Böhmen [2]

Böhmen [2]

Böhmen (Geschichte). I. Früheste Zeitbis zur Einwanderung der Slawen im 5. Jahrh. u. Chr. Die ersten bekannten Bewohner B-s waren die Bojer, nach denen das Land Bojehemum od. Bojohemum (Bojenheim) hieß. Diese Bojer waren schon früher nach Deutschland gekommen als Diejenigen, welche im 2. Jahrh. v. Chr. aus Italien vor den Römern flohen, s.u. Boji. Um Christi Geburt wurden die Bojer durch Markomannen, unter Marbod, aus B. vertrieben, u. dieser errichtete nun ein germanisches Reich daselbst, das er gegen die Römer zu erhalten wußte, welche i. J. 6 n. Chr. mit ihm Frieden schlossen u. ihn als König anerkannten. Aber allmälig seinem Volke der Tyrannei verdächtig geworden, floh er nach Italien. Jedoch wurden auch ferner Könige aus seinem Stamme gewählt, die sich mit den Römern in fortwährendem Kampfe in B. u. Ungarn behaupteten, bis sie mit ihrem Volk im 5. Jahrh. in das römische Gebiet, jenseit der Donau, einfielen u. sich dort niederließen.

II. Böhmen nach der Einwanderung der Slawen bis zu Verbreitung des Christenthums seit 894. In das verlassene B. zogen in der 2. Hälfte des 5. Jahrh. die Czechen, ein slawisches Volk, ein, welche dasselbe noch inne haben. Der Sage nach soll ihr erster Anführer Czech aus Groß-Chrowatien (im Norden der Karpathen) gekommen sein u. sich zuerst auf dem Berge Rzip (Georgenberg bei Raudnitz) niedergelassen haben; von ihm hätte auch Land u. Volk von B. (Cechy, Cechowe) den nationalen Namen erhalten. Um 560 wurden die B. von den Avaren in Ungarn u. Österreich abhängig. 623 machten sie sich unter Samo frei u. wählten denselben zu ihrem Herzog. Er kämpfte 630–631 siegreich gegen Dagobert, König von Franken, u. erhob B. zu großer Macht, die jedoch nach seinem Tode 662 wieder verfiel. Einer seiner nächsten Nachfolger war Krok, der weise Richter, u. nach ihm dessen jüngste Tochter, die in der Sage bekannte Seherin u. Zauberin Libussa (s.d.). Diese vermählte sich mit Przemysl u. wurde die Ahnfrau desjenigen Geschlechts, welches B. bis zum Jahr 1306 beherrschte. Przemysl u. Libussa sollen die Hauptstadt Prag erbaut u. die alte böhmische Gesetzgebung geregelt haben. Nach Libussas Tode soll, unter der Anführung einer ihrer Freundinnen, Wlasta (s.d.), der fabelhafte Böhmische Mädchenkrieg entstanden sein, eine blutige Empörung der Frauen gegen die Männer (wohl nur gegen Przemysls Alleinherrschaft). Die folgenden böhmischen Herzoge, Nazamysl, Muata, Woyen, Wnislaw, Kresomysl, Neklan u. Hostiwit, sind nur dem Namen nach bekannt; neben ihnen, als Großfürsten, gab es auch viele kleinere Fürsten im Lande. Karl der Große führte 805–807 gegen B. erfolglose Kriege; Ludwig der Fromme gab ihnen Ruhe. Als Ludwig der Deutsche 846 den Krieg wieder gegen sie begann, wurde sein Heer 849 fast gänzlich aufgerieben. Als bald darauf das benachbarte Mähren unter Rastiz u. Swatopluk (Zwentibold) zu großer Macht sich hob, trat auch B. in Verbindung mit demselben gegen Deutschland (seit 869). Die Folge davon war die schnellere Verbreitung des Christenthums in B., bes. die Taufe des Großfürsten Borziwoi, Hostiwits Sohn, 894 durch den Erzbischof Methodius am Hofe Swatopluks in Mähren, obgleich schon 845 14 böhmische Häuptlinge zu Regensburg das Christenthum angenommen hatten. Borziwoi, der erste christliche Herzog B-s, resignirte 902 u. st. 910; dessen Gemahlin, die heilige Ludmila, am 15. Sept. 927.

III. Böhmenals Herzogthumunter dem [15] Einflusse Deutschlands, 895–1197. Nach dem Tode Borziwois u. Swatopluks trennten des Ersteren Söhne, Spitignew u. Wratislaw, sich von Mähren u. traten im Juli 895 zu Regensburg freiwillig unter den Schutz des Deutschen Reichs unter Kaiser Arnulf. Des Herzogs Wratislaw herrische Wittwe, Drahomira, bemächtigte sich um 926 der Regierung des Landes u. der Vormundschaft über ihre Söhne Wenzel u. Boleslaw u. ließ ihre Schwiegermutter Ludmila ermorden; 928 zog der deutsche König Heinrich I. gegen sie, rückte vor Prag u. machte B. dem Deutschen Reiche zinspflichtig. Wenzel I. der Heilige förderte das Christenthum mit Eifer, baute u. dotirte viele Kirchen, hielt treu an dem deutschen Reiche u. wurde deshalb von seinem Bruder, welcher das Gebiet von Bunzlau für sich erhalten hatte, u. einigen Mißvergnügten am 28. Sept. 936 ermordet. Boleslaw I. der Grausame vertrieb die deutschen Priester aus B., sagte sich vom Deutschen Reiche los u. wurde erst nach vierzehnjährigen Kämpfen, i. J. 950, von Kaiser Otto I. zur Anerkennung der Oberhoheit des Deutschen Reichs gezwungen; 955 unterstützte er den Kaiser in der Bekämpfung der Magyaren. Nach der Schlacht auf dem Lechfelde warfen sich nun die Magyaren auf Böhmen, wurden aber zurückgeschlagen u. von Boleslaw darauf in ihrem eigenen Gebiete angegriffen. Er nahm ihnen Mähren u. die Slowakei weg u. breitete seine Macht auch in Schlesien aus; er st. 967. Sein Sohn u. Nachfolger, Boleslaw II. der Fromme, stiftete das Prager Bisthum 973, eroberte Groß-Chrowatien mit der Hauptstadt Krakau, dehnte sein Reich im Osten bis an das Tatragebirge, den Stryj u. Bug aus, unterstützte den Baiernherzog Heinrich gegen Kaiser Otto II. u. riß auf kurze Zeit auch Meißen an sich; er st. 999. Nach seinem Tode zerfiel sein großes Reich durch Bruderzwist, u. der Polenkönig Boleslaw Chrabry (d.h. der Tapfere), vereinigte Schlesien, Krakau, Mähren u. die Slowakei mit Polen. Boleslaws II. zweiter Sohn, Boleslaw III. Rothhaar, folgte, da der älteste, Wenzel, gestorben war, seinem Vater in der Regierung. Mißtrauisch u. habsüchtig, verjagte er seine Brüder Jaromir u. Udalrich, welche mit kleinen Besitzungen unter Oberhoheit des Herzogs abgefunden waren, u. ließ den Ersteren entmannen. In Folge seiner schlechten u. grausamen Regierung brach im J. 1002 eine Empörung gegen ihn aus, die Unzufriedenen riefen den polnischen Prinzen Wladiwoi, Boleslaw Chrabrys Bruder, in das Land u. machten denselben nach Boleslaws III. Vertreibung zum Herzog. Nach dessen frühem Tode bemächtigte sich 1003 der Polenkönig des ganzen B-s u. setzte den vertriebenen Boleslaw wieder ein. Dieser rächte sich an den Großen seines Landes, die er heimtückisch ermorden ließ, erregte aber dadurch von Neuem den Unwillen des Volkes. Er entfloh vor der drohenden Erhebung desselben zu dem Polenkönig, der ihn aber blenden u. in den Kerker werfen ließ, um sich selbst des Landes zu bemächtigen. Indeß wurde er 1004 von Jaromir u. Udalrich, mit Hülfe des Kaisers Heinrich II., wieder verdrängt. Jaromir regierte nun von 1004–1012, u. Udalrich, nachdem er seinen Bruder verdrängt hatte, 1012–1037 über das, auf seine engsten Grenzen beschränkte B. allein. Udalrich war der erste böhmische Fürst, der sich an der deutschen Kaiserwahl betheiligte. Sein Sohn, Brzetislaw I., der böhmische Achill, eroberte 1028 Mähren u. vereinigte es mit B.; 1038 ging er zur Eroberung von Polen aus, nahm auch die Hauptstädte Krakau u. Gnesen, gerieth aber darüber mit Kaiser Heinrich III. in schweren Krieg, in welchem er 1040 denselben zwar vollständig schlug, 1041 aber besiegt u. zur Herausgabe von Polen u. wieder zur Zahlung des festgesetzten Tributs an den Kaiser gezwungen wurde; doch behielt er Breslau, das er erst 1054 an Polen, gegen jährlichen Zins, abtrat. Brzetislaw nahm Theil an den Feldzügen Heinrichs III. gegen Ungarn, befestigte Prag von Neuem u. trat 1048 das Herzogthum Mähren an seinen ältesten Sohn Spitihnew ab. Vor seinem Tode führte er noch in B. die Senioraterbfolge ein, ernannte Spitihnew zum Nachfolger in B., wies dessen Brüdern Wratislaw, Konrad u. Otto Mähren an, bestimmte den jüngsten, Jaromir, zum geistlichen Stand u. st. 1055. Spitihnew II. soll alle Deutsche, selbst seine Mutter, eine Tochter des Markgrafen Otto von Schweinfurt, aus B. vertrieben haben, eine Angabe, die durch Thatsachen widerlegt wird. Er nahm seinen Brüdern Mähren wieder u. setzte Konrad u. Otto als Hofbeamte ein. Wratislaw floh zum König Andreas von Ungarn, wurde dessen Schwiegersohn, erhielt dann Olmütz zurück, wurde nach Spitihnews Tode 1061 als Wratislaw II. Herzog von B., gab Mähren an seine Brüder zurück