Universität

Universität

Universität (v. lat. Universitas), Hochschule, eine öffentliche Lehranstalt, welche dazu bestimmt ist, nicht nur die Gesammtheit der Wissenschaften od. wenigstens die wichtigsten Theile derselben durch öffentliche Vorträge u. geeignete Übungen der gereifteren Jugend zu überliefern, sondern[237] auch das Gebiet des menschlichen Wissens durch selbständige Forschungen der Lehrenden zu erweitern u. zu vertiefen. In der letzteren Beziehung haben die U-en dieselbe Aufgabe, wie die im engeren Sinne sogenannten Akademien (s.d.), auch bezeichnet man sie oft mit diesem Namen; sie unterscheiden sich aber von ihnen wesentlich durch ihren Charakter als Lehranstalten, u. zwar solche Lehranstalten, an welchen nicht wie an den höheren Fachschulen (Polytechnischen Schulen, Berg- u. Forstakademien, Juristenschulen, Theologischen Seminaren etc.) blos einzelne Fächer gelehrt, sondern die Gesammtheit der Wissenschaften wenigstens in annähernder Vollständigkeit vorgetragen u. dadurch dem Lernenden Gelegenheit geboten wird, auch wenn er sich einem bestimmten Fache widmet, sich mit allen Hülfswissenschaften dieses Faches bekannt zu machen, durch den einer solchen Anstalt eigenthümlichen vielseitigen wissenschaftlichen Verkehr ein Bewußtsein von den gegenseitigen Beziehungen u. dem Zusammenhange der verschiedenen Zweige des Wissens zu gewinnen u. sich dadurch für seine künftige Berufsthätigkeit in Staat u. Kirche möglichst vielseitig vorzubilden. Dieser Begriff u. diese Aufgabe einer U. gilt vorzugsweise von den deutschen U-en; auch hat er sich erst allmälig gebildet, u. obwohl sich alle Länder Europas für ihre höchsten Lehranstalten den Namen U. angeeignet haben, so bestehen doch in den Einrichtungen derselben bedeutende Verschiedenheiten, welche in der Verschiedenheit der Nationalität, des Verhältnisses der Wissenschaft zu den politischen u. kirchlichen Gewalten, überhaupt in der Geschichte des Culturganges bestimmter Länder ihren Grund haben.

Die Entstehung der Anstalten, für welche allmälig der Name U. gebräuchlich worden ist, fällt in das 12. Jahrhundert. Gelehrte Unterrichtsanstalten, welche zunächst ohne Rücksicht auf die Absicht durch bestimmte Kenntnisse u. Fertigkeiten sich seinen Lebensunterhalt zu erwerben (sogen. Brodstudien), eine höhere geistige Bildung vermittelten, hat es zwar auch bei den Culturvölkern der alten Welt gegeben, so die Priesterschulen der Ägyptier, Inder, Hebräer; in Griechenland waren die Schulen zu Athen, Rhodos u. Alexandria, die erste durch die Pflege der Philosophie, die letzte durch vielseitige Gelehrsamkeit berühmt; die römischen Kaiserschulen, welche durch Vespasian, Antoninus Pius u. Hadrian in den größeren Städten des Römischen Reiches eingerichtet wurden u. an welchen öffentliche Lehrer (Professoren) mit bestimmter Besoldung angestellt waren, hatten den Zweck durch Vorträge über Philosophie, Grammatik, Poëtik, Rhetorik u. Geschichte die Ausbildung künftiger Staatsbeamter zu sichern; unter ihnen blühte das vom Kaiser Hadrian begründete Athenäum, später Schola romana genannt, bis ins 5. Jahrh. Am meisten Ähnlichkeit mit den späteren U-en hatte die Schule zu Constantinopel durch die Einrichtung, welche ihr gegen das Ende des 4. Jahrh. der Kaiser Valentinian gab; es waren an ihr 31 Professoren angestellt: 1 Philosoph u. 2 Juristen, 5 Sophisten u. 10 Grammatiker für das Griechische, 3 Redner u. 10 Grammatiker für das Lateinische, außerdem 10 sogenannte Antiquare, mit der Verpflichtung Handschriften zu vervielfältigen. Die Studirenden mußten bei ihrer Aufnahme Zeugnisse ihrer Heimathsbehörde mitbringen; ihr Name, Geburtsort u. Studium wurden in Verzeichnisse eingetragen; rücksichtlich des Besuchs der Theater u. anderer zeit raubender Zerstreuungen standen sie unter einer Disciplinaraufsicht; über die Trägen u. Widerspenstigen hatte der Präfect der Stadt eine Strafgewalt; über ihre Fortschritte u. ihr Betragen wurde ein jährlicher Nachweis an den Magister officiorum eingegeben. Alle diese Anstalten ruhten jedoch auf der antiken Bildung u. bewegten sich im Kreise derselben; mit dem Untergange des Weströmischen Reiches verkamen sie in den zu demselben gehörigen westlichen Ländern u. bei den germanischen Völkern waren die dürftigen Anfänge der wissenschaftlichen Cultur lange Zeit so ausschließend in den Händen der Geistlichen, daß vom Ende des 8. bis ins 12. Jahrh. die seit Karl dem Großen u. zuerst durch ihn entstandenen Kloster-, Stifts- u. Domschulen die einzigen Anstalten waren, an denen die der damaligen Zeit zugänglichen Kenntnisse (vgl. Quadrivium u. Trivium) zunächst von Geistlichen u. für Geistliche mitgetheilt wurden. Seit dem Anfang des 12. Jahrh. traten jedoch an einigen Orten Lehrer auf, welche nicht Geistliche waren u. in andern Wissenschaften, s.d. der Jurisprudenz u. Medicin, Unterricht ertheilten; indem sich ihnen wißbegierige Schüler anschlossen, entstanden (anfänglich unabhängig von der Unterstützung des Staates u. der Kirche, welche nur eine allgemeine Aufsicht über sie in Anspruch nahmen) Specialschulen; Lehrer u. Lernende traten dem Geiste des Mittelalters gemäß zu einer Corporation zusammen u. gaben sich eine Verfassung; nach u. nach vervielfältigten sich die Unterrichtsgegenstände; indem die sie vertretenden Lehrer u. Studirenden sich als zu demselben Ganzen gehörig ansahen, bildete sich allmälig die Gliederung in Facultäten (die philosophische, Facultas artium, die theologische, juristische u. medicinische) aus, u. so entstanden Lehranstalten, welche man durch das Wort Studium od. Studium generale, u. seit dem 13. Jahrh., um die corporative Zusammengehörigkeit der Lehrenden u. Lernenden zu bezeichnen, Universitas, nämlich magistrorum et scholarium nannte, während die Bezeichnung des Wortes U. auf die Gesammtheit der Wissenschaften (Universitas literarum) viel jüngeren Ursprungs ist.

