nachlässig betrieben worden war u. die Offiziere, die nicht unterzeichnet, durch das in derselben stipulirte Ehrenwort natürlich auch nicht gebunden waren), nach England, wo vornehmlich aus ihnen die Englisch-Deutsche Legion (s.d.) gebildet wurde, welche, nachdem sie die Expedition nach Kopenhagen mitgemacht hatte, bes. auf der Pyrenäischen Halbinsel u. in Belgien tapfer focht. Die Franzosen behielten H. besetzt u. verwalteten es nach ihrer Weise, doch besserte sich der Zustand der Bewohner, als 1804 Mortier von Bernadotte abgelöst wurde. Bernadotte erwarb sich durch strenge Mannszucht u. Leutseligkeit die Achtung der Hannoveraner u. blieb bis im Herbst 1805 in H., wo er das ganze Land bis auf Hameln räumte u. mit seinem Corps durch Ansbach an die Donau zog. Russen u. Schweden, die in Pommern, u. die Englisch-Deutsche Legion, die im Hannöverschen gelandet waren, besetzten nun das Land wieder, u. auch Preußen rückten in H. ein, um dasselbe für Georg III. in Besitz zu nehmen. Aber nach der Schlacht von Austerlitz schloß Preußen einen Vertrag mit Napoleon, dem zu Folge H. an Preußen abgetreten u. im April 1806 von preußischen Truppen besetzt wurde. Hameln wurde von den Franzosen den Preußen übergeben; die Engländer, Russen u. Schweden schifften sich aber wieder ein. Aber schon im Herbst 1806, nach der Niederlage der Preußen bei Jena u. Auerstädt, besetzten die Franzosen H., Kalenberg u. Göttingen wieder, u. die preußische Besatzung von Hameln capitulirte, worauf 1807 der südliche Theil (Göttingen, Grubenhagen, die Berghauptmannschaft Clausthal) zu dem neuen Königreich Westfalen geschlagen wurde. Zu Anfang 1810 erklärte Napoleon ganz H., mit Ausnahme von Lauenburg, zu Westfalen gehörig, zog aber zu Ende desselben Jahres eine Linie von Südwesten nach Nordosten quer durch das Königreich Westfalen, u. also auch durch H. bis an die mecklenburgische Grenze, u. erklärte, daß Alles nordwestlich dieser Linie zu Frankreich, südöstlich desselben zu Westfalen gehören solle. Demnach gehörten die Herzogthümer Bremen, Verden, die Grafschaften Hoya. Diepholz, die Städte Nienburg u. Lüneburg zeitweilig zu den Departements Elb- u. Wesermündung des Kaiserthums Frankreich, während H., Celle, Uelzen u. Umgegend dem westfälischen [9] Departement Aller, Göttingen dem Leine-, Grubenhagen u. der hannöversche Harz dem westfälischen Harzdepartement zugetheilt waren. Ende 1813 wurde H. von den Alliirten besetzt u. sogleich unter eine britische Verwaltung gestellt. Der Wiener Congreß schlug noch Ostfriesland, Hildesheim, Aremberg-Meppen, das Eichsfeld u. einige andere Parcellen in Westfalen zu dem früheren H., wogegen Lauenburg an Preußen abgetreten wurde, welches es wieder an Dänemark überließ; zugleich ward das Kurfürstenthum zu einem Königreich erhoben.
IV. Hannover als Königreich, 1815 bis zu der Trennung von England 1837. König Georg III. war während des Kriegs in unheilbare Geisteskrankheit verfallen, u. sein ältester Sohn Georg führte währenddem als Prinz-Regent die Regierung. An dem Feldzuge von 1815 nahmen die Hannoveraner rühmlichen Antheil; ein beträchtliches Corps derselben stand unter den Befehlen des Herzogs v. Wellington bei der Nordarmee in Belgien u. focht mit bei Waterloo. 1820 st. Georg III., u. ihm folgte sein ältester Sohn, der bisherige Prinz-Regent Georg IV. Auf dem Wiener Congreß hatte der Minister Graf Münster, dem die Leitung der hannöverschen Angelegenheiten u. der Vortrag derselben beim damaligen Prinz-Regenten übertragen war, das constitutionelle Princip in liberalem Sinne vertreten, u. H. hatte zuerst Hand an die Ausführung desselben gelegt, denn schon am 24. August 1814 berief der Prinz-Regent eine allgemeine Ständeversammlung für das Königreich H., die auch wirklich am 5. Dec. zusammentrat u. am 16. Dec. von dem jüngsten Sohne Georgs III., Frederick Adolphus, Herzog v. Cambridge, feierlich eröffnet wurde. Zwar beruhte die Constitution von 1814 (eine octroyirte) ganz auf den alten Feudalprincipien u. strebte nur die sehr verschiednen Verfassungen der einzelnen Provinzen, die zum Theil erst hannöverisch geworden waren, zu einem Ganzen zu verschmelzen; daher wählten die Provinzialstände, Stifter u. Städte, u. der erste Landtag war aus 10 Deputirten der alten geistlichen Stifter, aus 43 ritterschaftlichen, 29 städtischen u. 3 nichtadligen Deputirten (letztere aus den bremer Marschländern, der Grafschaft Hoya u. dem Lande Hadeln) zusammengesetzt; indessen erwartete man, daß dieselbe nur ein Übergang zu einer neuen vollkommnern sein werde, besonders da der Herzog von Cambridge in der Eröffnungsrede sagte, daß die allgemeine Ständeversammlung gerade das für H. sein solle, was das Parlament für England wäre. Anfangs erfolgte indessen hievon nichts; die eingetretenen Reactionen in Beziehung auf die ständischen Angelegenheiten in dem größten Theil des übrigen Deutschlands schienen auch auf den Grafen Münster u. auf die Minister in H. eingewirkt zu haben, der Geschäftsgang der Ständeversammlung war ganz der frühere, nur der Herzog von Cambridge wurde am 24. October 1816 zum Generalgouverneur von H. ernannt. Erst am 5. Januar 1819 erschien ein Rescript des Prinz Regenten, begleitet von speciellen Bestimmungen des Ministeriums, wie das Rescript auszuführen sei, u. verordnete die Constitution von 1819. Zwar sollten die eben damals versammelten Stände hierbei ihre Gesinnung zu erkennen geben, aber das Rescript war in so bestimmten Ausdrücken verfaßt, daß die allgemeine Ständeversammlung, nachdem sich wenige Einzelnstimmen über einzelne Artikel der neuen Verfassung hatten vernehmen lassen, keinen Anlaß zur weitern Deliberation fand u. nach zwei Erwiderungsschreiben am 22. Mai 1819 auseinander ging. Die neue Constitution trat den 7. Dec. 1819 ins Leben. Die Provinzialstände bestanden in der bisherigen Form fort u. beriethen sich über specielle Angelegenheiten ihrer Provinz. Die Ständeversammlung, zum Theil aus ihnen hervorgehend, theilte sich in zwei Kammern, die erste: 3 Fürsten, 3 Grafen, 2 katholische Bischöfe, 3 protestantische Äbte, Majoratsherrn, der Präsident u. die adligen lebenslänglichen Mitglieder des Steuercollegiums u. die Ritterschaft (35 Abgeordnete, von jeder der 7 Landdrosteien 5); die zweite: Universität, geistliche Deputirte von 6 Stiftern u. 2 Consistorien, Städte (31 Deputirte), bürgerliche Gutsbesitzer (22 Deputirte). Die Stände hatten das hergebrachte Recht der Steuerbewilligung, die Mitverwaltung u. das Recht der Berathung bei neuen Landesgesetzen. Die Sitzungen waren nicht öffentlich, die Verhandlungen wurden zwar gedruckt, kamen aber nicht in den Buchhandel. Ein neues Grundgesetz ward nicht gegeben, sondern jeder Satz des Staatsrechts mußte aus den einzelnen Provinzialverfassungen entnommen werden. Das hannöversche Volk nahm wenig Antheil an dieser Verfassungsänderung. Die Versammlungen fanden regelmäßig Statt u. gingen ihren ruhigen Gang fort, u. es geschah nichts Wichtiges, außer daß ein königliches Edict vom 26. October 1822 die neue Rechtspflege u. Staatsverwaltung bestimmte; ihm folgten noch mehrere ähnliche Edicte. Diesen zu Folge wurde unter andern das Königreich H. in 6 Landdrosteibezirke u. 1 Berghauptmannschaft u. in 5 Steuerdirectionen getheilt, wie es noch jetzt besteht (s. Hannover, Geogr.).