u. stiftete 1063 das Bisthum Olmütz. Dadurch rief er einen langwierigen Kirchenstreit zwischen den beiden Bisthümern Prag u. Olmütz hervor, der schließlich durch den Papst beigelegt wurde. Haupturheber desselben war Jaromir, Bischof von Prag u. Bruder des Herzogs. Wratislaw trat 1075 in ein enges Bündniß mit Kaiser Heinrich IV. u. war der einzige deutsche Fürst, der bis an seinen Tod treu zu dem unglücklichen Kaiser hielt, von dem er die Lehn über die Niederlausitz u. Meißen erhielt. Vom Kaiser beauftragt, den abgefallenen Markgrafen Leopold von Österreich zum Gehorsam zu bringen, rückte er 1082 in dessen Land ein, schlug ihn bei Mailberg, wurde jedoch schon 1083 von Leopold wieder zurückgedrängt, so daß er sich nicht in Besitz der ihm vom Kaiser geschenkten Mark setzen konnte. Dagegen ertheilte ihm der von seinem Römerzuge zurückgekehrte Kaiser 1086 die Königswürde, die aber der Papst nicht anerkannte. Er überzog 1090 Mähren, da sich Konrad selbständig machen wollte, mit Krieg. Zugleich erhob sich gegen ihn sein Sohn Brzetislaw, der sich namentlich durch die Begünstigung eines Lieblings des Königs, Zdered, zurückgesetzt sah. Zwar kam eine Versöhnung zwischen den Streitenden zu Stande, jedoch nach dem Tode des Königs u. seines Bruders Konrad, der nur 8 Monate regierte, 1092, brachen Thronstreitigkeiten in B. aus, indem Brzetislaw II. (1092–1100) die Nachfolge im Reiche seinem Bruder Borziwoi, mit Hintansetzung der nach dem Senoriatgesetze näher berechtigten Söhne Konrads, zu sichern sich bemühte. Das vornehme Geschlecht der Wrssowece wurde in diesen Streit vielfach verflochten; die Häupter desselben, von Brzetislaw II. nach Polen vertrieben, sind wahrscheinlich die Anstifter des Meuchelmordes gewesen, welcher dem Leben des Großherzogs 1100 ein Ende machte. Borziwoi II. behauptete sich zwar gegen Konrads Söhne in B., mußte aber Mähren ihnen u. [16] Ottos Söhnen, Swatopluk u. Otto, überlassen. Im J. 1105 unterstützte er den Kaiser Heinrich IV. gegen dessen aufrührerischen Sohn, wurde aber 1107 von dem kriegerischen Swatopluk, Herzog von Olmütz, vertrieben. Borziwoi erkaufte sich mit Geld die Hülfe des Kaisers Heinrich V., welcher Swatopluk zu sich entbot, ihn gefangen setzen, dann aber gegen ein Lösegeld freigeben ließ, worauf Borziwoi abermals aus B. verjagt wurde. Als indeß Swatopluk 1108 für Heinrich V. in Ungarn kämpfte u. Preßburg belagerte, war Borziwoi mit polnischer Hülfe u. den Wrssowece in B. eingefallen; aber auf die Nachricht, daß Swatopluk in Anzug sei, floh Borziwoi, u. die Wrssowece wurden auf des Herzogs Befehl alle ermordet u. ihre Güter vertheilt. 1109 fiel Swatopluk auf einem Zuge gegen Polen in Schlesien durch Meuchelmord; zwar ernannte der Kaiser Swatopluks Bruder, Otto, zum Herzog von B., aber derselbe konnte den Thron nicht besteigen, da die böhmischen Stände bereits Wladislaw I., Borziwois Bruder, gewählt hatten, der auch nach der Gefangennehmung Borziwois, welchen eine andere Partei begünstigte, zur Regierung kam. Mit den mährischen Herzögen Otto, den er drei Jahre lang in strenger Haft halten ließ, u. Sobieslaw gerieth er anfangs in Zwistigkeiten, söhnte sich aber 1115 mit ihnen aus u. schlug 1116 die Ungarn, übergab 1117 seinem Bruder Borziwoi II. die Regierung, nahm sie ihm aber 1120 wieder, u. da er 1125 st., wurde mit Übergehung Ottos, von der Volksstimme begünstigt, sein Bruder Sobieslaw I. Herzog. Dagegen hatte Kaiser Lothar den Herzog von Olmütz zum Herzog von B. bestimmt, doch wurde das deutsche Heer, welches dem Herzog Otto zu seinem Rechte verhelfen sollte, bei Kulm geschlagen, Otto fiel selbst, u. nun wurde 1126 Sobieslaw auch vom Kaiser anerkannt. Er führte mehrere Kriege gegen Polen, unterhielt ein freundschaftliches Verhältniß mit den deutschen Kaisern Lothar I. u. Konrad III. u. st. 1140. Seinem Sohne Wladislaw, der vom Kaiser zum Herzog bestimmt war, machte Wladislaws I. Sohn, Wladislaw II., den Thron streitig, u. jener mußte mit seinen Brüdern Udalrich u. Sobieslaw aus dem Lande fliehen. Da aber Wladislaw II. den böhmischen Magnaten den verlangten Antheil an der Regierung verweigerte, so bildeten sich mehrere Parteien, deren jede einen anderen Herzog wollte. Den meisten Anhang fand der von dem hohen Adel gewählte Herzog Konrad v. Znaim, der nach B. kam u. Prag belagerte, aber durch deutsche Truppen besiegt wurde u. 1142 B. verlassen mußte. Nachdem Wladislaw 1146 einen siegreichen Feldzug gegen den verbannten Herzog Konrad unternommen hatte, begleitete er den Kaiser Konrad 1147 nach dem Gelobten Lande. Die Regierung führte einstweilen sein Bruder Theobald. Dieser nahm den Prinzen Sobieslaw, des Herzogs Sobieslaw I. Sohn, welcher nach B. zurückkehrte, um sich der Herrschaft zu bemächtigen, gefangen. Dem Kaiser Friedrich I., mit welchem Wladislaw II. auf gespanntem Fuße gelebt hatte, leistete er, nachdem er sich 1156 mit ihm versöhnt hatte, gegen Mailand so wesentliche Dienste, daß derselbe ihm, jedoch nur für seine Person, den Titel als König verlieh. Obgleich der König noch 1161 u. 62 den Kaiser in den italienischen Feldzügen unterstützt hatte, so lockerte sich doch bald darauf das Freundschaftsbündniß zwischen Beiden, u. als der Kaiser mit dem Papst zerfiel u. Wladislaw auf die Seite des Papstes trat, setzte Friedrich I. Sobieslaw, der bereits 1150 freigegeben u. in Folge erneuter Feindseligkeiten an seinen Hof geflohen war, zum Herzog von B. ein. Wladislaw II., der 1174 die Regierung seinem Sohne Friedrich abgetreten hatte, ging darauf nach Merane in der Grafschaft Glauchau u. st. hier 1175. Sobieslaw II. hinderte die Magnaten in ihren Räubereien u. schützte die Bauern, weshalb ihn der Adel den Bauernfürsten nannte. Wegen eines Krieges gegen Österreich, welches er zwei Mal mit seinem Heere verwüstete, wurde er vom Papst in den Bann gethan u. 1177 von dem Kaiser, welcher ursprünglich die Veranlassung zu jenem Kriege gegen den von ihm abgefallenen Herzog von Österreich war, der Herzogswürde beraubt. Diese erhielt 1178 Friedrich, Wladislaws II. Sohn. Sobieslaw II. floh, nach vergeblichen Versuchen, sich in B. zu halten, nach Deutschland, wo er 1180 st. Friedrich, welcher dem Kaiser für seine Einsetzung große Geldsummen versprochen hatte, suchte diese mit großer Härte zu erpressen. Deshalb vertrieben ihn die B. 1182 u. riefen den Markgrafen Konrad von Mähren zur Regierung. Dieser verließ aber B. auf Kaisers Befehl u. Friedrich kehrte zurück. 1184 erhob der Herzog Wenzel, Sobieslaws I. Sohn, einen neuen Aufstand, wurde aber in der Abwesenheit Friedrichs von dessen muthiger Gemahlin, Elisabeth von Ungarn, glücklich unterdrückt; 1185 rückte Friedrich gegen Konrad von Mähren, um denselben, der sein Land als reichsunmittelbar vom Kaiser zu Lehn empfangen hatte, zur Anerkennung der Oberhoheit B-s zu zwingen. In blutiger Schlacht bei Lodmitz siegte Friedrich, Konrad gab seinen Markgrafentitel auf u. vereinigte 1189, als Friedrich starb, Olmütz wieder mit B. Er st. 1191 in Italien, wohin er den Kaiser Heinrich VI. begleitet hatte, u. die B. wählten Wenzel, jüngsten Sohn Sobieslaws I., zum Herzog; doch entriß ihm nach 3 Monaten Przemysl Ottokar I. die Würde, nachdem dieser sich mit derselben vom Kaiser für 6000 Mark hatte belehnen lassen. Wenzel wurde von Albrecht, Markgrafen zu Meißen, gefangen u. st. (wahrscheinlich) 1193 in der Haft. Ottokar zögerte indeß, seine Geldverpflichtung gegen den Kaiser u. Heinrich Brzetislaw, Bischof von Prag, welcher die Bürgschaft dafür übernommen hatte, zu erfüllen. Deshalb u. wegen eines Einverständnisses mit Heinrich dem Löwen entsetzte ihn der Kaiser seiner Würde u. ernannte den Bischof Heinrich von Prag zum Herzog. Dieser unterdrückte einen von Ottokars Bruder, Wladislaw, erregten Aufstand in Mähren u. st. 1197 in Eger, wohin er vor Ottokars Anzug gegen Prag, den jedoch Fürst Spitihnew zurückschlug, geflohen war. Die B. wählten nun Wladislaw III., Otokars Bruder, Markgrafen von Mähren, zum Herzog, doch ergriffen nach Heinrichs VI. Tode 1197 Ottokars Anhänger die Waffen u. Wladislaw trat seinem Bruder B. gegen Mähren ab.