Als solche höhere Schulen waren seit Anfang des 12. Jahrh. bes. berühmt Salerno für die Medicin, Bologna, wo Irnerius (s.d.) lehrte, für die Rechtswissenschaft, u. Paris für Theologie, scholastische Philosophie u. Rhetorik. Unter den Studirenden der damaligen Zeit waren viele gereifte Männer, zum Theil verheirathet, aus verschiedenen Nationen, u. dies war von großem Einflusse auf die corporative Verfassung der U-en u. ihr Verhältniß zum Staate. In Beziehung auf das letztere hatte schon 1158 Kaiser Friedrich I. der U. Bologna durch eine sogen. Authentica selbständige Gerichtsbarkeit ertheilt; dasselbe geschah vom König Philipp August in Beziehung auf Paris, u. dieses Privilegium wurde von ihm 1229 nach einem Zerwürfniß, in Folge dessen Lehrer u. Lernende Paris verlassen hatten, von Neuem bestätigt u. mit anderen Vorrechten vermehrt. Die innere Verfassung der U. hatte in Bologna u. anderen italienischen U-en einen auf eine gewisse Gleichheit der Lehrenden u. Lernenden gegründeten Charakter; die Letzteren wählten das Oberhaupt der U., den Rector, ihren Repräsentanten im Rathe der U. (Consiliarii, Procuratores), den Syndicus, welcher die[238] Verhandlungen der U. mit anderen U-en zu führen hatte, den Kassirer, selbst die Lehrer. Die Vertretung der Studirenden, überhaupt die ganze Gliederung der U. beruhte wesentlich auf der Eintheilung in Nationen; in Italien war die Hauptunterscheidung die in die cisalpinische u. transalpinische; in Paris theilten sie sich seit 1206 in die englischdeutsche, pikardische, normännische u. französische. In Paris wählten die Nationen zwar auch den Rector (bis 1280 direct, seitdem durch Wahlmänner), aber die Lehrer übten die Gerechtsame der Nationen, überhaupt die Hoheits- u. Regierungsrechte ausschließend aus. Dieser Unterschied einer mehr demokratischen Verfassung an den italienischen u. einer mehr aristokratischen an der Pariser U. hatte ihren Grund mit darin, daß dort die Universitätsgemeinde anfänglich vorherrschend aus reifen gebildeten Männern bestand, während in dem sittlich verdorbenen Paris eine ausschweifende, unruhige u. zügellose Jugend eine strengere Zucht nöthig machte. Neben der selbständigen Gerichtsbarkeit, an deren Ausübung die Beamten der Nationen theilnahmen, war das Recht Eigenthum zu erwerben u. selbst zu verwalten, eine der wichtigsten Folgen der corporativen Selbständigkeit der U-en; eben so erwarben sie zum Theil durch päpstliche Bestätigung das Recht die Befugnisse (Licenz) zu ertheilen, wer als Lehrer an ihnen auftreten dürfe. Dieses Recht hatte zu Anfang des 13. Jahrh. in Paris der Kanzler in Anspruch genommen, u. gerade der Kampf um dasselbe war eine Veranlassung der bestimmteren corporativen Gestaltung der Facultäten. In Paris consolidirte sich neben der Facultas artium die theologische u. nach ihrem Beispiel die medicinische u. juristische Facultät erst 1259 u. 1260; an der Spitze der Facultäten standen die aus ihrer Mitte gewählten Decane u. die Eintheilung nach Facultäten kreuzte sich in mannigfaltigen Beziehungen mit der nach Nationen. Für den, welcher als Lehrer auftreten (sich habilitiren) wollte, wurde eine gewisse, in Vergleichung mit den gegenwärtigen Verhältnissen sehr lange Studirzeit gefordert; er mußte sich Prüfungen unterwerfen u. seine Befähigung in öffentlichen Disputationen darlegen; hiermit hing die Entstehung u. Abstufung der akademischen Würden u. Grade zusammen, welche unter großen Feierlichkeiten ertheilt wurden. Die beiden akademischen Grade waren die des Baccalaureus u. des Licentiaten; mit der ersteren war in Paris die Benennung Magister, in Bologna die Benennung Doctor gleichbedeutend, während die Unterscheidung des Doctorats als der höchsten akademischen Würde von diesen beiden Stufen erst später aufkam. Besoldungen vom Staate erhielten die Lehrer an den meisten U-en anfangs nicht; ihre Einkünfte bestanden neben den Renten des Corporationsvermögens in den Honoraren ihrer bisweilen sehr zahlreichen Schüler; feste Besoldungen hatte jedoch Kaiser Friedrich II. den Lehrern an der von ihm 1224 gegründeten U. zu Neapel ausgesetzt; auch in Bologna gab es seit 1289 zwei von der Stadt fundirte Lehrstellen, welche später um zwei vermehrt wurden; allmälig fingen jedoch Fürsten u. Gemeinden an ausgezeichnete Lehrer durch Besoldungen zu gewinnen od. zu erhalten. Berufungen waren lange Zeit nur Ausnahmen; dagegen waren freiwillige Übersiedelungen u. Wanderungen der Lehrer, denen wohl auch eine Anzahl Schüler folgten, nichts Seltenes. Da es unter den Studirenden viele unbemittelte gab u. als namentlich in Paris die große Menge derselben in den Klostergebäuden kein Unterkommen finden konnte, entstanden die Collegien u. Bursen (Bursae), Gebäude, in denen die Studirenden (Bursales, Bursalii, Burschen) unter der Aufsicht von Lehrern mit der Verpflichtung zur Beobachtung der Hausordnung wohnten u. ihre Lebensbedürfnisse gegen Bezahlung erhielten; für die ärmeren wurde mannigfaltig durch milde Stiftungen (Stipendien, Freitische, Hospitäler) gesorgt. Seit dem 13. Jahrh. wurden die neugestifteten U-en meist durch bestimmte Einkünfte dotirt; ihre Rechtsverhältnisse wurden in der Regel sorgfältig in besonderen Statuten festgestellt; ihre Bestätigung mußte bei der weltlichen u. geistlichen Macht nachgesucht werden; namentlich hing die Bestätigung der Stiftung einer U. vom Papste ab.

Die Einrichtungen der Pariser U. wurden für viele der im Laufe des 13.–15. Jahrh. gegründeten U-en Frankreichs, Englands u. Deutschlands maßgebend. Das wachsende Bedürfniß wissenschaftlicher Cultur, das Ausehen, in welchem Kenntnisse u. Gelehrsamkeit bei manchen Päpsten, Fürsten u. Bischöfen standen, die Unfähigkeit des geistlichen Standes den Anforderungen an ein erweitertes Wissen zu genügen, selbst die äußeren Vortheile, welche der Zusammenfluß der Lehrenden u. Lernenden darbot, war die Veranlassung, daß in den genannten Jahrhunderten eine große Anzahl zum Theil noch jetzt bestehender U-en gegründet wurden. Nach den Ländern u. der Zeitfolge geordnet sind sie folgende: In Frankreich: Paris, als U. privilegirt 1200; Montpellier, 1180, privilegirt 1289; Toulouse, seit 1229 unter päpstlicher Aufsicht; Angers, 1229 berühmte Rechtsschule, seit 1373 mit vier Facultäten; Orleans, 1234; Lyon, schon vor 1300; Grenoble, 1339, nach Valençe verlegt 1452; Avignon, Perpignan, 1340; Aix, 1409; Dole, 1426; Poitiers, 1431; Caen, 1433; Bourdeaux, 1447; Nantes, 1463; Bourges, 1464. In Italien: Salerno, 1075, organisirt 1150, privilegirt 1490; Bologna, privilegirt 1158; (Vicenza 1204, Arezzo 1215, juristische Hochschulen;) Padua, um 1222; Neapel, 1224; Rom, Archigymnasium 1245, Universität 1431; Pisa, 1316; Pavia, 1361; Ferrara, 1264, reorganisirt 1391; Turin, 1412; Florenz, 1438; Catania, 1445. In England u. Schottland: Oxford, seit 1141; Cambridge, vor 1209 (in Urkunden 1229); St. Andrews, 1412; Glasgow, 1454; Old-Aberdeen, 1477. In Deutschland: Prag, päpstliches Privilegium 1347, kaiserliche Stiftungsurkunde 1348; Wien, 1365; Heidelberg, 1346, eingeweiht 1386; Köln, 1388; Erfurt, 1392 (aufgehoben 1815); Würzburg, 1403; Leipzig, 1409, gegründet von aus Prag ausgewanderten Professoren u. Studenten; Rostock, 1419, nach Greifswald verlegt 1437–43, nach Bützow 1760, in Rostock wieder hergestellt 1789; Greifswald, 1456; Freiburg im Breisgau, 1457; Trier, 1472; Ingolstadt, 1472; Tübingen, 1477; Mainz. 1477 (jetzt Gymnasium). In der Schweiz: Basel, 1460. In Spanien: Valencia, 1209; Salamanca, um 1250; Lerida, 1300; Valladolid, 1346; Huesca, 1354; Siguenza, 1472; Saragossa, 1474; Toledo, Alcala, 1499. In Portugal: Coimbra, 1297; Lissabon, 1290, nach Coimbra verlegt 1308. In den Niederlanden: Löwen, 1462. In Dänemark: Kopenhagen,[239] 1479. In Schweden: Upsala, 1476. In Polen: Krakau, 1347. In Ungarn: Ofen, 1465, 1784 nach Pesth verlegt.

