- China [1]
China (richtiger Tschina, wenigstens so auszusprechen, Tsin, Tsina, Tai-tsing, einheimische Namen; bei den Alt-Griechen, die den südlichen Theil kannten, Sinä; bei den Neu-Griechen Tsinitsa). A) China im weiteren Sinne, od. Chinesisches Reich (nicht zu verwechseln mit dem eigentlichen China). Unter der Bezeichnung Chinesisches Reich begreift man das ungeheure Ländergebiet in Ostasien, welches die, theils der unmittelbaren Herrschaft des chinesischen Kaisers unterworfenen, theils in einem Schutz-, Tribut- od. Lehnsverhältniß zu demselben stehenden Länder u. Staaten umfassend, sich vom 90°–162° östlicher Länge (von Ferro) u. vom 18°–56° nördlicher Breite erstreckt u. in dieser Ausdehnung einen Gesammtflächenraum von ungefähr 250–260,000 Es grenzt im Norden, vom Balkasch-See bis zur Mündung des Amur, an Sibirien, von diesem durch die Altaischen, Sajanischen u. Daurischen Gebirgszüge getrennt, im Osten u. Süden an den Stillen Ocean (u. zwar an dessen unter den verschiedenen Namen Japanisches, Gelbes u. Chinesisches Meer bekannte Theile), im Südwest an die hinterindischen Reiche Annam u. Birma, an Nepal, Butan, verschiedene Indo-Britische Schutzstaaten u. die Indo-Britische Präsidentschaft Bengalen, von diesen durch das Himalayagebirge geschieden, im Westen an die Bucharei u. die Turanischen Steppen- u. Bergländer der Kirgisen. Es zerfällt a) das eigentliche China, u. b) die unterworfenen Länder Mandschurei, Mongolei, die jetzige Provinz Ili od. die ehemalige Dsungarei mit der Klemen Bucharei, Thian-schan-pelu u. Thian-schannan-l u. Schutzstaaten sind Tibet u. die Lieu-khien-Inseln, blos abhängig od. tributpflichtig Korea, Annam, Siam, Birma, Nepal u. Butan.
B) Das eigentliche China, von den Chinesen Tschang-kue (das Reich der Mitte), Tschanghoa (Blume der Mitte), od. auch nach der regierenden Dynastie Tai-tsing-kun (Reich der überaus reinen Herrscherfamilie), Tian-hia (die Welt), Sse-hai (die 4 Meere); von den Buddhisten Schin-tan, von den Muhamedanern Thung-tu, von den Russen u. andern nordasiatischen Slawen Kitan, Kitaja od. Kiat, von den Annameen u. Arabern Sina, von den Persern Tschin, von den Tibetanern Yulbu genannt; die europäische Bezeichnung Tschina ist von dem Namen des alten Feudalstaates Tsin herzuleiten, welcher sich später das ganze Reich unterwarf. Es erstreckt sich vom 110°–162° östlicher Breite (von Ferro) u. vom 18°–43° nördlicher Breite u. grenzt im Norden (nordwestlich durch die große Mauer getrennt) an die Mongolei, im Nordosten u. Süden an den Stillen Ocean (Japanisches, Gelbes u. Chinesisches Meer) im Südwesten an die hinterindischen Reiche Annam u. Birma, an Nepal, Butan, verschiedene Indo-Britische Schutzstaaten u. die Indo-Britische Präsidentschaft Bengalen, im Westen an Tibet, u. umfaßt nebst den dazu gehörigen Inseln Hainau u. Formosa (diese letztere nur theilweis) einen Flächenraum von ungefähr 60–80,000 QM. mit 410–420 Mill. Einw. Das Land ist nach den Küsten zu flach (nach Berghaus 10,000, nach Ritter 20,000 QM. Flach- u. Tief land); nach dem Innern zu erhebt sich, immer höher aufsteigend, bis zu grotesk gestalteten Schnee gebirgen der Jü-ling mit Tausenden von Gletschern. Das Alpenland des Jü-ling beginnt im Südwesten zwischen dem Tonkinschen, Meerbusen u. dem Si-Kiang, sich dann nördlich in die massenhaften Ketten der Miao-, Nun- u. Ta-Jüling u. östlich bis an das Meer verzweigend. Nördlich vom Yang-tse-kiang laufen dann von den hohen Gebirgsknoten des Nordwesten ab ziemlich parallel die beiden Gebirgszüge Ta-pa-ling u. Peling aus, u. verflachen sich nach Osten zu in das große, reichbewässerte Tiefland zwischen den beiden mächtigen Strömen Yang-tse-kiang u. Hoang-ho, welches vermöge der außerordentlichen Fruchtbarkeit seines Bodens u. der dort herrschenden Bildung u. Wohlhabenheit halber den eigentlichen staatlichen Mittelpunkt des Reiches bildet. Weiter nördlich u. nordwestlich herauf finden sich noch verschiedene andere Bergketten, von denen der Jak-Alin die bedeutendste ist. Stromgebiete gibt es 2 größere: das des Hoang-ho (Gelber Fluß), welcher sich nach einem Laufe von 540 Meilen ins Gelbe Meer ergießt, u. das des Yang-tse-kiang (Blauer Fluß) aus der Vereinigung des Kin-scha-kiang (Goldsandfluß) u. Jalung-kiang (Weißer Fluß) nach einem Laufe von 630 Meilen ebenfalls ins Gelbe Meer mündend. Außerdem sind noch bedeutendere Flüsse: Si-kiang (Westfluß), Pe- od. Tschu-kiang (Nord- od. Tigerfluß) u. Min-kiang, sämmtlich ins Chinesische Meer mündend. Seen (Hu) zahlreich, die bedeutendsten: Tung-ting, Po-yang, Si-hu, Tai-hu. Kanäle gibt es ebenfalls in ungewöhnlich großer Menge (über 400), deren Kenntniß u. Überwachung ein Hauptgeschäft der Mandarinen ist. Der größte u. wichtigste hat den Namen Yu-ho (Kaiserkanal od. Tscha-ho, d. i. Tributstrom); er führt von Hang-tscheu-su nach Pe-king, ist 250 Meilen lang, 200–1000 Fuß breit u. dient vorzüglich dazu, die Hauptstadt mit Korn zu versorgen; durch zahlreiche Nebenkanäle steht er auch mit dem Chinesischen Meere im Süden in Verbindung. Die meisten andern Kanäle sind 50 Fuß breit, 10 Fuß tief, häufig bis zu 20 Meilen lang (oft auch nur einen kurzen Streifen Landes durchschneidend), u. der Schifffahrt nicht weniger als dem Ackerbau förderlich. An Mineralquellen ist das Land ebenfalls sehr reich. Die 6 großen den Europäern geöffneten Handelshäfen sind: Canton, Fu-tscheusu, Ning-po, Schang-hai, Tsche-kiang u. Amoy. Im Norden des Gelben Meeres die große Bai (Meerbusen) von Pe-tsche-li. Der Boden, namentlich im Tieflande, ist außerordentlich fruchtbar; die weite Fläche zwischen dem Hoang-ho u. dem Si-kiang zeichnet sich vor allem durch ihre üppige Vegetation aus u. ist vielleicht die fruchtbarste u. bestbebaute Gegend der Erde: der gesammte [2] Boden ist dort für Anpflanzungen von Culturgewächsen benutzt, u. nur äußerst selten findet sich eine wildwachsende Pflanze, nie aber ein Wild irgend welcher Art. Die Gebirge sind bis zu einer ziemlichen Höhe hinauf mit schönen Waldungen bedeckt u. reich an Futterkräutern. Das Klima ist bei der großen Ausdehnung u. der ungleichen Beschaffenheit des Landes sehr verschieden. Im Allgemeinen ist die Temperatur eine niederere als in Westeuropa unter den gleichen Breitegraden, der Wechsel ein häufigerer, der Übergang selbst ein rascherer u. die Extreme bei weitem mehr auseinander liegend. Den 35° u. 25° nördlicher Breite kann man als Klimascheiden betrachten; nördlich vom 35° findet sich Eis u. Schnee vom November bis März, Nebel u. Nordlichter; mittlere Wintertemperatur – 3° R., bisweilen bis auf – 16° R. fallend; kurzes Frühjahr, heißer Sommer (bis auf +23° R. steigend) mit reichlichem Regen; angenehmer, aber kurzer Herbst. Zwischen 35° u. 25° nördlicher Breite ist das mildeste u. gleichmäßigste Klima (subtropisch); regelmäßige Folge von 2 trockenen u. 2 nassen Jahreszeiten; mittlere Jahrestemperatur +13° R. (im August bisweilen bis +34° R. steigend). Südlich vom 25° nördlicher Breite ein tropisches Klima mit 2 von den Moussons abhängigen Jahreszeiten: eine nasse, vom April bis October bei SWMousson, eine trockene vom October bis April bei NOMousson. In Canton ist die mittlere Jahrestemperatur +15° R., im Sommer bis +28° R. steigend, im Winter bis auf 1° R. fallend. Im Juni u. Juli häufig furchtbare Stürme (Taifangs od. Typhongs genannt), welche Häuser u. Bäume niederreißen, aber nach dem Innern zu an Heftigkeit abnehmen. Auch Erdbeben kommen vor, namentlich mehr nach Norden zu (1830 in Petsche-li, 1835 in Honan). Im Allgemeinen läßt sich das Klima als gesund bezeichnen, ausgenommen in den Niederungen, wo namentlich Fremde häufig von Fiebern befallen werden. Producte: edle Metalle, wenig verbreitet: Gold (namentlich aus Flußsand ausgewaschen), Silber (unbedeutend), Kupfer u. Eisen (beide sehr verbreitet), Zinn (von vorzüglicher Güte), Quecksilber, Blei, Kupfer, Arsenik, Marmor, Speckstein, Porzellanerde, Meerschaum, Graphit, Schwefel, Steinkohlen u. Salz (beide in großer Menge), Erdöl u. verschiedene Edelsteine; Thee (Tscha, ein Hauptproduct von Ch., welches denselben für den Großhandel fast ausschließlich liefert, am besten zwischen 23° u. 31° nördlicher Breite gedeihend; im Jahre 1856–57165 Millionen Pfd. Ausfuhr, während Ch. selbst jährlich bis zu 1800 Millionen Pfd. consumirt); ferner Reis (ein Hauptnahrungsmittel), Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Buchweizen, Sago (von der japanischen Sagopalme), die meisten europäischen Obst- u. Gemüsearten, Wein, Kartoffeln u. Bataten, Baumwolle, Zucker, Tabak, Indigo, Rhabarber, viele Gewürze, Bambus (beliebtes Baumaterial), Maulbeerbäume (bedeutende Seidenraupenzucht), Gingseng- (Tschinsang-) Kraftwurzel, Palmen, Cedern, Cypressen, Eiben, Eichen, schwarze Wallnuß-, Lorbeer-, Kampher-, Öl-, Seifen- u. Firnißbäume (Rhus vernix), Rosen-, Sandel-, Agila- u. Ebenholz, viele aromatische Balsame, Harze u. Gummata, zahlreiche Wasserpflanzen u. Farbekräuter, ferner Ölrettige, aus deren Olruß die chinesische Tusche, u. eine eigene Pflanze, aus deren Mark das sogenannte Reispapier bereitet wird. Im Allgemeinen sind große Waldungen bei weitem seltener als in Europa u. finden sich fast nur in den Gebirgsgegenden; im Tieflande sind sie der Cultur des Theestrauchs u. dem Ackerbau gewichen, hinter welchem auch die Obstzucht zurücksteht; Gemüsebau ist dagegen sehr bedeutend; Wiesencultur aber fast unbekannt. Wilde Thiere finden sich nur noch in den Gebirgen, darunter im Süden Elephanten, Nashörner, Bären, Tiger, Leoparden, Panther, im Südwesten auf Honan viele Affen (darunter der Gibbon), im Westen viele Moschusthiere, weiter verbreitet Kameele, Wölfe, Luchse, wilde Hunde, Hirsche, wilde Schweine, Gazellen, Gemsen, Antilopen, Murmelthiere, Eichhörnchen (darunter auch fliegende), Zobel, Marder, Dachse, Zibethkatzen, Igel. Hausthiere sind weniger verbreitet als in Europa, da die Chinesen Widerwillen gegen Fleischkost, Milch, Butter u. Käse haben; am verbreitetsten ist noch das Schwein; Ochsen werden nur als Zugthiere, zum Pflügen u. zum Treten od. Treiben in den Mühlen gebraucht; Schafe werden aus der Mongolei eingeführt; den Pferden, die mager u. klein sind, Maulthiere u. Esel vorgezogen. Von Vögeln sind Gold- u. Silberfasane u. Pfauen einheimisch; ferner finden sich Flamingos, Pelikane, Albatrosse, verschiedene Papageien, Paradiesvögel (namentlich auf der Insel Formosa), Kasuare, Kraniche, Störche, Reiher, Cormorane, Schwäne, Gänse, Enten, Wachteln, Schnepfen, Salanganen. Tauben, zahlreiche Arten von Singvögeln, Eulen, Meerschwalben; Chamäleons (fliegende), Molche, Schlangen (bis zu 24 Fuß lang) u. die meisten der europäischen Amphibien; Haifische, Gelbfische, Störe, Thunfische, Makrelen, Schwertfische, Gold- u. Silberfische, Karpfen, Lachse, Hechte u. zahlreiche andere See- u. Süßwasserfische. Von Insecten namentlich die Seidenraupe, Bienen, schöne Schmetterlinge u. Käfer, Wanderheuschrecken, Skorpione, Beutelkrebse u. Hummer; Blutegel, eßbare Spritzwürmer, Perlmuscheln, Meerscheiden, Austern u. verschiedene Muscheln, Tintenfische, Meerigel u. Meersterne.