IV. Böhmen als erbliches Königreich bis zum Erlöschen des Hauses Przemysl, 1198–1306. Ottokar I. unterstützte die Wahl des Kaisers Philipp gegen Otto IV., u. dieser ernannte ihn dafür 1198 zum König von B., welchen Titel bald darauf (1204) auch Papst Innocenz III. anerkannte. Ottokar wurde am 15. Aug.[17] 1198 in Mainz gekrönt u. hielt Anfangs treu zu Philipp, ging aber auf Veranlassung des Papstes, dem er die Scheidung von seiner ersten Gemahlin u. die Anerkennung seiner Souveränetät über die Kirche B-s in weltlichen Dingen verdankte, 1203 zum Gegenkaiser Otto IV. über, welcher ihn 1203 zu Merseburg nochmals krönen ließ. Als aber Philipp ihn bis Weißensee zurückdrängte u. über Otto siegte, trat Ottokar 1204 wieder auf Philipps Seite. Erst bei dessen Tode 1208 nahm er auf des Papstes Wunsch wieder Otto's IV. Partei, bis 1211 der Papst mit dem Kaiser in Streit gerathen, die deutschen Fürsten aufforderte, dem König von Sicilien, Friedrich, die deutsche Krone zu verleihen. Ottokar war der erste deutsche Fürst, der sich anschickte, der Aufforderung des Papstes nachzukommen. Otto IV. belehnte darauf Wratislaw, den ältesten Sohn Ottokars u. dessen verstoßener Gemahlin, Adele, mit der Krone B-s. Indeß erschien Friedrich II. in Deutschland, besiegte den Gegenkaiser u. befreite B. zum Lohn für Ottokars Bereitwilligkeit von allen Abgaben an das Reich u. gab ihm noch andere Freiheiten. Ottokar führte nun in B. die Primogeniturerbfolge statt des Seniorats ein u. ließ seinen ältesten Sohn sogleich zum Thronfolger wählen (1216). Das Bestreben des Prager Bischofs Andreas, eine reichsunmittelbare Stellung zu gewinnen, führte zu einem vollständigen Bruche zwischen der Regierung u. der Kirche in B. (1217–22), welchen Papst Honorius III. nur mit Mühe zu heilen vermochte; der Bischof blieb des Königs Unterthan, erhielt aber besondere Privilegien. Ottokars Sohn, Wenzel I. der Einäugige, seit 1230 nach seines Vaters Tode Alleinherrscher, beförderte die schon von seinem Vorgänger begünstigte Niederlassung deutscher Colonisten in B. u. die Einführung deutschen Rechtes. Er führte viele Kriege mit Friedrich dem Streitbaren von Österreich u. mit seinem Bruder Przemysl, Markgrafen von Mähren, griff auch in den Streit der Päpste mit Kaiser Friedrich II. vielfach ein. 1238 trat Wenzel zum ersten Male als Haupt einer Anzahl deutscher Fürsten gegen den Kaiser auf, versöhnte sich aber 1240 wieder mit ihm. Bei dem Einfall der Mongolen 1241 in Europa, hielt er deren Fortschritte nach der Schlacht bei Liegnitz auf, brachte ihnen durch seinen Feldherrn Jaroslaw bei Olmütz in Mähren eine große Niederlage bei u. vertrieb sie auch aus Österreich, wodurch er das Meiste zur Rettung Europas beitrug. Als er 1247, zum zweiten Male, auf des Papstes Seite gegen Friedrich II. trat, veranlaßte dieser die unzufriedenen Großen B-s zu einem Aufstande, an dessen Spitze sich Wenzels Sohn, Przemysl Ottokar II., stellte; Vater u. Sohn versöhnten sich 1249 wieder, nachdem der König von Mähren aus in Böhmen eingedrungen war u. Prag eingenommen hatte. Wenzel I. übernahm die Regierung von Neuem u. vermochte 1251 die Stände Österreichs, seinen Sohn zum Herzog von Österreich u. Steiermark zu wählen. Er starb 1253 bei Beraun. König Przemysl Ottokar II., der sich mit der Wittwe Heinrichs VII., Margaretha von Österreich, vermählte, gerieth über den Besitz von Österreich u. Steiermark mit König Bela von Ungarn in Streit u. mußte demselben 1254 Steiermark abtreten. 1255 machte er mit 60,000 M. einen Kreuzzug gegen die heidnischen Preußen, half dort den Deutschen Rittern Samland erobern u. gründete Königsberg. Bald nach seiner Rückkehr 1256 wurde ihm nach des Königs Wilhelm Tode die deutsche Krone angeboten, doch schlug er sie aus. 1257 u. 1265_–67 führte er Krieg mit Baiern u. eroberte Eger, das er mit B. vereinigte. Wegen Steiermark gerieth er mit Bela von Ungarn abermals in Streit, schlug denselben 1260 in der Schlacht bei Kressenbrunn u. erhielt Steiermark durch den Friedensvertrag zurück. 1261 trennte er sich von seiner alternden Gemahlin Margaretha von Österreich u. vermählte sich mit der Prinzessin Kunigunde von Galizien, behielt aber dennoch die Erblande Margarethens, Österreich u. Steiermark, mit denen ihn König Richard auch 1262 in Aachen belehnte. Von dem erbenlosen Herzog Ulrich erlangte Ottokar 1269 die Herzogthümer Kärnthen, Krain u. Friaul, u. vereinigte auf diese Weise das ganze Ländergebiet vom Erzgebirge bis ans Adriatische Meer unter seinem Scepter. Dabei war er gegen Bürger u. Bauer mild u. begünstigte ihre Gewerbe, gegen die Großen aber war er unerbittlich streng. Nach König Bela's Tode, 1270, erneuerten sich die Kriege mit Ungarn 1271–1273, in welchen Ottokar wiederholt Eroberungen machte. Als ihm 1271 abermals die deutsche Krone angeboten wurde, schlug er sie wieder aus, wollte aber Rudolf v. Habsburg nicht als Kaiser anerkennen. Rudolf erklärte deshalb Österreich, Steiermark, Kärnthen u. Krain als dem Reiche heimgefallen, sprach die Acht gegen Ottokar aus u. zog, um diese zu vollziehen, gegen ihn. Ottokar, der Treue seiner Stände nicht sicher, unterwarf sich 1276, nachdem Wien in die Hände der Reichstruppen gefallen war. Er mußte über B. die Belehnung nehmen, Österreich, Steiermark u. Kärnthen aber ganz abtreten, auch die Baiern u. Ungarn entrissenen Gebiete zurückgeben. Später, von Rudolf zu noch größeren Opfern gedrängt, ergriff er die Waffen von Neuem; 1278 kam es in dem Marchfelde bei Wien zur Schlacht, u. Ottokar wurde, als sich der Sieg bereits auf seine Seite neigte, von einem böhmischen Heerhaufen verlassen u. von steierischen Edelleuten gefangen u. umgebracht. Nach dem Tode des mächtigsten böhmischen Königs Ottokar II. beginnt der allmälige Verfall B-s, zunächst mit dem nun eintretenden ersten Interregnum. Die Königin Mutter schloß in Czaslau Frieden mit dem Kaiser, der auf 5 Jahre die Markgrafschaft Mähren als Ersatz für die Kriegskosten behielt. Dem Markgrafen Otto von Brandenburg wurde als Vormund von Ottokars achtjährigem Sohn, Wenzel II. dem Frommen, Prag u. der größte Theil von B. übergeben, u. Wenzel wurde mit Jutta, Tochter des Kaisers (die Vermählung war 1287), u. die jüngste Tochter Ottokars, Agnes, mit dem jüngsten Sohne des Kaisers, Herzog Rudolf, verlobt. Markgraf Otto u. die Wittwe Ottokars stritten sich nun um die Vormundschaft, u. beide wurden, jener durch die Deutschen, diese durch die Böhmen unterstützt. Otto behielt endlich die Oberhand, führte aber sein Amt sehr eigenmächtig u. grausam, so daß eine allgemeine Anarchie über das Land hereinbrach. Gegen sein, den Ständen gegebenes Versprechen, Wenzel nicht ferner in seinem Gewahrsam zu halten, nahm er den jungen König mit sich außer Landes u. sorgte kaum für den nothdürftigen Unterhalt desselben. 1281 forderte Otto 15,000 Mark Silber als Erziehungskosten u. 1282 weitere 20,000, wenn[18] er den jungen König dem Lande zurückgeben solle. Als die Böhmen das Geld nicht zusammenbringen konnten, mußten sie dem Markgrafen mehrere Schlösser in B. verpfänden, worauf Wenzel II. als König in Prag einzog. Die Mutter Wenzels vermählte sich 1284, öffentlich mit ihrem Günstling Zawisch v. Rosenberg, der nun die königliche Macht an sich riß u. seinem noch unmündigen Stiefsohn nur den Schein derselben ließ. Als die Königin Kunigunde 1285 gestorben war, fuhr Zawisch fort, die Regierung des Landes mit kräftiger Hand zu führen. Indeß brachte er durch sein herrisches Benehmen die Stände B-s gegen sich auf, u. diese erregten Wenzels Mißtrauen gegen Zawisch. Obgleich sich derselbe 1287, nachdem er eine Schwester des Königs von Ungarn geheirathet hatte, ins Privatleben zurückzog u. Wenzeln die Regierung überließ, so fürchtete dieser ihn dennoch, ließ ihn daher 1288 gefangen nehmen u. 1290 enthaupten. Von seinem Schwiegervater, dem Kaiser Rudolf, erhielt der junge König mehrere Besitzungen in Meißen u. wurde auch als Kurfürst bestätigt, als welcher er das Schenkenamt übernahm. 1292 zog Wenzel, welcher Anspruch auf das Herzogthum Krakau erhoben hatte, gegen den Polenherzog Wladislaw Lokietek u. nahm Krakau am 28. Sept. Als Kaiser Rudolf starb, schlug Wenzel die ihm angetragene deutsche Krone aus. Anfangs war er auf der Seite des Kaisers Adolf von Nassau gegen Albrecht von Österreich, aber da er 1292 die ihm von den Ständen angebotenen österreichischen Lande ausschlug, versöhnte sich Albrecht 1293 mit ihm, u. Wenzel half nun Adolf besiegen. Er kaufte Pirna u. löste die von seinem Vater verpfändeten Güter wieder ein. Als seine Gemahlin Jutta 1297 st., heirathete er die polnische Prinzessin Rixa, u. die Polen wählten ihn nun 1300 zu ihrem Könige. Auch die Ungarn thaten dies 1301, doch bewog er dieselben, seinen Sohn Wenzel statt seiner als König anzunehmen. Kaiser Albrecht betrachtete indessen mit mißtrauischen Blicken die wachsende Macht des böhmischen Königs, verweigerte dem Sohne Wenzels die Anerkennung als König von Ungarn u. befahl Wenzeln, die Krone Polens an den Herzog Wladislaw abzutreten. Dazu kamen noch ganz unrechtmäßige Geldforderungen, denen der König ebensowenig wie den übrigen Befehlen des Kaisers Gehör gab. Dieser drang in Folge dessen im Sept. 1304 mit einem deutschen u. ungarischen Heere in B. ein, belagerte Kuttenberg, mußte sich aber mit großem Verluste zurückziehen. 1305 st. Wenzel II., der sich namentlich durch die Reform des Münzwesens, ebenso wie durch seine Herrschertugenden, Güte u. Gerechtigkeit, um die Wohlfahrt seiner Unterthanen verdient gemacht hatte. Sein Sohn Wenzel III. schloß mit dem Kaiser Albrecht Frieden, in welchem dieser ihm die meißnischen Besitzungen bestätigte. Als er aber mit Heeresmacht nach Polen zog, um Wladislaw Lokieteks Fortschritte daselbst zu hemmen, wurde er unterwegs zu Olmütz am 4. Aug. 1306 meuchlings erstochen. Mit Wenzel III. erlosch der alte Przemyslische Stamm.