Die großen culturhistorischen Ereignisse, welche in der zweiten Hälfte des 15. u. im 16. Jahrh. eintraten, nämlich die sogenannte Wiederherstellung der Wissenschaften (Restauratio literarum) durch das erneuerte Studium des klassischen Alterthums u. die kirchliche Reformation, waren nicht von den U-en als solchen ausgegangen, obwohl viele an ihnen wirkende Gelehrte den thätigsten Antheil daran nahmen u. einzelne U-en, wie s.d. Wittenberg durch Luther u. Melanchthon, Mittelpunkt der neuen geistigen Bewegung wurden; aber die Rückwirkung dieser geistigen Bestrebungen u. der durch sie geweckten Bedürfnisse auf die U-en konnte nicht ausbleiben. Zwar behielten die schon bestehenden U-en ihre aus dem Mittelalter überlieferte corporative Verfassung bei; aber bei der wachsenden Erweiterung der Wissenschaften mußte sowohl der Umfang der Lehrkräfte vermehrt, als auch die Art der Lehrer verändert werden. Vielen U-en war es nicht möglich diesen Ansprüchen durch die eigenen Mittel zu genügen; Zuschüsse von Seiten des Staats wurden unentbehrlich; dadurch gewannen die Regierungen Gelegenheit einen vermehrten Einfluß auf die Universitätsangelegenheiten, bes. auf die Besetzung der Lehrstellen, auszuüben. In Deutschland, der Schweiz u. den Niederlanden warder Gegensatz des Katholicismus u. Protestantismus u. innerhalb des letzteren die Verschiedenheit des lutherischen u. reformirten Bekenntnisses die Veranlassung der Stiftung vieler neuer U-en, welche zum Theil mit aufgehobenen Klostergütern dotirt wurden; eine Maßregel, welche auch manchen älteren protestantisch gewordenen U-en zu Gute kam. So wurde Marburg 1527 vom Landgrafen Philipp dem Großmüthigen als die erste protestantische U. gegründet; ihm folgte Strasburg 1538, eine Stiftung des Strasburger Magistrats, Königsberg in Preußen 1544, die Erhebung des lutherischen Gymnasiums zu Jena zu einer U. 1558; ebenso entstanden die U-en zu Zürich durch Zwingli's, zu Genf durchs Calvins Betrieb, zu Herborn durch Johann den Altern, Grafen von Nassau. Von katholischen Reichsfürsten, Erzbischöfen u. Bischöfen wurden dagegen in der zweiten Hälfte des 16. u. 17. Jahrh., wo die Reaction des Katholicismus gegen den Protestantismus unter dem Einflusse des Jesuitenordens geistige Hülfsmittel suchte, ebenfalls eine Anzahl katholischer U-en, wie Dillingen, Gratz, Paderborn, Molsheim, Salzburg, Münster, Osnabrück, Innsbruck, gegründet. Zur Übersicht dient das folgende Verzeichniß der seit dem 16, Jahrh. in den verschiedenen Ländern Europas gegründeten U-en: In Deutschland: Wittenberg 1502, lutherisch seit 1517, aufgehoben u. mit Halle vereinigt 1817; Frankfurt a. d. O. 1505, protestantisch 1539, aufgehoben u. mit Breslau vereinigt 1811; Marburg 1527; Strasburg 1538; Königsberg in Preußen 1544; Jena 1558; Dillingen, kathol. Seminar, 1549, seit 1804 Lyceum; Helmstädt, luther. 1576, aufgehoben 1809; Altorf, luther. 1575, aufgehoben 1809; Herborn, reformirtes akademisches Gymnasium 1584, U. 1654, seit 1818 nur noch theologisches Seminar; Grätz 1586 für katholische Theologie u. Philosophie, U. seit 1827; Paderborn 1592, aufgehoben 1815; Gießen luther. 1607; Molsheim im Elsaß kathol. 1618, nach Strasburg verlegt 1702; Rinteln luth. 1618, aufgehoben 1809; Salzburg kathol. 1622, aufgehoben 1810; Münster 1631, seit 1821 theologische Specialschule; Osnabrück kathol. 1632, seit 1650 Jesuitencollegium; Bamberg kathol. 1648, 1803 in ein Lyceum verwandelt; Duisburg reform. 1655, aufgehoben 1804; Innsbruck kathol. 1670, aufgehoben 1810, wiederhergestellt 1826; Lingen reformirtes akademisches Gymnasium 1687, seit 1820 in ein Gymnasium verwandelt; Halle luther. 1694; Breslau kathol. 1702, erweitert, namentlich mit einer evangelisch-theologischen Facultät, u. mit Frankfurt a. d. O. vereint 1811; Kassel, Collegium illustre Carolinum 1709, aufgehoben u. mit Marburg vereinigt 1786; Fulda kathol. 1734, aufgehoben 1804; Göttingen luther. 1734, eingeweiht 1737; Erlangen luther., in Baireuth 1742 gestiftet, nach Erlangen verlegt 1743; Bützow luther. 1760, mit Rostock vereinigt 1789; Bonn kathol. 1774, eingegangen 1792, neu begründet kathol. u. evangelisch 1818; Stuttgart (Karlsakademie, s.d.), Militärische Akademie 1770, U. 1781 (jedoch ohne theologische Facultät), eingegangen 1794; Olmütz kath. 1779, nach Brünn verlegt 1783, wiederhergestellt 1827; Lemberg, kathol. 1784; Landshut 1802, aufgehoben u. mit München vereinigt 1826; Berlin 1810, München 1826. In der Schweiz: Zürich 1521; Lausanne 1537, erweitert 1711; Genf 1536; Bern 1805. In den Niederlanden u. Belgien: Douay kathol. 1562; Leyden reform. 1575; Franeker reform. 1585, aufgehoben 1811, seit 1816 Athenäum; Harderwijk reform. 1600, aufgehoben 1811, seit 1816 Athenäum; Groningen, reform. 1614; Utrecht reform. 1636; Lüttich u. Gent 1816; Mecheln kathol. 1834, bald darauf nach Löwen verlegt; Brüssel 1839. In Großbritannien: Edinburg 1582; Dublin 1591; New-Aberdeen 1593; London 1836. In Dänemark u. Norwegen: Soroë, luther. Gymnasium illustre 1586, Akademie 1623; Christiania 1811. In Schweden: Åbo in Finnland luther. 1640, Lund 1666. In Frankreich: Rheims 1547, Besançon 1564. In Italien: Macerata 1540, Messina 1548; Mailand 1565; Parma 1606, Mantua 1625; Urbino 1671. In Spanien: Alcala de Henares (Complutum) 1499; Sevilla 1504; Granada 1531; Compostella 1532; Baeza 1533 eingegangen; Ossuña 1548 eingeg.; Gandia 1549 eingeg.; Osma 1550; Orihuela u. Almagro 1552 eingeg.; Oviedo 1580; Barcelona 1596 eingeg.; Pamplona 1680 eingeg.; Girona 1700 eingeg.; Cervera 1717 eingegangen. In Ungarn: Tyrnau 1635, mit Ofen vereinigt 1780; Klausenburg 1580. In Rußland u. Polen: Wilna 1576; Kiew 1588; Zamosk 1594 eingegangen; Dorpat 1632, neu eingerichtet 1802; Moskau 1705; Kasan 1803; Charkow 1804; Warschau 1816, aufgehoben 1832, wiederhergestellt 1862; St. Petersburg 1819. In Griechenland: Athen 1837. Vgl. C. E. Buläus, Hist. univers. Paris. et aliarum universitat., Par. 1665, 6 Bde.; H. Conring, De antiquitatibus acad., Helmst. 1659, n. A. von C. A. Heumann, Götting. 1739; Ch. Meiners, Geschichte der Entstehung u. Entwickelung der hohen Schulen unseres Erdtheils, ebd. 1802; H. G. Hagelgans, Orbis litt acad. germ europaeus, Frankf. 1737; I. G. G. Götz, Geographia acad. Norimb., 1789; G. N. Brehm, Alterthümer, Geschichte u. neuere Statistik der Hohen Schulen, Lpz. 1783, 1. Bd.; Fr. Zarncke, Die deutschen U-en im [240] Mittelalter, 1. Beitr., Lpz. 1857; Tholuck, Das akademische Leben des 17. Jahrhunderts, Halle 1853.