Die gegenwärtige Bevölkerung (ein Gemisch von eigentlichen Chinesen, Mandschu, Mongolen u. Tibetanern) stammt nicht von den Ureinwohnern von Ch. ab, wovon nur noch Reste als Miao-thü u. Lo-lo in den südlichen Gebirgen u. der Provinz Fu-kiang existiren. Die jetzigen Einwohner drangen ungefähr 3000 Jahre v. Chr. von Nordwest her in Ch. ein. Sie sind eine von der kaukasischen Race durchaus verschiedene u. stammverwandt mit den Mongolen, die Mitte haltend zwischen dem leicht beweglichen Hindu u. dem muskulösen, fleischigen Europäer, gewöhnlich 5 Fuß hoch u. untersetzt; Dicke gilt für eine Zierde des Mannes. Rundes Gesicht, niedrige zusammengedrückte Stirn, kleine tiefliegende, weit auseinanderstehende (fast schielende) Augen, unbehaarte Augenlider, aber dichte Brauen, vorstehende Backenknochen, kleine Nase, kleiner dicklippiger Mund, kleines Kinn, kein Bartwuchs, das Gesicht im Ganzen höchst ausdruckslos, gelblicher od. krankhaft weißlicher Teint (bes. die Frauen). schlichtes schwarzes Haar. Sie sind fleißig, geschickt, höflich, gehorsam aber wollüstig u. unmäßig (bes. Opium), schmutzig, listig u. betrügerisch im Handel bestechlich, feig, falsch, hinterlistig, rachsüchtig, unverträglich, nationalstolz, voll Verachtung gegen alles Fremde, festhaltend am Alten u. Hergebrachten,[3] kalt gegen Unglückliche. Das Volk ist getheilt in Mandarinen, Gelehrte, Soldaten, Priester, Kaufleute, Handwerker, Bauern; als unehrlich gelten Schauspieler, Kerkermeister, Frohne u. Bordellwirthe. Kasten u. Privilegien gibt es nicht; dagegen seit dem 12. Jahrh. Sklaven, u. zwar ehemals nur Staatssklaven (Verbrecher u. Kriegsgefangene), jetzt auch Privatsklaven, d.h. solche, die sich selbst verkauft haben, od. Kinder von Sklaven. Freilassungen finden nicht selten statt; die Freigelassenen treten sofort in das Recht eines Bürgers ein. Die Gesammtzahl der Bevölkerung (1815: 371 Mill., 1852: 396 Mill.) wird gegenwärtig auf 410 bis 420 Millionen geschätzt, eine Dichtheit der Bevölkerung, wie sie sich in Europa nirgends findet; vorzugsweise dicht bevölkert sind die Provinzen Ki-ang-su (20,000 Seelen auf 1 QM.), Nyan-hohl (16,000 Seelen auf 1 QM.), Tsche-ki aug (10,000 Seelen auf 1 QM.), während beispielsweise im Königreich Sachsen nur 7.100 Seelen auf 1 QM. kommen. Eintheilung in 18 Provinzen, welche wieder in Bezirke u. Districte zerfallen. Pe-tsche-li (ungefähr 2750 QM. u. 30 Mill. Ew., mit der Hauptstadt des Reiches Schün-thian-su od. Pe-king), Schau-tong (2600 QM. u. 31 Mill. Ew.), Kiang-su (1680 QM. u. 40 Mill. Ew.), Tsche-kiang (2680 QM. u. 28 Mill. Ew.), Fu-kiang (2680 QM. 28 Mill. Ew.), Kuang-tong (4550 QM. u. 23 Mill. Ew.), Kuang-si (4220 QM. u. 8 Mill. Ew.), Kiang-si (2700 QM. u. 32 Mill. Ew), Hu-nan (4240 QM. u. 20 Mill. Ew.), Hu-pe (3650 QM. u. 28 Mill. Ew.), Ngan-hoei (2140 QM. u. 36 Mill. Ew.), Ho-nan (2900 QM. u. 24 Mill. Ew.), Schan-si (2920 QM. u. 15 Mill. Ew.), Kan-su (13,200 QM. u. 16 Mill Ew.), Schen-si (5000 QM. u. 12 Mill. Ew.), Ssü-tschuen (8230 QM. u. 22 Mill. Ew.), Kuei-tschen (5000 QM. u. 12 Mill. Ew.), Ssü-tschuen (8230 QM. u. 22 Mill. Ew.), Kuei-tschéu (3300 QM. u. 51/2 Mill. Ew.), Yun-nan (5500 QM. u. 51/2 Mill. Ew.). Diese Zahlen, obgleich sämmtlich officiellen Berichten entlehnt, dürften jedoch in vielen Fällen nur annähernd richtig sein; immerhin aber beweisen sie, daß das eigentliche Ch. ungefähr 30 Procent des Flächenraumes u. trotzdem ungefähr 96 Procent der Bevölkerung des Chinesischen Reiches enthält. Die Hauptstadt des Reiches, Residenz des Kaisers u. Sitz der höchsten Behörden ist Schün-thian-su od. Pe-king; die Städte ersten Ranges führen den Beinamen: Fu (183 an der Zahl), zweiten Ranges: Tschéu (225), dritten Ranges: Hien; die kleineren heißen Ting u. stehen unmittelbar unter dem Ministerium in Pe-king. Symbol der kaiserlichen Familie u. zugleich Staatswappen ist ein Drache mit 5 Klauen (die kaiserlichen Prinzen dürfen jedoch nur 4 Klauen im Wappen führen).
Die Staatsverfassung ist unumschränkt monarchisch, aber keineswegs despotisch, da Gesetze u. festgewurzelte Gebräuche über dem Willen des Kaisers stehen, u. die Mandarinen u. Tribunale berechtigt sind, dem Kaiser Gegenvorstellungen zu machen, wenn auch nur in der ehrfurchtsvollsten Weise. Die Autokratie des Kaisers beruht auf dem Princip des patriarchalischen Regimentes der Kaiser (Tient-se) führt den Titel Ho-ang-ti (erhabner Gebieter) od. mongolisch Bogdo-Khan (Sohn des Himmels, Vater des Volkes, alleiniger Beherrscher der Welt), der wirkliche Name desselben ist bei Tode erhält er einen ehrenvollen Beinamen, so der Vorige Dschin-tschong-schui-ho-ang-ti (erhabener u. weiser Herrscher, mitleidsvoller Vorgänger). Er genießt sklavische, fast göttliche Verehrung; das Gesetz verlangt sogar bei Todesstrafe vor seinen Briefen niederzuknieen u. die Erde neun Mal mit der Stirn zu berühren; seinem Bilde werden Opfer gebracht; er selbst zeigt sich dem Volke nur selten u. ist dann sehr einfach in Gelb gekleidet; auf seinem Gewande trägt er an Brust, Schultern u. Rücken den fünfklauigen Drachen gestickt, auf der Mütze drei goldene, mit Perlen besetzte u. mit Perlen gekrönte Drachen, auf der Sommermütze ein goldgesticktes, perlenbesetztes Bild des Fo. Um so prachtvoller ist bei seinem öffentlichen Erscheinen das Gefolge, es begleiten ihn gegen 2000 Lictoren u. 40,000 Mann Leibwache. Auf seinen prachtvollen Staatswagen u. kaiserlichen Schiffen sind in großer Menge Drachenbilder angebracht; seinen Hofstaat bilden zum großen Theil Eunuchen (Verschnittene). Der Kaiser hat nur eine rechtmäßige Gemahlin, die den Titel Ho-ang-heu (Kaiserin) führt, außerdem noch zwei Nebengemahlinnen (Fu-schin, Königinnen), jede mit einem eigenen Hofstaat, mehrere Frauen mittleren Ranges (Pi-neu) u. eine große Anzahl Favoritinnen, die aus den Töchtern der höheren Staatsbeamten gewählt werden. Nach dem Tode des Kaisers wohnen sie gemeinschaftlich im Palaste der Keuschheit, u. nur die Kaiserin-Wittwe spielt noch eine Rolle. Die gegenwärtige Dynastie heißt Tai-tsing, d. i. die sehr reine; sie stammt aus der Mandschurei u. wurde durch Schun-tschi gegründet, welcher 1645 die Ming- od. Chinesische Dynastie stürzte. Die kaiserliche Würde ist in der männlichen Linie der Familie erblich, doch nicht nach dem Rechte der Erstgeburt; der Kaiser wählt seinen Nachfolger aus den Söhnen seiner drei Gemahlinnen; es bleibt aber diese Wahl bis zu seinem Tode aus Staatsklugheit ein Geheimniß, um den künftigen Herrscher nicht durch Schmeicheleien verblenden zu lassen. Die Töchter werden an Mongolen- od. Mandschufürsten verheirathet. Nach seinem Tode werden seine sämmtlichen Kinder in das Gelbe Buch eingetragen u. erhalten das Recht, orangefarbene Kleider zu tragen, deren Kinder kommen in das Rothe Buch u. so fort bis zur 7. Generation, wo sie dann ins Volk übergehen. Die sämmtlichen Glieder der kaiserlichen Familie haben das Recht, den vierklauigen Drachen zu führen u. werden in 12 Klassen eingetheilt u. stehen unter einem eigenen Prinzen-Tribunale (Thung-jin-su), Ein Prinz erster Klasse erhält jährlich 10,000 Tael, 5000 Schi Reis u. 360 Diener; einer der untersten Klasse 36 Tael, 24 Schi Reis u. bei seiner Verheirathung 100 Tael; 120 Tael werden auf sein Begräbniß verwandt. Die höheren Klassen wohnen bei Hofe, die niederen Klassen dürfen auch außerhalb Ch. leben; zu ihnen gehören auch die Abkömmlinge des Kong-fu-tse (Confucius).