Georg IV. st. im Juni 1830, ohne Söhne zu hinterlassen, u. ihm folgte sein Bruder, der bisherige Herzog von Clarence, als Wilhelm I. in H. (als Wilhelm IV. in Großbritannien). Die Nachklänge der Julirevolution in Frankreich 1830 äußerten sich kurz darauf, wie in halb Europa, so auch in H. Im Jan. 1831 zeigten sich Unruhen in Osterode u. Göttingen (s. b.), die durch Einschreiten von Truppen gestillt wurden, u. in deren Folge zwei daran betheiligte Führer des Aufstands, deren man habhaft geworden war, König u. Freitag, später, nach fünfjähriger Hast, zu fünf Jahren Zuchthaus, andere, wie Rauschenplatt etc., die entkommen waren, zu ähnlichen Strafen in contumaciam verurtheilt wurden. Um der allgemeinen Aufregung, die sich auch nach Beilegung derselben im ganzen Lande zeigte, zu begegnen, entließ König Wilhelm im Febr. 1831 den bisherigen dirigirenden Minister in den hannöverschen Angelegenheiten, Graf Münster, u. ernannte den bisherigen Gouverneur des Königreichs, Herzog v. Cambridge zum Vicekönig von H. mit ausgedehnterer Vollmacht. Der Herzog von Cambridge war für allmälige Reformen, um weitere Revolution zu vermeiden, gleichen Sinnes war Wilhelms I. Ministerium. Aber als die am 7. März 1831 berufene, durch mehrere liberale Elemente verstärkte Ständeversammlung erklärte, daß eine neue Änderung der Verfassung dringend nöthig sei, erklärte das Ministerium am 16. Juni 1831, daß ein neues Grundgesetz ausgearbeitet werden[10] solle, u. am 24. Juni wurde die Ständeversammlung aufgelöst u. unter dem Vorsitz des Staats- u. Cabinetsministers v. Schulte eine Commission von 7 landesherrlichen Commissarien u. 14 ständischen Abgeordneten zu Berathung des Grundgesetzes nach H. gerufen. Am 13. Febr. 1832, als ihre Arbeit vollendet war, löste sich diese Commission auf, u. die ständische Versammlung wurde nach der bisherigen Weise, jedoch auf königlichen Befehl durch 15 Deputirte der Bauernschaft verstärkt, auf den 20. Mai 1832 wieder einberufen. Der Verfassungsentwurf wurde nun in dieser constituirten Versammlung berathen u., obgleich nicht ohne Widerspruch der hohen Aristokratie mit einigen Veränderungen als neues Staatsgrundgesetz anerkannt u. am 26. September als Constitution von 1833 vom König Wilhelm angenommen. Vermöge derselben, welche die gewöhnlichen Bestimmungen über die Souveränetät, die persönliche Unverantwortlichkeit des Königs, sein Verhältniß zum Deutschen Bund u. über den eventuellen möglichen Fall einer Regentschaft enthielt, sollten Provinziallandschaften für Kalenberg, Göttingen, Grubenhagen, Lüneburg, Hoya u. Diepholz, Bremen u. Verden mit Hadeln, Osnabrück, Hildesheim, mit der Stadt Goslar, Ostfriesland u. das Harlingerland bestehn; die Stände sich ferner in zwei, ihren Rechten u. Befugnissen nach sich ganz gleiche Kammern theilen; die erste Kammer sollte aus den königlichen Prinzen u. den Häuptern der Nebenlinien des königlichen Hauses u. aus den Majoratsherrn, Standesherrn, den Erbämtern, den katholischen Bischöfen, einigen protestantischen Geistlichen, aus den 35 jedesmal zu erwählenden Deputirten der 7 Ritterschaften u. aus 4 vom Könige zu ernennenden Mitgliedern bestehen; zu der zweiten Kammer sollten dagegen gehören die durch 6 Stifte, mit Zuziehung der höhern Geistlichen, Prediger u. Schulmänner, zu erwählenden 3 Mitglieder (doch mußten mindestens unter diesen 2 protestantische Geistliche od. Schulmänner sein), ferner 3 vom König wegen des Klosterfonds zu ernennende Mitglieder, 1 Deputirter der Landesuniversität, 2 Deputirte des evangelischen Consistoriums, 1 Deputirter des Domcapitels zu Hildesheim, 37 Deputirte von gewissen, namentlich aufgeführten Städten u. Flecken, 38 der übrigen Städte u. Flecken, der Freien u. des Bauernstandes. Die Bestimmung des Vermögens u. der Religion, des Lebensalters etc. der zu Wählenden war fast die der Verfassung von 1819. Die Steuerbewilligung der Stände sollte an keine Bedingung geknüpft sein, die nicht deren Wesen u. Verwendung unmittelbar betraf, die oberste Leitung der Regierung unter dem König od. dessen Stellvertreter sollte vom Ministerium wahrgenommen werden, dessen Mitglieder für jede von ihnen contrasignirte Verfügung, welche das Staatsgrundgesetz verletzte, dem König u. dem Lande verantwortlich wären; das Domanialvermögen sollte Krongut sein, der König alle Rechte daran behalten u. ihm davon jährlich 500,000 Thlr zu Bestreitung der Hofhaltung gesichert bleiben; das Land keine Ermäßigung, der König dagegen keine Erhöhung verlangen dürfen, u. der Überschuß in die öffentlichen Kassen fließen, auch sollte er außerdem die Zinsen eines in der englischen Bank liegenden Capitals von 600,000 Pf. beziehen. Anklagen der Minister sollte allein das Oberappellationsgericht in Plenarversammlung entscheiden, ohne daß gegen diesen Ausspruch Appellation einzulegen wäre, etc. Die Stände hatten die jährlichen Budgets zu prüfen; Schulden konnten nur im Nothfall ohne ständische Bewilligung bis zum Betrag von 1 Mill. Thlr. gemacht werden; eine gewisse Summe sollte jährlich zur Tilgung der Landesschulden verwendet werden; die Stände hatten das Recht der Erlassung, Aufhebung, Abänderung u. Erläuterung allgemeiner Landesgesetze u. die Initiative gemeinschaftlich mit der Regierung; Öffentlichkeit der ständischen Sitzungen war Grundsatz, doch konnte die Kammer beschließen, ob Zuhörer zugelassen werden sollten od. nicht. Jedes Jahr sollten die Stände einberufen werden, die Wahlen galten auf sechs Jahre, nach deren Verlauf durch das ganze Land neu gewählt werden sollte; außerdem konnte der König die Versammlung auflösen, wo dann auch von Neuem gewählt werden sollte. Sicherheit der Person u. des Eigenthums, Freiheit der Presse (doch mit Berücksichtigung der Beschränkungen des Bundestags), Unabhängigkeit der Rechtspflege, Glaubens- u. Gewissensfreiheit waren verheißen. Ausnahmegerichte waren unzulässig, u. der privilegirte Gerichtsstand sollte bei der Umschmelzung der Rechtspflege dann aufhören. Diese neue Verfassung unterschied sich von der 1810 durch die Gleichstellung der beiden Kammern, durch die Hinzufügung von mehreren Deputirten aus den nicht bevorzugten Ständen, durch Verantwortlichkeit der Minister, durch ausgedehntere Bevollmächtigung bei Steuerbewilligung u. Gesetzgebung u. mannichfache Beschränkung des Königs in Rücksicht auf die Domänen, auch dadurch, daß sie Öffentlichkeit der Verhandlungen u. Freiheit der Presse wenigstens in Aussicht stellte; dennoch gab sie noch mehrere der Zugeständnisse, welche in andern constitutionellen Verfassungen bestanden, bes. hinsichtlich der Steuerbewilligung, nicht u. befriedigte daher alle Parteien keineswegs. Auf der andern Seite hatte man Seitens des Ministeriums unterlassen, den präsumtiven Kronerben, den ältesten Bruder des Königs, den Herzog v. Cumberland, wie sie von den beiden andern noch lebenden Söhnen Georgs III., dem Herzog von Sussex u. dem von Cambridge erfolgt war, zur Einwilligung in die Verfassung von 1833 zu bewegen, welche Zustimmung doch von allen Thronerben bei andern Constitutionen eingeholt zu werden pflegt, bevor dieselben proclamirt werden. Man beschäftigte sich nun zunächst bei den neuen Ständen, 1834 mit der bereits vor der Erscheinung des Grundgesetzes ausgesprochenen Ablösung der Grundlasten, mit der Einführung des preußischen (14 Thaler-) Münzfußes u. bestimmte, daß die Münzen, obschon von verschiedenem Silbergehalt, doch gleiche Geltung bekommen sollten, im Gegensatz des preußischen, mit einem Zollvertrag mit Braunschweig u. dgl. 1835 beschäftigten dieselben Gegenstände u. die Hypothekenordnung, die Reducirung des Militäretats, die Vertilgung des übermäßigen Wildstandes etc., die Kammern. Der Vorschlag einer Eisenbahn von H. nach Hamburg u. Bremen u. östlich nach Braunschweig, Magdeburg u. Sachsen, scheiterte an der Abneigung der Kammern hiergegen, u. selbst ein Expropriationsgesetz kam nicht zu Stande. 1836 beschäftigten sich die Stände mit Berathungen über den Anschluß Oldenburgs an den hannöverschen Zollverband, mit einem [11] Regulativ über Maß u. Gewicht, mit Abänderungen im Apanagegesetz, mit Emancipation der Juden, um dieselbe, wenn auch nicht wahlfähig für die Stände, doch zu allen Gewerben fähig zu machen, u. mit Regulirung des Volksschulwesens, worüber aber nach langen Debatten kein Gesetz zu Stande kam; 1837 aber mit den Dienstregulativen, durch welche 160,000 Thlr. auf Kosten der Aristokratie erspart werden sollten u. wodurch der Schatzrath abgeschafft u. mit dem Ministerium der Finanzen vereint wurde. Letzteren von der Regierung begünstigten Gesetzentwurf unterbrach der Tod des Königs Wilhelm. Er hatte noch am 19. Nov. 1836 ein neues Hausgesetz gegeben, das sowohl auf die ältere Linie Braunschweig, als auf die eventuellen, prätendirten Ansprüche des Obersten Aug. Friedrich v. Este (s.d.) umsichtig Rücksicht nahm. Dem König Wilhelm folgte nach englischen Gesetzen in Großbritannien die Tochter des verstorbenen älteren Herzogs von Kent, Victoria, während die Erbfolge in H., wo das Salische Gesetz u. demnach die Erbfolge des Mannsstamms noch Geltung hatte, wie nach dem neuen Hausgesetz, dessen nachfolgendem Bruder, dem Herzog v. Cumberland, zustand, welcher als König Ernst August succedirte.