V. Böhmen unter Regenten aus deutschen Fürstenhäusern bis zum Ausbruch des Hussitenkrieges, 1306–1419. Die Magnaten versammelten sich nach dem Tode des Königs Wenzel III. zur Wahl eines neuen Königs; eine Partei war für Herzog Heinrich von Kärnthen, als den Gemahl der Prinzessin Anna, der Schwester Wenzels III.; die andere für Herzog Rudolf von Österreich, den Sohn des Kaisers Albrecht I., gestimmt, u. der Kaiser belehnte 1306 seinen Sohn Rudolf mit B. Dieser starb aber schon 1307 bei der Belagerung von Horazdiowitz, wo sich einer seiner Widersacher, Bawor von Strakonitz, verschanzt hatte, u. an seine Stelle wurde nun Herzog Heinrich von Kärnthen zum König gewählt, der sich sogleich zu Prag huldigen ließ. Kaiser Albrecht I., welcher die Erbfolge seinem Hause sichern wollte, griff, von den Mähren unterstützt, ihn 1307 vergebens an. Die Böhmen waren namentlich wegen Rudolfs I. Sparsamkeit, die mit Wenzels Verschwendung u. Prunksucht einen directen Gegensatz bildete, u. deshalb, weil er alle Bedürfnisse des Hofes von Österreich her bezog, den österreichischen Herrschern abhold geworden, u. nach des Kaisers Albrecht Ermordung mußten dessen Söhne sich ihrer Ansprüche auf die Erbfolge begeben. Heinrich war ein Schwächling, u. in Folge dessen verfiel bald das Land in Anarchie, welche den Absichten des Kaisers Heinrich VII., B. an sein Haus Luxemburg zu bringen, sehr förderlich wurde. Wenzels II. zweite Tochter Elisabeth, welche König Heinrich, um sie unschädlich zu machen, mit einem Baron v. Bergow hatte vermählen wollen, wurde dem Sohne des Kaisers, Johann v. Luxemburg, verlobt u. am 1. Sept. 1310 zu Speier angetraut; zugleich belehnte der Kaiser seinen Sohn mit B., u. da die Mehrzahl der böhmischen Stände auf dessen Seite trat, mußte Heinrich 1310 nach Kärnthen entfliehen. Johann wurde mit seiner Gemahlin Elisabeth 1311 in Prag gekrönt, brachte Mähren von den Herzögen von Österreich (welche dasselbe von Heinrich VII. als Pfand hatten, ohne jedoch die daran geknüpften Bedingungen, ihm bei der Eroberung Böhmens Hülfe zu leisten, erfüllt zu haben), ferner Troppau von den Herzögen von Breslau wieder an B. zurück u. verwaltete, als sein Vater zur Kaiserkrönung nach Italien zog, auch Deutschland als Reichsvicar. Nach der zwiespaltigen Kaiserwahl 1314 hielt Johann zu Kaiser Ludwig von Baiern u. half wesentlich mit zu dessen Siege bei Mühldorf (1322) über Friedrich den Schönen von Österreich. 1315 unternahm er einen ziemlich erfolglosen Zug gegen Ungarn. In B. erregte Johann indeß gleich Anfangs durch zu große Begünstigung der Deutschen (bis 1318), dann durch zu häufige Abwesenheit u. schweren Steuerndruck viel Mißvergnügen. Er hielt sich am liebsten in Frankreich u. am Rheine auf, mischte sich in alle Verhältnisse Europas ein, suchte, wiewohl meist ohne Erfolg, zwischen dem Papste u. dem Kaiser Ludwig zu vermitteln, besuchte fleißig Turniere, verschwendete viel Geld u. war stets von Schulden gedrückt. Die Unzufriedenheit mehrte sich u. brach in einen Aufruhr mehrerer Großen aus, als der König den von ihm zum Reichsverweser ernannten Heinrich von Lipa, einen tüchtigen Feldherrn u. Staatsmann weil er auf die Befriedigung der Staatsgläubiger u. Beschränkung des königlichen Luxus drang, gefangen setzen ließ. Johann dämpfte indeß den Aufstand mit Hülfe deutscher Truppen u. söhnte sich später mit Heinrich von Lipa aus. Bald aber brach von Neuem der Aufstand los. Heinrich von Lipa schloß mit dem österreichischen Herzoge Friedrich dem Schönen einen Vertrag u. bedrängte den König mit einem österreichischen Heere so sehr, daß dieser 1318 sich den Forderungen der Magnaten fügte u. Hein[19] rich von Lipa wieder zum Kämmerer (Finanzminister) einsetzte. Johann brachte 1319 Bautzen, 1322 Eger, 1327 Oberschlesien u. Breslau, 1329 andere schlesische Herzogthümer, dann Görlitz, Masowien u.a.m. an die Krone B. 1330 sicherte er seinem Hause auch die Erbfolge in Tyrol u. Kärnthen u. erwarb 1331 von dort aus auch die lombardischen Städte Brescia, Bergamo, Mailand, Cremona, Pavia, ferner Parma, Modena, Lucca u.a.m., in deren Besitz er sich jedoch nur bis 1333 behaupten konnte, da alle benachbarten Mächte, durch seine Erfolge erschreckt, sich gegen ihn verbündeten. In dem Kärnthnischen, Erbfolgestreit 1335–1336 rissen die Herzöge von Österreich Kärnthen an sich, u. auch Tyrol ging für das Haus Luxemburg verloren, als die Erbin dieses Landes, Margarethe Maultasch, ihren ersten Gemahl, einen Sohn des Königs Johann, verstieß, um sich mit dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, dem Sohne des Kaisers Ludwig (1342), zu vermählen. Dies führte zum völligen Bruch mit dem Kaiser u. zu noch innigerer Verbindung mit dem Papste u. mit Frankreich. Nach einem Feldzuge gegen die Lithauer 1337 erblindete König Johann am rechten Auge u. im Jahre 1340 auch am linken. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin Elisabeth, 1330, heirathete er 1334 Beatrix von Bourbon, welche ihm einen Sohn Wenzel gebar, der ihm im Herzogthum Luxemburg nachfolgte. 1344 wurde Prag zum Erzbisthum erhoben u. in demselben Jahre unternahm König Johann seinen 3. Zug gegen Preußen u. Lithauen, der aber ohne Erfolg blieb. 1345 sah sich der König in Folge der 1344 auf seinen Sohn, den Markgrafen Karl von Mähren, gefallenen Vorwahl zum deutschen Kaiser, von allen Seiten von Feinden umringt. welche der immer noch mächtige Kaiser Ludwig gegen ihn aufzustacheln wußte. Die Ungarn, Polen, Österreicher u. Meißner drohten mit Krieg. Rasch entschlossen, rückte er gegen die Ungarn u. Polen ins Feld, brachte denselben empfindliche Verluste bei u. zwang sie zum Frieden. 1346 führte er dem König von Frankreich, Philipp von Valois, gegen die Engländer Hülfstruppen zu u. ward in der Schlacht von Creci getödtet. Sein ältester Sohn Karl, durch die 1346 zu Rense erfolgte definitive Wahl zum deutschen Könige ernannt, begab sich zunächst nach Luxemburg u. ließ sich dann in Bonn zum deutschen Könige krönen. Von dort begab er sich nach Böhmen u. wendete überhaupt seine meiste Sorgfalt seinen Erbstaaten zu, u. B. blühte unter seiner Regierung herrlich auf. Er ließ die Elbe u. Moldau schiffbar machen, Wälder ausroden, sorgte für die Sicherheit der Straßen, beförderte den Weinbau u. schloß 1358 Handelsverbindungen mit Venedig u. den Niederlanden. Breslau u. Prag wurden Stapelstädte nu erreichten dadurch eine hohe Blüthe; 1348 stiftete er die Universität in Prag. Alle Privilegien, welche B. von den deutschen Kaisern, bes. von Friedrich II. erhalten hatte, wurden von Karl durch die Böhmische goldene Bulle bestätigt, u. selbst versucht, die Lehnsherrschaft B-s über Österreich u. Steiermark zu begründen. Mähren überließ er seinem Bruder Johann als erbliches Lehn (1349), dagegen ließ er sich 1353 von dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg das Einlösungsrecht auf die an Meißen verpfändete Lausitz abtreten, u. erhielt theils durch Kauf, theils durch die Abtretung von keinem Schwiegervater, dem Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz, die Oberpfalz, welche er 1355 mit B. vereinigte. Nach dem Tode seiner 2. Gemahlin, Anna von der Pfalz, vermählte er sich mit der Prinzessin Anna von Jauer, wodurch er Ansprüche auf die Fürstenthümer Jauer u. Schweidnitz bekam. 1355 vereinigte Karl die Lausitz, Schlesien, Masowien u. Plotzk (letztere von Polen getrennt) mit B. Mit jedem Jahre fast vergrößerte er sein Erbreich, theils durch Reichslehen, welche er einzog, theils durch Herrschaften, die er ankaufte, so Donaustauf, Hoyerswerda, Reichenbach im Voigtlande, Spremberg, Kolditz, Wertheim u.a.m. Mit Österreich, Tyrol u. Brandenburg schloß er 1363 eine Erbverbrüderung. Markgraf Otto von Brandenburg suchte zwar 1373 die mit B. eingegangene Erbverbrüderung aufzuheben, aber Karl zwang ihn, das Land abzutreten, womit er seine Söhne Wenzel u. Sigismund belehnte; 1376 bestimmte Karl, daß nach seinem Tode sein ältester Sohn Wenzel B. u. Schlesien, Sigismund Brandenburg u. der dritte, Johann, Görlitz u. die Niederlausitz erben sollten. Karl starb im November 1378. Wenzel IV. (als Kaiser Wenzel I.) war damals erst 17 Jahre alt. Sein Hang zur Sinnlichkeit, der ihn von einigen Historikern beigelegt wird, erscheint bei anderen in viel milderem Lichte. Jedenfalls sind die Schilderungen seines ausschweifenden Lebens sehr übertrieben worden. In den ersten 10. Jahren seiner Regierung erfreute sich B. einer segensreichen Ruhe. Mit großer Strenge verfuhr er gegen den räuberischen Adel u. die anmaßende Geistlichkeit; 1387 stiftete er ein neues Collegium für die Universität. Auch unter Wenzels Regierung wurde B-s Macht mehrfach vergrößert; 1383 erbte er Luxemburg, u. da sein Bruder, Markgraf Sigismund von Brandenburg, in mehrere Kriege mit Ungarn u. Polen verwickelt wurde, so trat dieser 1385 das Kurfürstenthum Brandenburg gegen eine Summe an Wenzel ab, der nun seinen Bruder Johann als Statthalter dorthin setzte. Wenige Jahre darauf, 1388, gab Wenzel aber dasselbe an Sigismund zurück, beide verpfändeten sodann das Kurfürstenthum an Jost von Mähren, welchem Wenzel auch sein Herzogthum Luxemburg verschrieb. Sigismund verzichtete auf sein Erbrecht auf B. zu Gunsten des Markgrafen Johann von Görlitz u. trat seinen Antheil an den böhmischen Bergwerken an diesen ab. In demselben Jahre brach im Innern des Landes eine Fehde aus, indem Marquard von Wartenberg sich in seinen Rechten gekränkt wähnend, gegen den König eine Schaar Unzufriedener aufbot. Sie endete mit der Gefangennehmung des Empörers. Zugleich hatte Wenzel Unruhen im Deutschen Reiche zu bekämpfen (s. Deutschland, Gesch.). 