Die Mitglieder u. Abkommen der kaiserlichen Familie bilden die 5 ersten Klassen des persönlichen Adels (Dsiung-wan, Kiun-wan, Pei-le, Pei-tse, Kun-yai), den Amtsadel bilden die Mandarinen (portugiesisch für das chinesische Kuan), getheilt in: a) Civilmandarinen, deren es an 15,000 gibt u. die wieder in mehrere Klassen zerfallen; aus der ersten (Ko-lao) werden die Minister, aus der zweiten (Ta-hia-su)[4] die Präsidenten, Vicekönige etc. gewählt; sie unterscheiden sich durch die Anzahl Pfauenfedern (3, beziehentlich 1) die sie auf ihrer Mütze in ein achatenes Röhrchen gesteckt, nach abwärts hängend, tragen. Bei Amtsgängen gehen 100 Lictoren vor ihnen her. Der Mandarinentitel kann auch erkauft werden, u. die Hongkongkaufleute sind meistens Titular-Mandarinen; b) Kriegsmandarinen, ungefähr 20,000, in 5 Klassen getheilt, haben gleichen Rang, sind aber minder angesehen u. stehen sämmtlich unter dem Ping-pu (Kriegstribunal). Der erste ist Kronfeldherr; der farbige Knopf auf der Mütze unterscheidet sie von einander; die ersten 4 Klassen tragen einen Rubin, die 5. einen Sapphir. Die Ceremonienkleidung besteht in einem Gewand aus geblümtem Atlas, vorn u. hinten das, jede einzelne Klasse bezeichnende Ehrenzeichen gestickt, darüber ein Überwurf von blauem Krepp. Unbedingter Gehorsam gegen Alles, was ein Mandarin befiehlt, ist Pflicht des Volkes. Als besonderes Ordens- u. Gnadenzeichen gilt eine Pfauenfeder hinten auf der Mütze.
Oberste Behörden sind: das Fürstengericht (Thung-jin-su), aus den Prinzen der höheren Klassen bestehend u. Gerichtsstand für die Glieder der kaiserlichen Familie; diesem folgt das innere Collegium od. Cabinet (Nui-ko), die Spitze der eigentlichen Centralregierung, von welcher jedoch die zahlreichen Hofbeamten unabhängig sind; es besteht aus 4 Cabinetsministern (2 Chinesen u. 2 Mandschu), den vornehmsten Gelehrten u. hat im Ganzen 500 Beamte. Der Kaiser arbeitet selbst fleißig in demselben mit, da es herkömmlich ist, daß er sich auch um die Einzelnheiten der verschiedenen Verwaltungszweige kümmert. Es ist in drei Commissionen getheilt, welche die Befehle des Kaisers entgegennehmen, die Decrete ausfertigen, die Gesetze revidiren, neue abfassen u. mit dem Staatssiegel bezeichnen, mit den fremden Höfen verhandeln, Staatsverträge entwerfen u. die Reichsannalen (s. Chinesische Literatur) schreiben. Ein großer Theil dieser Geschäfte ist jedoch in neuester Zeit an einen Geheimen Cabinetsrath (Kiun-ti-tschu) übergegangen, welchen der Kaiser aus einzelnen Mitgliedern seiner Familie, der Nui-ko u. den höheren Beamten der 6 Tribunale in beliebiger Anzahl einberuft. Das Ministerium, das seinen Sitz in Pe-king hat, besteht aus 6 Tribunalen od. Collegien (Pu): a) Reichskanzlei (Ly-pu), Tribunal für die Civilbeamten, deren Ernennung, Beförderung, Bestrafung, Entsetzung etc.; b) Finanztribunal (Hu-pu) für die Verwaltung der Staatseinkünfte, für jede einzelne Provinz 1 Oberbeamten (Ssü); c) Culturtribunal (Li-pu) für Gebräuche u. Ceremonien, empfängt auch die Gesandten fremder Mächte; d) Kriegstribunal (Ping-pu) für die Leitung des Heerwesens u. der Flotte, einschließlich der unterworfenen u. Schutzstaaten, unter ihm stehen auch die Kriegsmandarinen; e) Justitztribunal (Hing-pu) bes. für Strafverfahren, übt zugleich die Censur u. ist höchstes Appellationsgericht (Ta-li-se) in Strafsachen; f) Tribunal der öffentlichen Arbeiten (Kung-pu) bes. für Straßen, Kanäle, Brücken u.a. Staatsbauten, zugleich Behörde für die Münze, die kaiserlichen Manufacturen, Pulverfabrikation etc. u. Polizei. Jedes Tribunal hat 2 Präsidenten u. 4 Vicepräsidenten (zur Hälfte Chinesen, zur Hälfte Mandschu), eine große Anzahl Unterbeamten u. zerfällt in verschiedene Departements für die einzelnen Dienstzweige. Die ganze Verwaltung geschieht nach genau organisirten, festen Normen; jedes Tribunal ist an das andere gebunden u. darf unter keiner Bedingung selbständig handeln. Eine den Chinesen ganz eigenthümliche Institution ist das Censorat od. Controlamt (Tu-tschajuen); seine Mitglieder, den höchsten Rangklassen entnommen, unterwerfen die Thätigkeit sämmtlicher Behörden, ja sogar die Handlungen des Kaisers, ihrer Controle; sie haben überall Zutritt u. das Recht, Vorstellungen zu machen, Entscheidungen aufzuhalten, Untersuchungen zu veranlassen, Tadel auszusprechen; sie sind verpflichtet, jedem Chinesen Zutritt zu gestatten u. seine Beschwerden zu hören. Bei jedem der genannten 6 Tribunale ist ein solcher Censor (Khô), der monatlich zwei Mal die Documente revidirt. Ihre Berichte u. Eingaben sind mit großer Wahrheitsliebe u. selbst dem Kaiser gegenüber mit freimüthiger Unumwundenheit geschrieben, werden zum Theil gedruckt, aber erst nach dem Tode des Kaisers veröffentlicht. Außerdem gibt es noch in Pe-king ein ausschließlich aus Mandschu u. Mongolen gebildetes Tribunal für die unterworfenen u. Schutzstaaten, welchen Ch. ihre eigene Verwaltung, Gesetze u. Sprache gelassen hat, Fremdenamt (Li-sang-juan) genannt. Provinzialverwaltung: die Provinzen zerfallen in Bezirke (Fu) mit einer durchschnittlichen Bevölkerung von 2 Millionen Ew., diese in Districte (Tschéu), diese in Kreise (Hien). Die größeren Provinzen haben einen Vicekönig od. Generalgouverneur (Tsung-tu), die kleineren, deren je 2 od. 3 einen zusammen. Diese stehen an der Spitze der Civil- u. Militärverwaltung, sind je nach Verhältnissen Mandschu od. Chinesen, werden gewöhnlich auf 3 Jahre ernannt u. sind in Civilangelegenheiten durch den Gouverneur (Siün-su od. Fu-yan), in Militärangelegenheiten durch den Obergeneral (Thi-tu) beschränkt, welcher im Verein mit dem Provinzialschatzmeister (Pu-tsching-sü) u. Provinzialrichter (Ngan-tscha-juan) den Rath des Vicekönigs bildet. Außerdem gibt es noch Inspectoren für Ackerbau, Kanal- u. Postwesen, kaiserliche Manufacturen u. Steuern, so wie eine eigene Literaten-Provinzialbehörde für Staatsprüfungen. An der Spitze der Districte steht ein Tschi-tschéu, an der der Kreise ein Tschi-hien. Kleinere Städte u. Dörfer sind je nach 10 bis 100 Familien abgetheilt, welche ihre Vorsteher selbst erwählen; einzelne Orte haben erbliche Vorsteher, größere Städte nur kaiserliche Beamte. Sämmtliche Verwaltungsbeamte sind schlecht besoldet (wie überhaupt alle Beamte in Ch.) u. der Bestechung zugänglich, wechseln aber alle 3 Jahre. Außer diesen Staatsverwaltungsbehörden existirt noch eine aus allgemeinen Volkswahlen hervorgehende Municipalverwaltung: Familienhäupter (Kia-tschang) u. Gemeindebeamten (Pao-tsching u. Li-tschang); Staatsbeamte können nicht gewählt werden; die Wahl ist vom Tschi-hien zu bestätigen. Diese Municipalbehörden versammeln sich in den Tempeln, führen die Civil- u. Familienregister, Geburts- u. Bevölkerungslisten, erheben die Abgaben, leiten die Käufe u. haben die Aufsicht über Localbauten u. Zunftwesen, Verlobungen u. Sterbefälle müssen bei ihnen angezeigt werden. Die Hauptstadt Pe-king besitzt keine Municipalverfassung, sondern steht unter einer auf Staatskosten erhaltenen[5] Militärpolizei. Die Anstellungsfähigkeit zu Staatsdiensten beruht auf Staatsprüfungen; die Beamten gehen aus den drei gelehrten Graden hervor: Sieu-tsai (blühendes Talent, Baccalaureus), Keu-jin (beförderter Mann, Licentiat), Tsin-se (vorrückender Mann, Doctor); zu den höchsten Ehrenstellen berechtigt nur der Tsin-se-Grad; zu den Prüfungen werden alle Landeskinder ohne Rücksicht auf ihre Nationalität, Religion od. dergl. zugelassen. Den Prüfungen zum Sieu-tsai-Grad werden die vier Bücher (Sse-sehn) u. der King (s. über beides Chinesische Literatur) zu Grunde gelegt; die für die höheren Grade umfassen auch Gesetzgebung, Geschichte, Geographie, Wasserbaukunde etc.; wer das Examen bestanden hat, erhält eine ausgezeichnete Tracht u. besonderen Gerichtsstand.