V. Hannover als selbständiges Königreich, 1837, bis zur Gegenwart. Ernst August war von jeher das Oberhaupt der Tories in England gewesen, es hatte schon 1833 von einer förmlichen Protestation desselben gegen die, ohne seine Zustimmung als Kronerbe aufgestellte neue Verfassung verlautet, u. obgleich das hannöversche Ministerium von derselben nichts zu wissen vorgab, hatte doch das unsichere Benehmen dieses letzteren u. der eifrigsten Anhänger der Constitution, bes. in der letzten Zeit, gezeigt, daß sie besorgten, daß der Herzog von Cumberland, nach seiner Thronbesteigung, gegen die Constitution auftreten werde, auch die Bestimmtheit, mit der die aristokratische Opposition in der ersten Kammer gegen die Regierungsmaßregeln auftrat, vermuthen lassen, daß etwas gegen die Constitution von 1833 unternommen werden würde. Dessen ungeachtet nahmen die Anhänger der Constitution den Schein an, als hegten sie die besten Hoffnungen. In der That vertagte Ernst August schon den Tag nach seinem Einzuge in H., am 28. Juni 1837, die Stände, ernannte kurz darauf von Schele zum Cabinetsminister u. erließ ein Patent vom 5. Juli 1837, in dem er erklärte, daß das Staatsgrundgesetz von 1833 für ihn nicht rechtlich bindend sei u. zugleich in mancher Hinsicht demjenigen, was er nach den Bedürfnissen des Landes für zweckmäßig halte, nicht entspreche. Der König setzte kurz darauf eine Commission unter dem Minister von Schele nieder, zur Untersuchung der Frage: ob er durch das Grundgesetz gebunden sei, erklärte darauf am 1. Nov. 1837, daß sich seine Überzeugung über das Grundgesetz von 1833 nur noch mehr befestigt habe, hob deshalb die Verfassung von 1833 auf u. ließ die Staatsdiener des darauf geleisteten Eides entbinden. Schon am 30. Oct. waren die bisherigen Staats- u. Cabinetsminister, von Stralenheim, von Schulte, von Alten u. v. d. Wische, als solche entlassen, aber als Departementsminister wieder angestellt worden. Die Verfassung von 1819 trat nun wieder in Gültigkeit, doch sollten die von der Ständeversammlung seit 1833 gegebenen Gesetze in Wirksamkeit bleiben, Stände aber künftig nur alle 3 Jahre einberufen, auch die Befugnisse der Provinzialstände erweitert werden. Es sollte eine Berathung über eine neue Verfassung auf die von 1819 begründete, durch die neuen Stände erfolgen, u. zugleich versicherte der König vom Ertrag des Domanialvermögens so viel an die Landeskassen abgeben zu wollen, als die Umstände zuließen. Nur die Veröffentlichung der Anträge u. der Resultate der Abstimmungen durch den Druck wurden gestattet; etwas später verkündigte die Regierung einen Steuererlaß von 100,000 Thlrn. vom 1. Juli 1838 an. Als nun der König am 14. Nov. von allen Staatsdienern, später auch von Advocaten, die Einsendung von Dienst- u. Huldigungsreversen verlangte, erklärten 7 Göttinger Professoren (Dahlmann, Wilh. u. Jak. Grimm, Gervinus, Ewald, Weber u. Albrecht) am 18. Nov., daß sie, da sie eidlich an das Staatsgrundgesetz gebunden wären, den Huldigungseid nicht leisten u. daher auch zu den neuen Wahlen nicht stimmen könnten. Sofort wurden die 7 Professoren entlassen, Dahlmann, Jak. Grimm u. Gervinus des Landes verwiesen u. erklärt, daß wer am 14. Dec. nicht den Huldigungsrevers unterzeichnet habe, als entlassen zu betrachten sei. Am 11. Januar 1838 wurde die allgemeine Ständeversammlung nach der Constitution von 1819 auf den 20. Febr. d. J. berufen, um ihr den Entwurf zu einem neuen Staatsgrundgesetz vorzulegen. Der früher organisirt gewesene Schatzrath sollte aber für den Augenblick nicht wieder organisirt werden, auch die Vertretung der Städte, der freien nichtadeligen Grundbesitzer u. der Bauernschaft sollte nicht nach den Grundsätzen der Verfassung von 1819, sondern nach der königlichen Bestimmung vom 22. Febr. 1832 stattfinden. Zugleich wurde auch die Armee neu organisirt, aus 4 Cavallerieregimentern zu 6 Schwadronen, 8 zu 3 Schwadronen gebildet, u. die Infanterie in 8 Regimenter zu 2 Bataillonen u. in 4 leichte Bataillone eingetheilt. Die Wahlen zu dem neuen Landtage gingen sehr langsam vorwärts; manche Städte, wie Osnabrück u. Minden, erklärten, gar nicht wählen zu wollen, od. konnten zu keinem Resultate kommen, u. als am 20. Febr. 1838 die Ständeversammlung feierlich eröffnet wurde, fehlte selbst der Vertreter der Hauptstadt, dessen Wahl, da sie mit dem Vorbehalt geschehen war, daß die Hauptstadt die Verfassung von 1833 noch zu Recht beständig anerkenne, von der Regierung verworfen worden war. Eben so fehlten die Abgeordneten der Stadt u. Universität Göttingen, u. die von Lüneburg u. Hildesheim protestirten gleich in den ersten Sitzungen gegen die Competenz der Kammer u. reisten wieder ab. Der Entwurf zur neuen Staatsverfassung wurde den Kammern gleich nach, durch den König in Person geschehener Eröffnung ihrer Sitzungen vorgelegt, aber mit der Erklärung, daß der König auf den Fall, daß die Stände dieselbe nicht annehmen würden, von dem im §. 8 des königlichen Patents von 1819 enthaltenen Vorbehalte Gebrauch machen u. in der Organisation der allgemeinen Ständeversammlung die Veränderungen eintreten lassen würde, welche er für nothwendig hielte. In der zweiten Kammer kam zuerst die Frage wegen der Competenz der jetzigen Versammlung zur Sprache, wurde aber zurückgeschoben, jedoch mit dem Vorbehalte, daß sie dadurch nicht präjudicirt[12] werden solle, endlich aber doch bejahend entschieden. Die Regierung hatte die Fortdauer der jetzt bestehenden Steuern auf 3 Jahre verlangt, beide Kammern aber bewilligten sie nur auf 1 Jahr u. trugen auf Vertagung der Ständeversammlung an, bis ihre Commissionen den Bericht über das neue Grundgesetz beendigt hätten; aber der König bewilligte ihnen blos 12 Tage Osterferien. Als jedoch am 23. April 1838 die Kammern wieder eröffnet wurden, waren so wenig Mitglieder versammelt, daß die Berathungen erst am 3. Mai beginnen konnten. In dieser Zwischenzeit hatte sich übrigens die Lage der Sachen geändert; die Städte, die noch nicht vertreten waren, hatten ihre Wahlen meist nachgeholt u. Anhänger des Grundgesetzes von 1833 in die zweite Kammer gesendet, in welcher jetzt die Opposition eine große Majorität erhielt. Die Stadt Osnabrück hatte sich an den Bundestag gewendet u. diesen um Schutz für die Verfassung von 1833 gebeten, u. mehrere andere Städte folgten diesem Beispiele; selbst der Magistrat u. die Bürgervorsteher der Hauptstadt hatten eine Protestation gegen die Aufhebung der Verfassung von 1833 bei den Kammern eingereicht u. weigerten sich diese zurückzunehmen. Am 25. Juni erklärte die zweite Kammer, sie wolle zwar die ihr vorgelegte neue Verfassung berathen, sei aber der Ansicht, daß die Verfassung von 1833 nicht anders aufgehoben od. abgeändert werden könne, als wenn die in dem Staatsgrundgesetz begründete, mit den Anträgen der Stände zu dem neuen Verfassungsentwürfe übereinstimmende Repräsentation, wenn die Provinzialstände dazu ihre Zustimmung ertheilten, gestattet werde, u. am folgenden Tage verwarf sie das ganze neue Grundgesetz mit 35 gegen 22 Stimmen. Darauf wurde am 27. Juni die Ständeversammlung von Osnabrück aus, wo sich der König gerade befand, bis auf Weiteres vertagt. Unterdessen hatte die Stadt Osnabrück neue Schritte gethan, um ihre Ansicht, daß die Verfassung von 1833 noch zu Rechten bestehe, zu vergewissern, u. deshalb juristische Gutachten von den Universitäten in Heidelberg, Jena u. Tübingen eingeholt, die auch, obschon sie im Einzelnen von einander abwichen, im Ganzen bejahend für die Beibehaltung lauteten; diese wurden an das Cabinet eingeschickt, jedoch Ende 1838 erfolgte ein nachdrücklicher Verweis durch Immediatrescript hierauf. Steuerverweigerungen folgten auf diese Maßregeln, Auspfändungen zwangen aber die Verweigernden die Steuern zu zahlen. Alle diese Vorfälle erregten im In- u. Auslande das größte Aufsehen. In mehreren deutschen Staaten wurde in den ständischen Versammlungen über die Aufhebung der hannöverschen Verfassung viel verhandelt, diese Aufhebung gemißbilligt u. die Regierungen gebeten, sich deshalb zu Gunsten der Constitution von 1833 beim Bundestag zu verwenden. Ende 1838 geschah in H. die Umänderung des Geheimenrathscollegiums in einen Staatsrath unter dem Präsidium des Prinzen Bernhard von Solms-Braunfels, in welchem das Wort des Monarchen in letzter Instanz entscheiden sollte.
Die allgemeinen Stände wurden nun wiederum auf den 15. Febr. 1839 einberufen. Es erschien aber die vorschriftsmäßige Zahl der zweiten Kammer wieder nicht, u. daher wurden die Stände vertagt, später aber auf den 28. Mai einberufen, u. da es endlich gelang, die vorschriftsmäßige Zahl zu erlangen, das Budget, das mit dem 1. Juli sonst zu Ende gegangen wäre, bewilligt u. die Stände am 29. Juni entlassen. Die Stellung der Regierung zu den Kammern u. noch mehr zu den Wählern war eine sehr unangenehme geworden, u. vergebens waren die Schritte der Regierung sich jenen zu nähern, da die gegen Einzelne u. gegen Wahlcorporationen eingeleiteten Maßregeln der Mißstimmung neue Nahrung gaben. Dahin gehörte bes. die fortgesetzte Untersuchung über Stüve, den Bürgermeister in Osnabrück, welcher früher Mitglied der Ständeversammlung u. in u. außerhalb derselben für die Opposition sehr thätig gewesen war, u. die Suspension Rumanns, Stadtdirectors in H., dem man vorzüglich den Widerstand der Residenz u. die Eingabe einer Protestation derselben gegen die Aufhebung der Verfassung von 1833 beim Bundestag zuschrieb. Als diese wegen eines Formenfehlers zurückgewiesene Eingabe gleich darauf in der gehörigen Form von der Stadt H. wiederholt wurde u. mehrere ähnliche Eingaben von anderen Städten des Königreichs erfolgten, gab der Bundestag eine Erklärung (Sept. 1839), worin er sich weder für, noch gegen die Rechtsbeständigkeit der Verfassung von 1833 aussprach, aber die Hoffnung zu erkennen gab, daß sich die hannöversche Regierung mit den dermaligen Ständen einigen werde. Dieser Bundesbeschluß wurde in H. durch eine Proclamation bekannt gemacht, auch von den Kanzeln verlesen. Mehrere Ende 1839 eingegangenen Bittschriften, die jetzt bestehenden Stände, deren Wahlen man Ungesetzlichkeit vorwarf, aufzulösen, wurden von der Regierung abschläglich beschieden. Am 10. Febr. 1840 wurde die allgemeine Ständeversammlung auf den 19. März wieder einberufen u. zur Vollziehung der fehlenden Wahlen ermahnt; wirklich sendete die Universität Göttingen u. die Mehrzahl der bisher noch widerstrebenden Städte ihre Deputirten, nur die Städte Hannover, Osnabrück, Celle, Münden, Hameln, Harburg weigerten die Wahl zu ergänzen; die Ständeversammlung begann aber dennoch, als vollzählig, den 19. März ihre Sitzungen. Sie billigte die ihr wieder vorgelegte neue Verfassung am 6. Aug. 1840, nahm das Budget ohne Widerspruch an u. wurde, nachdem dies geschehen war u. sie das neue Criminalgesetzbuch mit dem strengen Wilddiebsgesetz angenommen u. dem Könige eine Dankadresse überreicht hatte, am 21. Aug. aufgelöst. Auch gab der Kronprinz, nach Annahme der Verfassung, eine förmliche Erklärung, daß er mit derselben einverstanden wäre u. dieselbe, wenn er einst zur Regierung käme, nicht ändern werde. Mit diesen Maßregeln waren jedoch die dissidirenden Städte nicht zufrieden; sie wandten sich vielmehr mit einer neuen Protestation gegen die neue Verfassung u. mit der Bitte, um Auslegung einer zweifelhaften Stelle in dem Bundestagsbescheid vom Sept. 1839, an den Bundestag, jedoch ohne etwas Anderes als ernste Rügen Seitens der Regierung zu erlangen, welche Rügen auch den ostfriesischen Provinziallandtag, der mit einer Protestation gegen die neue Verfassung begann u. der sogleich wieder aufgelöst wurde, trafen. Die durch den drohenden Ton Frankreichs hervorgerufenen Rüstungen Deutschlands, seit dem Julivertrage von 1840, wurden in H. bes. lebhaft betrieben, u. hier zuerst die Aus- u. Durchfuhr von Pferden nach Frankreich verboten.[13] Sogleich erfolgten lebhafte Reclamationen des französischen Gesandten, die aber, als dieselbe Maßregel von allen deutschen Bundesstaaten ergriffen wurde, von selbst verstummten.