In Deutschland erfreuten sich die protestantischen U-en wegen der der Hauptsache nach auf ihnen anerkannten Freiheit der wissenschaftlichen Forschung der fruchtbarsten Entwickelung. Zwar wirkte der Dreißigjährige Krieg durch die Verwilderung u. Rohheit der Studirenden, zu welcher er führte, auch auf sie höchst nachtheilig, u. leidenschaftliche theologische Streitigkeiten, so wie ein engherziger, pedantischer Zunft- u. Kastengeist der Lehrenden lähmten vielfach ein ernstes u. uneigennütziges wissenschaftliches Streben; aber seit dem 18. Jahrh. erstarkte zum Theil unter der Pflege von Fürsten u. Regierungen, welche die Wissenschaft um ihrer selbst willen liebten, der wissenschaftliche Sinn von Neuem; U-en, wie Halle u. Göttingen, im 19. Jahrh. Bonn u. Berlin, erhielten sogleich bei ihrer Gründung od. ihrer Reorganisation eine von den Schranken des mittelalterlichen Corporationswesens unabhängige Einrichtung; für Bibliotheken, Sammlungen u. Institute wurde mit größerer Freigebigkeit gesorgt; neben den theologischen, juristischen u. medicinischen Fächern, in deren ausschließlicher Begünstigung immer die Gefahr liegt die U. zu bloßen Vorbereitungsanstalten für den künftigen Staatsdienst od. sonst für äußere Bedürfnisse zu machen, wurden Lehrstühle für Geschichte, Natur- u. Staatswissenschaften, vergleichende Sprachenkunde etc. errichtet, u. wenn auch die U-en durch den mit ihren vermehrten pecuniären Bedürfnissen nothwendig zunehmenden Einfluß der Regierungen auf sie einen großen Theil ihrer Selbständigkeit verloren haben, so wird dieses doch im Ganzen u. Großen durch die ihnen zu Gute kommende öffentliche Fürsorge vergütet. Von den jetzt in den Deutschen Bundesstaaten bestehenden 25 U-en liegen sechs (Berlin, Bonn, Halle, Königsberg, Breslau u. Greifswald) in Preußen, sechs (Wien, Prag, Gratz, Olmütz, Lemberg, Innsbruck) in Österreich, drei (München, Würzburg, Erlangen) in Baiern, zwei (Heidelberg u. Freiburg) in Baden; je eine U. haben das Königreich Sachsen (Leipzig), die sächsischen Herzogthümer (Jena), Hannover (Göttingen), Württemberg (Tübingen), das Kurfürstenthum Hessen (Marburg), das Großherzogthum Hessen (Gießen), Mecklenburg (Rostock), Holstein (Kiel). Die Grundzüge der Einrichtung der deutschen U-en sind unter Abrechnuug einzelner localer Verschiedenheiten folgende. An der Spitze der U. steht ein gewöhnlich auf den Zeitraum eines Jahres aus der Mitte der ordentlichen Professoren gewählter, von der Regierung bestätigter Rector; wo die Landesfürsten sich das Rectorat für immer vorbehalten haben, wie s.d. in Jena u. Göttingen, heißt er Prorector; an manchen U-en ist die Regierung durch einen besonderen Curator od. Kanzler vertreten; seit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 soll an jeder U. ein Regierungsbevollmächtigter als eine Art Aussichtsbehörde vornehmlich in politischer Beziehung sich befinden. Unter dem Vorsitze des Rectors beräth od. beschließt der aus den ordentlichen Professoren bestehende od. ernannte Akademische Senat über allgemeine Universitätsangelegenheiten; die Zusammensetzung u. Art der Ernennung desselben ist aber, eben so wie der Umfang seiner Befugnisse, an verschiedenen U-en verschieden. Die ganze U. besteht in der Regel aus vier Facultäten, der theologischen, juristischen, medicinischen u. philosophischen; die letztere umfaßt außer der Philosophie die Philologie u. Linguistik, Geschichte, Natur- u. Staatswissenschaften; in Tübingen bestehen für die beiden letzten besondere Facultäten. An manchen U-en, s.d. Bonn, Greifswald, Jena, Halle befinden sich zugleich höhere Landwirthschaftliche Lehranstalten. Die Lehrer zerfallen in ordentliche u. außerordentliche Professoren u. Privatdocenten; die letzten erwerben die Erlaubniß Vorlesungen zu halten (Venia docendi) durch die Habilitation, d.h. durch eine mündliche Prüfung, die Vertheidigung einer gedruckten Probeschrift in öffentlicher Disputation u. an manchen U-en durch eine Probevorlesung, Die ordentlichen Professoren sind für bestimmte Fächer angestellt, über welche sie Vorträge zu halten haben (sogenannte Nominalprofessuren); die außerordentliche Professur ist die Übergangsstufe vom Privatdocenten zum ordentlichen Professor; die Privatdocenten sind gleichsam die Pflanzschule für die akademischen Lehrkräfte; das Institut derselben wirkt so wohlthätig, daß auch die österreichischen U-en seit 1849 dasselbe angenommen haben, während in Österreich früher die Bewerbungen um akademische Lehrämter, wo nicht unmittelbare Beförderungen u. Berufungen eintraten, durch Concursschriften stattfanden. An einigen U-en gibt es als eine Mittelstufe zwischen den Privatdocenten u. außerordentlichen Professoren Repetenten; für die Fechtkunst, Reitkunst u. Tanzkunst sind in der Regel besondere Nebenlehrer angestellt; die Lehrer der neueren Sprachen heißen Lectoren. Die Ernennung zu akademischen Ämtern liegt durchaus in der Hand der Regierungen; indessen haben bei der Wiederbesetzung erledigter Lehrstellen die betreffenden Facultäten entweder statutenmäßig od. durch langen Gebrauch das Recht des Vorschlags (Denomination) u. es wird auf ihre Ansicht in der Regel wenigstens einige Rücksicht genommen. Für den akademischen Unterricht gilt vornehmlich an den protestantischen U-en im Princip durchaus der Grundsatz der Lehrfreiheit, d.h. jeder Docent darf die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschung frei u. ungehindert vortragen u. jede wissenschaftliche Richtung, welche nicht geradezu mit den bestehenden Gesetzen des Staats in Conflict geräth, darf sich geltend machen; für die Aufrechthaltung dieses Grundsatzes u. überhaupt für eine gewisse Unabhängigkeit der akademischen Lehrer ist dabei die Theilung Deutschlands in eine Vielheit von Staaten insofern nützlich, als ihre Anstellung u. Beförderung nicht, wie s.d. in Frankreich, von dem Belieben einer einzigen Regierung abhängt, sondern die letztern genöthigt sind sich in der Berufung tüchtiger akademischer Lehrer Concurrenz zu machen.