Finanzen. Die Einkünfte bestehen aus dem Ertrag der Grundsteuer, theils in Naturalien, theils in Geld (von 31 bis 10° des Ertrages) von jährlich ungefähr 54 Millionen Tael (à circa 2 Thlr. preußisch Courant) u. 38 Mill. Schi Reis u. Getreide (ungefähr 57 Mill. Tael an Werth), der Salzabgabe u. des Salzpachtes (beiläufig 7–8 Mill. Tael). Ausgangssteuer für Thee (ungefähr 2–300,000 Tael); Binnenzölle (ungefähr 4–5 Mill. Tael), außerdem noch Abgaben für Verkaufslocale, Leihanstalten, sowie eine Stempelsteuer; ferner der Ertrag der Bergwerke, Perlenfischerei etc. Die Gesammtsumme der jährlichen Staatseinnahmen wird in verschiedenen Quellen sehr verschieden angegeben; die Angaben schwanken von 120 bis 290 Millionen Tael. Ebenso verschieden, fast zwischen denselben Summen variirend, lauten die Angaben über die jährlichen Gesammtausgaben; einen großen Theil davon nimmt das Heer- u. Vertheidigungswesen, einschließlich der Marine- u. der Hafenbauten, in Anspruch, ferner die Besoldung der Civilbeamten, Staatsprüfungen, Wohlthätigkeitsanstalten, Unterstützungen, Kanal- u.a. öffentliche Bauten u. dergl. m. Staatsschulden gibt es nicht.
Justiz. Die Chinesische Strafgesetzgebung (nach dem Zendavesta) ist klar, bündig u. unparteiisch u. zerfällt in die Grundgesetze (Liu) u. die neueren (Li); alle 5 Jahre werden sie einer Revision unterworfen; in Fällen, wo kein besonderer Gesetzparagraph anwendbar ist, entscheiden Präcedenzien, von welchen jedes Gericht eine Anzahl durch den Druck veröffentlicht. Prügelstrafe für Beamte ist abgeschafft u. dafür Degradation u. Gehaltsabzüge eingeführt; für alle übrigen Klassen besteht dieselbe noch (10–100 Hiebe mit einem Bambusstock, von gesetzlich bestimmter Dicke), außerdem Verbannung (dauernd u. zeitweilig) in eine entlegene Provinz, mit u. ohne Zwangsarbeit (die Familie des Verurtheilten darf ihn begleiten), Todesstrafe durch Enthauptung, Erdrosselung u. Zerstückelung; Gefängnißstrafe gibt es nicht; gegen Beamte kann nur mit Bewilligung des Kaisers verfahren werden; die Verhandlungen sind öffentlich, kurz u. kostenfrei, der Angeklagte ohne Vertheidiger, die Richter nur Einzelrichter; zum Geständniß wird die Folter angewandt. Legt der Verurtheilte keine Appellation ein (die übrigens sehr erschwert ist), so werden Körperstrafen nach 3 Tagen, Verbannung nach 10 Tagen vollstreckt. Todesurtheile bedürfen der kaiserlichen Bestätigung u. werden im Herbst vollzogen; vor Unterzeichnung eines solchen fastet der Kaiser. Das Civilverfahren ist kurz; die Streitigkeiten werden meistens von den Familienhäuptern (Kia-tschang) geschlichtet. Die Polizei zur Überwachung der öffentlichen Sicherheit, Bettelei, Feuersbrünste, öffentliche Bauten etc. steht unter dem Tribunal der öffentlichen Arbeiten.
Das Militärwesen ist ziemlich schlecht bestellt, seine innere Organisation mangelhaft; ebenso das Exercitium; das ganze Heer imponirt nur durch seine ungeheuere Anzahl, Muth u. Tapferkeit sind keine Charakterzüge des Chinesen; der Krieg wird grundsätzlich gehaßt. Ein stehendes Heer hat Ch, erst seit dem 7. Jahrh., früher wurden die Truppen nur für einen Feldzug ausgehoben u. nach dem Frieden wieder zu ihren Beschäftigungen entlassen; die Übungen beschränkten sich auf die Jagd. Jetzt wohnen die Soldaten in Friedenszeiten in Städten, Dörfern u. Wachthäusern an der Straße, haben meist Pachtgüter, ziehen sehr geringen Sold u. müssen sich selbst uniformiren. Die Uniform besteht nur in der Gleichfarbigkeit der Spenzer u. ist nicht im Entferntesten mit dem zu vergleichen, was man in anderen Heeren darunter begreift. Die Farbe richtet sich nach der Farbe der Fahnen; diese haben mannichfaltige Gestalten, meistens ein drei- od. viereckiges, mit Thierfiguren bemaltes, an dem Fahnenstock angebundenes Blatt, zuweilen auch von einem, auf der Spitze angebrachten Thier flaggenartig herabhängend. Waffen: für die Infanterie Luntenflinten od. Lanzen, Bogen, Säbel, Schilde; für die Cavallerie Helme, Panzer, Bogen u. Pfeil, Schilde (aus Flechtwerk mit Figuren bemalt), Säbel. Auch gibt es Artillerie mit Kanonen, das Rohr aus mehreren Stücken zusammengesetzt. Die ganze Armee theilt sich in: a) die 8 Fahnen der Mandschu (die gelb eingefaßte, die gelbe, weiße, rothe, weiß eingefaßte, roth eingefaßte, blaue, blau eingefaßte), welche in drei Abtheilungen zerfallen: die Mandschu (67,800 Mann), tatarisirte Mongolen (21,000 Mann); Chinesen aus allen Landestheilen (27,000 Mann); die Mandschu bilden den eigentlichen Kern u. den zuverlässigsten Theil des Heeres. Der gemeine Soldat der 8 Fahnen Mandschu erhält monatlich 3–4 Tael Sold; b) die grüne Fahne od. Miliz gegen 700,000 Mann, ziemlich verachtet, zu 3/5 aus regulärer Infanterie, 1/5 aus regulärer Cavallerie u. 3/5 aus irregulärer Infanterie bestehend, nicht aus den Cantonnirungen gezogen, meist aus Bauern u. Handwerkern bestehend, nicht zum Kriegsdienst gebraucht, noch schlechter uniformirt u. besoldet als die Mandschufahnen; außerdem noch andere irreguläre Truppen, insgesammt 1,230,000 Mann. Das ganze Heer ist wenig geeignet, einer europäischen organisirten u. exercirten Armee gegenüber zu treten, die Artillerie noch sehr unvollkommen, die Festungen, insgesammt 1193, auf Angriffe mit Bogen u. Pfeil berechnet, meist ohne Geschütze, nur mit schwachen Mauern, Erdwällen u. Gräben umgeben. Die große Chinesische Mauer (s.d.), eine eigenthümliche Vertheidigungsmaßregel an der Nordwestgrenze, ist seit der Vereinigung der Tatarei mit Ch. ziemlich verfallen. Die Offiziere sind in 9 Klassen, jede derselben in 2 Abtheilungen getheilt: Tsiang-ki-um (General en Chef), Thi-tu (unserm General der Infanterie od. Cavallerie entsprechend, zu solchen werden nur verdiente Offiziere genommen), Luan-i-tzü u. Tsung-ping (Generallieutenant), Fu-tsiang (Generalmajor), Kuan-kiun-tzü u. Thsan-tsing (Brigadier), Yeu-ki (Oberst), Yün-hoei-tzü u. Tü-tzü[6] (Oberstlieutenant), Thsü-thfing (Major), Scheu-pi u. Scheu-yü-so-thsiang-tsung (Hauptmann), Thsingiwei (Lieutenant), Wei-thsiang-tsung, Men-ihst-tsi u. Yng-thsi-si (Unterlieutenants), Yng-pa-tsung (Fähnrich). Die Offiziere avanciren nach besonderen Prüfungen, die unter der Leitung des Vicekönigs der betreffenden Provinz stehen. Die Marine ist ebenso bedeutungslos; sie besteht nach officiellen Angaben aus 1951 Kriegsdschonken (im Bau u. Einrichtung den Handelsfahrzeugen ganz gleich), mit ungefähr 30000 Mann Bedienung, doch existirt kein Unterschied zwischen Land- u. Seedienst, ein General wird ohne weiteres Admiral, weder Offiziere noch Mannschaften kennen den Seedienst.
Religion. Die älteste Religion der Chinesen war sehr einfach, als höchstes Wesen verehrten sie den Schang-ti (den obersten Kaiser, bei Lebzeiten auch Thian [Himmel] genannt), außerdem den Geist der Erde, die Geister der Städte, Berge, Flüsse, die Schutzgötter des Ackerbaues, des häuslichen Herdes, der Grenzen, der Thore, die Erfinder des Ackerbaues, der Seidenzucht, die Weisen der alten Zeit, die Seelen der Vorfahren, bes. die der Kaiser. Die Weltereignisse waren abhängig von den Handlungen der Menschen, namentlich des Kaisers (Himmelssohn). Die Gottheiten machte man durch Gebete günstig u. versöhnte sie durch Opfer; eine Unsterblichkeitslehre findet man nirgends entwickelt, ebenso keine moralischen Gebote, doch gaben die früheren Kaiser ihren Unterthanen ein musterhaftes Beispiel. Nach der Herrschaft der Tscheu verfiel mit dem Reiche (s. China [Gesch.] II. c) auch die Religion. Ums Jahr 550 v. Chr. trat Kong-fu-tse (Confucius, s.d.) als Reformator auf u. suchte mit einer Verbesserung der politischen u. socialen Verhältnisse auch den alten reinen Glauben u. das frühere fromme Leben wieder herzustellen. Die Lehren des Kong-fu-tse sind: aus dem Urwesen Tai-ki gingen Yang u. Yen hervor; jenes, das Vollkommene, ist der Inbegriff des Himmels, der Sonne, des Tages, der Wärme u. des Männlichen, sein Zeichen ––––; dieses, das Unvollkommene, ist Mond, Erde, Nacht, Kälte u. das Weibliche, seine Zeichen –––_–––. Beide geben durch einfache Combinationen 4 Bilder (Sse-si-ang): durch doppelte Combinationen die 8 Trigrammen der Kua Himmel, das Urfeuchte, das Feuer, Winde, Wasser, Berge, Donner, Erde. Nach diesen Figuren, in Form eines Kreises gebracht, u. nach den Weltgegenden gerichtet, u. zwar so, daß der Himmel nach N. zu stehen kam, beschrieb Kong-fu-tse die Schöpfung. Diese Figuren hatten auch eine ethische Deutung u. als Cardinaltugenden in seinem System gelten Frömmigkeit, Sittlichkeit, Gerechtigkeit u. Klugheit. Eine Offenbarung Gottes durch Wort od. Schrift kennt seine Lehre nicht; Kong-fu-tse sagt selbst: der Himmel redet nicht; in den Begebenheiten gibt er sich zu erkennen, nicht weiter. Wer des Himmels Gesetz, in den Begebenheiten ausgesprochen, befolgt, wird glücklich, wer nicht unglücklich; ebenso wenig ist auch in dieser Religion eine Unsterblichkeitslehre od. eine bestimmte Dogmatik ausgebildet, sie hat mehr das Diesseits als das Jenseits im Auge. Auch