Das Jahr 1841 begann mit neuen Petitionen der Osnabrückschen Provinziallandstände, die Stände nach dem Grundgesetz von 1833 einzuberufen, doch erfolglos, sie wurden vielmehr nach den Bestimmungen von 1840 am 2. Juli berufen, aber auch hier wollte die zweite Kammer in einer Adresse um die Verfassung von 1833 einkommen u. erklärte, daß die Rathgeber der Krone das Vertrauen der Stände nicht besäßen. Die erste Kammer erklärte sich dagegen hiermit nicht einverstanden, u. es erfolgte die Auflösung beider Kammern am 30. Juni. Das Budget wurde vermöge der neuen Verfassung auf 3 Jahre als fortbestehend erklärt, neue Wahlen von der Regierung angeordnet u. die entschiedensten Maßregeln genommen, daß diese im Sinne derselben ausfielen. Die so der Regierung mehr günstige zweite Ständeversammlung von 1841 wurde am 2. Dec. eröffnet. Die entschiedensten früheren Gegner der Regierung (Stüve, Christiani, Buddenberg, Rost etc.) waren zu derselben nicht zugelassen worden. Außerordentliche Verhältnisse hatte diese Ständeversammlung zu berathen, so die durch den Anschluß Braunschweigs an den großen Deutschen Zollverein eingetretenen Handelsverhältnisse u. die dadurch bewirkte Trennung der Fürstenthümer Göttingen u. Grubenhagen, so wie der Grafschaft Hohnstein durch Zollgebiet von dem hannöverschen Hauptlande, die projectirten Eisenbahnen u. die Erhöhung des Militäretats. In ersteren beiden Angelegenheiten stimmten die Kammern ganz so, wie es die Regierung wünschte, welche vor der Hand keinen Anschluß an den Deutschen Zollverein beabsichtigte u. die Nothwendigkeit der Eisenbahnen dringend fühlte. In der Militärangelegenheit waren jedoch die Kammern gegen den Antrag der Regierung u. gestanden nicht nur die bedeutenden hierzu verlangten Summen nicht zu, sondern verlangten sogar eine Reduction des Cavallerie- u. Artillerieetats, worauf nur der Artillerieetat etwas beschränkt wurde. Übrigens trat diese Ständeversammlung minder schroff gegen die Regierung auf als die frühere; die Wiederherstellung der Verfassung von 1833 kam nicht wieder in Antrag, u. aller Widerstand beschränkte sich auf Hinweisung auf die Verfassung von 1840. Am 14. Juni 1842 wurde die Ständeversammlung wieder vertagt. Am 3. Juli 1841 starb die Königin Friederike, welche nicht ohne Einfluß auf die Regierungsmaßregeln ihres Gemahles gewesen sein soll. Da ihr einziger Sohn mit dem König Ernst August, der Kronprinz Georg (geb. 1819), durch Augenkrankheit in den Kinderjahren der Sehkraft beraubt worden war, so wurde für eventuelle Fälle durch Patent vom 17. Juli 1841 festgesetzt, wie die Unterschrift des einstigen Königs, wenn er blind bliebe, durch vier Zeugen verificirt werden solle. 1842 übertrug ihm der König bei einer mehrwöchentlichen Reise die Regierung in seinem Namen unter gewissen Beschränkungen. 1842 kam der oft angeregte Stader (Brunshäuser) Zoll, welchen H. am Ausstuß der Elbe nicht als Elb-, sondern als Seezoll erhebt, wieder zur Sprache, u. es wurde bekannt, daß H. mit England einen Vertrag geschlossen habe, wodurch H. große Vortheile zugestanden wurden. Da jedoch in England sich gewichtige Stimmen gegen diesen Vertrag erhoben, so fand sich das Ministerium Peel bewogen, denselben noch vor der Ratification wieder aufzulösen (doch dauern die Verhandlungen wegen dieses Zolls noch gegenwärtig mit England fort). Ende 1842 trat eine Elbschifffahrtscommission zusammen, welche die bes. auf hannöverscher Seite sehr versandete Elbe rectificiren u. die Schifffahrt durch Austiefung des Elbbettes befördern sollte Am 26. Juli 1842 verlobte der Kronprinz sich mit der Prinzessin Marie von Sachsen-Altenburg, u. die Vermählung wurde am 18. Febr. 1843 vollzogen. Auf einer Reise nach England, Ende Mai, leistete der König der Souveränin von England den Unterthaneneid u. erschien als englischer Peer im Oberhaus. Im Jahr 1843 erfolgte der Abschluß eines Elbverkehrvertrages mit Dänemark, eines Vertrages über die Emsschifffahrt mit Preußen u. die Aufhebung des Emszolles. Wieder aufgenommene Verhandlungen wegen Anschlusses an den Deutschen Zollverein endigten mit der Unterbrechung des Verkehres mit den Staaten des Zollvereines, indem Emden zu gleicher Zeit zum Freihafen erklärt wurde.
Im Sept. 1844 starb der Haupturheber der Verfassungswirren, Cabinetsminister Freiherr v. Schele, worauf von Falcke an die Spitze des Cabinets trat, der dasselbe System in feinere Formen kleidete. Auf den am 21. März 1844 zusammengetretenen Landtage wurde der Bau der hannöverschen Eisenbahnen nach Braunschweig, Hamburg, Bremen geregelt, dazu u. zu den Harburger u. Brunshäuser Hafenbauten die Mittel bewilligt u. ein Schulgesetz zu Stande gebracht, wonach der geringste Gehalt der Volksschullehrer auf jährlich 80 Thlr. festgesetzt wurde. Ihr Bewilligungsrecht wahrten die Stände nach Kräften, sogar die erste Kammer drang auf weitere Specialisirung des Budgets. Die hervorragendsten Gegner der bestehenden Verfassung waren aus dem Ständehause ausgeschlossen u. die Ständeverhandlungen wurden ohne Nennung der Redner u. Antragsteller, gegen den Wunsch der Stände, veröffentlicht. Mit Braunschweig wurde (6. Mai 1844) ein Vertrag über den Verkehr auf den Eisenbahnen abgeschlossen, mit Lübeck (14. Febr.) ein Schifffahrtsvertrag auf 10 Jahre, in London (22. Juli) ein Handels- u. Schifffahrtsvertrag mit Großbritannien mit vielfacher Ermäßigung des Brunshäuser Zolles, mit den übrigen Elbuferorten in Dresden (13. April) ein Vertrag zur Feststellung des Stader Zolles. Nachdem die Eisenbahn zwischen H. u. Braunschweig am 26. Mai eröffnet worden war, sah man sich doch veranlaßt, durch einen zwischen H. einerseits u. Preußen u. H. andrerseits zu Stande gekommenen Vertrag (16. Oct. 1845) das frühere bundesfreundliche Vernehmen wiederherzustellen. Die Aufhebung der Verfügung, welche Justizbeamte von den Ständekammern ausschloß, die bisher unterlassene Einberufung der Provinzialstände des Fürstenthums Osnabrück, endlich die Begnadigung des letzten politischen Gefangenen vom Jahr 1831, des Advocaten Seidensticker, zur Auswanderung nach Amerika (8. Oct. 1845), nachdem am 21. Sept. 1845 ein Erbprinz geboren worden war, bewiesen, daß im Lande sich eine ruhigere Stimmung geltend gemacht hatte. Der 1844 zum ersten Male auftauchende Deutschkatholicismus wurde von der Regierung mit strengen Maßregeln fern von H. gehalten u. fand hier keinen Boden. Eine königliche Verordnung[14] vom 6. Juli 1845 bestimmte, daß Alle, die ohne besondere Erlaubniß ihre katholisch-theologischen Studien außerhalb Deutschlands machten, nie im geistlichen od. Lehrfache angestellt, überhaupt dem Clerus der hannöverschen Diöcesen nicht zugezählt werden dürften. Die allgemeine Ständeversammlung trat am 15. Dec. zusammen.
Schon im Jahr 1845 begann die Regierung ohne Mitwirkung der Stände in den bedeutendsten Städten, darunter Celle u. Lüneburg, neue Stadtverordnungen einzuführen, wodurch der Regierungsgewalt ein tiefgehender Einfluß auf die Gemeindeangelegenheiten gesichert, die Polizeiverwaltung den städtischen Behörden entnommen u. das Recht der Verwerfung den Gemeindewahlen vorbehalten wurden. Im Jahr 1846 wurden endlich die langjährigen Streitigkeiten zwischen der Regierung u. der ostfriesischen Landschaft durch den vom 16. bis 23. Febr. abgehaltenen Provinziallandtag erledigt, wodurch der Provinz ein eigener Landtag, sowie ein fortdauernd versammelter ständischer Ausschuß zugestanden, ihr auch der vor der Vereinigung mit H. bestandene Rechtszustand vorbehalten wurde, wenn die allgemeine Ständeversammlung an ihrer Wirksamkeit verhindert wäre. Die Vorlagen der Regierung an die Ständeversammlung waren eine neue Gewerbeordnung, welche das Zunftwesen beibehielt, aber wesentlich im Sinne der Neuzeit änderte, ein Polizeistrafgesetz u. Gesetze zur Vervollständigung der Eisenbahnen; sie wurden von beiden Kammern genehmigt. Ein ständischer Antrag vom Jahr 1846, auf Öffentlichkeit der ständischen Verhandlungen, wurde von der Regierung zurückgewiesen. Am 27. Dec. trat an die Stelle des verstorbenen Finanzministers von Schulte Graf Kielmansegge ins Ministerium. Unterdessen war durch die Öffentlichkeit die Bedeutung der übrigen deutschen Kammern so erstarkt, daß sich die Wirkung davon im Jahr 1847 auch in der Ständeversammlung von H. fühlbar machte. Nur mit Mühe gelang es der Regierung, einen auf der Grundlage der Geheimhaltung u. Schriftlichkeit ruhenden Civilproceßgesetzentwurf durchzubringen, nachdem das Verlangen nach Öffentlichkeit u. Mündlichkeit u. der Wunsch eines deutschen Gesetzbuches Ausdruck gefunden hatte. Die Bedrängung Schleswig-Holsteins durch die Dänen rief in der zweiten Kammer einen lauten Wiederhall hervor. Noch einmal wurde das Verlangen der verlorenen ständischen Öffentlichkeit von beiden Kammern an die Regierung gebracht, allein der König erklärte sich dagegen. Die Eisenbahnbauten wurden rasch gefördert u. den Handelsinteressen durch Verträge mit dem Auslande, namentlich der Nordamerikanischen Union, u. durch Errichtung der Freihäfen Harburg u. an der Geeste ganz besondere Rechnung getragen; allein die Haltung der Regierung in Frage der inneren Politik rief von neuem eine gereizte Stimmung hervor; selbst die Adelskammer nahm Anstoß daran. Im Mai starb der Cultusminister von Stralenheim u. wurde durch Graf von Wedel ersetzt. Am 15. Oct. fand die Eröffnung der Eisenbahn zwischen H. u. Minden statt. Nach der verfassungsgemäßen Auflösung der seit 6 Jahren thätigen Ständeversammlung zeugten die Neuwahlen (Nov. 1847) von einer lebhaften Theilnahme der Bevölkerung; viele Anhänger der Verfassung von 1833 wurden zu Abgeordneten gewählt, dagegen der Theilnahme des Beamenstandes an den Kammerverhandlungen möglichst vorgebeugt. Die abschlägige Antwort der Regierung auf das von Seiten Hildesheims geäußerte Verlangen der Öffentlichkeit der städtischen Verhandlungen, das Verbot der Turnvereine (Jan. 1848), die polizeiliche Überwachung der Liedertafeln u. Lese- u. Gesangvereine (Febr. 1848) gingen dem ein paar Wochen darauf eintretenden Umschlag der Dinge voraus.