1389 fand in Prag die große Judenverfolgung Statt, u. das den Juden geraubte Geld nahm der König für sich in Anspruch. Die Geistlichkeit, früher vom Papste mit ihren Klagen zurückgewiesen, trat jetzt mit bestimmten Forderungen gegen den König auf, u. der Erzbischof von Prag erhob sich offen gegen Wenzel, floh aber, als der jähzornige König die Häupter des Clerus foltern u. mißhandeln ließ, 1393 aus Prag. Als der Erzbischof später nach Prag zurückkehrte, begannen die Umtriebe der Geistlichkeit von Neuem. Eine Anzahl angesehener Barone schlossen, um das Regiment der Höflinge, von denen Wenzel sich leiten ließ, zu stürzen, den Herrenbund, an dessen Spitze Jobst von Mähren trat. Dieser, nach der[20] königlichen Macht trachtend, ließ den König 1394 von einigen Baronen gefangen nehmen u. hielt ihn zu Prag u. dann auf dem Schlosse Krummau in Haft. Nach wenigen Monaten ward Wenzel von seinem Bruder, dem Herzog Johann von Görlitz, wieder befreit. Wegen der fortdauernden Empörung wurde Wenzel so mißtrauisch, daß er sich 1396 selbst mit Johann entzweite u. denselben aus Prag verwies. Vergebens bemühte sich König Sigismund von Ungarn, den nun ausbrechenden offenen Kampf der Hofpartei u. des Herrenbundes beizulegen. Die Häupter der ersteren wurden von denen der letzteren auf grausame Weise ermordet, u. der König, zwischen den Parteien schwankend, ließ es ungestraft hingehen, indem er nun die übermüthigen Barone im Lande schalten u. walten ließ. Mit diesen gerieth er abermals in Conflict, als er dem Markgrafen Procop von Mähren die Zügel der Regierung in die Hände gab. Bei diesen Unruhen nahm sich Wenzel des Deutschen Reiches gar nicht an, daher entsetzten ihn ein Theil der Kurfürsten 1400 seiner Würde u. ernannten den Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz zum Gegenkönig. Da aber viele Stände, u. bes. die Reichsstädte, Wenzeln treu blieben, so machte dieser Anstalten, seinen Gegner zu bekämpfen, war aber zu schwach, etwas Ernstes zu unternehmen. Ebenso hinderte Ruprecht 1402 einen Zug nach Italien, indem er mehrere Fürsten gegen ihn gewann, u. nun ließ Sigismund selbst, verzweifelnd an der Fähigkeit seines Bruders, der Streitigkeiten in B. u. im Reiche Herr zu werden, den König am 29. April 1402 nochmals festnehmen u. nach Österreich schaffen. Im Nov. 1403 aber entfloh Wenzel der Hast u. kam nach B. zurück, wo er, nachdem der gegen ihn von Sigismund u. dem Herzog Albrecht von Österreich 1404 eröffnete Feldzug glücklich abgelaufen war, nach alter Weise fort regierte. Durch den Tod des Markgrafen Jobst von Mähren fiel 1441 dieses Land wieder an B., u. als Sigismund, Wenzels Bruder, 1410 zum deutschen König gewählt worden war, trat ihm Wenzel nach langem Widerstreben seine Ansprüche auf den deutschen Thron ab. Die letzten Tage Wenzels, welcher aus Groll gegen Papst Gregor XII., weil dieser in seine Entsetzung von der Kaiserwürde willigte, den Bestrebungen Wiklefs Vorschub geleistet hatte, störten noch die durch Joh. Huß angeregte Kirchenverbesserung u. die durch seine Verbrennung zu Kostnitz (trotz des ihm ertheilten kaiserlichen Freibriefs) veranlaßte Aufregung (s. Huß u. Hieronymus von Prag) u. der Hussitenkrieg (s. Hussiten) war eben im Beginnen, B. auch durch Papst Martin V. mit dem Banne belegt: als Wenzel, welcher über die Gewaltthat an Huß selbst entrüstet war, sich später aber durch Sigismund zur Verfolgung der Hussiten bestimmen ließ, am 16. Aug. 1419, kurz nach der Erstürmung des Prager Rathhauses durch Johann Ziska, am Schlage starb.

VI. Von den Hussitenunruhen an bis zur Schlacht am Weißen Berge od. dem gänzlichen Erlöschen der böhmischen Wahlfreiheit, 1419–1620. Auf Wenzel sollte sein Bruder Sigismund, deutscher Kaiser u. König von Ungarn, folgen, aber weil dieser Huß in Kostnitz hatte verbrennen lassen u. nicht zugegen war, so erhoben sich die Freunde der neuen Lehre gegen ihn, u. nur mit Mühe gelang es Sophien, der Witwe Wenzels, einer eifrigen Hussitin, im November 1419 einen Waffenstillstand zu Stande zu bringen. Sigismund, bisher in Ungarn beschäftigt, kam jetzt zum Landtag nach Brünn, wo auch böhmische Abgeordnete sich einstellten. Da er aber auf Unterdrückung der hussitischen Lehren bestand, so verweigerten die Böhmen den Kaiser als König anzuerkennen. Sigismund rückte zwar mit einem Heer vor Prag, wurde aber von Ziska u. den Pragern in der Schlacht bei Prag 1420 geschlagen, welche nach u. nach ganz B. unter ihre Botmäßigkeit brachten (1421). Auf dem Landtage von Czaslau (1421) erklärten die B., nachdem der Kaiser ihre Bedingungen verworfen hatte, den Thron für erledigt u. ernannten eine Regentschaft. Großfürst Witold von Lithauen nahm die ihm angebotene Krone an, konnte aber wegen eines Krieges mit dem Deutschen Orden in Preußen nicht selbst nach Prag kommen, sondern schickte seinen Neffen Sigismund Koributh mit 5000 Mann 1422 nach B. Da aber die Prager mit Ziska u. den Hussiten sich entzweiten, so kam es nun zum Krieg zwischen den Hussiten u. den Pragern, in dessen Folge der Reichsverweser B. verließ, bes. da der König Wladislaw von Polen auf des Kaisers Seite trat u. ihm 5000 Reiter gegen die B. zu Hülfe schickte. Koributh kam aber 1424 wieder nach Prag u. wurde am 4. Juli zum Regenten von B. gewählt. Ziska versöhnte sich ebenfalls wieder mit ihm, u. obgleich dieser noch 1424 starb u. sich die Hussiten nach seinem Tode in zwei Parteien theilten, so regierte doch Koributh bis 1427 ruhig fort u. gewann mit den beiden hussitischen Parteien die Schlacht bei Aussig (16. u. 17. Juni 1426). Da er aber mit dem Papst zu unterhandeln anfing, so nahmen ihn die Hussiten u. Prager gefangen, setzten ihn auf das Schloß Karlstein (1427) u. sendeten ihn gegen Verzichtleistung auf die Regierung nach Lithauen zurück. Da inzwischen alle großen Heerzüge gegen die Hussiten 1420, 1421, 1422, 1427 u. 1431 unglücklich endeten, so knüpfte Kaiser Sigismund seit 1429 Unterhandlungen an, aber alle Versuche scheiterten an den Hussiten, die selbst durch Parteiungen zerrissen waren, dessenungeachtet aber Einfälle, besonders in Meißen, machten (s. Hussiten). Erst 1431 wurden die Verhandlungen wieder angeknüpft, die 1432 u. 1433 fortdauerten, sich ungeachtet eines Vergleichs (Prager Compactate) abermals zerschlugen u. am 30. Novbr. 1433 zu einer nochmaligen Trennung zwischen den Hussiten Anlaß gaben. Die Taboriten wurden aus Prag vertrieben u. von der Gegenpartei, an deren Spitze Alesch v. Riesenburg, der auf dem letzten Landtage gewählte Statthalter von B., stand, am 30. Mai 1434 bei Lipau gänzlich geschlagen. Neue Landtage folgten hierauf, u. endlich wurde in einem zweiten Vergleich Kaiser Sigismund, gegen die Versicherung der Aufrechterhaltung der böhmischen Vorrechte u. ihrer Religionsfreiheit, am 22. Juli 1436, als König von B. anerkannt. Im August 1436 hielt nun Sigismund seinen Einzug in Prag u. wiederholte alle früheren Versprechungen, starb aber schon am 9. Decbr. 1437. Sogleich begannen nun in B. wieder die Wahlumtriebe. Die katholische Partei wahlte den Herzog Albrecht von Österreich Sigismunds Schwiegersohn u. von ihm zum Nachfolger designirt; die Hussiten dagegen den 13jährigen Prinzen Kasimir von Polen, den Bruder des Königs Wladislaw von Polen, zum[21] König von B. Wladislaw nahm die Wahl für seinen Bruder an u. schickte Hülfstruppen nach B., aber Albrecht schlug die Hussiten u. ließ sich in Prag krönen. Hierauf übertrug er dem Kurfürsten Friedrich von Brandenburg den ferneren Kampf gegen die Anhänger Kasimirs in B., schloß aber kurz darauf mit dem König von Polen einen Waffenstillstand, wendete sich dann gegen die Türken, die in Ungarn eingefallen waren, u. als er nach glücklich vollendetem Feldzuge nach Wien zurückkehren wollte, starb er am 28. Octbr. 