hat diese Religion keinen besonderen Priesterstand u. keine Tempel, in dem Ahnensaal, welchen jedes größere Haus besitzt, bringen die Familienmitglieder den Schutzgestern ihre Gebete u. Opfer dar. Dem höchsten Himmel darf nur der Kaiser opfern. Die Schriften des Kong-fu-tse gehören zu den kanonischen (s. Chinesische Literatur), sie werden am 1. u. 15. jeden Monats von einem Mandarinen in Ceremonienkleidung öffentlich verlesen u. erläutert, er selbst wird als Heiliger verehrt, seine Lehre ist die Religion der Vornehmeren u. Gebildeteren. Fast gleichzeitig mit Kong-fu-tse trat der Philosoph Lao-tse (Lao-kium) ebenfalls als Reformator auf u. stellte den Tao (Urvernunft) als den Grund aller Dinge u. Wesen auf, aus dem erst 1, dann 2, dann 3 göttliche Wesen hervorgegangen wären (Ki, Hi, Quei). Seine Moral ist, sich des Lebens zu freuen, das höchste Streben, sich frei von äußeren Übeln u. innerem Kummer zu erhalten. In dieser Religion (die Bekenner derselben nennen sich Tao-sse) waltet der Glauben an Geister vor, die einen Einfluß auf das Schicksal der Menschen haben. Nach dem Tode gehört nur der irdische Theil dem Staub an, das höhere u. niedere Geistige (Ling u. Hu-en) geht nach dem Lebenswandel in verschiedene Geister über. Jeder Ort hat seinen Schutzgeist; böse Geister suchen den Menschen überall zu schaden, sind aber an die Erde gefesselt. Diese Religion hat einen eigenen Priesterstand (bei den höheren Stufen Cölibat) u. zahlreiche Tempel, zu ihren Bekennern gehörten ebenfalls die Vornehmeren u. Reicheren, ist aber in späterer Zeit sehr in Träumereien u. Zaubereien herabgesunken u. ihre Priester zu Gauklern u. Taschenspielern geworden. Die dritte Religion ist die im Jahr 65 n. Chr. von Indien aus in Ch. eingedrungene Lehre des Fo od. Buddha, die sich hier mit altchinesischen u. kong-fu-tseschen Lehren vermischt hat u. beim großen Haufen zu einem hohlen Götzendienst herabgekommen ist. Für das religiöse Oberhaupt gilt statt des Dalai Lama in Ch. der Ban-dschi-in-Er-de-ni; die Priester dieser Religion sind die Bonzen (chinesische Seng od. Hoschang), über 1 Million an der Zahl, die niederen sind unwissend, leben in Klöstern od. ziehen Almosen einsammelnd umher; die Oberen (Ta-ho-schang) sind gelehrter, ihnen liegt ob, die Religionsbücher zu studiren; auch gibt es weibliche Bonzen, die, den christlichen Nonnen ähnlich, in Klöstern leben. Die Tempel sind entweder bloße Kapellen od. große mit Säulengängen eingeschlossene Räume, an dessen Ende ein Saal (Ting) mit dem Gottesbilde. Größere Tempel bestehen aus mehreren solchen Hofräumen, an den Ecken sind 2stöckige Pavillons, darin die Götterbilder, auf den Pavillons stehen 7–10 Stockwerk hohe, 8eckige, pyramidenförmig unter einander gestellte Thürme (Taa), die Stockwerke durch Gallerien u. ausgeschweifte Dächer getrennt, an deren Vorderspitzen Drachenköpfe u. Glocken hängen; an den Seiten der Höfe sind die Zellen für die Bonzen u. die Behältnisse für verehrte Thiere. Bei den Festen u. Opfern, die Bezug auf das Staatswohl haben, ist der Kaiser Oberpriester, z.B. das große Fest im Tempel des Tian (Himmel) u. Ti (Erde) zu Peking, das Opfer am Neujahrstage, an den Äquinoctien, den Processionen im Juli u. August um Erflehung des Regens, den Todtenfesten; auch das Pflügen des Kaisers (s. w. u.) gilt als religiöses Fest. Der Buddhaismus, obgleich Religion des Kaisers, ist nicht Staatsreligion, eigentlich nur geduldet wie der Tao-sse, doch haben sich beide[7] nach der Lehre des Kong-fu-tse modificirt, daß sämmtliche 3 Religionen häufig als eine gelten. Religion (als Confession betrachtet) ist in Ch. überhaupt nur Sache der Gelehrten, ungefähr wie anderswo die Wissenschaft; die große Masse des Volkes lebt ohne confessionellen Unterschied u. betet in jedem Tempel, gleichgiltig ob ihn die Bekenner dieser od. jener Religion für ihren besonderen Gottesdienst erbauten; Religionsunterricht findet in den Volksschulen nicht statt. Neben den genannten 3 Religionen hat sich in neuster Zeit noch der Tai-ping (s.d.) verbreitet, eine Mischung älterer Religionen mit den durch die Gützlaff'schen Missionen hierher verpflanzten christlichen Dogmen. Diese Religion bezweckt eine reine Theokratie nach dem Muster des Alten Testaments. Ihr Gott ist der einzig wahre; er kommt auf die Erde herab, spricht mit seinen Söhnen u. befiehlt, was sie zu thun u. zu lassen haben. Sie hat namentlich in den seit 1850 in Aufstand begriffenen Provinzen u. vorzugsweise unter den Rebellen selbst zahlreiche Anhänger (s. China [Gesch.] VI. D). Außerdem finden sich noch in Ch. gegen 100,000 Christen (vorzugsweise Katholiken) in den südlichen u. östlichen Provinzen, doch werden sie wie alle Fremde mit großem Mißtrauen betrachtet u. vielfach verfolgt, ungefähr 50,000 Juden u. 11/2 Millionen Muhamedaner in den westlichen Provinzen. Die Zeitrechnung der Chinesen beginnt 2697 Jahre vor der unsrigen. Sie rechnen nach Cyklen von 60 Jahren, die in 12 Monate u. 10 Dekaden getheilt werden. Der Feiertage sind wenige, einen Sonntag gibt es nicht. Jedes Jahr hat seinen eigenen Namen u. beginnt mit dem Frühlings-Äquinoctium, das erste hieß Ho-ang-ti, das Jahr 1858 ist das 55. des 76. Cyklus.
Bildung u. Unterricht. Von Seiten der Regierung wird wenig für den Unterricht gethan, nur in Pe-king gibt es eine höhere Staatsschule für Söhne verdienter Offiziere u. vornehmer Mandschu, außerdem noch Collegien in verschiedenen größeren Städten u. Provinzial-Schulen (Hiokung); der Unterricht geschieht daher meist durch Privatschulen u. Hauslehrer; der Unterricht in den Elementarschulen (Hio-kuan) dauert je nach den Mitteln der Eltern 1–4 Jahre; Armenschulen in den Schulen ist genau geregelt u. wird durch Belohnungen u. Strafen aufrecht erhalten. Glücksspiele, Musik u. Lesen unsittlicher Bücher ist den Schülern streng untersagt. Schulpflicht od. Schulzwang existiren nicht, um so mehr aber eine große Lernbegierde. Die Kenntniß des Lesens, Schreibens u. Rechnens ist in Ch. so allgemein wie in den gebildetsten Ländern von Deutschland; Bücher sind in großer Menge u. Auswahl über alle Theile des Landes verbreitet, u. selbst der niederste Handwerker, der einfachste Bauer ist im Stande, seine Rechnung selbst zu führen, Man rechnet an 2 Millionen Literaten, von denen der kleinste Theil in Staatsdienst steht u. der größere als Hauslehrer lebt od. schriftstellert. Die Wissenschaften werden im allgemeinen sehr hochgeschätzt; nur wer wirklich wissenschaftlich gebildet ist, genießt Achtung od. hat Anspruch darauf. Die Akademie (Han-lin) zu Peking ist ein gelehrtes Concil von mehr als 200 Mitgliedern; es hat die Encyklopädien (s. Chinesische Literatur) zu schreiben; die Vornehmsten davon sind Vorleser des Kaisers u. Erzieher der Prinzen. Für den weiblichen Unterricht geschieht dagegen sehr wenig; von 10,000 Frauen kann kaum eine lesen od. schreiben. Die Chinesische Literatur (s.d.) ist eine der reichsten der Welt. Die Chinesische Sprache (s.d.) hat eine große Anzahl verschiedener Dialekte; nur die aus dem Altchinesischen hervorgegangene sogenannte Mandarinensprache, in welcher alle öffentliche Verhandlungen statt finden, wird von allen Gebildeten verstanden u. gesprochen. In den Künsten sind die Chinesen noch ziemlich zurück. Die Bildhauerkunst ist kleinlich u. bizarr; ihre Götzenbilder u. Zierrathen an Tempeln, Brücken, Thürmen etc. sind geschmacklos; die Malerei beschäftigt sich nur mit Porträts, Landschaften, Abbildungen von Thieren u. Blumen, ohne Perspective u. richtige Schattirung, aber mit lebhaften, brennenden Farben u. einer ängstlichen Sorge für Kleinigkeiten. Doch verstehen die chinesischen Maler die Kunst der Perspective u. Schattirung u. wenden sie in Arbeiten für Europäer geschickt an. Die Baukunst arbeitet in Holz (Bambus) auf steinernen Unterlagen. Die Säulen sind rund od. eckig, nach oben zu verjüngt 8–12 Fuß hoch. Statt des Capitals gehen die Balken oben durch den Schaft u. ruhen auf kleinen, oft mit Metall u. Elfenbein verzierten Kragsteinen. Über die Tempel s. oben u. die Wohnhäuser der Chinesen s. unt. Die Gartenkunst ist einfach u. natürlich. Mehrere Bauwerke, bes. älterer Zeit, sind bewunderungswürdig, so der Kaiserkanal, mehrere Straßen, Brücken (Loy-ang), Thürme (namentlich der Porzellanthurm), die große Chinesische Mauer (s.d.). Musik u. Gesang der Chinesen sind rauschend u. unharmonisch; man hat viele Instrumente, bes. mehrere Arten von Trommeln, Glocken, Saiten- u. Blasinstrumente von Stein, Metall, Thon, Holz u. Bambus; der Gesang wird von diesen Instrumenten begleitet, doch nicht im Accord, sondern ein Instrument folgt dem andern in demselben Tone nach, zuweilen jedoch in der Octave spielend, u. der 5- od. 7-saitige Kin u. der 25-saitige Che stimmen zusammen u. zwar jene in der Singstimme, dieser in der Quinte. Diese Sänger singen denselben Ton, dem immer ein einsylbiges Wort unterliegt, so lange bis alle Instrumente ertönt haben, u. holen nur Athem, wenn ein neues anfängt.