Nach der Pariser Revolution vom Febr. 1848 trat die Stadt H. am 3. März mit einer Petition um schleunige Berufung der Stände, Preßfreiheit, Volksvertretung bei dem Bunde, Errichtung von Bürgerwehr u. freies Versammlungsrecht hervor. Der König gestand nicht einmal die vom Bundestage verkündigte Preßfreiheit zu, erklärte eine Volksvertretung am Bundestage unvereinbar mit dem monarchischen Princip u. versprach nur die Einberufung der kurz vorher vertagten Stände auf den 28. Mai. Das Benehmen der Polizei der aufgeregten Bevölkerung, bes. den Göttinger Studenten gegenüber, erbitterte immer mehr, u. als trotzdem der König in einer Proclamation vom 14. März die Meinung aussprach, daß die Bewegung von fremden Unruhstiftern ausgehe, nahm das Andringen des Volkes, durch die Ereignisse in Wien u. Berlin unterstützt, bereits einen so entschiedenen Charakter an, daß der König am 17. März, nachdem eine gewaltige Volksmenge die Deputationen der Stadt Hannover u. Hildesheim bis vor das Schloß begleitet hatte, nachgab u. Preßfreiheit, Öffentlichkeit der Ständeverhandlungen, freies Versammlungsrecht, vollständige Wiedereinsetzung aller politisch Verfolgten in ihre bürgerlichen u. politischen Rechte, die Vorlage volksthümlicher Gesetze u. die Wiedervereinigung der königlichen u. Landeskasse, also im Wesen die Herstellung u. Erweiterung der Verfassung von 1833 bewilligte. Minister von Falcke kam selbst um seine Entlassung ein, die ihm u. den übrigen Ministern am 19. März gewährt wurde. Es erfolgte die Aufhebung des königlichen Cabinets u. die Überweisung der Geschäfte an ein verantwortliches Ministerium, welches unter dem Vorsitze des Grafen von Bennigsen (Minister des Äußern), aus Prott (Krieg), Stüve (Inneres), Braun (Cultus), Lehzen (Finanzen u. Handel) u. von Düring (für die Justitz) bestand. Die neue Regierung kündigte (22. März) weitere Maßregeln zur Einigung Deutschlands an, Verbesserung der Gerichtsverfassung, Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung, Öffentlichkeit u. Mündlichkeit in bürgerlichen u. in peinlichen Rechtssachen mit Geschworenen, größere Selbständigkeit der Landgemeinden, Erlassung einer Städteordnung mit Polizeiverwaltung durch die Magistrate u. die militärische Unterstützung Schleswig-Holsteins. Einzelne Ausschreitungen von Bauern gegen verhaßte Beamte abgerechnet, war die Volksbewegung eine ruhige u. besonnene geblieben. Das Mißtrauen gegen die am 28. März zusammengetretenen alten Kammern rechtfertigte sich nicht; das drakonische Gesetz gegen Wilddiebe von 1840 wurde aufgehoben; desgl. der die Umgestaltung der Verfassung hindernde Paragraph, worauf man an eine durchgreifende Umarbeitung der Verfassung ging; das Ziel war Abschaffung der Adelsvorrechte, jedoch Beibehaltung zweier Kammern. Die Regierung erließ ein Gesetz vom 16. April über die Haftpflicht für die[15] bei Aufläufen erwachsenden Schäden, ein Preßfreiheitsgesetz vom 3. Mai, ein drittes wegen Abschaffung der adeligen u. gelehrten Bank im Oberappellationsgerichte vom 22. Juni. Während in der Ständeversammlung mehr die inneren Fragen behandelt wurden, wandte man sich außerhalb den allgemeinen deutschen Angelegenheiten zu, deren einheitlichen Entwickelung der König von Anfang an mit Entschiedenheit entgegen war. Am 22. Juni war die Umarbeitung der Verfassung vollendet u. die Bevorrechtung des Adels gefallen. Am 8. Juli wurden die Kammern verlegt u. ihnen bei dieser Gelegenheit die Eröffnung gemacht, daß der König zwar die neue Centralgewalt anerkannt u. die Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser genehmigt habe, sich aber vorbehalte abzudanken, wenn die neue Reichsverfassung der Selbständigkeit des Staates u. der Würde der Krone zu nahe trete. Die hannöverschen Abgeordneten von der Nationalversammlung in Frankfurt sprachen sich hierauf durch Erklärung vom 12. Juli für die Rechtsverbindlichkeit der Reichstagsbeschlüsse aus, während die Regierung nur den zwischen dem Reichstag u. den Regierungen vereinbarten Gesetzen Gültigkeit beilegte. Die vom Reichstage angeordnete militärische Huldigung für den Erzherzog fand nicht statt, doch wurde am 12. Aug. dem Heere die Anlegung der deutschen Farben befohlen, u. die Bürgerwehr setzte ihrerseits die Huldigung des Reichsverwesers durch eine große Parade durch. Die Umgestaltung der Landesverfassung u. die neue Art der Volksvertretung traten mit dem Gesetze vom 5. Sept. 1849 ins Leben; die erste Kammer bestand danach aus dem königlichen Prinzen, den Standesherren, 4 vom König ernannten Mitgliedern, 33 Abgeordneten des größeren Grundbesitzes, 10 Abgeordneten für Handel u. Gewerbe, 10 für Kirche u. Schule u. 4 Abgeordneten des Standes der Rechtsgelehrten; die zweite aus 2 vom Könige zu ernennenden Mitgliedern (Ministern), aus dem von der zweiten Kammer ernannten Commissar für das Schulden u. Rechnungswesen, aus 38 Abgeordneten der Städte u. Flecken u. 40 Abgeordneten der Landgutsbesitzer. Die befreiten Gerichtsstände wurden aufgehoben u. die Einführung der Schwurgerichte vorbereitet. An dem Kriege gegen die Dänen für Schleswig-Holstein hatte auch hannöversches Militär seit dem April 1848 theilgenommen, u. am 16. Oct waren 5000 Mann als Reichstruppen nach Thüringen entsendet worden.
Die neugewählten Kammern traten zum ersten Male den 1. Febr. 1849 zusammen, um der Eröffnungsrede gemäß sich mit der Gerichtsverfassung, mit der Umgestaltung der Verwaltungsbehörden, der Verbesserung der Verhältnisse der Stadt- u. Landgemeinden, der Kirche u. Schule, u. mit dem Staatshaushalte zu beschäftigen. Bald drängte sich jedoch auch hier die Lösung der deutschen Frage zuvörderst wegen der Einführung der Grundrechte in den Vordergrund; das Ministerium beharrte auf dem Standpunkte der Vereinbarung zwischen Reichstag u. Einzelregierungen u. wies eine bedingungslose Einführung der Grundrechte zurück (7. Febr.); die zweite Kammer stimmte dagegen (17. Febr.) mit 53 gegen 17 Stimmen für Einführung der Grundrechte, worauf die Minister ihre Entlassung erbaten; vorher war noch der Staatsrath, als in seiner dermaligen Form mit der Verfassung unverträglich, aufgehoben worden. In Bezug auf die Grundrechte stimmte die erste Kammer der zweiten insofern bei, als auch sie die Verkündigung derselben für unerläßlich erklärte, so daß ein von beiden Kammern verstärkter ständischer Ausschuß am 2. März beantragte, daß die Regierung die deutschen Grundrechte sofort durch die Gesetzsammlung zur allgemeinen Kenntniß bringen u. die bei Ausführung derselben erforderlichen Gesetze den Ständen baldmöglichst vorlegen möge. Beide Kammern nahmen den Antrag an mit dem Wunsche für das Verbleiben der Minister im Amte, welche jedoch um so entschiedener auf ihrer Entlassung beharrten. Der König versuchte vergeblich aus den Reihen der Widerpart ein Ministerium zu bilden u. erklärte durch Schreiben vom 10. März an die Kammern, daß er seine bisherigen Räthe beibehalten werde, da er bessere nicht gefunden habe. In Folge dessen wurden die Kammern vom 15. März zunächst bis zum 12. April vertagt. Inzwischen war in Frankfurt die deutsche Verfassung endgültig festgestellt u. der König von Preußen zum deutschen Kaiser erwählt worden; am 31. März traf die Kaiserdeputation auf ihrer Reise nach Berlin in Hannover ein, wo sie einen begeisterten Empfang fand, während der König sich an demselben Tage in österreichischer Husarenuniform zeigte. Die Regierung verlängerte die Vertagung der Stände bis zum 3. Mai u. erklärte, mit der preußischen Regierung wegen Ordnung der deutschen Verhältnisse in Unterhandlung stehend, daß sie in der Zwischenzeit einer Entscheidung entgegensehe. Hierauf beantragten 44 Abgeordnete der zweiten Kammer in einer Zuschrift sofortige Einberufung der Stände, u. 59 Kammermitglieder forderten die Unterordnung unter Preußen. Die Regierung antwortete am 25. April mit Auflösung der zweiten Kammer. Die Aufregung war im Zunehmen; die meisten Bürgerwehren beschworen die Reichsverfassung, die Vereine entwickelten die angestrengteste Thätigkeit, aber der König verweigerte Abordnungen anzunehmen, welche für die Reichsverfassung sprechen sollten. Am 7. Mai erschienen an 500 Abgeordnete aus allen Landestheilen in der Hauptstadt u. versuchten durch eine Deputation den König zum Nachgeben zu bestimmen, die jedoch wieder abgewiesen wurde Seit Anfang Mai befand sich Stüve in Berlin, um den Berathungen deutscher Regierungen über die Verfassungsfrage beizuwohnen, worauf am 13. Mai die hannöverschen Abgeordneten vom Reichstage in Frankfurt abberufen wurden, u. am 26. Mai in Berlin zwischen Preußen, H. u. Sachsen ein Bündniß vorläufig auf ein Jahr zu Stande kam, mit dem Zwecke sowohl gegenseitiger Hülfeleistung, als auch der Herstellung einer gemeinsamen deutschen Verfassung. H. u. Sachsen hatten aber ihren Beitritt an Vorbehalte geknüpft, welche ihnen erlaubten, von dem Bündnisse zurückzutreten, wenn nicht wenigstens alle außerösterreichischen Staaten Deutschlands sich anschlössen. Die entschiedene Weigerung des Beitrittes von Seiten Baierns u. Württembergs ließ H. bald von seinem Vorbehalte Gebrauch machen. Eine Denkschrift vom 2. Nov. rechtfertigte das Verhalten der hannöverschen Regierung gegen Anschuldigungen undeutschen Verfahrens. Durch Note vom 30 Dec. trat die Regierung der österreichischen Verwahrung gegen die Berufung eines Reichstages nach Erfurt[16] bei. Die Wahlen für die aufgelöste zweite Kammer im August fielen gegen das Ministerium aus, da die Häupter der Opposition, welche auf Anerkennung der Reichsverfassung drang, fast sämmtlich wieder gewählt wurden. Die Verhandlungen der am 8. Nov. zusammengetretenen Ständeversammlung wandten sich jedoch zunächst der Berathung innerer Fragen zu, wie der Städte- u. Landgemeindeordnung, den Schwurgerichten, der deutschen Wechselordnung. Die von der Regierung auf Ansuchen der Centralgewalt beantragte vorschußweise Zahlung von 20,000 Thlrn. für die Bedürfnisse der deutschen Flotte, wurde von der zweiten Kammer bewilligt, jedoch mit dem Zusatze, daß man die Centralgewalt nicht mehr anerkenne. Erst gegen Ende December kam die deutsche Frage zur Sprache; u. nachdem die Regierung am 10. Dec. die betreffenden Actenstücke vorgelegt u. Stüve betheuert hatte, daß er nie eine Absonderungspolitik befolgt, sondern vielmehr nur eine Sonderung von Nord- u. Süddeutschland habe hindern wollen, beschloß die zweite Kammer die Verhandlungen über die deutsche Frage nicht fortzusetzen, sondern ihre Lösung der Regierung zu überlassen, die unterdessen mit Baiern, Sachsen u. Württemberg in München einen neuen Entwurf einer deutschen Reichsverfassung aufgestellt hatte, den sie aber bald darauf ebenfalls wieder aufgab. Wegen des Rücktrittes H-s von dem Maibündnisse mit Preußen u. Sachsen vor dem vertragsmäßigen Jahre rief Preußen seinen Gesandten von H. zurück. In einer ausführlichen Denkschrift sprach sich dann die hannöversche Regierung am 3. April den Ständen gegenüber über den Stand der Verfassungsangelegenheit u. ihr Verhalten in derselben aus. Dieser Auseinandersetzung gemäß nahm H. an der Wiederbelebung des Bundestages (Congreß deutscher Staaten in Frankfurt am 10. Mai), vertreten durch den Legationsrath Detmold, Theil. In einer Note vom 7. Juni versuchte H. die Regierungen von Oldenburg, Hamburg u. Bremen zu dem Rücktritte der unter Preußens Vorsitz gebildeten Union u. zur Bildung eines nordwestdeutschen Bündnisses zu bewegen, wodurch lediglich die Gereiztheit Preußens vermehrt wurde. Der Preußisch-dänische Frieden veranlaßte beide Kammern zu entschiedenen Kundgebungen zu Gunsten Schleswig-Holsteins; die inneren Reformen wurden dabei immer mehr befestigt u. ausgebaut, denn der König erklärte, das einmal gegebene Wort halten u. ausführen zu wollen. Die Erhöhung der Zölle auf Colonialwaaren deuteten schon an, daß die Regierung den Anschluß H-s an den Zollverein vorbereitete. Als das Ministerium Stüve während der durch den Verfassungsumsturz in Kurhessen entstandenen Wirren dem Bundesbeschlüsse vom 21. Sept. 1848 die Anerkennung auch thatsächlich versagen wollte, indem es die behufs der Execution in Kassel geforderten hannöverschen Truppen verweigerte, trat es ab, u. am 28. Oct. traten an seine Stelle Männer, deren politische Gesinnung mit der ihrer Vorgänger fast im vollsten Einklang stand. Es schien ein Personen-, nicht ein Systemwechsel beabsichtigt zu sein. Der neue Präsident des Gesammtministeriums u. Minister des Äußern u. des königlichen Hauses, Alex. von Münchhausen, hatte die öffentliche Meinung für sich, die von ihm mit dem besten Vertrauen die endliche Ein- u. Durchführung der auf dem Gesetzgebungsweg zum Theil vollendete Reorganisation erwartete; der Minister des Innern, Lindemann, hatte sich durch seine gewandte Leitung als Präsident der zweiten Kammer einen großen Anhang erworben; Meyer übernahm das Cultusministerium, Freiherr von Hammerstein-Loxten die Finanzen, während Generalmajor Jacobi das Kriegsministerium erhielt; dem Oberappellationsgerichtsrath von Rössing wurde das Justizministerium übertragen. Das Vertrauen kam dem neuen Ministerium um so stärker entgegen, als es schnell eine Reihe mit der letzten Ständeversammlung vereinbarter Gesetze publicirte, als: Civilproceß- u. Criminalproceßordnungen, Gesetz über Einrichtung von Anwaltskammern, über die Gerichtsverfassung. In der kurhessischen Sache hielt sich H. parteilos; in dem Streite zwischen Bundestag u. Union schien sich eher eine Hinneigung zu Preußen zu zeigen. Als Abgeordnete zu den fruchtlosen Dresdener Conferenzen wurden Minister von Münchhausen u. geheimer Cabinetsrath von Schele entsendet.