Für die Aufnahme der Lernenden (Studenten) wird der Beleg einer genügenden Vorbildung durch ein Maturitätszeugniß verlangt; als diese Vorbildung wird vorherrschend die Gymnasialbildung, also die durch sie dargebotene Kenntniß der klassischen Sprachen angesehen; indessen haben die veränderten Richtungen u. Bedürfnisse der neueren Zeit in dieser Hinsicht insofern eine Veränderung herbeigeführt, als auch solche, welche auf Polytechnischen Schulen u. ähnlichen Anstalten ihre Vorbildung erlangt haben, als Studirende zugelassen werden. Den Act ihrer Aufnahme bezeichnet die Inscription, d.h. das Eintragen ihrer Namen in das Verzeichniß (Album) der U. sammt der damit verbundenen[241] Verpflichtung auf die akademischen Gesetze. Wie für die Lehrer der Grundsatz der Lehrfreiheit, so gilt für die Studirenden der der Lernfreiheit, d.h. es ist in die eigene Wahl des Studirenden gestellt, welche Vorlesungen (Collegien), in welcher Reihenfolge, bei welchem Lehrer er sie hören will; nur daß gewisse für einen bestimmten Beruf bes. wichtige Vorlesungen gehört worden sind, darüber wird bei der späteren Anmeldung zu den für den Eintritt in ein öffentliches Amt angeordneten Prüfungen eine Bescheinigung verlangt (Zwangscollegien, obligate Collegien). Jeder Studirende kann seine Studien auf jeder deutschen U. machen; nur einige Semester muß er in der Regel auf der Landesuniversität studirt haben. Durch diese Wanderungen der Studirenden von einer U. zur andern wird ein vielseitiger Verkehr u. ein Gefühl der Zusammengehörigkeit aller deutschen U-en ebenso lebendig erhalten, wie durch die in Folge von Berufungen eintretenden Übersiedelungen der Lehrer. Für die Dauer des akademischen Studiums nahm man sonst drei Jahre an (Triennium academicum); die Ausdehnung, welche allmälig die verschiedenen Zweige des Wissens erlangt haben, läßt diesen Zeitraum meist als zu kurz erscheinen, selbst wenn der Studirende seine Zeit gewissenhaft benutzt. Die Studirenden stehen rücksichtlich ihres Betragens u. ihrer Handlungen mit Ausnahme solcher, welche vor die Criminalgerichte gehören, unter einer eigenen akademischen Gerichtsbarkeit, für welche meistentheils ein besonderer Universitätsrichter angestellt ist u. welche von diesem unter größerer od. geringerer Mitwirkung von Mitgliedern des Akademischen Senats ausgeübt wird. Gegen die Zweckmäßigkeit dieses eigenen Gerichtsstandes der Studirenden, vorzüglich für Schuldsachen u. polizeilichen Vergehen, sind in neuerer Zeit von diesen selbst vielfache Einwendungen erhoben worden, obgleich ursprünglich u. Jahrhunderte lang ihr eximirter Gerichtsstand für eines ihrer wichtigsten Privilegien gehalten wurde u. die Universitätsgerichte in der Regel viel milder verfahren, als die bürgerlichen Gerichte zu verfahren geneigt od. im Stande sein würden. Die Universitätsstrafen bestehen in Verweisen, Freiheitsstrafen (Carcer) u. der Wegweisung von der U. auf kürzere od. längere Zeit (Consilium abeundi u. Relegation); die Strafe der Relegation wurde eine Zeitlang dadurch verschärft, daß der Relegirte aus keiner andern deutschen U. inscribirt werden durfte. Neben der Lehr- u. Lernfreiheit versteht man unter der Akademischen Freiheit bisweilen noch vorzugsweise eine gewisse Ungebundenheit der Studirenden in Beziehung auf die geselligen Verhältnisse, eine Unabhängigkeit von den durch diese gebotenen Rücksichten, deren ängstliche Beobachtung in ihren Augen den Philister charakterisirt. Sie wird vorzugsweise von den Mitgliedern der an allen deutschen U-en bestehenden Studentenverbindungen in Anspruch genommen. Solche Verbindungen waren seit dem 17. Jahrh. die Orden (s. Studentenorden) u. die aus Studirenden desselben Landes gebildeten Landsmannschaften (s.d.) od. Corps, welche beide an die Stelle der mittelalterlichen Bursen traten u. sich feindselig einander gegenüberstanden, bis seit Anfang des 19. Jahrh. die Orden vor den Landsmannschaften verschwanden. Sie hatten förmliche Constitutionen u. Abstufungen ihrer Mitglieder als Chargirte, Corpsburschen u. Renoncen. In neuester Zeit, wo diese Verbindungen nicht mehr von Landsleuten, sondern von Studirenden verschiedener Länder gebildet werden, heißen sie blos noch Corps, haben aber gleiche Constitution u. Comment wie die Landsmannschaften u. bilden den Gegensatz zu der nach dem Befreiungskriege entstandenen Burschenschaft (s.d.), welche an der Stelle des alten freien, ausgelassenen, mitunter auch rohen Studententhums einen mehr wissenschaftlichen u. sittlichen Geist nähren, namentlich das Duell abschaffen, wenigsten wesentlich beschränken (s. Ehrengericht), dabei auch die politische Einheit Deutschlands repräsentiren u. anstreben wollte u. deshalb sich mit Politik beschäftigte, aber in der Folge der Vorgänge beim Wartburgsfest u. der Ermordung Kotzebue's durch Sand (s.d.) in der Zeit der damaligen politischen Reaction die Regierungen gegen die U-en als gefährliche Heerde politischer Aufregung mißtrauisch machte, ein Mißtrauen, welches durch Schmähschriften, wie Alexander Stourdza's (s.d.) Mémoire sur l'état actuel de l'Allemagne noch vermehrt wurde. Die Folge davon waren neben den Karlsbader Beschlüssen (s.d.) weitausgedehnte Untersuchungen gegen geheime Studentenverbindungen, welche jedoch trotz aller Strenge der Mainzer Centraluntersuchungscommission (s.d.) lediglich Belege jugendlich überspannter Schwärmerei, aber keine Beweise politischer Verschwörungen zu Tage fördern konnten. Dennoch bestand die Burschenschaft im Geheimen fort, aber seit 1820 lösten sich da, wo die Landsmannschaften sich zur Burschenschaft verbunden hatten, seit 1820 wieder zahlreiche Mitglieder ab u. bildeten von Neuem Landsmannschaften. Auch nach den politischen Ereignissen des Jahres 1830 ordnete der Deutsche Bundestag in Folge des Frankfurter Attentats u. des Hambacher Festes (s. b.) eine neue Centraluntersuchungscommission in Frankfurt a. M. an, welche wieder gegen die Reste der ehemaligen u. die neue Burschenschaft vorging. Überhaupt blieben burschenschaftliche Verbindungen bis 1848 verpönt, während die Landsmannschaften od. Corps, als Gegner der Burschenschaften, stillschweigend tolerirt, hier u. da wohl auch protegirt wurden. Die Bewegungen des Jahres 1848 erregten auch die Gemüther der akademischen Jugend; in der Wiener Revolution spielte die Akademische Aula einige Monate lang eine bedeutende Rolle; an den Aufständen in Dresden u. Baden betheiligten sich jedoch nur einzelne Studirende, u. wo sie sich sonst politisch vordrängten, waren sie meist nur Werkzeuge in der Hand schlauer Demagogen. Dagegen entstanden damals allerlei Forderungen in Beziehung auf die Reorganisation u. einheitliche Verknüpfung der deutschen U-en. In Folge eines Aufrufs des Jenaischen Reformvereins wurde vom 21.–25. Sept. 1848 ein Universitätscongreß zu Jena gehalten, welchen jedoch Berlin u. einige österreichische U-en nicht beschickten. Eben so hatten die Studenten am 12. u. 13. Juni 1848 eine Versammlung auf der Wartburg gehalten, welcher vom 25. Sept. bis 2. Oct. 1848 ein ebenfalls nicht von allen U-en beschicktes sogenanntes Studentenparlament folgte. Eine Wiederholung des Universitätscongresses, welche für 1849 u. 1850 nach Heidelberg ausgeschrieben war, kam nicht zu Stande; die Conferenz akademischer Lehrer im October 1849 in Berlin bezog sich lediglich auf die preußischen U-en. Gegenstände der Verhandlung waren das Verhältniß der U-en zu den Regierungen, namentlich der[242] Regierungsbevollmächtigten, die Theilnahme der Privatdocenten u. außerordentlichen Professoren an der Berathung u. Beschlußfassung über Universitätsangelegenheiten, die Vertretung der Studirenden beim Senate u. im Universitätsgericht, die Abschaffung od. wenigstens Beschränkung des Studentenduells durch Ehrengerichte, die Freizügigkeit der akademischen Lehrer ohne besondere Leistungen od. sonstige Genehmigung bei ihrem Auftreten an einer andern U., die Abschaffung der akademischen Gerichtsbarkeit, der Zwangscollegien etc. Das Streben nach Umgestaltung einzelner bei den U-en bestehenden Einrichtungen ist in manchen Beziehungen nicht unberechtigt; man vergißt aber dabei häufig, daß der eigentliche Mittel- u. Schwerpunkt dieser Anstalten in dem Studium der Wissenschaften liegt; die Äußerlichkeiten des sogenannten Studentenlebens sind dabei nur insofern von mehr als untergeordneter Wichtigkeit, als eine schulmäßige Beaufsichtigung derselben die freie Anwendung ihrer geistigen Kräfte u. echte Charakterbildung beeinträchtigen würde. In dem letzten Jahrzehend haben die Regierungen die Studentenverbindungen, auch die burschenschaftlichen, gegen Einreichung ihrer Statuten erlaubt; an größeren u. zahlreich besuchten U-en nehmen ohnedies verhältnißmäßig nur wenige Studirende an ihnen Theil; diese heißen in der Studentensprache Finken, Kameele od. Wilde.