Sociale Zustände. Das öffentliche wie das Familienleben der Chinesen ist kalt, steif, gezwungen u. voll Förmlichkeiten. Die Frauen stehen vollständig unter der Gewalt des Mannes u. sind nur als Mütter geachtet. Allgemeine Polygamie findet nicht statt; nur der Kaiser darf gesetzlich neben Einer rechtmäßigen Gemahlin noch mehrere Frauen u. Favoritinnen haben (s. o.); auch den Mandarinen ist letzteres gestattet. Reiche Chinesen heirathen schon im 16., Mädchen im 14. Jahre. Leute gleichen Namens dürfen sich nicht heirathen; dem Sohne wählen die Eltern die Braut. Über die eigenthümlichen Hochzeitsceremonien s. unt. Hochzeit. Die Frauen der Reichen wohnen in einem besondern Theil des Hauses (s. u.), wo sie eingesperrt sich mit Sticken, Weben, Tabakrauchen u. der Erziehung der Töchter beschäftigen. Sie essen nicht mit den Männern u. man darf, je vornehmer man ist, um so weniger ihrer, der Etiquette halber, in Gesellschaft gar nicht erwähnen. Die Weiber der Armen gehen frei umher u. arbeiten. Bordelle gibt es zahlreiche; selbst Eltern verkaufen ihre Töchter dahin. Die Kinder schulden den Eltern, so lange diese leben, unbedingten Gehorsam. Die Erziehung beginnt[8] frühzeitig; unbegrenzte Ehrfurcht gegen Eltern u. Lehrer ist deren Grundprincip. Vom 10. Jahre an werden die Knaben von den Mädchen getrennt, jedes Familienglied lebt in steifem Ceremoniell abgeschlossen von den andern. Der Namen haben die Chinesen mehrere; außer dem Familiennamen noch einen Beinamen, ferner einen für die Schulzeit, einen andern bei der Hochzeit u. bei jeder Veränderung im Staatsleben. Die Todtenbestattung geschieht mit großen Ceremonien (s. u. Todtenbestattung) nach den Gräbern, die um die Stadt od. das Dorf herum liegen; allgemeine Begräbnißplätze gibt es nicht; die Armen setzen ihre todten Kinder häufig ins Feld aus, was Veranlassung zu dem Glauben gegeben hat, es sei das Aussetzen lebendiger Kinder in Ch. etwas gewöhnliches. Eben so ist die Annahme, daß der Kindermord gesetzlich erlaubt sei, ungegründet. Getrauert wird in Weiß u. zwar 3 Jahre lang. Wohnungen. Die Chinesen, abgerechnet der vielen, welche auf Flößen ihre Hütten (San-pans) haben, bewohnen in den Dörfern (Tsün, Tsching, Y, u. wenn sie Handel treiben u. Gasthöfe besitzen, Tschan, Tschin) schlechte, einstöckige, deckenlose Hütten; in den Städten (Fu, Tschéu, Hien, Ting s. o.), welche Mauern, Thürme, Thore u. Gräben, meist breite Hauptstraßen mit Verkaufslocalen u. Buden, regelmäßig aber enge Nebengassen haben, bestehen die Wohnungen aus großen weitläufigen Gehöften mit mehreren auf einander folgenden Häusern; diese sind aus Backsteinen u. Lehm gebaut, vielfach bemalt, an Dachsäulen u. Hausthüren mit architektonischen Zierrathen geschmückt; in dem vordersten wohnt die Dienerschaft, im 2. der Hausherr, im 3. die Frauen; das Ganze ist von hohen Mauern eingeschlossen, an denen Buschwerk angepflanzt ist, bei Vornehmen u. Reichen daran noch Gärten. Die Wohnhäuser selbst sind meist ein- u. nur bei Kaufleuten mehrstöckig; das vorlaufende, am Rande aufwärts gebogene Dach ist gewöhnlich mit grauen, in fürstlichen Häusern mit grünen, in den kaiserlichen Palästen mit gelben Ziegeln gedeckt; nach der Straße zu sind die Häuser ohne Fenster, mit Gallerien umgeben, durch mehrere Thüren verschlossen, mit einem Speisesaal u. vielen kleinen Zimmern, die alle in die Gallerien gehen u. mit Tapeten u. seidenen Streifen ausgeklebt sind, auf welchen letztern Sinnsprüche geschrieben stehen; die Fenster und von Papier, Marienglas od. durchscheinenden Muscheln, davor Jalousien; Thüren von wohlriechendem Holz, Fußboden von verschiedenfarbigem Marmor, geheizt werden sie durch Gluthbecken. Das Mobiliar besteht aus sein lackirten Tischen, Bambusrohrstühlen, prächtigen Porzellangefäßen, steinernen Divans mit Polstern, unter denen mit Pfannen geheitzt wird u. die, mit Vorhängen umgeben, des Nachts als Schlafstätten dienen. Die Wohnungen der mittlern Stände sind zwar mit weniger Aufwand eingerichtet, haben aber ähnliche Verzierungen; die der niederen Klassen sind armselige, aus Lehm gebaute, mit Stroh bedeckte u. mit Matten behangene Hütten; Tausende leben, namentlich in den größern Städten, ohne alle Wohnung. Kleidung u. Moden. Die Chinesen trugen sonst lange Talare mit Ärmeln, welche fast den Boden berührten; seit der Herrschaft der Mandschu ist jedoch deren Kleidung eingeführt worden: das Hemd von Baumwolle od. Seide (das nie eher gewaschen u. nicht eher gewechselt wird, bis es zerreißt), ärmellose Unterweste, enger, langer, an der rechten Seite offner Rock, weites, etwas kürzeres Oberkleid, dessen Ärmel nach den Fingern zu enger werden, je nach Vermögen od. Stand aus Seiden-, Wollen-, od. Baumwollenzeugen gefertigt, darüber ein Gürtel, woran ein Säbel od. langes Messer, 2 Elfenbeinstäbchen (die Stelle von Messer u. Gabel vertretend) u. der Fächer getragen werden. Seidene od. baumwollene Beinkleider u. Strümpfe, leinene, seidene od. lederne Stiefeln mit dicken Pappsohlen. Das Haar ist geschoren bis auf einen, in einen Zopf geflochtenen Büschel (Pen-tse), dessen Länge u. Dicke für eine besondere Zierde gilt. Auf dem Kopf wird ein kegelförmiger Hut von Bambus od. Stroh getragen, an welchem als besonderes Rangzeichen metallene Kügelchen hängen. Die reichern Chinesen wechseln ihre Kleidung nach den 4 Jahreszeiten; im Winter tragen sie reiches Pelzwerk. Die Kleidung der Frauen ist in der Form nur wenig von der der Männer verschieden, der Rock etwas kürzer, die Beinkleider über den Knöcheln zusammengebunden; der Hauptunterschied besteht in der Farbe: grün, roth u. rosa die der Frauen; blau, violett u. schwarz die der Männer, gelb ist ausschließlich die Farbe des Kaisers u. der Prinzen. Die Haare werden von den Frauen unbedeckt getragen, u. zwar von den verheiratheten glatt gekämmt, mit Blumen u. Nadeln geschmückt, von den Jungfrauen geflochten, von den jüngern Mädchen fliegend; das Gesicht färben sie weiß, Kinn u. Lippen roth, Augenbrauen schwarz. Kleine Füße gelten als eine Hauptzierde der Frauen; schon den neugebornen Mädchen werden die Fußzehen unter die Fußsohle, die Hacke tiefer in den Fuß gebogen u. mit Bändern geschnürt, die sie auch fortan statt der Strümpfe tragen; darüber wird ein gestickter Schuh gezogen, auf dessen Absätzen sie schwankend einherhinken. Als besonderes Zeichen von hohem Rang u. Reichthum gelten auch noch lange Nägel. Diese Trachten u.: Moden sind dem Wechsel so wenig unterworfen, daß sie seit Jahrhunderten fast ohne alle Veränderung fortbestehen. Nahrung: Hauptspeise ist Reis, in den nördlichen Gegenden Gerste u. Weizen; auch ißt man viel Gemüse, Hülsenfrüchte, Zwiebeln etc., die Reichen bes. die Nester der Salanganen; Fleischspeisen (namentlich von Säugethieren) sind im allgemeinen nicht beliebt, doch ißt man zuweilen solche von Schweinen (diese noch am häufigsten), Hammeln, Wild, Hunden, sogar von Katzen u. Ratten, dagegen viel Geflügel, besonders Enten, Hühner u. Tauben u. Fische. Bei Tisch bedient man sich anstatt der Messer u. Gabeln zweier kleinen Stäbchen von Holz od. Elfenbein. Das gewöhnliche Getränk ist Thee u. Arak; Wein wird warm u. aus Tassen getrunken; auch wird viel Opium genossen, Arekanuß u. Betel gekaut, viel Tabak geraucht u. geschnupft. Bei Gastmälern, wo besonders ein sehr steifes Ceremoniell herrscht, wird unmäßig gegessen u. getrunken. Vorzügliche Gegenstände der Kochkunst sind allerhand Brühen u. Confitüren; wenn kaiserliche Schüsseln erscheinen, werden dieselben umständlich becomplimentirt. Geheimer Gesellschaften mit politischer Tendenz (d.h. zur Umwälzung jedes staatlichen Gemeinwesens, speciell zum Sturz der Mandschudynastie) sind über alle Provinzen des Reiches verbreitet u. haben[9] selbst unter den höchsten Beamten zahlreiche Mitglieder; sie begünstigen jede Empörung, bewahren aber unter sich strenges Geheimniß, jeden Verräther unnachsichtlich ermordend. Die bedeutendsten dieser Gesellschaften sind: die Bruderschaft des Himmels und der Erde (Tian-ti-hui) u. der Dreifaltigkeitsbund. Die erstere leitet ihren Ursprung bis ins 3. Jahrh. v. Chr. zurück; ihr Zweck ist den Unterschied der Stände u. des Vermögens auszugleichen u. die Welt von ihrem alten Drucke zu befreien. Die Mitglieder nennen sich untereinander Brüder u. erkennen sich gegenseitig durch gewisse Formalitäten (z.B. die Art die Theetasse zu halten u. dergl.). Die Aufnahme geschieht in besonderen Kapellen u. mit großer Feierlichkeit; den geleisteten Eid muß er durch Trinken eines Gemisches von Blut u. Branntwein bekräftigen, worauf ihm die Erkennungszeichen mitgetheilt werden. Das Vereinssiegel ist fünfeckig, zur Bezeichnung der 5 Elemente u. Hauptglückseligkeiten: Erde (Weisheit), Holz (Gerechtigkeit), Wasser (Nachkommenschaft), Metall (Ehre) u. Feuer (Reichthum). Unbedingter Gehorsam gegen die Obern ist das erste Gebot. Der Dreifaltigkeitsbund hat 5 Haupt- u. mehrere Neben- u. Zweiglogen: die Mutterloge mit der schwarzen Fahne in der Provinz Fu-kian, die 2. mit der rothen Fahne in der Provinz Kuang-tong, die 3. mit der fleischfarbenen Fahne in der Provinz Yün-nan, die 4. mit der weißen Fahne zu Hu-kuang, die 5. mit der grünen Fahne in der Provinz Tsche-kiang. Sein Zweck ist das Chinesische Volk unter Einer Religion (dem Tai-ping nämlich, s. o. u. d. eigenen Art.) zu vereinigen u. zu beglücken. Ein eigentlich gesellschaftliches Leben gibt es dagegen in Ch. nicht: das, was man anderswo unter Geselligkeit begreift, verschwindet dort vor dem steifen kalten Ceremoniell. Man unterhält sich mit Schach (auf einem Bret mit 72 Feldern) Karten-, Würfel-, Schatten- u. Fingerspielen, Hahnen-, Wachteln- u. Heuschreckenkämpfen, u. Wetten darauf, Gauklern, Feuerwerken, Schauspielen, Spazierengehen u. Theilnahme an Volksfesten. Solche sind das Laternenfest vom 15. bis 17. Tage des ersten Monats (also in unserm April), wo bunte Laternen von verschiedener Größe, Farbe u. Zeug vor den Häusern u. in den Zimmern angezündet werden, u. die kostbar ausgeschlagenen u. reich erleuchteten Gerichtslocale zum Eintritt offen stehen; das Mondfest am Vollmond des 8. Monats (also in unserm November), wo man Abends bei Mondschein kleine Kuchen, die man sich gegenseitig einige Tage zuvor unter Verwandten u. Freunden zugeschickt hat, beim Klange musikalischer Instrumente an öffentlichen Orten verzehrt; ferner im Frühjahr das Ausführen einer irdenen Kuh in Procession, im Herbst das Umhertragen eines Mädchens auf einer Tafel voll Früchte, das Schiffsfest, ein Wettkampf auf dem Wasser mit Musik. Der Tanz gehört in Ch. zu den Schauspielen; die Chinesen selbst tanzen nicht. Die Schauspiele sind theils Mummereien, wo z.B. das ganze Personal als Thiere verkleidet auftritt u. durch Geberden u. Töne die bezüglichen Thiere nachahmt; theils Marionettentheater, welche Mährchen in der Weise des europäischen Mittelalters aufführen; theils wirkliche Theater, auf welchen Personen agiren. Diese letztern sind in den größern Gasthöfen u. in mehreren Palästen Vornehmer. Die Schauspieler sind junge Leute, u. da in Ch. dieselben für ehrlos gelten, so dürfen, seitdem der Kaiser Kien-lung (reg. 1736–96) eine Schauspielerin zur Gemahlin nahm, Frauen nicht mehr auf dem Theater auftreten; Frauenrollen werden deshalb nur von Männern (zuweilen von Eunuchen) gegeben. Gespielt wird während der Mahlzeit der Gäste, meist bekannte Stücke, von denen das Repertoir den Zuschauern zur Auswahl vorgelegt wird. Die Vorstellungen währen halbe Tage lang, ein Schauspiel folgt ohne Unterbrechung auf das andere. Man hält auf glänzende Garderobe; der Vortrag, mit Tänzen untermischt, ist fast gesangartig. Decorationen u. Scenerie gibt es nicht. Öffentliche Häuser für Schauspiele u. musikalische Darstellung, in sehr leichtem u. einfachem Styl gebaut, hat man in den nördlichern u. östlichern Provinzen des Reiches: in Pe-king sind an 100 umherziehende Truppen von 10–12 Personen, die auch auf Privatbühnen der Vornehmen spielen. Da in den Schauspielen sehr häufig die obscönften Zweideutigkeiten u. in der Action selbst die unzüchtigsten Handlungen u. Haltungen vorkommen, so dürfen Mandarinen der Aufführung von Schauspielen nicht beiwohnen.