Am 12. Febr. 1851 traten die Kammern wieder zusammen u. hatten von vornherein über eine die deutsche Frage betreffende Mittheilung der Regierung zu berathen, worin des deutschen Bundestages als zu Recht bestehend gedacht war, während über die Ausnahmebeschlüsse erklärt wurde, daß man sie nicht anerkenne; die bewaffnete Einmischung in Kassel u. Holstein sei abgelehnt worden Allein die Mißstimmung über das gänzliche Fehlschlagen jeder nationalen Hoffnung kam dennoch zum Durchbruch. Die zweite Kammer sprach ausdrücklichen Tadel darüber aus, daß der hannöversche Bevollmächtigte zu dem Bundesbeschlüsse vom 21. Sept. 1850 mitgewirkt habe, u. erklärte nochmals (Juni 1851) die Forderung einer Volksvertretung beim Bundestag für eine unabweisliche. In inneren Angelegenheiten stießen alle reactionären Bestrebungen auf den unerschütterlichen Willen des Königs, der seinem gegebenen Worte treu blieb. In dem Staatsdienergesetz u. in der Landgemeindeordnung machte sich eine zur Centralisirung hinneigende büreaukratische Auffassung der Regierung bemerklich; die Kammern nahmen sie jedoch an. Über eine Städteordnung kam die Vereinbarung schnell zu Stande; aber die Grundzüge zur Umgestaltung der Provinziallandschaften veranlaßten längere Verhandlungen, weil die Aristokratie, durch die Hoffnung einer Hülfe von Seiten des Bundestages, der Regierung u. den allgemeinen Ständen das Recht streitig machte, die Provinzialverfassungen zu ändern. Die Regierung setzte dennoch ihre Vorlage durch, obwohl sie dem Adel solche Concessionen hatte machen müssen, daß das Gesetz keineswegs von der Mehrheit als befriedigend angesehen wurde, u. publicirte es im August, worauf die Ritterschaft mit Beschwerden an den Bund gingen, worin sie nebenbei auch behauptete, ein wohlerworbenes Recht auf die Vertretung in der ersten Kammer zu besitzen in dem Umfange, wie solches bis zum Herbste 1848 bestanden hätte. Der Bund beschloß hierauf am 3. Oct. 1851, die hannöversche Regierung zur Erklärung darüber aufzufordern, unter dem Ersuchen, ohne Präjudiz für die Sache selbst vorläufig mit Gesetzen u. Verfügungen gegen die Provinziallandschaften einzuhalten. Wie H. stets zu den unermüdlichsten Vertheidigern[17] der Erhaltung der deutschen Flotte gehört hat, so bewies es auch seine deutsche Gesinnung durch den am 7. Sept. 1851 noch unter König Ernst August mit Preußen abgeschlossenen Vertrag über den Beitritt H-s zum Zollvereine vom 1. Jan. 1854 an. Am 18. Nov. starb König Ernst August, nachdem sein achtzigjähriger Geburtstag mit besonderer Feierlichkeit u. unverkennbarer Theilnahme auch von Seiten des Volkes begangen worden war.
Dem König Ernst August folgte sein einziger Sohn als Georg V. auf dem Throne u. versprach die Festhaltung der Landesverfassung. Wenige Tage nach seiner Thronbesteigung entließ er das bisherige Ministerium. Das neue Cabinet bildeten: der bisherige Bundestagsgesandte von Schele, mit dem Vorsitz für das Äußere, von Brandis für Krieg, Bacmeister für Cultus, Windthorst für Justiz von Borries für das Innere, von der Decken für Handel u. Finanzen. Bei Eröffnung der auf den 2. Dec. einberufenen Ständeversammlung erklärte die Regierung, daß die Gerichtsorganisationen sofort ins Leben treten sollten, die Verwaltungsorganisationen dagegen bedürften in Berücksichtigung des Bundesbeschlusses u. bei dem Streben der Regierung, im Interesse des Landes durch versöhnliche Maßregeln die Eintracht zu erhalten, einer nochmaligen Verhandlung mit den Parteien. Nächstdem wurde der Beitritt Oldenburgs zum Zollverein angezeigt. Beide Kammern drangen dagegen auf sofortige Ausführung der vereinbarten Verwaltungsorganisationen. Nicht ohne Bedeutung war, daß auf dem vom Ministerium auf den 16. Dec. einberufenen Provinziallandtage in Stade die städtischen u. ländlichen Mitglieder die Rechtsgültigkeit des Landtages bestritten u. die verfassungsmäßige Aufhebung desselben für eine natürliche Folgerung erklärt hatten. Der Vertrag wegen des zugleich mit Oldenburg zu bewirkenden Beitrittes zum Zollvereine wurde von beiden Kammern genehmigt. Als eine Umkehr wurde es betrachtet, daß die Minister von der Decken u. von Borries im Frühjahr 1852 zurücktraten. Von Hammerstein, ein Mitglied der vorigen Verwaltung, übernahm am 10. April das Innere, von Reiche am 8. Mai das Cultusdepartement u. Bacmeister wurde Minister der Finanzen. Allerdings erhielten nun auch am 4. Mai die Gesetze über die Gerichtsverfassung, die bürgerliche Proceßordnung, die Strafproceßordnung, das gerichtliche Verfahren in Steuerprocessen, die Wahl der Gerichtsschöffen, die Anwaltskammer, die Städteordnung, die Einrichtung der Ämter u. die Landgemeindeordnung endlich die königliche Sanction u. traten am 1. Oct. 1852 in Kraft Am 20. bis 24. März tagten auf Einladung H-s in H. Commissarien deutscher Staaten, um noch einen Versuch zur Erhaltung der deutschen Flotte zu machen, aber vergeblich. Zur Erledigung der Frage wegen Reorganisation der Provinziallandschaften wurden Abgeordnete der letzteren einberufen (13. Mai), u. am Tage darauf fand die Eröffnung der allgemeinen Ständeversammlung statt, welcher die Regierung (14. Mai) Vorschläge wegen Abänderung der bestehenden Verfassung vorlegte. Am 3. März 1852 war dem hannöverischen Bundestagsgesandten eine Bundesacte eingehändigt worden, worin der Bundestag fünf Punkte der hannöverischen Verfassung als mit der Wiener Schlußacte unverträglich bezeichnete. Zuvörderst sollte nach dem Vorschlage der Regierung §. 14 des Landesverfassungsgesetzes wieder hergestellt werden, wonach in den erblichen monarchischen Staaten Deutschlands der Thronfolger im Augenblick des Todes seines Vorgängers unmittelbar u. ohne jede Zwischenzeit Oberhaupt des Staates nach unbestrittenem Rechte ist, während die Verfassung von 1848 das vorhergehende königliche Versprechen der Festhaltung der Verfassung verlangt. Der Genuß politischer Rechte sollte auf die Bekenner des christlichen Glaubens beschränkt, die Zusammensetzung beider Kammern wesentlich geändert werden; die beiden letzten Vorschläge verlangten, daß eine ständische Beschwerde die Entlassung der Minister nicht mehr zur Folge haben sollte, u. schloß mit dem Antrag, die Bestimmung der Verfassung vom 5. Sept. 1848 zu streichen, wonach die Stände in einem gewissen Falle sich selbst versammeln konnten, um die Rechte des Landes wahrzunehmen. Diese Vorlage machte innerhalb u. außerhalb der Kammern auf die Mehrheit einen ungünstigen Eindruck. Der aus je sieben Mitgliedern jeder Kammer zur Prüfung der Vorschläge niedergesetzte Ausschuß bestand aus dem Minister a. D. Graf Bennigsen, Vezin, Wyneken, Brendsing, Neuburg, Ministerpräsident von Schele, Wisch, den Ministern a. D. Stüve, Lehzen, Lindemann, Staatsminister Windthorst, Ellissen, Dammens, Groß. Es wurde ihm zugleich ein Schreiben mitgetheilt, worin der König seine rückhaltlose Zustimmnug zur Verfassung aussprach. Jedoch gelang es der Regierung weder in der Provinziallandschaftsfrage, noch im Betreff der Verfassungsvorschläge eine gütliche Einigung nach ihrem Sinne zu erzielen, so daß die Ständeversammlung ohne Erledigung der Verfassungsfrage am 15. Juli 1852 vertagt wurde. Die nunmehr ins Leben getretenen neuen Einrichtungen machten dagegen einen sehr günstigen Eindruck. Die Trennung der Justiz von der Verwaltung war in allen Instanzen festgestellt; die Öffentlichkeit u. Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens, in Polizeistrafsachen die Aburtheilung durch Richter u. zwei Schöffen bewährte sich als zweckgemäß; Städte u. Landgemeinden hatten Ordnungen, auf deren Grundlage ihnen eine größere Selbständigkeit gewährt werden konnte. In kürzerer Zeit, als man erwartet, fand man sich allerseits in die neue Form hinein.