1439. Die Hussiten behaupteten nun, eine neue Wahl sei nicht nöthig, da Kasimir von Polen bereits erwählt wäre, aber die Mehrzahl der Stände erklärten im Januar 1440 den Thron für erledigt u. beschlossen nach dem Wunsche der Witwe Albrechts II., Elisabeth, die Wahl bis zu ihrer Niederkunft auszusetzen. Wirklich gebar sie im Februar 1440 einen Sohn, Ladislaus (Wladislaw) Postumus, u. nun wurde im Juni ein neuer Wahltag für B. zusammenberufen. Die katholische Partei u. Kaiser Friedrich III. drangen auf die Wahl Ladislaus, aber die Hussiten suchten die Wahl zu hindern, die dann durch ihre Bemühungen auf den Herzog Albrecht von Baiern fiel. Da dieser aber die Krone B-s ausschlug, so entschloß man sich, den Prinzen Ladislaus als König anzuerkennen, u. bat den Kaiser, bis zu dessen Volljährigkeit die Regierung zu übernehmen. Das Reichsgubernium bildeten bis 1444 die Häupter der 3 Parteien, Ulrich v. Rosenberg, Meinhard v. Neuhaus u. Heinrich Ptaczek; 1444 st. Ptaczek u. an seine Stelle wurde Georg Podiebrad erwählt. Inzwischen hatte das Concil in Florenz alle den Hussiten zugestandenen Bewilligungen für ungültig u. sie selbst für Ketzer erklärt. Da hierauf Meinhard v. Neuhaus sich mit Rosenberg gegen den eifrig hussitischen Podiebrad verbündete, so zog dieser 1448 mit Heeresmacht vor Prag, nahm diese Stadt ein, u. Neuhaus fiel in Gefangenschaft, worin er kurz darauf starb. Sein Sohn, Ulrich v. Neuhaus, wollte mit dem Markgrafen von Meißen seinen Vater rächen, aber sie wurden von Podiebrad 1450 geschlagen. 1452 wurde endlich Podiebrad von allen Ständen als Gubernator des Reiches anerkannt. Ladislaus wurde fortwährend unter den Augen des Kaisers Friedrich III. erzogen, ob ihn gleich die Ungarn, die Böhmen u. die Niederösterreicher in ihre Mitte verlangten, damit er dort seine Erziehung erhalte. Erst 1452 wurde er dem Grafen v. Cilley zur weiteren Erziehung, unter Aufsicht einer aus Böhmen, Ungarn u. Österreichern zusammengesetzten Commission, übergeben. Im October 1453 wurde Ladislaus in Prag gekrönt. Als er 1457 wieder nach Prag kam, um dort seine Vermählung mit einer Tochter des Königs Karl VII. von Frankreich zu vollziehen, starb er schon im November, bevor seine Braut in Prag angekommen war. Auf die Krone B-s machten nun der Kaiser Friedrich III., sein Bruder Albrecht, sein Vetter Sigismund von Österreich, der Herzog Wilhelm von Sachsen, der König Kasimir von Polen u. der König von Frankreich für einen seiner Söhne Anspruch; aber keiner derselben erhielt sie, sondern am 2. März 1458 brachte es der Erzbischof Rokyczana von Prag dahin, daß Georg Podiebrad, der auch nach des Königs Tode wieder Statthalter gewesen war, einstimmig zum König gewählt wurde. Und da er ein Glaubensbekenntniß, welches den katholischen Lehrsätzen ziemlich entsprechend war, aufsetzte u. sich von zwei katholischen Bischöfen krönen ließ, so erkannte ihn Papst Calixt III. u. dessen Nachfolger Pius II. (1458) als König von B. an. Nun belehnte auch der Kaiser (1459) Georg Podiebrad mit B., u. auch die sächsischen Fürsten söhnten sich mit ihm aus. Die Breslauer u. ihr Anhang allein widerstrebten ihm noch, riefen die Polen u. den Papst vergeblich zu Hülfe u. sahen sich endlich genöthigt, sich ebenfalls zu unterwerfen. In dem Streite zwischen dem Herzog Ludwig von Baiern u. dem Kurfürsten von Brandenburg, 1460, brachte Georg, zum Schiedsrichter aufgerufen, endlich im Sept. u. Dec. 1461 einen Waffenstillstand zwischen beiden Theilen zu Stande. In dem Kriege zwischen Friedrich III. u. seinem Bruder Albrecht von Österreich, 1462, stand Georg dem Kaiser bei u. demüthigte den Herzog Albrecht. Georg beschützte fortwährend die Utraquisten in ihren Vorrechten nach dem Sinne der Compactaten u. zeigte einigen Eifer gegen die strengere Secte der Utraquisten (Böhmischen Brüder). Als aber der Papst die Compactaten des Baseler Concils gegen die Hussiten aufhob, ließ der König den päpstlichen Legaten, welcher ihm dies ankündigte u. dabei in voller Reichsversammlung unehrerbietig zu ihm sprach, verhaften. Zwar gab er ihn zu Anfang des Jahres 1463, auf die Fürsprache des Kaisers, wieder frei; dieser aber eilte nach Breslau, wiegelte die Bürger u. Geistlichkeit gegen den König auf, u. der Papst erklärte die Städte Breslau u. Namslau in seinen besonderen Schutz u. nährte so die Unruhen. Als der Papst den König 1466 excommunicirte, fielen die katholischen Böhmen u. die Schlesier von demselben ab, wurden aber besiegt. Georg erklärte nun selbst dem Kaiser im Januar 1468 den Krieg, u. sein Sohn Victorin drang siegreich in Österreich ein. Der Kaiser rief den König Matthias von Ungarn zu Hülfe u. versprach demselben die Belehnung mit B. Dieser griff die Böhmen an, zwang sie zum Rückzuge, schlug den Prinzen Victorin in Mähren, u. ließ sich in Brünn u. Olmütz als Reichsverweser von Böhmen huldigen. Er drang dann in B. ein, wurde aber unweit Deutschbrod in einem Walde von den B. eingeschlossen u. wäre verloren gewesen, wenn ihm Georg I. nicht gegen das Versprechen, sogleich nach Ungarn zurückzukehren, freien Abzug gewährt hätte. Aber Matthias brach nicht nur jetzt wieder, sondern auch noch öfter die mit Georg geschlossene Waffenruhe, u. auf Zureden mehrerer Bischöfe nahm er am 3. Mai 1469 in Breslau den Titel eines Königs von V. an. Am 2. Nov. wurde ein Theil seines Heeres von Georgs Sohne, Heinrich, bei Hradist in Mähren geschlagen. Georg berief nun 1470 einen Landtag zusammen, um seinen Nachfolger bestimmen zu lassen, in der Hoffnung, daß die Wahl auf einen seiner Söhne fallen möchte; bevor dies aber geschah, starb der eben so thatkräftige wie kluge Fürst am 22. März 1471. Am 27. Mai 1471 wurde der 15jährige Prinz Wladislaw von Polen zum König gewählt. Der Papst Paul II., welcher Matthias von Ungarn gewählt sehen wollte, verwarf zwar diese Wahl, u. Matthias traf Anstalt Prag zu erobern, aber dennoch ging Wladislaw nach Prag u. ließ sich dort krönen. Die Schlesier erkannten ihn nicht an, aber der Kaiser Friedrich III. erklärte sich für ihn. Indeß wiegelte Matthias die Österreicher[22] gegen den Kaiser auf u. zwang denselben im März 1473, ihn mit B. zu belehnen. Im Februar 1474 wurde ein Waffenstillstand zwischen Polen, B. u. Ungarn auf 3 Jahre geschlossen. König Kasimir von Polen rückte dessenungeachtet mit 60,000 Polen u. Böhmen nach Czenstochau, den König Matthias, welcher mit 6000 Mann bei Breslau stand, von Ungarn abschneidend, zog sich aber schon im November 1474 nach Polen zurück. Kasimir schloß hierauf mit Matthias einen Frieden auf 2 Jahre, während welcher Zeit B. durch eine Regentschaft regiert wurde. Aber auch dieser Frieden wurde nur schlecht gehalten, u. die Wirren häuften sich, als im Juni 1477 der Kaiser den Prinzen Wladislaw u. im Decbr. den König Matthias mit B. belehnte. Nach langen Unterhandlungen kam endlich im Juli 1479 ein Friede zwischen B. u. Ungarn zu Stande, nach welchem Wladislaw B. behielt, Mähren, Schlesien u. die Lausitz aber an Matthias fiel, doch sollte es nach des Letzteren Tode den Böhmen freistehen, die abgetretenen Provinzen mit 400,000 Ducaten einzulösen. Wladislaw suchte in B. die katholische Religion wieder einzuführen, wodurch 1483 in Prag gefährliche Unruhen entstanden, bis der Religionsfrieden von Kuttenberg 1485 dem Kirchenstreit ein Ende machte. Nach dem Tode des Matthias Corvinus (1490) wurde Schlesien, Mähren u. die Lausitz wieder mit B. vereinigt u. Wladislaw selbst zum König von Ungarn gewählt. Er verlegte darauf zum großen Schaden B-s seine Residenz nach Ofen u. erst 1497 kam er nach Prag, um den eingerissenen Übelständen abzuhelfen. Kaum hatte er indeß das Reich wieder verlassen, als neue Unordnungen ausbrachen. Auf Betrieb der Königin wurden die Mährischen Brüdergemeinden streng verfolgt; auch die Juden sollten aus Prag vertrieben werden, erkauften sich aber durch beträchtliche Geldsummen die Erlaubniß zum Bleiben. Der Adel, dessen Vorrechte dem Könige nur einen Schatten von Macht übrig ließen, suchte nicht allein die Bauern zu Leibeigenen zu machen, sondern auch dem Bürgerstande alle politischen Rechte zu nehmen, weshalb 1502 ein 15jähriger innerer Krieg zwischen dem Adel u. dem Bürgerstande ausbrach. Im Jahre 1509 kam Wladislaw abermals nach Prag u. ließ dort seinen Sohn Ludwig krönen; bald darauf kehrte er aber nach Ofen zurück u. st. 1516, nachdem er den Kaiser Maximilian I. u. den König Sigismund von Polen zu Vormündern eingesetzt hatte. Da diese aber das Amt nicht selbst verwalten konnten, so wählten die böhmischen Stände eine Regentschaft. Auf dem Landtage von 1517 versöhnten sich die Städte u. der Adel u. zerstörten gemeinschaftlich die Burgen der Raubritter, welche dem Vergleiche nicht beigetreten waren. Erst 1522 kam Ludwig nach B., beschwor am 9. Mai zu Prag die Reichsprivilegien u. stellte den Majestätsbrief aus. 1523 kam es auf dem Landtage wegen der Lutherischen Lehre zu heftigen Debatten. Die neue Lehre wurde von den Ständen in Schutz genommen, u. ein großer Theil der Stadt Prag trat zu ihr über. Der König erließ nun von Olmütz aus strenge Befehle gegen die Lutheraner u. die Böhmischen Brüder. Der lutherische Administrator in Prag, Zahera, wurde dadurch so eingeschüchtert, daß er wieder zum Papstthum übertrat. Er verfuhr darauf gegen die Mährischen Brüder u. die Lutheraner so streng, daß 1525 in Kaden die Lutheraner zu den Waffen griffen, um die Katholiken aus der Stadt zu vertreiben. Am 29. Aug. 1526 fiel König Ludwig bei Mohacz gegen die Türken, u. da er keinen Sohn hinterließ, so gebührte nach der Erbfolge dem Erzherzog Ferdinand, Bruder des Kaisers Karl V., od. eigentlich dessen Gemahlin Anna, Schwester des Königs Ludwig, die Nachfolge, u. in der That wurde Ferdinand am 24. Octbr. 