Rücksichtlich des Verhältnisses der U-en zur Cultur im Allgemeinen läßt sich nicht verkennen, daß sie nicht in demselben Grade wie früher die alleinigen Inhaberinnen u. Pflegerinnen der Wissenschaft sind; die Bereicherung u. Erweiterung der einzelnen wissenschaftlichen Gebiete macht überdies eine immer größere Theilung der Arbeit u. somit für jeden, welcher sich ihnen widmet, Beschränkung auf ein verhältnißmäßig enges Gebiet nothwendig; dadurch verlieren die U-en ihren Charakter als allgemeine Bildungsanstalten u. gerathen in eine Doppelstellung solcher Institute, welche die Wissenschaft um ihrer selbst willen treiben u. pflegen, u. solcher, welche sie als Mittel der Vorbereitung für bestimmte Zweige des Staatsdienstes od. sonstige praktische Lebenszwecke überliefern sollen. Gleichwohl sind sie für Deutschland die wichtigsten Pflanzstätten u. Haltepunkte der höheren Cultur, sie sind eine der wenigen Institutionen, von denen ein lebendiges Bewußtsein der Zusammengehörigkeit Deutschlands getragen wird u. es würde ein großer Verlust sein, wenn ihre Eigenthümlichkeit, welche biegsam genug ist, um veränderten Culturbedürfnissen nachzugeben, in ihren wesentlichen Grundzügen angetastet würde. Auch die österreichischen U-en, welche bis zum Jahre 1848 kaum zu den eigentlich deutschen gerechnet wurden, haben sich seitdem zu ihrem großen Vortheil manche Einrichtungen der letzteren angeeignet. Vgl. A. Tholuck, Das akademische Leben des 17. Jahrh., Halle 1853 f.; Dolch, Geschichte des deutschen Studententhums, Lpz. 1858; Robert u. Richard Keil, Geschichte des Jenaischen Studentenlebens, 1548–1858, ebd. 1858; Erdmann, Vorlesungen über akademisches Leben u. Studium, Lpz. 1858; Wildberg, Jahrbücher der U-en Deutschlands, 3 Jahrg., Neustrelitz 1810 f.; Wuttke, Jahrbücher der deutschen U-en, Lpz. 1842; Lang u. Schletter, Deutsche Universitätszeitung, ebd. 1848–49; Schletter, Akademische Monatsschrift, ebd. 1850–51; Bartholomäi, Allgemeine Universitätszeitung, Jena 1861 f.

An den englischen U-en haben sich die Verfassungsformen, welche sie im Mittelalter erhielten, am vollständigsten erhalten u. sie bekommen dadurch einen von den deutschen sehr abweichenden Charakter. Die beiden ältesten, wichtigsten u. reichsten U-en Englands, Oxford u. Cambridge, bestehen aus Collegien (Colleges) u. Hallen (Halls), von denen die ältesten schon im 13. Jahrh. entstanden, als die große Menge der Studirenden es nöthig machte Wohnungen für sie zu schaffen. Später wurden sie von Königen u. reichen Privatleuten mit liegenden Gründen reichlich u. selbst glänzend ausgestattete Corporationen, welche ihre Einkünfte selbst verwalten, ihre eigenen Wohngebäude, Kapellen, Bibliotheken, Museen u. Gärten besitzen u. in denen Lehrer u. Schüler zusammenwohnen. Ihre Gesammtheit bildete die U.; Oxford hat 19 Colleges u. fünf Halls, Cambridge 13 Colleges u. vier Halls. Die Mitglieder der Colleges heißen Fellows (d.h. Gefährten, Teilnehmer); sie beziehen aus deren Einkünften eine Rente od. Pfründe (30–1400 Thlr.); sie wählen den Vorstand des College (Head, Warden, Rector, Provost od. President genannt), die Decane (Deans) u. Censors, so wie die übrigen Beamten. Als Nutznießer des Stiftungsvermögens heißen sie Members on the foundation; die übrigen bei weitem zahlreicheren Mitglieder, s.d. die, welche gegen einen Geldbeitrag eine Stimme im Universitätsrathe haben, die Doctoren, Magister u. Baccalaureen, die für Wohnung u. Kost zahlenden Studirenden sind Members not on the foundation. Alle eigentlichen Schüler haben den gemeinschaftlichen Namen Undergraduates; die, welche Kostgeld zahlen, heißen nach Maßgabe ihres bürgerlichen Ranges u. der Höhe des Kostgelds Noblemen, fellow-Commoners, Commoners; die ärmsten, welche dafür, daß sie den Fellows aufwarten, vier Jahre lang Kost u. Unterricht frei haben, heißen Servitors. Den eigentlichen Unterricht empfangen die Studirenden weniger in den öffentlichen Vorlesungen der U. als solcher, als viemehr in dem College, welchem sie angehören, unter Aufsicht u. mit Unterstützung der Tutors, d.h. derjenigen Fellows, welche ihre Privatstudien leiten. Alle Mitglieder der Colleges haben eine nach Amt, Rang u. Grad verschiedene Tracht, ohne welche sie nicht außer dem College erscheinen dürfen; sie müssen täglich den Gottesdienst besuchen, dürfen keine Nacht außer dem College zubringen u. sind überhaupt statutenmäßig einer fast klösterlichen Lebensordnung unterworfen, welche aber von den Söhnen der reichen u. vornehmen Familien nicht selten durchbrochen wird. Die Halls sind ähnliche Anstalten, in welchen die Studirenden für ihr Geld Wohnung, Kost u. Unterricht empfangen. Die höchste Würde an der U. als Ganzem bekleidet ein Kanzler; zu diesem Ehrenamte wird gewöhnlich einer der höchsten Staatsbeamten von der Gesammtheit der U. gewählt; er muß Zögling der U., deren Kanzler er ist, gewesen sein. Zur Besorgung seiner Geschäfte ernennt er unter Zustimmung der Würdenträger der U. den Vicekanzler aus den Vorstehern der Colleges; die Amtsführung des Letzteren kann von einem Jahre auf vier ausgedehnt werden. Der Vicekanzler hat die allgemeine Aufsicht u. das Recht Universitätsversammlungen zu berufen; ihm zur Seite stehen vier, ebenfalls aus den Vorstehern der Colleges gewählte Provicekanzler, ebenso der vom Kanzler mit Zustimmung[243] der ganzen U. auf Lebenszeit ernannte Großrichter (High Steward), welcher die U. namentlich in juristischer Beziehung zu vertreten u. über die Vertheidigung ihrer Rechte u. Freiheiten zu wachen hat. Die Procuratoren (Proctors u. Proproctors) sind Beamte, denen die Beaufsichtigung des Betragens der Mitglieder u. die Bestrafung