Auf den 25. April 1853 wurde die Ständeversammlung wieder einberufen. Die Regierung legte neue Vorschläge zu Abänderung der Verfassung vor, welche sich diesmal auf eine andere Zusammensetzung der Kammern beschränkten, aber am 22. u. 29. Juni von der 2. Kammer abgelehnt wurden. Ein Versuch sich mit Abgeordneten der Ritterschaft über die Reorganisation der Provinziallandschaft zu verständigen, war ebenfalls gescheitert, während der Einfluß der ritterschaftlichen Partei immer größer wurde. Unter diesen Umständen, von beiden Seiten ohne Unterstützung gelassen, nahm das Ministerium Schele seinen Abschied, u. am 21. Nov. übernahm von Lütcken den Vorsitz im neuen Gesammtministerium; zu seinen Collegen wurden von Leuthe u. Wedemeier berufen; das Cultusministerium übernahm Bergmann u. das Justizministerium F. A. Busch, während die Leitung des Kriegswesens dem General von Brandis blieb. Zunächst wurde die Thätigkeit der Regierung durch den mit Anfang des Jahres 1854 eintretenden Übergang H-s in[18] den Zollverein vielfach in Anspruch genommen. Die Aufhebung des Freihafens von Harburg war bereits durch Gesetz vom 21. Febr. 1853 erfolgt. Außerdem schloß H. 1853 unter dem 14. Dec. einen Handels- u. Schifffahrtsvertrag mit Toscana u. kam mit Braunschweig am 20. Dec. wegen der Zoll- u. Steuerwaltung in verschiedenen Braunschweigischen Gebietstheilen überein. Die zu Anfang des Jahres 1854 vollzogenen Neuwahlen zur zweiten Kammer waren nicht geeignet, der Regierung eine Änderung der Verfassung in ihrem Sinne in Aussicht zu stellen; sie schwieg während des Landtags darüber, allein in beiden Kammern wurde bei Gelegenheit des Budgets der vom Finanzausschusse eingebrachte Antrag, die Regierung um ihre Hinwirkung auf Herstellung einer deutschen Flotte, auf Volksvertretung bei dem Bundestage, Errichtung eines Bundesgerichts u. auf Zusammenstehn der deutschen Regierungen in der europäischen Krisis zu ersuchen, am 17. u. 21. Juni fast einstimmig angenommen. Die Ritterschaft hatte sich inzwischen wiederholt an den Bundestag mit Beschwerden gewendet wegen Vorenthaltung ihres Zustimmungsrechts bei Verfassungsveränderungen, sowie wegen Entziehung der Standschaft in der ersten Kammer. Die Regierung, vom Bundestage aufgefordert sich hierüber zu erklären, gestand in einer Denkschrift vom 16. Nov. 1854 zu, daß die ritterschaftlichen Beschwerden begründet seien u. daß die hannöverischen Verfassungszustände mit der Bundesgesetzgebung nicht in Einklang ständen; aber auch abgesehen von den Bundesgesetzen müsse bei weiterer Prüfung der Verhältnisse von jedem Unbefangenen anerkannt werden, daß der königlichen Regierung unter den bestehenden Verhältnissen die erforderliche Kraft entzogen sei, um für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung auf die Dauer einstehen zu können. Hierauf entschied sich denn der Bundestag am 12. April 1855 zu Gunsten der ritterschaftlichen Beschwerden u. am 19. April gegen viele Verfassungsbestimmungen mit dem Zusatze, daß, wenn die als nothwendig zu erachtenden Abänderungen auf Hindernisse stoßen sollten, ein Bundescommissär in Hannover erscheinen würde, daß der hannöverischen Regierung, so lange sich nicht die Nothwendigkeit einer unmittelbaren Einwirkung des Bundes ergebe, die Art u. Weise der Ausführung des Bundesbeschlusses zwar überlassen bleibe, daß aber eine bundesrechtliche Pflicht, den im Artikel 56 der Wiener Schlußacte vorgezeichneten Weg einzuschlagen, insoweit nicht stattfinde, als es. sich um Abänderung bundeswidriger gesetzlicher Bestimmungen handle. In den ersten Tagen des Jahres 1855 hatte die Regierung das Ausschreiben zur Neuwahl der ausscheidenden Hälfte der ersten Kammer erlassen u. somit die Rechtsbeständigkeit der Verfassung von 1848 anerkannt. Am 1. Sept. 1854 war das Bundesvereinsgesetz mit ziemlich strengen Ausführungsbestimmungen, am 22. Jan. 1855 das Bundespreßgesetz nebst einer Ausführungsverordnung, jedoch ohne Strafbestimmungen, durch die Gesetzsammlung veröffentlicht worden. Es war bekannt, daß das Ministerium in lebhafter Verhandlung in Betreff der Verfassungsfrage mit dem Bundestage stand. Die meisten größeren Städte des Landes, alle Landschaften wandten sich mit Eingaben zu Gunsten der Aufrechthaltung der Verfassung an den König. Die Regierung berief indessen, mit Übergehung des Staatsrathes, eine Commission zusammen, um deren Gutachten über die zunächst einzuschlagenden Schritte einzuholen. Es erfolgte hierauf eine Verordnung vom 16. Mai, wodurch gemäß jenem ersten Bundesbeschlüsse vom 12. April der §. 33 der Verfassung, sowie das nun zur Ausführung gekommene Gesetz über die Neubildung der Provinziallandschaften von 1851 aufgehoben wurden.
Unter solchen Umständen trat die auf den 15 Juni 1855 wiederberufene Ständeversammlung zusammen; die erste Kammer unter dem Präsidium des Grafen Bennigsen, die zweite unter Ellissen. Das Schatzcollegium hatte vorher bereits vergebliche Versuche gemacht, die bedrohlichen Angriffe auf die Verfassung abzuwenden, namentlich auf eine zeitigere Einberufung der Stände zu dringen; seine Beschwerden wurden aber als völlig unbegründet zurückgewiesen. Das Ministerialschreiben, die Verfassungsangelegenheit betreffend, war kurz gehalten. Die Regierung legte den Entwurf zu einer neuen Zusammensetzung beider Kammern vor u. sprach dabei die Hoffnung aus, daß die Erkenntniß der jetzt klar vorliegenden Verhältnisse die Stände zu jener besonnenen u. patriotischen Erwägung führen werde, welche allein eine gedeihliche Entwickelung auf dem jetzt betretenen Wege zu schaffen vermöge; das Fehlschlagen dieser Erwartung werde an der Nothwendigkeit, den Bundesbeschlüssen Genüge zu leisten, nichts ändern. Im Wesentlichen enthielt der Regierungsvorschlag eine Wiederherstellung der vor 1848 bestandenen Stände, nur wollte man 18 bäuerlichen Abgeordneten den Eintritt in die erste Kammer neben 26 ritterschaftlichen u. mehreren Standes- u. Majoratsherren gewähren. Der deshalb von den Ständen erwählte Verfassungsausschuß schlug am 10. Juli eine vorläufige Erwiderung an die königliche Regierung u. eine Adresse an den König vor, welche, nachdem erklärt war, nicht die Beschwerden häufen zu wollen, die über die Stellung, welche das Ministerium gegen die Stände u. ihre Rechte, namentlich auch in Beziehung auf die Finanzen, eingenommen habe, den König bat, Maßregeln zu ergreifen, geeignet die Souveränetät der Krone, die Selbständigkeit des Königreiches u. die Rechtsbeständigkeit der Verfassung sicher zu stellen. Stüve entwickelte in der Sitzung vom 13. Juli 1855 die Rechtfertigung u. Begründung des Antrags des Verfassungsausschusses, ohne daß ein Mitglied der Regierung anwesend gewesen wäre: als ein als dringlich bezeichnetes königliches Schreiben die Versammlung vertagte. Der Präsident schloß die Sitzung unter Verwahrung der Rechte des Landes. Schon am 29. Juli trat auch das Ministerium Lütcken ab, u. es übernahmen Graf Kielmannsegge, bisheriger Bundestagsgesandter, Graf Platen-Hallermund, v. Borries, von der Decken u. von Bothmer die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten mit der Hauptaufgabe die Verfassung von 1840 möglichst wiederherzustellen u. die Verwaltung zu centralisiren; von Brandis trat als Kriegsminister auch in dieses Cabinet ein. Durch königliche Verordnung vom 4. August 1855 wurden die vom politischen Ausschuß des Bundestages angefochtenen Bestimmungen der Verfassung von 1848, wie die damit zusammenhängenden Vorschriften der ständischen Geschäftsordnung für aufgehoben, das Mandat der bisherigen Abgeordneten[19] zur ersten Kammer für erloschen erklärt, die Kammern nach der Zusammensetzung von 1840 u. ebenso das Wahlgesetz von 1840 mit einigen durch die neue Gemeindeordnung gebotenen Abänderungen wiederhergestellt. (Über die Zusammensetzung beider Kammern s. H. Geogr.: Verfassung). Die Ständeversammlung sollte auf sechs Jahre gewählt u. aller zwei Jahre zusammenberufen werden, ihre Mitwirkung aber nicht erforderlich sein für Gesetze, welche der König in Bezug auf das Heer erläßt. Die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit der Minister u. das Anklagerecht der Stände blieben in Kraft. Ein Ausschreiben an alle Behörden u. königlichen Diener sicherte das gesetzliche Fortbestehen einer Anzahl von Rechten zu, wie die Öffentlichkeit u. Mündlichkeit im Gerichtsverfahren, die Aufhebung des Jagdrechtes u. die Befreiung von Staats- u. Gemeindelasten, die Selbstverwaltung der Gemeinden, die Anstellung u. Beförderung im königlichen Dienste ohne Rücksicht auf Stand u. Geburt etc. Der Widerstand im Lande gegen diese Verfassungsänderung war nur schwach u. ohne Erfolg. Auf Veranlassung eines vom Richtercollegium zu Aurich abgegebenen Urtheils gegen die Verfassungsmäßigkeit der neuen Verordnungen erschien (7. Octbr.) ohne Mitwirkung der Stände ein Gesetz, die unmangelhafte Befolgung der Gesetze u. Verordnungen, sowie die Bildung eines Staatsgerichtshofes betreffend. Darin wurde den Staatsdienern u. Kirchendienern, welche in amtlichen Handlungen die Verfassungsmäßigkeit u. Rechtsgültigkeit von Gesetzen u. Verordnungen beurtheilen od. bestreiten sollten, Dienstentlassung angedroht u. das Disciplinarstrafverfahren in dergleichen Fällen dem Staatsgerichtshofe zugewiesen. Eine Beschwerde des ständischen Schatzcollegiums zu H. an den Bundestag gegen das Ministerium, wegen Überschreitungen des Budgets, wies die Bundesversammlung am 22. Novbr. ab, denn der darin versuchte Nachweis, daß die hannöverschen Augustverordnungen die Verfassung von 1848 auch in anderen Punkten, als die betreffenden Bundesbeschlüsse forderten, abgeändert hätten, sei deshalb ohne Bedeutung, weil der hannöverschen Regierung in Bezug auf die Abänderungen bestimmte Grenzen nicht vorgeschrieben gewesen seien. Im December erfolgten die neuen Landtagswahlen, bei welchen sich mehrere Städte u. Wahlkreise nur unter der ausdrücklichen Verwahrung betheiligten, daß sie dadurch den Augustverordnungen eine Rechtsbeständigkeit nicht zugeständen. Eine Verordnung vom 28. Decbr. 1855 hob die Competenz der Schwurgerichte für politische u. Preßvergehen auf. Bald darauf (26. Jan. 1856) wurde der Staatsrath neu organisirt: die Vorsitzenden beider Kammern schieden aus, dagegen erhielt der Polizeidirector Zutritt; in der Abtheilung für Competenzconflicte, welche bisher die Gerichtshöfe in Bezug auf ihre Zuständigkeit selbst entschieden hatten, bekam er eine entscheidende, in den Abtheilungen für Justiz, Inneres, Cultus, Finanzen u. Heer nur eine begutachtende Stimme.