1526 zum König von B. gewählt, ihm aber zugleich eine Urkunde zur Annahme u. Beschwörung vorgelegt, welche die königliche Gewalt sehr schwächte. Ferdinand nahm aber alle Bedingungen schon am 13. Decbr. 1526 an u. wurde am 24. Febr. 1527 in Prag gekrönt. Von diesem Zeitpunkte an war B. nur noch dem Scheine nach ein Wahlreich u. verblieb seitdem bei dem österreichischen Hause. Ferdinand wußte durch persönliche Energie das königliche Ansehen im Lande wieder zu Ansehen zu bringen u. religiöse u. andere Zwistigkeiten durch kluge Vermittelung beizulegen. Obgleich er entschieden antilutherisch gesinnt war, so gestattete er doch vor 1547 kein gewaltsames Verfahren gegen die zahlreichen Anhänger der neuen Lehre, war für Einrichtung einer besseren Polizei sehr thätig u. förderte die Kundmachung sowohl der Landesgesetze (1530, 1550, 1564), als auch der Stadtrechte B-s (1536) durch den Druck. 1538 suchte er vergebens die Lutheraner in der Lausitz zu unterdrücken. Im Schmalkaldenschen Kriege 1546 verlangte Ferdinand von B. die Aufstellung eines Heeres gegen den Schmalkaldenschen Bund; der Kurfürst von Sachsen verlangte dagegen in Bezug auf ihren gemeinschaftlichen Schutzbrief von 1459, daß sich die Böhmen aller Feindseligkeiten gegen ihn enthielten. Der König erklärte zwar, daß dieser Schutzbrief durch die kaiserliche Acht, die über den Kurfürsten von Sachsen verhängt worden war, erloschen sei, aber die nichtkatholischen Böhmen sahen gerade darin einen Grund, die Häupter des Schmalkaldenschen Bundes nicht fallen zu lassen. 1546 fiel zwar ein kleines Heer ins Voigtland ein, aber 1547 weigerten sich die böhmischen Stände, ferner gegen Sachsen zu fechten, u. nun befahl der König am 12. Januar aus eigener Machtvollkommenheit jedem kriegspflichtigen Böhmen sich zum Feldzug zu rüsten. Dieses Verfahren lief den böhmischen Vorrechten entgegen, u. mehrere Reichsstände, bes. die Stadt Prag, weigerten sich, dem Befehl Folge zu leisten; endlich gaben die Stände, wenn auch nicht nach dem ganzen Umfange der königlichen Forderung, nach. Als aber Kaiser Karl V. mit einem spanischen u. König Ferdinand mit einem ungarischen Heere durch B. gegen die Schmalkaldenschen Bundesgenossen ziehen wollte, errichteten die Stände im März 1547 eine besondere Regierung (die ständischen Verordneten des Königreichs B.) in Prag. Diese Regierungsbehörde befahl die Aufstellung eines böhmischen Heeres unter dem Feldhauptmann Pflug von Rabenstein, welcher den Auftrag erhielt, den Durchmarsch der fremden Truppen zu hindern. Zugleich hat man den Kurfürsten v. Sachsen um Hülfe. Die Schlacht bei Mühlberg änderte die Sachlage. Die Stände begannen nun Ferdinands Zorn zu fürchten u. schickten Abgeordnete, um seine Gnade zu erbitten. Der König verlangte sofortige Auflösung der ständischen Regierung in Prag u. schrieb gleich darauf (Mai 1547) einen Landtag aus, auf welchem er sämmtliche Stände des Hochverraths[23] anklagte u. ihnen nur unter strengen Bedingungen Verzeihung versprach. Die Stände widerstanden zwar einige Zeit, als aber nach dem Falle von Wittenberg der König mit seinem Heere nach B. kam, unterwarfen sich ihm die meisten. Prag, welches der Macht des Königs trotzte, wurde belagert, die Altstadt beschossen u. nach Unterwerfung derselben aller seiner Privilegien beraubt, mehrere Bürger u. Vornehme hingerichtet u. darauf der sogenannte Blutige Landtag eröffnet (August 1547), auf welchem die Böhmen, bes. die Städte, viele ständische Gerechtsame verloren u. unter anderem das Erbrecht der Nachkommen Ferdinands auf die Krone B-s anerkennen mußten. 1548 stiftete Ferdinand das Appellationstribunal in Prag, aber zu derselben Zeit vertrieb er die Böhmischen u. Mährischen Brüder aus B. u. aus fünf eingezogenen Herrschaften auch die Lutheraner. Er kam alljährlich nach B., aber nur um Geld u. bes. seit 1551 Truppen gegen die Türken u. gegen Johann, seinen Gegenkönig in Ungarn, zu erhalten. Inzwischen dachte er daran, die Katholische Religion zur alleinherrschenden in B. zu machen, aber bes. die Utraquisten waren ihm noch zu mächtig u. nöthigten ihn 1554 auf dem Landtage, ihrem Consistorium besondere Beschützer aus dem Herren- u. Ritterstande zu geben; dagegen wurde 1556, auf Bitten der katholischen Stände, zur Erziehung ihrer Söhne, ein Jesuitencollegium zu Prag eröffnet. 1562 wurde auch wieder ein katholischer Erzbischof in Prag (seit 1421 der erste) angestellt. Am 25. Juli 1564 starb Ferdinand I., u. ihm folgte sein Sohn Maximilian (als Kaiser Maximilian II.), der schon 1563 gekrönt worden war. Den Protestanten geneigt, stellte dieser die Einigkeit unter seinen Unterthanen in B. wieder her. Unter ihm wurden die Compactaten, zum Schutze der Utraquisten aufgestellt, aufgehoben, da der Papst diesen den Genuß des Kelches erlaubte, wogegen sie die Priesterehe aufgaben; den Lutheranern gab er Superintendenten, die einen Theil der bischöflichen Rechte genossen. Alle Jahre wurde während seiner Regierung in Prag Landtag gehalten. Auf diesem Landtage vereinten sich die Lutheraner, Reformirten u. Böhmischen Brüder zu einer Confession, da der König freie Religionsausübung bewilligte. Maximilian starb im Octbr. 1576; sein ältester Sohn, Rudolf I. (als Kaiser Rudolf II.), schon 1575 zum König gewählt, folgte ihm. Von Natur ruheliebend u. den Wissenschaften u. schönen Künsten zugethan, gestattete er vor 1602 keine Störung des durch Maximilian II. befestigten Religionsfriedens. Die Protestanten u. Katholiken lebten einträchtig unter einander, u. die Stande hielten auf ihre Gerechtsame. Dem Adel u. den Städten verlieh Rudolf große Privilegien. Die Elbe wurde während seiner Regierung noch weiter aufwärts schiffbar gemacht, die Polizei u. der Bergbau verbessert u. Prag, das er zu seiner beständigen Residenz erwählte, blühte mächtig auf. Der Wohlstand des übrigen Landes fing aber an zu verfallen, da Rudolf sich immer mehr von allen Regierungsgeschäften zurückzog u. die Verwaltung seinen Geheimräthen überließ; der Krieg gegen die Türken, welchen sein Bruder Matthias führte, kostete den Böhmen viel Geld. Mit Matthias lebte Rudolf indessen in fortwährender Feindschaft, da er glaubte, dieser strebe ihn vom Throne zu stoßen. Darum wollte er, da weder er noch seine 3 Brüder Kinder hatten, die Thronfolge in B., mit Übergehung seiner Brüder, dem Erzherzog Ferdinand von Grätz zuwenden, u. dieser, ein eifriger Katholik, vermochte Rudolf, die Protestanten schon bei seinen Lebzeiten zu unterdrücken. 1602 befahl ein Edict die Schließung einiger protestantischen Kirchen, wurde aber nicht ausgeführt, weil die Mehrzahl der Stände Protestanten waren. Ein Versuch, 1605 eine Art Inquisition einzuführen, mißlang ebenfalls u. führte zu einer Verbindung zwischen den Ständen von Österreich, B., Mähren, Schlesien u. der Lausitz zum gegenseitigen Schutz (Sept. 1606). Matthias benutzte diese Unzufriedenheit u. trat mit den protestantischen Ständen B-s, Ungarns u. Österreichs in Verbindung, um dem Kaiser zuvorzukommen, ja er suchte sich sogleich zum König von Ungarn erheben zu lassen. Er brachte ein Heer von 20,000 Mann zusammen u. zog damit, sicher der Unterstützung der mährischen Stände u. sicher, daß Rudolf nicht von dem Deutschen Reich unterstützt werde, gegen Prag, um Rudolf vom Throne zu stoßen. Rudolf erhielt nun 1608 die von B. auf einem Landtage in Prag erbetene Hülfe; doch erst, nachdem er die Bestätigung der Privilegien u. Vorrechte B-s zugestanden u. auf dem nächsten Landtage Religionsfreiheit versprochen hatte. Nach diesen Vorgängen vermittelten die Erzherzöge Maximilian u. Ferdinand, der päpstliche Legat u. die Gesandten von Brandenburg u. Sachsen einen Waffenstillstand, welchem im Juni der Fried folgte. Rudolf verlor durch diesen, Frieden alle seine Länder bis auf B. u. einen Theil von Tyrol; ihm blieb nur der Königstitel u. ein kleines Jahrgeld. Matthias aber wurde, nachdem er den Majestätsbrief bestätigt hatte, zum Nachfolger Rudolfs bestimmt. 