der außerhalb der Colleges vorgefallenen Vergehen obliegt. Außerdem besteht noch ein aus den Vorstehern der Colleges gebildeter Verwaltungsrath (Hebdomadal board), dessen Mitglieder Sitz u. Stimme in der allgemeinen Universitätsversammlung (Convocation) haben. In geistiger Beziehung erhalten die englischen U-en ihr eigenthümliches Gepräge dadurch, daß einerseits die zum Theil reich dotirten Fellow ships durch die Unabhängigkeit ihrer Inhaber diesen die Möglichkeit verschaffen sich vollkommen sorglos den wissenschaftlichen Studien zu widmen, andererseits von dem Studirenden das, was man in Deutschland Brodstudien nennt, gar nicht verlangt u. getrieben wird. Außer den theologischen, durch die Rücksicht auf das Dogma u. die Interessen der Bischöflichen Hochkirche allerdings eingeengten Wissenschaften werden nur die klassischen Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften u. Philosophie gelehrt u. getrieben; die Vorbereitung auf Specialfächer, wie Medicin u. Jurisprudenz, fällt besonderen dafür bestehenden Anstalten, wie für die Mediciner dem 1525 von Heinrich VIII. in London gestifteten College of physicians u. dem 1800 errichteten College of surgeons, für die Juristen dem College of civilians, gewöhnlich Doctor's Commons genannt, in London anheim. Die Studienzeit an den englischen U-en ist in der Regel auf vier Jahre berechnet, auf welche die Studien so vertheilt sind, daß von den nach Vollendung der einzelnen Curse eintretenden Prüfungen das Aufrücken im Range an der U. selbst abhängt. Von großen u. wohlthätigen Einfluß sind auch die häufig wiederkehrenden Preisarbeiten. Vgl. Ant. Wood, Hist. et antiquit. univ. Oxoniensis, Oxf. 1674, englisch mit Fortsetzung von I. Gutch, Oxf. 1792, 2 Bde.; G. Dyer, Hist. of the univ. and colleges of cambridge, Lond. 1814, 2 Bde.; Guber, Die englischen U-en, Kassel 1839 f., 2 Bde. Da Oxford u. Cambridge nach der Reformation an die Hochkirche übergingen (so daß kein Dissenter an ihnen studiren kann, weil jeder Studirende auf die 39 Artikel verpflichtet wird), deshalb in politischer Beziehung immer auf der Seite der Tories standen u. ihre Privilegien u. exclusive Stellung gegen alle Reformversuche mit Zähigkeit vertheidigten (selbst eine 1850–52 angeordnete Commission zur Untersuchung ihres gegenwärtigen Zustandes war in der letzten Beziehung ohne wesentlichen Erfolg), so gründeten die Whigs 1826 eine freie U. zu London mit einer durch Privatbeiträge mittelst Actien aufgebrachten Dotation von 300,000 Pfd. Sterl., welche sich dann mit der 1836 gestifteten London-University vereinigte. Der Unterricht an ihr umfaßt Sprachen, Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte, Englisches Recht u. die medicinischen Wissenschaften, Theologie ist ausgeschlossen. Der von den hochkirchlichen U-en erhobene Streit über das Recht akademische Grade, u. zwar ohne Unterschied des kirchlichen Bekenntnisses, zu ertheilen, ist nach ziemlich langem Kampfe zu Gunsten der jungen U-en entschieden worden. Um ihrem Einfluß entgegenzuwirken, wurde von den Anhängern der Hochkirche schon 1831 durch das King's Colleges (Königliche Collegium) der Grund zu der Londoner neuen U. gelegt, an welcher mit Ausnahme der Lehrer für morgenländische u. neuere Sprachen nur Mitglieder der Hochkirche als Lehrer u. Beamte angestellt werden können. Die schottischen U-en sind von der Bischöflichen Kirche unabhängig u. zeichnen sich durch Vielseitigkeit u. wissenschaftlichen Geist aus; die irländische zu Dublin ist hochkirchlich u. nach dem Muster der alten englischen eingerichtet.

In Frankreich bestehen jetzt eigentlich nur zwei Anstalten, welche mit einer U. im deutschen Sinne verglichen werden können, Paris u. Strasburg. Für die höheren wissenschaftlichen Studien bestehen Specialschulen, unter dem Namen von Facultés, von denen bisweilen, wie eben in Paris u. Strasburg, mehre neben, aber unabhängig von einander an einem u. demselben Orte sich befinden; dabei bestehen neben den theologischen, juristischen u. medicinischen Facultäten noch Facultés des sciences u. Facultés des lettres; zu den ersteren gehören die Lehrstühle für Mathematik, Astronomie, Mechanik, Physik, Chemie u. Philosophie, zu den letzteren die für Philologie, Rhetorik, Poesie, Geschichte, Geographie u. Geologie. Es bestehen in Frankreich acht theologische Facultäten (sechs katholische in Paris, Lyon, Bordeaux, Toulouse, Rouen, Aix, eine lutherische in Strasburg, eine reformirte in Montauban); neun Rechtsfacultäten (Écoles du droit, in Paris, Toulouse, Strasburg, Rennes, Poitiers, Grenoble, Dijon, Caen, Aix) u. drei medicinische Facultäten (Écoles de médécine, zu Paris, Strasburg u. Montpellier). Die Zulassung der Studirenden zu den juristischen u. medicinischen Studien hängt davon ab, daß sie den Grad eines Bachelier-ès-lettres erlangt haben; von den Medicinern wird verlangt, daß sie auch das Baccalaureat des sciences erlangt haben; die Facultés des lettres u. des sciences vertreten also zum Theil die Stelle der deutschen Gymnasien. Überhaupt versteht man in Frankreich unter Université nicht sowohl eine einzelne Anstalt, als vielmehr die Gesammtheit der höheren Lehranstalten. Die Université de France zerfällt in Akademien, unter Napoleon I. 26, seit 1850 86 nach Zahl der Departements; unter diesen haben die Facultés den ersten Rang. Jede Akademie hat einen Rector u. einen akademischen Rath (Conseil académique); jede Facultät einen Decan (Doyen); ihre gemeinschaftliche oberste Behörde ist das Conseil supérieur de l'instruction publique zu Paris, in welchem seit dem Jahre 1852 unter dem neuen Kaiserreiche der Clerus einen sehr vermehrten Einfluß erlangt hat.