Auf dem am 2. April 1856 eröffneten Landtage hatte das Ministerium in der zweiten Kammer eine geschlossene Widerpart von etwa 50 gegen 34 Stimmen gegen sich. Die Civilliste wurde der ständischen Bewilligung entzogen, eine beträchtliche Erhöhung des Militäretats, Vorlagen über Abänderung der Verfassung, über Wiedereinführung der Kassentrennung, Forderungen von Geldmitteln zu Eisenbahnen u. Culturzwecken, sowie zur Erhöhung der Gehalte im Militär- u. Civildienste angekündigt. Am 17. Juli schlug der Verfassungsausschuß vor, den Gesetzen vom 7. Oct. u. 28. Dec. 1855, über den Staatsgerichtshof u. die Beschränkung der Geschwornengerichte, die Zustimmung zu versagen, worauf die Kammern nach Annahme dieses Vorschlags vertagt wurden. Am 7. September erschien eine neue königliche Verordnung, welche das Capitel der Verfassung vom 5. Sept. 1848, über die Finanzgesetzgebung, aufhob u. den §. 171 der Verfassung von 1840 wiederherstellte. Da die wirkliche Trennung der seit 1848 bestandenen allgemeinen Kasse in die vorher bestandene königliche Kasse u. Landeskasse nicht sofort geschehen konnte, so blieb sie einstweilen in ihrem thatsächlichen Bestande. Für die Finanzperiode 1856–58 sollte zwar das mit den Ständen berathene Budget zur Richtschnur dienen, jedoch ohne sich durch diese Erklärung Beschränkungen auferlegen zu wollen, welche den königlichen Befugnissen od. Bundesbeschlüssen widerstritten. Die königliche Bedarfsumme wurde wieder wie früher, außer den Zinsen des in englischen dreiprocentigen Staatspapieren angelegten Capitals von 600,000 Pfd. Sterl., auf 600,000 Thlr. Landesmünze festgestellt. Eine königliche Proclamation vom 8. Nov. löste den Landtag auf u. ordnete auf Grund des Landesverfassungsgesetzes vom 6. Aug. 1840, der Verordnung vom 1. Aug. 1855 u. der vom 7. Septbr. 1856 neue Wahlen u. die Einberufung eines außerordentlichen Landtags den 10. Febr. 1857 an. Vor Zusammentritt desselben hatte die Regierung am 24. Jan. mit fast sämmtlichen deutschen Staaten einen Münzvertrag abgeschlossen u. am 7. Novbr. 1856 mit Oldenburg, Braunschweig, Lippe-Schaumburg, Hamburg u. Bremen einen Vertrag über ein gemeinsames Münzsystem, welchem das Zollvereinspfund als Einheit zu Grunde liegt.
Bei der Eröffnung der Kammern (10. Febr. 1857) bezeichnete der königliche Commissar als Hauptaufgabe der nächsten ständischen Thätigkeit eine endgiltige Vereinbarung über die Bestimmungen der Verfassung in Betreff der Finanzangelegenheiten, weil durch die Verordnung vom 7. Septbr. 1856 nur ein Provisorium eingeführt worden sei. Die Kammern beschlossen im Einverständniß mit dem Regierungsvorschlag, die königliche Bedarfsumme auf Domänen zu radiciren, welche zu dem Ende aus der Gesammtheit der Staatsgüter ausgeschieden werden, u. daß die Stände zwar das Recht haben sollten, das Ausgabebudget zu prüfen, aber nicht zu bewilligen. Den Schatzräthen, denen zur Controle des Staatshaushaltes das Recht eingeräumt war, im Obersteuercollegium zu sitzen, wurde dasselbe genommen. Die Stände erklärten sich jedoch gegen die Trennung der allgemeinen Landeskasse in eine königliche u. eine Landeskasse. Die Bürgerwehr wurde auf Antrag der Regierung auf dem Wege der Gesetzgebung aufgehoben. Das Streben, die Rechte der Einzelnen, der Gemeinden u. der politischen Körperschaften möglichst mit der Staatsgewalt zu vereinigen, bethätigte die Regierung auch durch die Beschränkung der Wirksamkeit der Provinziallandtage, welche aufzulösen sie jederzeit berechtigt zu sein erklärte. In der Holstein-Lauenburgischen [20] Frage drang sie beim Bundestage auf kräftige Maßregeln gegen Dänemark, u. die materiellen Interessen wurden fortwährend gefördert. Schon seit dem Juni 1856 stand Emden durch Eröffnung der Westbahn mit dem Innern von Deutschland in Verbindung. Bereits am 2. Febr. 1858 wurden die Kammern wieder einberufen; die Gesetzentwürfe betreffend die Organisation der Justiz u. Verwaltung u. die Umgestaltung vieler Gesetze, welche das Gepräge ihrer Entstehung an sich trugen, wurden von den Kammern im Wesentlichen angenommen. Ein Gesetz, die Untersuchung von Polizeivergehen betreffend, hob die Trennung der Justiz u. Verwaltung auf diesem Gebiete wieder auf, indem es die Bestrafung der Polizeivergehen der Polizeiverwaltung zuwies u. Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung, Theilnahme an verbotenen Vereinen, Übertretung von Bücherverboten etc. als solche bezeichnete. Die Landgemeindeordnung u. die Städteordnung erlitten Veränderungen, unter Anderem erhielt die Regierung das Recht, unter den Mitgliedern des Stadtrathes dasjenige auszuwählen, dem die Polizeiverwaltung anvertraut wird. Ein Jagdgesetz stellte das Recht, auf fremdem Grund u. Boden zu jagen, nicht wieder her, sondern schränkte nur die Ausübung des allgemeinen Jagdrechtes polizeilich ein. Einige Abänderungen des Staatsdienergesetzes schrieben vor, daß die Staatsdiener für die Folge königliche Diener sind, u. daß ein königlicher Diener, welcher in Erkenntnissen, Bescheiden, öffentlichen Erlassen od. sonstigen amtlichen Handlungen die verfassungsmäßige Entstehung od. Rechtsgiltigkeit der vom König in verfassungsmäßiger Form verkündigten Gesetze od. Verordnungen der Beurtheilung unterzieht od. bestreitet, des Dienstes entlassen wird. Ein Gesetz über das Disciplinarverfahren gegen die Richter ging von dem Grundsatze aus, daß es nicht gerechtfertigt sei, die Disciplinarstrafe der Dienstentsetzung für Richter an einschränkendere Bedingungen zu knüpfen, als für andere königliche Diener. Für Verwaltung der zur Befriedigung des Bedarfs des königlichen Hauses angewiesenen Domänen wurde eine eigene Behörde gebildet u. mit dem Ministerium des königlichen Hauses verbunden, auch der Krone als Betriebscapital eine Summe von 300,000 Thlrn., rückzahlbar in jährlichen Raten von 10,000 Thlrn., unverzinslich vorgeschossen. Auf Grund der wieder hergestellten älteren Verfassung errichtete die Regierung in den größeren Städten königliche Polizeidirectionen. Die Einführung eines zweijährigen Budgets, anstatt eines einjährigen, rechtfertigte nicht die Erwartung, daß die Ständeversammlungen weniger Zeit brauchen u. weniger Kosten verursachen würden. Der Entwurf einer neuen Gewerbeordnung fand, als zu sehr der Gewerbefreiheit huldigend u. den Verwaltungsbehörden zu große Befugnisse einräumend, weder bei den Gewerbtreibenden noch in den Kammern Anklang. Beharrlichen Widerstand setzte die erste Kammer den Änderungen an der Justizorganisation entgegen, welche die Regierung vorschlug. u. auch außerhalb des Landtags erklangen aus den Reihen der königlichen Diener fast täglich neue Stimmen zur Vertheidigung der gefährdeten Institutionen von 1852, indem man in den Vorschlägen der Regierung eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Richter u. ein Hemmniß der Hebung des Advocatenstandes erblickte. Die durch Verordnung bewirkte Errichtung eines Staatsgerichtshofs zur Aburtheilung politischer Verbrechen, welche ursprünglich den Schwurgerichten zugewiesen worden waren, wurde von den Ständen nicht genehmigt, aber auch nichts Anderes beschlossen. Zum Neubau des königlichen Schlosses Monbrillant bewilligten die Stände 60.000 Thlr. Für die Elbuferbauten wurde mit einer Bewilligung von 139,550 Thlrn. Sorge getragen; der Telegraphenverkehr durch ein unterseeisches englisch-hannöversches Tau, über Borkum nach Emden fortgeführt, erweitert. Bei allen allgemein deutschen Angelegenheiten betheiligte sich H. lebhaft. Die vom 12. Aug. bis zum 4. Dec. in der Stadt H. tagende Generalzollconferenz ging ohne wesentliche Ergebnisse auseinander; ihre Hauptaufgabe, die Beseitigung der Durchfuhrzölle, scheiterte an den Bedingungen, welche Baden daran knüpfte. Bei dem von Frankreich seit dem Neujahr 1859 gegen Österreich u. mittelbar gegen Deutschland heraufbeschworenen Sturme zeigten Regierung u. Volk eine ganz bes. kriegerische Stimmung, welche sich in raschen u. kräftigen Maßregeln kundgab u. den Kaiser der Franzosen veranlaßte, durch seinen Gesandten in H. dem König ein eigenhändiges Schreiben überreichen zu lassen, um über die Absichten Frankreichs beruhigende Versicherungen zu ertheilen (3. März 1859).
Literatur: D. E. Baring, Notitia scriptorum rerum Brunsvicensi um ac Luneb., Hann. 1729; G. W. von Leibniz, Scriptores rerum Brunsv., ebd. 1707–11, 3 Bde., Fol.; Ch. L. Scheidt u. J. H. Jung, Origines Guelficae usque ad Leonem I., ebd. 1750–80, 5 Bde., Fol.; H. Bünting, Braunschweig-Lüneburgische Chronica, Magdeb. 1586, fortgesetzt bis 1620 von H. Meibom, ebd. 1620, Fol.; P. J. Rethmeyer, Braunschweig-Lüneburgische Chronica etc., Braunschw. 1722, Fol.; J. G. Eichhorn, Urgeschichte des erlauchten Hauses der Welfen, Hann. 1817. J. F. Pfeffinger, Historie des braunschweig-lüneburgischen Hauses, Hamb. 1731, 3 Bde.; L. T. von Spittler, Geschichte des Churfürstenthums H. seit der Reformation bis Ende des 17. Jahrh., 1798, 2 Bde.; H. Rinnius, Geschichte des Hauses Braunschweig bis an das Ende der Regierung Georgs I., Kob. 1753; P. H. Mallet, Histoire de la maison de Brunswick (bis zur Erhebung des Hauses auf den englischen Thron), Kopenh. 1767–85, 4 Bde.; Venturini, Handbuch der vaterländischen Geschichte für alle Stände der braunschweig-lüneburgischen Landeseinwohner, Braunschw. 1805–09, 4 Bde.; P. L. Ch. von Kobbe, Abriß einer Geschichte des Königreichs H., Gött. 1822; Albr. Hüne, Geschichte des Königreichs H. u. Herzogthums Braunschweig, Hann. 1825–30, 2 Thle.; Schlegel, Kirchen- u. Reformationsgeschichte von Norddeutschland u. den Hannoverschen Staaten, Hannov. 1828 ff., 3 Bde.; G. P. von Bülow, Beiträge zur Geschichte der braunschweig-lüneburgischen Lande, Braunschw. 1829; W. Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig u. Lüneburg, Lüneb. 1837–38, 2 Bde.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.