Eine Hauptbeschäftigung ist der Ackerbau, wie überhaupt dieser in Ch. hochgeachtet u. die große Masse der Chinesen ein eigentliches Bauernvolk ist. Um den Ackerbau zu heben, führt der Kaiser selbst einmal im Jahr den Pflug. Die Astrologen bestimmen den Tag hierzu, der Kaiser u. sein Gefolge bereiten sich durch dreitägiges Fasten zu dem Fest; am Vorabend sendet er 12 Mandarinen auf den Begräbnißplatz seiner Vorfahren, um ihnen das Beginnen des Festes zu melden. Am Morgen des Festes selbst bringt er dem Himmel (Tian) ein feierliches Gebet u. Opfer dar u. pflügt dann im vollen Schmuck seiner kaiserlichen Würde mit einem lackirten Pfluge u. mit Ochsen, deren Hörner vergoldet sind, einige Furchen, worin ihm eine Anzahl Würdenträger des Reiches nachfolgt. Einige Tage darauf besäet er auch dieses Land; der erhaltene Reis wird zur künftigen Saat aufgehoben. In den Provinzen vollziehen die Vicekönige am nämlichen Tage dieselbe Ceremonie. Man baut vorzüglich Reis (Hauptproduct), Weizen, Mais, Roggen, Gerste, Buchweizen, Hafer, Hirsen, Bataten, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Rüben etc. Der Ertrag des Bodens ist ein verschiedener; durchschnittlich rechnet man die Reisernte auf 8 bis 10 Proc. vom Werth des Grundstückes. Der Boden wird vorzugsweise mit Hacke u. Spaten, nur ausnahmsweise mit dem Pfluge bearbeitet; die Ackergeräthschaften sind roh u. unvollkommen; wo der Pflug angewandt wird, ist er sehr einfach, mit einer hölzernen od. eisernen Schar u. wird von Ochsen od. Eseln gezogen; auch kennt u. benutzt man die Egge. Die Bewässerung geschieht durch eine große Anzahl überall hingeleiteter kleiner Kanäle, durch hydraulische Wasserpumpen u. unterschlächtige Schöpfräder (s. Chinesisches Rad). Gedüngt wird, da bei der geringen Viehzucht der Stalldünger selten ist, mit Haaren, Asche, Ruß, Schlamm, Gassenkoth, Bauschutt, Gyps etc.; auch baut man besondere Dungpflanzen. Das Feld hat keine Furchen, die Saat wird in Reihen gesteckt. Die Wechselwirthschaft ist nicht gänzlich unbekannt, wenigstens baut man Korn u. Hülsenfrüchte[10] in wechselnder Reihe. Brache findet der Dichtbeit der Bevölkerung wegen nicht statt; in den mittlern Provinzen (namentlich zwischen Yangtse-kiang u. Hoang-ho) u. im Süden erntet man zweimal, im April u. September (Aussaat Anfang März u. Ende Juli); doch schlagt u. bei Überschwemmungen od. Dürre bisweilen beide Ernten in einem Jahre fehl. Das Geerntete wird theils durch Thiere ausgetreten, theils mit Walzen od. Schlägeln ausgedroschen. Einen höchst nachtheiligen Einfluß auf den Ackerbau übt die allzugroße Zersplitterung des Grundbesitzes aus. Wiesencultur ist wegen des geringen Viehstandes höchst unbedeutend, ebenso der Obstbau, welcher nur in den Gärten der Reichen betrieben wird. In Plantagen baut man vorzugsweise Thee, im Süden Zucker, Indigo, Baumwolle, Maulbeerbäume u. Campher. Weinbau ist höchst geringfügig, das Product wird nicht zur Weinerzeugung benutzt. Die Viehzucht steht hinter dem Ackerbau bedeutend zurück; Weiden sind selten, als Futter dient das Stroh der Korn- u. Hülsenfrüchte. Pferde sind klein u. mager, werden nie zum Ackerbau benutzt, sondern nur zum Staatsdienst od. Luxus gehalten u. auch da wegen des allgemein verbreiteten Gebrauchs der Sänften höchst selten. Rindvieh u. Esel werden zum Pflügen gebraucht, ihr Fleisch bisweilen gegessen, die Milch aber nie zu Butter od. Käse bereitet. Schafe werden nur eingeführt (namentlich aus der Mongolei) u. finden sich vorzugsweise in den südlichern Provinzen; das Haupthausthier in Ch. ist das kurzfüßige hängebäuchige (vorzugsweise sogen. chinesische) Schwein, dessen Fleisch am häufigsten genossen wird; außerdem hält man viel Geflügel besonders Enten u. brütet die Eier in Ofen aus.
Bienenzucht war früher stärker, Jagd nur an u. in den Gebirgen des SW., W. u. NW., an den Wüsten, an Flüssen u. Seen ist reiche Fischerei, Krebs- u. Austernfang; Perlenfischerei, namentlich im Meerbusen von Tonkin, in der Nähe der Insel Hainan. Die Seidenzucht ist in Ch. einheimisch u. wird stark betrieben. Die chinesische Seide ist weiß, schön u. glänzend u. den Chinesen zur Kleidung unentbehrlich, daher sehr gesucht u. theuer. Bergbau auf edle Metalle wird wenig betrieben, wurde sogar, als dem Ackerbau nachtheilig, vom Kaiser Kang-hi untersagt; doch wird Gold aus dem Sande der Flüsse gewaschen. Silber wird wenig gegraben (die Chinesen besitzen weder goldne noch silberne Gefäße od. Münzen), mehr gräbt man nach dem weiter verbreiteten Kupfer, Eisen, Zinn, Quecksilber, Blei, Arsenik u. Steinkohlen; auch bereitet man Salz (Stein- u. Sool-Salz) in großer Menge. Über das Hüttenwesen der Chinesen gibt es keine sicheren Nachrichten; die Amalgamirkunst kennen sie höchst wahrscheinlich nicht; doch müssen sie im Legiren sehr geschickt sein, da mehrere Metallmischungen, als Packfong, Tulanegoe (Toutenague), Tse-tong, das Silber in Klang u. Farbe ziemlich täuschend nachahmen. Es sind dies Mischungen theils aus Kupfer u. Arsenik, theils aus Kupfer, Zinn u. Nickel, aus denen die Chinesen ihre Gefäße bereiten u. die auch in Europa unter den genannten Namen od. als Weißkupfer (Argent haché) häufig vorkommen u. ursprünglich aus Ch. bei uns eingeführt wurden. Gewerbthätigkeit, Kunstfleiß u. Erfindungen. Die Seiden- u. Baumwollenweberei (Nanking) der Chinesen, ihre Lack-, Holz-, Elfenbein-, Stroh- u. durchsichtigen Horn-Arbeiten, seinen weißen, bunten, vergoldeten u. versilberten Papierarten aus Bambus, der inneren Rinde des Papier-Maulbeerbaums u. Baumwolle, ferner Glas, künstlichen Blumen, Porzellan, Feuerwerk, ihre Kunst zu färben, zu legiren u.s.w. sind wahrhaft bewundernswerth. In der Seidenproduction übertrifft Ch. alle Länder der Erde; ihre seidenen Gewebe sind vorzüglich, die Anwendung u. Verbreitung derselben höchst mannichfach (Gewänder, Hemden, Strümpfe, Schuhe, Stiefeln, Mützen etc.); weniger geschickt sind sie im Bedrucken derselben. Die europäischen Wollenzeuge werden dagegen von den chinesischen nicht erreicht; die Tuchfabrikation steht auf sehr niederer Stufe. Die chinesischen Handwerker bilden besondere Vereine mit bestimmten Satzungen, Festlichkeiten u. dgl.; doch herrscht vollständige Gewerbefreiheit, Recht der freien Association u. freien Niederlassung; sie arbeiten meist auf offener Straße od. ziehen umher. Viele Erfindungen waren den Chinesen früher bekannt als den Europäern: Papier. Magnetnadel u. Compaß schon vor Chr. Geb., ebenso das Schießpulver, das sie jedoch nur zu Feuerwerken benutzen (ihre Schießwaffen sind immer noch vorzugsweise Bogen) Bücherdruck (mit geschnittenen Holztafeln) Ende des 6. Jahrh. nach Chr.; Druck mit beweglichen Typen Ende des 11. Jahrh. n. Chr., ferner Glocken (doch heute noch ohne Klöppel), Schnellwage, Decimalsystem, eine Rechenmaschine, Kettenbrücken, Spritzen, Artesische Brunnen, die Heizung u. Beleuchtung mit Gas. Angenommen haben sie von europäischen Erfindungen (welche Lin in seinem umfangreichen Werke Haikur-tu-tschi [s. Chines. Literatur] bespricht) Teleskope, Mikroskope, Barometer, Uhren, Spieldosen u.a.; überhaupt sind sie im Nachahmen geschickt, weniger da, wo es auf eignes tieferes Nachdenken u. mathematische Genauigkeit ankommt.