Die U-en in Schweden haben besondere Institutionen. An der Spitze derselben steht ein Kanzler (der jedesmalige Kronprinz), dessen Stellvertreter in Upsala der Erzbischof, in Lund der Bischof als Prokanzler ist; nnter ihnen steht der Rector mit dem Universitätsconsistorium, welches aus allen Professoren besteht u. dessen Präsident der Rector ist. Außer den Ordinarprofessoren gibt es für alle Facultäten mehre Adjuncten u. Docenten, für freie Künste u. neuere Sprachen Lectoren. Jedem Professor liegt ob öffentliche Collegia zu lesen, nur dem jedesmaligen Rector ist das Collegienlesen nachgelassen. Die Besoldungen der Professoren bestehen in Getreide, für deren Verkauf der Universitätsquästor sorgen muß. Die Professoren der Theologie u. Philosophie bekleiden oft auch zugleich Landpredigerstellen.[244] Der Vortrag ist frei u. Heftschreiben kennt man nicht. Sobald ein Student immatriculirt ist, muß er in eine der Nationen treten, welche den Namen seiner Geburtsprovinz führt; die Mitglieder der Nationen zahlen Beiträge, wovon dann bes. Gebäude erkauft, Bibliotheken errichtet, musikalische Instrumente angeschafft werden etc. An der Spitze jeder Nation steht ein Professor als Inspector, dann ein od. mehre Curatoren, ein Bibliothekar u. mehre Senioren, die übrigen Mitglieder sind Ehrenmitglieder, Ehrensenioren, Junioren, Neue, ganz Neue, denen sich noch Andere unter dem Namen von Novizen, Examinandi, Adscripti etc. anreihen. Das Nationenhaus ist der Versammlungsort sowohl zu wissenschaftlichen Zwecken (Vorlesen, Disputiren, Lesen, Musiciren etc.) als auch zu Vergnügungen, Trinkgelagen etc. Duelle gibt es nicht. Das Studiren wird Unbemittelten sehr erleichtert durch viele u. reichliche Stipendien; wer dennoch nicht das Nöthige aufbringen kann, unterbricht seine Studien u. erwirbt sich durch Unterrichtertheilen in irgend einem Theil des Landes, was er zur Fortsetzung der Studien bedarf. Promotionen der Magistri philosophiae sind alle drei Jahre; Doctoren werden nur selten creirt u. die meisten Mediciner werden nur Licentiaten in ihrer Facultät. In Norwegen besteht erst seit 1813 eine eigene U. in Christiania, früher studirten die Norweger in Dänemark. Die Organisation ist die: ohne einen Rector zu haben steht die ganze U. unter einem Prokanzler, zu den vier Facultäten gehören 28 Lehrer, welche theils Professoren (mit 12–1800 Spec.), theils Lectoren (den außerordentlichen Professoren bei uns vergleichbar u. mit 6–700 Spec. honorirt) sind. Diese Lehrer lehren alle unentgeldlich. Ein dem deutschen ähnliches Studententhum gibt es hier nicht. Von der Schule abgegangen machen die Jünglinge ein Examen artium, worauf sie immatriculirt werden u. sich an irgend einen Professor anschließen, welcher ihr Rathgeber u. der Leiter ihrer Studien wird. Examina entscheiden über Fortschritte u. Zeit des Ausstudirens.

Die holländischen, belgischen u. dänischen U-en haben in ihren Einrichtungen Ähnlichkeit mit den deutschen; am nächsten stehen diesen die schweizerischen, auch Rußland hat sich von den deutschen Universitätseinrichtungen so viel angeeignet, als die dortigen Culturzustände vertragen u. der absolutistische Geist der Regierung gestattete. Die spanischen U-en, so berühmt auch manche derselben im Mittelalter gewesen sind, sind allmälig unter dem Drucke des geistlichen u. weltlichen Despotismus verkümmert u. haben sich unter den politischen Erschütterungen des 19. Jahrh. nicht wieder erheben können. Eben so ist der Glanz u. der Ruhm der italienischen verblasst; unter ihnen sind die in dem zu Österreich gehörigen Theile Italiens gelegenen die thätigsten u. bedeutendsten geblieben; welchen Einfluß die in den letzten Jahren eingetretene politische Umgestaltung Italiens auf sie haben wird, kann erst die Zukunft lehren. In Griechenland ist, wie überhaupt das ganze Unterrichtswesen, so auch die U. (Πανεπιστήμιον) zu Athen ganz nach deutschen Mustern eingerichtet. Der Rector (Πρύτανις), die Dekane (Σχολάρχαι) der vier Facultäten (Σχολαί) u. der akademische Senat (Ἁκαδημιακὸν συμβούλιον) bilden die akademischen Behören. Etatsmäßig beträgt die Zahl der ordentlichen Professoren (Τακτικοὶ καϑηγηταί) 34, doch sind sie noch nicht vollständig; neben ihnen lehren außerordentliche Professoren (Ἐπιακτικοὶ καϑηγηταί), Honorarprofessoren (Ἐπιτίμιοι καϑ.) u. Privatdocenten (Ὑφηγηταί, Ἰδιωτικοὶ διδάκτορες). Die U. graduirt zum Licentiaten (Προλύτης) u. Doctor (Διδάκτωρ); die Vorlesungen werden durch einen Lectionscatalog (Πρόγραμμα τῶν μαϑημάτων) angekündigt.

In den außereuropäischen Landen hat hauptsächlich nur Amerika Anstalten, welche mit den deutschen U-en verglichen werden können. In Nordamerika wurden, so lange es zu England gehörte, Colleges nach englischem Vorbild errichtet; so 1638 das Harvard-College zu Cambridge in Massachusetts, 1691 das William and Mary-College zu Williamsburg in Virginien, 1701 das Yale-College zu New Haven in Connecticut, 1738 die Nassau-Hall (New Jersey College) zu Princeton in New Jersey, 1754 das Columbia-College in New York. Nach der Unabhängigkeitserklärung wurde 1791 in Philadelphia eine U. von B. Franklin gegründet (aus der Vereinigung zweier ähnlicher Institute, von denen das älteste, schon ursprünglich Pennsylvania University genannt, aus dem Jahre 1755 stammt); 1795 wurde das Union College zu Schenectady im Staate New York u. 1819 die U. zu Charlotteville in Virginien gegründet. Im Allgemeinen versteht man aber in Nordamerika unter einer U. (University, College) eine Anstalt, welche die Mitte hält zwischen den deutschen Gymnasien u. der philosophischen Facultät einer deutschen Hochschule. Mit den ersteren haben die Colleges gemein einen festen Cursus des Unterrichts, die Eintheilung in Klassen, die Controle der Studirenden in Bezug auf den Besuch der Vorlesungen u. auf ihr sonstiges Leben, die Form des Unterrichts in Frage u. Antwort, die Examina am Schluß des Schuljahres u. im Allgemeinen wohl auch das Niveau wissenschaftlicher Bildung, welches sie bei ihren Zöglingen zu erreichen streben. Der U. in unserem Sinne gleichen sie durch das meist reifere Alter u. die größere Ungebundenheit der Lernenden, durch die am Schlusse der Studien erfolgende Promotion zum Bachelor of arts u. durch das Recht Doctoren der Theologie u. der Rechte zu ernennen. Sie hatten ursprünglich nur den Zweck Geistliche auszubilden u. trugen deshalb ein mehr theologisches Gepräge. In diesem Sinne wurde schon 1638, acht Jahre nach den ersten Anfängen der Colonie Boston, das Harvard-College zu New-Cambridge bei Boston gestiftet, welches jetzt eines der bedeutendsten ist (32 Professoren, 700 Studenten) u. sich durch die Verbindung mit einer theologischen Lehranstalt, einer Medical and Law-School der Einrichtung einer deutschen U. nähert. Obgleich sie allmälig zu Anstalten für allgemeine Bildung geworden sind, gelten sie doch hauptsächlich als Vorbereitungsschulen für das theologische Seminar u. sind deshalb vornehmlich das Werk kirchlichen Eifers u. christlicher Liberalität. Von den etwa 150 Anstalten dieser Art, welche sich im Jahre 1851 in den Vereinigten Staaten fanden, waren nur 14 staatliche Stiftungen u. nur 20 andere verdankten nicht einer bestimmten kirchlichen Denomination ihr Dasein. So schließen sich denn an sehr viele dieser Anstalten theologische Seminarien an, deren Stiftung aber erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts (das erste 1794, das zweite 1804) beginnt. Es bestanden im[245] Jahre 1856 deren 44 unter 11 kirchliche Parteien vertheilt. Die Vollendung des theologischen Cursus gibt ohne weiteres Examen den Grad eines Master of Arts (L. L. D.); das Honorar der Studenten beträgt jährlich im College 371/2 Doll. In Südamerika wurde 1827 in Buenos-Ayres eine U. gegründet, in Santiago de Chile die U. 1842 nach deutschem Vorbild reorganisirt; eine Reorganisation in gleicher Weise wird jetzt in Rio de Janeiro vorbereitet u. 1852 wurde selbst in Sidney in Neusüdwales eine U. errichtet. Vgl. Willmerding, Verzeichniß der (außereuropäischen) Universitäten, Akademien etc., Lpz. 1795.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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