1609 berief Rudolf einen Landtag. Die Stände weigerten sich indeß, eher irgend einer Act vorzunehmen, bis über die versprochene Religionsfreiheit berathen u. beschlossen sei. Der König suchte indeß die Verathung hinauszuschieben, aber die Protestanten bestanden auf Wiedereinräumung ihrer Kirchen u. auf Wiederherstellung der Religionsfreiheit, wie sie unter Maximilian gewesen war. Erst nach einem neuen Aufstande der Protestanten im Mai u. dem Zusammentritt einer Versammlung der evangelischen Stände zu Neustadt, unterschrieb Rudolf den 12. Juli. 1609 den Majestätsbrief, worin den Evangelischen vollkommene Religionsfreiheit, ein Unterconsistorium u. das Recht, Defensoren für dasselbe zu ernennen, so wie auch die Universität eingeräumt wurde. Alle katholischen Stände, bis auf Lobkowitz, Slawata u. Martiniz, genehmigten den Majestätsbrief, der 4 Wochen später auch auf Schlesien ausgedehnt wurde. Nachdem der Streit mit den böhmischen Ständen ausgeglichen war, sann Rudolf darauf, an seinem Bruder Matthias Rache zu nehmen u. dem Rechte der Erbfolge zuwider seinem jüngsten Bruder Leopold die Erbfolge in B. zu verschaffen. Rudolf ließ zu dem Ende das sogenannte Passauer Kriegsvolk, ein Heer, welches Erzherzog Leopold für ihn zur Besetzung der Jülichschen Lande geworben hatte, nicht, wie versprochen, aus einander gehen, sondern ertheilte dem Commandeur desselben den Befehl, mit demselben gegen B. vorzurücken, ohne sich genau über Zweck u. Ziel dieses Zuges zu erklären. Das Heer drang plündernd u. sengend in Österreich ein, wendete sich aber nach B., plünderte Budweis u.[24] rückte gegen Prag vor, um dies zu entwaffnen, u. nahm auch die Kleinseite von Prag. Aber die Altstadt vertheidigte sich hartnäckig u. mit Glück, u. die Stände, da sie den Kaiser nicht zum Zurückziehen der Truppen zu bewegen vermochten, ernannten am 27. Febr. 1611 eine Regentschaft von 30 Personen, welche in des Königs Namen regieren sollten. Da inzwischen auch König Matthias mit 18,000 Mann gegen das Heer des Erzherzogs Leopold heranzog, so brach das Passauer Volk bei Nacht zum Rückzuge auf u. ging, vom Erzherzog Leopold u. Ramée verlassen, bei Budweis aus einander. Nun rückte Matthias den 24. März in Prag ein, u. Rudolf sah sich genöthigt, ihm auch B. abzutreten, sich blos den Königstitel u. das Schloß zu Prag vorbehaltend (11. April 1611). Rudolf starb im Januar 1612, u. Matthias, der sich kurz zuvor mit der Prinzessin Anna von Tyrol vermählt hatte, um wo möglich selbst noch Söhne zu erzeugen u. so den Erzherzog Ferdinand von der Erbfolge auszuschließen, war nun allein König von B. u. Kaiser von Deutschland. Die Gemahlin des Kaisers veränderte dessen Sinn, söhnte ihn mit Ferdinand, welchen er an Sohnes Statt annahm, aus u. machte ihn den Protestanten abgeneigt. Die Jesuiten bekamen nun mehr u. mehr Einfluß, u. der Erzbischof verfuhr mit offener Gewalt gegen die Protestanten, so daß diese, wiewohl vergeblich, über Verletzung des Majestätsbriefes Klage erhoben. Als Matthias im December 1617 sich von Prag nach Wien begab u. eine Regentschaft von 7 katholischen u. 3 protestantischen Statthaltern einsetzte, hielten die evangelischen Stände die Religionsfreiheit für ernstlich bedroht u. traten im März 1618 im Carolinum zu Prag zusammen, um dem Kaiser Vorstellungen zu machen. Der Kaiser gebot den Ständen aus einander zu gehen u. bedrohte die Häupter derselben, die Religionsdefensoren, mit strenger Strafe. Die Stände gehorchten nicht, u. am 23. Mai kam es zu dem Auftritt in der Statthalterei, bei welchem die protestantischen Stände unter Führung des Grafen von Thurn, welcher besonders durch die Abnahme der Krönungsinsignien beleidigt war, die Statthalter Slawata u. Martiniz u. den Secretär Fabricius durch das Fenster hinab warfen. Nach dieser Selbsthülfe setzten sich die böhmischen Stände in Vertheidigungszustand u. ernannten eine Regierung von 30 Personen u. den Grafen Thurn zum Anführer des ständischen Heeres. Kaiser Matthias wollte es Anfangs vermeiden, mit Waffengewalt gegen die Empörer einzuschreiten, u. starb, ehe er zu einem Entschlusse kommen konnte. Nach seinem Tode versuchte Ferdinand ebenfalls auf dem Wege der Milde, den böhmischen Thron wieder zu erlangen, aber die Stände würdigten seine Forderungen keiner Antwort, u. Graf von Thurn zog mit seinem Heere bis vor Wien. Graf Dampierre rettete mit 500 Reitern die Stadt u. den bedrängten Kaiser. Der böhmische Feldherr zog auf den Ruf der Stände nach Prag zurück, u. diese wählten 10. März 1619 den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum Könige. Zwei Tage später erfolgte in Frankfurt Ferdinands Wahl zum deutschen Kaiser. Die nun folgenden Ereignisse, der unglückliche Krieg des jungen Königs Friedrich mit Ferdinand, fallen zusammen mit der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, s.d.

VII. Vom Ende der Selbständigkeit Böhmens bis zur Gegenwart. Mit der Schlacht am Weißen Berge 1620, hörte Böhmen auf ein selbständiges Königreich zu sein u. wurde nach u. nach ganz mit den österreichischen Landen verschmolzen. 1639 fiel Bauer verwüstend in B. ein, räumte es aber eben so schnell (s.u. Dreißigjähriger Krieg). 1641 zog sich derselbe von Regensburg durch B. nach Halberstadt zurück (s. ebd.), u. nach einigen unbedeutenden Streifzügen in den folgenden Jahren, überschwemmte es Gallas 1644 (s. ebd.). Nach dem Westfälischen Frieden 1648 genoß B. lange Zeit einen glücklichen Frieden, der Kaiser benutzte dies aber, um allenthalben österreichische Formen einzuführen, die ganze Generation katholisch erziehen zu lassen u. so ganz B. katholisch zu machen. Die Böhmischen Brüder u. andere akatholische Parteien wanderten 1627 u. 1628 aus, u. nur wenige Reste blieben von ihnen hier u. da übrig. Trotz der langen Ruhe erholte sich B. von den Leiden des Dreißigjährigen Krieges nur langsam, war aber doch eine der besten österreichischen Provinzen, woher Österreich seine Hauptkräfte zu den Kriegen gegen die Türken, Ungarn u. besonders im Spanischen Erbfolgekriege gegen die Franzosen zog. Im Österreichischen Erbfolgekriege (1740_–1745) litt B. viel; Preußen, Sachsen, Baiern u. Franzosen fielen dort ein (s. Österreichischer Erbfolgekrieg) u. belagerten u. nahmen Prag mehrmals; auch im Siebenjährigen Kriege (s.d.) 1756_–1763, wurde B. mehrmals Schauplatz des Kampfes, u. Prag ward 1756 von den Preußen belagert, jedoch nicht genommen. Im Kriege 1813 gehörte der nördlichste Saum bei Töplitz, Gabel u. Rumburg 2 Monate lang zum Kriegstheater, u. obgleich die Durchmärsche, Lager u. Aushebungen wohl empfindlich waren, leistete doch B. das Mögliche durch Truppenstellung u. Landwehr. In den Religionsverhältnissen trat seit Anfang des 18. Jahrh., u. bes. seit der Regierung Josephs II., eine Änderung ein, indem keiner Religionspartei mehr Schwierigkeiten in den Weg gelegt u. den Akatholiken Bethäuser u. später Kirchen gestattet wurden. Die Industrie u. Bevölkerung hob sich nach dem Kriege von 1813–15 ungemein, u. B. zeigt jetzt erst, wessen es unter einer milden u. friedlichen Regierung fähig sei. In der bewegten Zeit des Jahres 1848 ergriff die Böhmen noch einmal das Verlangen nach nationaler Selbständigkeit; die Idee des Panslavismus (s.d.) fand auch bei ihnen lebhaften Anklang, u. am 2. Juni trat in Prag der Slawencongreß zusammen. Während des Congresses erhob sich die czechische Partei der Stadt in offenem Aufruhr, welchen der Fürst Windischgrätz am 15. u. 16. Juni mit Waffengewalt unterdrückte. Während des österreichischen Reichstags hielten die slawischen Deputirten fest zu einander u. unterstützten die Regierung in der Bekämpfung der magyarischen Insurrection. Die Feindseligkeit zwischen den deutschen u. slawischen Elementen in B., welche während der Revolutionsjahre schroffer als je hervortrat hat seit der Schöpfung des österreichischen Gesammstaates zwar wieder nachgelassen, ist aber noch immer nicht ganz erloschen. Das Ausführliche über die Geschichte des Landes seit 1620, s.u. Österreich (Gesch.).

VIII. Literatur: M. Boregk, Böhmische Chronik, Wittenb. 1587, 2 Thle., Fol.; Marq. [25] Freher, Rerum Bohemicarum antiqui scriptores, Hann. 1602, Fol.; W. Hagecius, Böhmische Chronik, aus dem Böhmischen von J. Sandel, Nürnb. 1697, Fol.; G. Dobner, Monumenta historica Boemica, Prag 1764–68, 2 Thle.; Fr. Pubitschka, Chronolegische Geschichte von B., ebd. 1770–84, 6 Bde.; Scriptores rerum Bohemicarum, 1. u. 2. Theil, herausgeg. von Pelzel u. Dobrowsky, Prag 1783–84, 3 Theile, herausgeg. von Palacky, ebd. 1829; F. M. Pelzel, Geschichte von B., ebd. 1774, 4. Aufl. ebd. 1817, 2 Thle.; K. L. v. Woltmann, Inbegriff der Geschichte B-s, ebd. 1815, 2 Bde.; J. F. Schneller, Geschichte von B., Dresd. 1827, 3 Bdchn.; F. Palacky, Geschichte von B., Prag 1836–54, 3 Bde.; Jordan, Geschichte des Böhmischen Volkes, Lpz. 1845–47.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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