Handel. Die Chinesen besitzen nächst den Juden von allen Völkern der Erde die meisten Anlagen zum Handel, vom Großhandel bis zum Schacherkram. Überall sieht man Läden, Buden, Magazine u. dgl. Der Binnenhandel ist bedeutend u. wird durch die zahlreichen größeren u. kleineren Flüsse, wie durch ein treffliches Kanalsystem begünstigt. Zuverlässige u. genaue Nachrichten über den Umfang des Binnenhandels fehlen uns bei der strengen Abgeschlossenheit des Landes gänzlich. Die Schiffe sind ohne Kiel u. halbmondförmig; das Hintertheil sehr hoch, dort sind die Zimmer des Capitäns u. der Matrosen, die der Passagiere dagegen u. die Küche an der Seite angebracht. Stromaufwärts werden die Schiffe von Menschen gezogen. Zur See sind indessen die Chinesen trotz ihrer frühen Kenntniß der Magnetnadel höchst unwissend u. ungeschickt, daher auch nur Küstenfahrer. Der auswärtige Handel der Chinesen steht mit der Größe u. dem Productenreichthum des Landes nicht in richtigem Verhältniß. Haupthandelsartikel der Ausfuhr ist der Thee (1856–1857165 Millionen Pfund) ferner Zucker, Seide u. Seidenzeuge, Baumwollenzeuge (Nanking), Reis, Arzneipflanzen (namentlich Rhabarber), Gewürze, lackirte Waaren, Porzellan, legirte Metalle, Quecksilber, Borax, Alaun u.a. Der Werth der Gesammtausfuhr belief sich 1855–56 auf nahe an 60 Millionen Thaler. Eingeführt werden namentlich [11] Opium (auf bewaffneten Schiffen eingeschmuggelt; im Jahr 1855: 53,321 Kisten), ferner Baumwolle (gegen 17 Mill. Pfund), Baumwollengarne, wollene Tuche (fast ausschließlich von England, auch von Rußland, aber nur auf dem Landwege), andere Wollenwaaren, Pelzwerk, Glaswaaren, Arecanüsse, Vogelnester etc. insgesammt ungefähr für 20 Mill. Thaler. Chinesische Kaufleute gehen zu Lande in Karawanen nach Tibet, der Bucharei, bis nach Turkestan, Ili, an die russische Grenze u. nach der Mongolei, mit Birma wird von u. über Yün-nan, mit Korea über die Mandschurei u. auch zur See direct gehandelt, außerdem auch Seehandel mit Japan, Singapoore, Manilla, Batavia, Annam, Siam u. Malakka. Ehedem war der einzige den Europäern geöffnete Handelshafen Canton u. der Handel einer monopolisirten Gesellschaft von 10–12 chinesischen Kaufleuten (den sogenannten Hong-[Hongkong]-Kaufleuten) übertragen, welche indeß nur mit privilegirten Compagnien, wie z.B. der Englisch-ostindischen, verkehren durften. Durch den Vertrag von Nanking (26. Aug. 1842) u. die Supplementarconvention vom 8. Octbr. 1843 wurden jedoch den Engländern außerdem noch die 5 Häfen Futschen-su, Ning-po, Schang-hai, Tsche-kiang u. Amoy geöffnet, das Monopol des Hong aufgehoben u. die Einfuhrzölle durchschnittlich auf 5 Proc. festgesetzt. Bald darauf schlossen auch die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Frankreich, Schweden u. Dänemark ähnliche Verträge ab, u. in neuester Zeit beabsichtigt namentlich England, die Eröffnung noch mehrerer Häfen, wie überhaupt erweiterten Verkehr zu erzwingen. Auch Rußland hat durch den kaiserlichen Erlaß vom 1–13. August 1855 eine Umgestaltung des russisch-chinesischen Handels angebahnt. Die Vermittelung des Handels geschieht hauptsächlich durch Mäkler. Banken gibt es in Ch. schon seit Jahrhunderten, doch scheinen dieselben alles Girogeschäft auszuschließen u. sich nur auf Depositen u. Anleihen zu beschränken; Assecuranzgesellschaften, nach europäischen Begriffen, kennen die Chinesen dagegen nicht, nur in neuester Zeit hat man angefangen, Versicherungen gegen Feuersgefahr anzunehmen. Leihhäuser gibt es in großer Menge, autorisirte nehmen 2–3 Proc., nichtautorisirte, welche größere Vorschüsse geben, bis zu 10 Proc. Die Verkehrsmittel sind nicht genügend, im Süden reist man fast nur zu Schiffe, im Norden in Palankins od. Wagen ohne Federn u. Sitze, auf Segelschubkarren u. Eseln. Um den Chausséebau kümmert sich der Staat nicht; die Landstraßen werden von freiwilligen Stiftungen u. Beiträgen erhalten, Weg- u. Kanalabgaben gibt es nicht, ebenso ist die Benutzung der Fähren unentgeltlich, zu letzteren gewährt die Regierung eine Beisteuer. Gasthäuser u. Herbergen sind mangelhaft, das Bett müssen sich die Reisenden selbst mitbringen, doch gibt es im Innern Gesellschaften, welche die Reisenden unentgeltlich beköstigen; an einzelnen größeren Landstraßen findet man bessere Gasthäuser. Reisende Beamte werden in Staatsgasthäusern auf Regierungskosten unterhalten. Die Post existirt fast ausschließlich für die Regierung, u. die officielle Correspondenz u. der Privatbriefwechsel wird durch Commissionäre unterhalten u. ist sehr unsicher. Münzen, Mäße u. Gewichte. Man rechnet nach Tael (Liang) zu 10 Maces (Thsian, Tschun) à 10 Candarins (Fen, Fun) à 10 Cash (Li). Diese Eintheilung gilt zugleich als Grundlage für die Gewichtseintheilung. Geprägte Münzen in Gold od. Silber gibt es nicht. Große Zahlungen werden in Gold- u. Silberbarren geleistet (hauptsächlich kegelförmige Silberbarren, sogenanntes Syceesilber). Zur Basis dient der Tael in Silber 6488/495 eine seine Mark, also ungefähr 2 Thlr. preuß. Cour. (genau 2,00405 Thlr.) od. 1 Gewichtstael reines Silber gegen 1 Rechnungstael mit Procenten Prämie. Der Feingehalt der Silberbarren wird nach Toques (Hunderttheilen) bestimmt, die gewöhnliche Feinheit ist 94 Toques (94/100) u. wird durch aufgedrückte Stempel bezeichnet; es gibt Barren von 1/2 bis 100 Tael à 37,11 franz. Grammes, 16 Tael bilden 1 Catti. Gold ist nur Waare, sein Preis ist durchschnittlich 22 Dollars für 1 Gewichtstael sein Gold. Von wirklich geprägten Münzen existiren nur die Cash, sie sind gegossen, entweder aus reinem Kupfer od. aus Kupfermischungen (namentlich mit Blei, Zink od. Arsenik), rund, in der Mitte ein. 4eckiges Loch zum Anreihen u. mit erhabenem Rand; auf dem Avers 4 Schriftzeichen, wovon 2 den Werth der Münze, die 2 andern den Ehrennamen der Regierungsepoche, welcher sie angehören, bezeichnen; der Revers ist auf den ältern Münzen meist leer, auf den neueren in Mandschuschrift der Werth u. Münzhof darauf. Beim Gebrauch werden sie gewöhnlich auf Draht od. Schnüren gereiht; ihr Curs schwankt von 800 bis 1800 auf den Tael. Buch u. Rechnung der in den 6 Häfen ansässigen Europäer wird gewöhnlich in spanischen Dollars gestellt, u. dann 72 Dollars = 100 Tael gerechnet. Wechselcurse sind auf London ± 54 Pence Sterling für 1 span. Dollar, auf die Indobritischen Hafenplätze ± 225 Companyrupien für 100 span. Doll. u. in neuester Zeit auch auf San Francisco (spanische gegen amerikanische nach Curs) gestellt. Maße: Längenmaße gibt es sehr verschiedene; a) das der Kaufleute: Tschih (Fuß = 0,374 Meter = 1,193 preußische Fuß) zu 10 Tsun à 10 Fan; b) des Zollamts der Tschih (mit der nämlichen Eintheilung) zu 0,358 Meter = 1,141 preuß. Fuß; c) der Feldmesser zu 0,319 Meter = 1,020 preuß. Fuß, dann noch der Bau-, Schneider- etc. Fuß mit geringen Abweichungen. Der Pu (Schritt) hat 5 Feldmesserfuß = 1,598 Metres; Tschang (Ruthe) 10 Feldmesserfuß = 3,196 Metres; Li (Meile) = 180 Tschang = 0,575 Kilometer. Im Großhandel wird meist nach englischem Yard gerechnet. Feldmaß: King (Fu, Acker) zu 100 Muh à 5 Tschih u. = 0,96 preuß. Morgen. Getreidemaß: Sei (Scheffel = 122,43 Litres = 2,227 preuß. Scheffel) zu 2 Hwo à 10 Schin à 10 Ho à 2 Yo. Flüssigkeiten werden im Innern gewogen, in den Hafenstädten nach dem englischen Gallon vermessen. Gewichte: Handelsgewicht: der Pi-kul (Centner zu 1000 Catties (1 Catty = 604,789 Grammes = 1,3 Pf. Avardupois = 1,293 preuß. Pf.) à 10 Tael. Gold- u. Silbergewicht 1 Tael (37,583 Grammes) zu 10 Tschih (Mace) à 10 Fen (Candarin) à 10 Li (Cash) à 10 Si à 10 Hoot, der Feingehalt nach Toques (Hunderttheilen).
Literatur. Vergl. außer den Originalquellen (s. Chinesische Literatur) noch: A. Kircher, China illustrata, Antw. 1667; Extraits de voyages faits à la Chine in den Mémoires conc. les Chinois, die spätern von Staunton, Lond. 1797 u. Barrow, Lond. 1804; Grossier, Description [12] topographique de la Chine (der 13. Band der Hist. générale de la Chine), deutsch, Frankfurt 1792, 2 Bde.; Morrisson, View of China, Macao 1817; Clarke Abel, Narrative of a journey in the interior of China, London 1818 (deutsch von Schmidt, Lpz. 1825 f., 3 Bde.); Alexander, Costumes of China, Lond. 1805; J. F. Davis, Description of China, Lond. 1836, 2 Bde. (deutsch, Stuttg. 1853, 4 Bde.); C. Gützlaff, China opened, Lond. 1838, 2 Bde.; Richard, Fan-Kuei, od. der Fremdling in China, nach dem Engl. des Downing, Aachen 1841, 2 Bde.; S. Welns Williams, The midde kingdome, Lond. 1848, 2 Bde. (deutsch Kassel 1852–54); J. T. Meadow, The Chinese and their rebellions, Lond. 1856; I. F. Davis, China: a general description of that empire and its inhabitants, with the history of foreign intercourse down to the events which produced the dissolution of 1857, Lond. 1857, 2 Bde.; R. Fortune, A residence among the Chinese: Inland, on the coast, and at sea, Lond. 1857; Huc, Christianity in China, Lond. 1857, 2 Bde.; W. C. Milne, Life in China. Lond. 1857; O. Oliphant, China, Lond. 1857; Thom. de Quincey, China, Edinb. 1857; Williams, The middle kingdom, New-York 1857, 2 Bde.; Plath, Asien, Lpz. 1857–58.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.